Читать книгу: «Bis die Gerechtigkeit dich holt», страница 4

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13

„Guten Morgen, meine Schöne.“

Sascha hatte Lisa am Sonntag zum Frühstück eingeladen und nun stand sie aufgeregt mit einer Tüte Brötchen vor seiner Tür. Er bat sie ins Haus und nahm ihr die Jacke ab. Sie stand in einem indirekt beleuchteten Flur. An den Wänden hingen Fotos von Bäumen aus den verschiedensten Ländern der Welt.

Sascha hängte Lisas Jacke an die helle Holzgarderobe und schob sie in die lichtdurchflutete Küche. Die große Tür zur Terrasse stand offen, Lisa sah das satte Grün der Weinberge und den strahlend blauen Frühsommer-Himmel. Als sie ans Fenster trat und hinausblickte, schlang er von hinten die Arme um sie und küsste sie in den Nacken, nachdem er die blonden Haare zur Seite gestrichen hatte.

„Schön ist es hier, dieser Ausblick ist gigantisch. Nur blauer Himmel und Wein, da hast du doch jeden Tag gute Laune, oder?“

„Na klar, komm, ich zeig dir das Haus, der Kaffee ist noch nicht durchgelaufen.“

Sascha lief voraus und öffnete die Tür zum Wohnzimmer. Es war leuchtend gelb gestrichen und hohe Bücherregale bedeckten eine ganze Wand, gegen­über war eine graue Sitzecke mit vielen bunten Kissen, davor war ein kleiner Tisch mit Zeitschriften bedeckt.

„Wir befinden uns hier im ursprünglichen Altbau, die linke Hälfte, die du von vorne gesehen hast, haben die Vorbesitzer vor einigen Jahren angebaut. Eigentlich ist es ein altes Fachwerkhaus, aber hier im Erdgeschoss konnte es nicht erhalten werden. Man hat dann einige alte Balken gerettet und in der Innenwand eingebaut. Oben ist mehr vom alten Charakter zu sehen.“

Wie immer, wenn ihn etwas sehr begeisterte, sprach Sascha voller Hochachtung und Energie da­rüber. Er zeigte ihr das kleine Gäste-Bad unten und zog sie dann an der Hand ins obere Stockwerk. Dort führten sowohl das Schlafzimmer als auch das Arbeitszimmer auf einen großen Balkon hinaus. Lisa lehnte sich an das Geländer und schloss die Augen. Der Atem von Sascha, den sie in ihrem Nacken spürte, erregte sie ungemein. Ein leichtes Zittern lief durch ihren Körper. Sie hatte schon mit zwei Männern geschlafen, aber es war alles andere als schön gewesen. Die Vorstellung, dass es mit Sascha auch missglücken könnte, ließ sie ein Stück abrücken. Er runzelte die Stirn und sah sie von der Seite an.

„Habe ich etwas falsch gemacht?“

Lisa lehnte sich nun an Sascha und flüsterte: „Nein, gar nicht, ich habe nur ein wenig Angst, dass ich das alles hier nicht richtig mache und du vielleicht enttäuscht bist.“

„Oh, nein, mach dir keine Sorgen, es ist gut so, wie es ist. Wir haben doch alle Zeit der Welt, um zuein­ander zu finden. Ich werde dich zu nichts drängen. Dazu bist du mir viel zu wichtig, ich würde dir niemals wehtun.“

„Danke. Und jetzt habe ich Hunger!“

Sie liefen die Treppe hinunter und setzten sich in der Küche an den liebevoll gedeckten Tisch. Lisa fühlte sich nun locker und entspannt, denn sie wusste, dass hier der Mann saß, der sie in eine neue Zeit führen würde. Nach dem Frühstück zeigte Sascha Lisa noch die andere Haushälfte mit dem Fotolabor und dem kleinen Laden. Wie im gesamten Haus war auch dort alles voller aussagekräftiger Fotos, aber hier dominierten Gesichter von Menschen die Ausstellung. Alte Menschen, Kinder, Zwillinge, Frauen und Männer sahen aus wie gute Bekannte des Fotografen, der es schaffte, jedes Gesicht in seiner ganzen Schönheit darzustellen.

„Ich sehe die Menschen, ich fotografiere sie nicht nur. Wenn die Welt um sie herum im Vergessen versinkt, dann drücke ich auf den Auslöser, das bringt diese faszinierende Natürlichkeit zutage. Es war wie bei dir. Weißt du, ich mag gar keine Models fotografieren, deren Schönheit ist nicht ehrlich. Schau hier, die alte Frau, die ihren Hund küsst, das ist Leben, nicht das gekünstelte Posieren.“

Lisa war vor dem Bild stehengeblieben. Die Frau musste um die Siebzig sein und hatte weiße Haare und eine Menge Falten, trotzdem war sie wunderschön, denn die Liebe zu dem kleinen Hund war deutlich in ihren Augen zu lesen. Lisa lobte Sascha für die Kunstwerke. Dann erschrak sie, denn auf einem Bild war sie selbst zu sehen, natürlich schön auf der kleinen Mauer zu Füßen des Schlosses Johannisberg. Ihre Augen leuchteten, sie schaute hinunter zum Rhein. Lisa erinnerte sich gar nicht da­ran, dass er sie in dem Moment fotografiert hatte und verstand nun, was er damit meinte: „… wenn die Welt um sie herum im Vergessen versinkt …“

Am Abend war Lisa wieder zuhause und sie telefonierten noch einmal, um sich ein letztes Mal für diesen Tag Gute Nacht zu sagen.

14

Pit Deicker war gerade wütend aus dem Büro gelaufen und hatte die Tür hinter sich zugeknallt. Michael schaute Bianca an, die erleichtert aufatmete. Pit hatte den Abschlussbericht der Spurensicherung gebracht und dann versucht, sich mit Bianca zu verabreden. Als sie keines seiner Angebote annahm, war er unhöflich geworden.

„Du weißt doch, dass ich dich liebe, ich kann nicht einfach aufgeben und ich werde es auch nicht. Du kannst doch gar nicht ohne mich leben, mein Schatz. Du brauchst mich! Du musst …“

Als er das vierte Mal sehr betont DU gesagt hatte, war Michael, den Pit einfach ignoriert hatte, zu Bianca gegangen, hatte sie auf die Wange geküsst und den Arm um sie gelegt. Bianca hatte den Wink verstanden und ihn verliebt angelächelt.

„Ach, so ist das“, sagte Pit mit einer steilen Zornesfalte auf der Stirn. „Du bescheißt mich mit dem hier. Glaub ja nicht, dass ich euch hier in eurem Liebesnest in Ruhe rummachen lasse. Du wirst schon noch kapieren, zu wem du gehörst.“

Dann drehte er sich abrupt um und lief hinaus. Michael hatte Bianca wieder losgelassen und war zu seinem Schreibtisch zurückgegangen, wo er sich nun setzte und die Akte der Spurensicherung aufschlug.

„Danke“, flüsterte Bianca sanft.

„Liebe Kollegin, das habe ich doch gerne getan, aber ich muss dir sagen, ich habe Angst um dich. Wirklich!“

„Das musst du nicht, aber wenn es dich beruhigt: Ich werde gut auf mich aufpassen. Er tut nur so böse, in seinem Herzen ist er ein weicher, verletzlicher Kerl.“

„Mann, der Typ hat dir gedroht. Und ich bin ja nicht immer da, um dich zu beschützen. Ich habe keine ruhige Minute mehr.“

„Ich gehe zweimal in der Woche zum Kampfsport und bin da sehr fit. Mach dir keine Gedanken, aber danke trotzdem für deine Unterstützung. Wenn etwas ist, dann komme ich zu dir.“

„Gut, dann lass uns arbeiten. Hier steht, dass Rizzo eine Waffe hatte, die er laut Hausmeister im Laster, der ihm tatsächlich selbst gehörte, aufbewahrt hatte. Ich habe keine gesehen. Du?“

„Nein, aber ich war nicht im Auto. Hast du ins Handschuhfach gesehen?“

„Da waren nur Schokoriegel und Hustenbonbons drin. Vielleicht hat Rizzo die Waffe mit ins Haus genommen. Ich lese mal weiter, hier ist eine Liste, was die Spusi drinnen gefunden hat. Hm … Geld, Schmuck im Tresor, Papiere … keine Waffe. Was soll das für eine Waffe sein? Wo steht denn das?“

Michael blätterte langsam weiter, bis er die Angaben fand. Es war nach Aussage des Hausmeisters eine moderne, russische Pistole, für die Rizzo natürlich keinen Waffenschein besaß. Mit ihr war eine Schachtel Munition verschwunden.

„Mist“, erklärte Michael, „diese Dinger gibt es wie Sand am Meer. Sicher hat Rizzo sie auf dem Schwarzmarkt gekauft. Was denkst du, wer die jetzt hat?“

„Entweder hat der Hausmeister die Gelegenheit genutzt und sie geklaut oder, was weitaus schlimmer wäre, der Täter läuft jetzt mit dieser Waffe herum. Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, was er damit tun kann.“

Michael nickte, auch ihm war mulmig, wenn er daran dachte, dass jemand da draußen mit einer Tasche voller Patronen und einer tödlichen Waffe auf dem Weg zum nächsten gewalttätigen Kinderschänder war.

„Bianca, komm mit, wir müssen zu deiner Freundin Nele! Es gibt doch sicher eine Liste mit Leuten, die Kinder oder Frauen misshandelt haben und dann freigesprochen wurden.“

„Das nenne ich mal eine interessante Idee, vielleicht können wir einen weiteren Mord verhindern. Es sei denn …“

Michael blickte neugierig zu Bianca.

„Es sei denn?“

„Es sei denn, die beiden Morde habe gar nichts miteinander zu tun.“

„Das sagt ausgerechnet die Frau, die immer auf ihr Bauchgefühl hört? Glaubst du das wirklich?“

„Nein, natürlich nicht, aber wir müssen doch alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.“

Bianca stieß Michael an, der nachgedacht hatte und dann folgte er ihr zum Auto. Von unterwegs rief sie bei Nele an und erklärte, warum sie ihre Hilfe benötigten. Als sie ins Büro der Staatsanwältin traten, waren gerade die Akten gebracht worden, die die Fälle enthielten, bei denen der Täter entweder freigesprochen oder gar nicht erst angeklagt worden war.

„Ach, du Scheiße“, entfuhr es Michael, als er den Berg von Ordnern erblickte.

Nele Wolf-Kritzek nickte und bot den Kommissaren einen Platz an. Sie trug heute ein dunkelblaues Kostüm mit einer weißen Bluse, deren zwei obere Knöpfe offen waren. Sie sah unwiderstehlich gut aus. Michael konnte seinen Blick nicht von ihr lassen. Bianca und Nele hatten sich angesehen und nun grinste die Staatsanwältin ihn ungeniert und offen an.

„Herr Kommissar, muss ich Sie wegen unanständigen Starrens anklagen? Es wartet ein Berg Arbeit, im wahrsten Sinne des Wortes. Kaffee?“

Michael war tatsächlich errötet und nickte automatisch. Nele sagte ihrer Sekretärin, was sie wollten und dann nahm sich jeder einen Stapel Akten und setzte sich in eine andere Ecke des Zimmers. Bianca hatte den Sessel ans Fenster gerückt, Michael blieb auf der Couch und Nele setzte sich in ihren Schreibtischsessel. Die Sekretarin kam fünf Minuten später ins Zimmer, das Abstellen des Tabletts und das leise Klirren der Tassen war neben dem Rascheln des Papiers beim Umblättern das einzige Geräusch. Sie schlich wieder hinaus und ließ ihre Chefin und die Kommissare alleine.

Nach einer halben Stunde schaute Bianca auf, sie hatte feuchte Augen, als sie sagte: „Das sind die Abgründe der Menschheit. Mir läuft es schon eiskalt den Rücken hinunter, wenn ein Erwachsener sich an einem anderen Erwachsenen vergreift, aber das, was manche kleinen Kindern antun, die hilflos und zerbrechlich sind, das ist furchtbar. Es ist an Grausamkeit nicht zu überbieten. Warum tut ein Mensch so etwas?“

„Ich weiß es nicht. Manchmal haben die Täter in ihrem Leben selbst viel Gewalt erlebt und können Konflikte nicht anders lösen.“

„Aber das entschuldigt doch nicht das, was sie Kindern antun! Man kann doch nicht alles, was passiert, mit einer schrecklichen Kindheit entschuldigen!“, rief Michael, der blass und traurig aussah. „Im Gegenteil, ich denke, dass man es doch dann auf jeden Fall besser machen will mit seinen Kindern.“

Nele schaute ihn ernst an.

„Ich habe nie verstanden, warum mein Vater mir das angetan hat. Er sagte immer, es wäre meine Schuld gewesen. Ich hätte ihn provoziert oder Fehler gemacht. Mein halbes Leben lang habe ich geglaubt, dass er Recht hat. Die Opfer schämen sich, sie reden nicht, sie geben sich selbst die Schuld und niemand, absolut niemand kann dich in so einer Situation beschützen. Mein kleiner Bruder musste immer mit ansehen, wie mein Vater mich misshandelt hat und er hat nicht begriffen, was da geschieht. Er macht sich heute die größten Vorwürfe und gibt sich die Schuld, dass er mir nicht beigestanden hat. Er war doch noch so klein … er … konnte mir nicht helfen. Selbst meine Mutter hat es nicht getan.“

Nele zitterte vor Ergriffenheit und vor Wut. Sie hatte den Absprung aus eigener Kraft geschafft, dann den besten Abschluss in der Schule gemacht, das Jurastudium auch mit Bestnoten bestanden und ihr Leben im Griff. Sie machte mit Bianca Kampfsport, denn sie hatte sich geschworen, dass sie niemals mehr ein Opfer sein würde. Dieses Gefühl hatte sie längst hinter sich gelassen. Jeder Mann, der ein Kind misshandelt hatte, jede Frau, die ihrem Kind Gewalt angetan hatte, musste mit einer harten Strafe rechnen, wenn Nele ermittelte. Nur manchmal musste sie sich geschlagen geben, so wie bei Rizzo und wie bei Robert Weißlinger.

„Und jetzt sitzen wir hier und müssen diese Verbrecher vor einer Bestrafung schützen. Also, ich schlage vor, wir teilen das alles wie folgt ein: Ein Stapel mit den Fällen, bei denen die Anzeige zurückgezogen wurde, einer mit denen, wo man dem Täter nichts nachweisen konnte und einer, wo der Täter nur eine geringfügige Strafe erhalten hat. In Ordnung?“

Michael und Bianca nickten und begannen, die einzelnen Akten umzuschichten.

„Wen befragen wir zuerst?“

„Übernehmt ihr doch den ersten Stapel, ich besorge noch Leute, die die anderen befragen.“

Michael nickte.

„Glauben Sie mir, es tut mir sehr leid, was Ihnen passiert ist, aber leider dürfen wir uns keine persönliche Meinung gönnen. Was ist denn mit dem Gedanken, dass Rizzo von einem anderen getötet wurde? Mord im Milieu?“

„Das halte ich für ausgeschlossen. Ein guter Mann, der für mich arbeitet, hat sich schon umgehört. Es gab nichts Besonderes, womit Rizzo zu tun hatte. Die Szene hüllt sich in Schweigen.“

„Dann bis heute Abend“, sagte Bianca und küsste Nele auf die Wange.

Die drückte Biancas Hand. Die Freundin hatte schon oft zugehört, wenn Nele mit ihrem Schicksal haderte. Diese Selbstzweifel, die Gedanken, nicht gut genug zu sein, die würde sie ein Leben lang mit sich herumtragen. Sie hätte damals ihren Peiniger sehr gerne angezeigt und hinter Gitter gebracht, was ihr eine große Befreiung gewesen wäre. Doch sie hatte nicht den Mut dazu gefunden. Aber die seelischen Wunden würden niemals heilen, sie waren zu tief.

15

Kendra saß mit ihrer Mutter im Café.

„Mutter, warum hast du zugelassen, dass Vater Nora immer wieder erniedrigt und wehgetan hat?“

„Ach, Kind, das ist doch nichts, was wir in einem Café bereden können. Außerdem weiß ich nicht, was ich dir erklären soll. Ich wusste so gut wie nichts davon und bin dann sofort mit dir weg, als das mit Papa passiert war. Ich möchte nicht mehr daran denken.“

„Aber ich möchte daran denken. Hast du in der Zeitung von der kleinen Hanka gelesen, die von ihrem Stiefvater misshandelt, vergewaltigt und getötet worden ist?“

„Darum lese ich keine Zeitung. Da stehen doch nur grausame Dinge drin. Ich will das nicht wissen.“

„So, wie du nicht wissen wolltest, was Vater getan hat?“

Kendra hätte ihre Mutter am liebsten geschüttelt und gerüttelt, so gleichgültig klang ihre Stimme und so wenig Anteilnahme sah sie in ihren Augen. Wie konnte man als Mutter, die ein Kind lieben und beschützen soll, zusehen, wie es zugrunde geht? Mutter war zu Kendra immer liebevoll und nett gewesen, auch der Vater war ganz normal zu ihr. Aber er war ein Monster, wenn er Nora gegenübertrat.

Kendra hatte sich meist zurückgezogen, wenn er zu schreien begann, aber oft hatte sie hinter der Tür gestanden und zugesehen. Sie konnte kaum atmen, wenn sie sah, wie der Mann, der eben noch mit ihr gespielt hatte, Nora an den Haaren zog oder ihr mit ganzer Kraft in den Rücken trat. Einmal hatte er ihre Hand genommen und auf die heiße Herdplatte gerückt. Noras Schreien war so furchtbar, dass Kendra in den Schrank geflüchtet war und sich einen Mantel über den Kopf gezogen hatte. Mutter war dann mit den beiden am nächsten Tag zum Arzt gegangen und hatte ihm erklärt, wie ungeschickt Nora war. Der Arzt behandelte die Wunde, fragte aber nicht weiter nach. Nora hatte nicht die Kraft, die Wahrheit zu sagen und Kendra wusste nicht, ob man ihr glauben würde. Sie war der Überzeugung, dass ihre Mutter schon das Richtige tat, schließlich war sie erwachsen. Nora lächelte ihrer kleinen Schwester tapfer zu und nickte.

Abends sagte sie immer: „Ich bin nun mal sehr ungeschickt, meine Kleine, der Papa meint das nicht so, er ist zurecht böse auf mich.“

Heute wusste Kendra, wie unrecht Nora hatte. Niemand hatte das Recht, kleine Kinder zu quälen.

Jetzt kam der Kellner mit den Eisbechern, die ihre Mutter bestellt hatte, daneben stellte er je einen Milchkaffee. Kendra schaufelte wütend und schweigend das Eis in sich hinein. Es war so viel in ihr, was sie sagen wollte, aber sie war wie gelähmt. Die Mutter erzählte unbefangen von ihrem geplanten Urlaub mit ihrem neuen Freund.

„Was denkst du, was besser ist? Kanada oder lieber Florida? Ich denke ja, dass Florida schöner ist, vor allem ist da Sonne, in Kanada ist es kalt und womöglich liegt da teilweise noch Schnee. Ich hasse Schnee und Kälte. Horst mag das.“

Schnee. Schnee mit roten Blutflecken. Kendra schüttelte sich, sie selbst wusste sehr genau, warum sie Schnee hasste. Gerade hatte sie wieder das Bild von Nora vor Augen, die auf dem schmutzigen Schnee gelegen hatte. Sie steckte den Löffel ins Eis, an Weiteressen war nicht zu denken. Am liebsten wäre sie aufgestanden und weggelaufen. So kann das nicht weitergehen, dachte sie erschüttert, erstens darf ich diese Frau nicht mehr treffen und zweitens muss ich eine Therapie machen.

Sie rief den Kellner zu sich, bezahlte ihr Eis und den Kaffee, warf die Serviette auf den Tisch und stand auf.

„Flieg du mal schön nach Florida und vielleicht bleibst du gleich da! Ruf mich bitte nicht mehr an und vergiss diese Treffen. Ich kann das nicht mehr ertragen und werde mir jetzt Hilfe suchen.“

Sie hörte nicht mehr, wie ihre Mutter sagte: „Aber Kind, warum sollte ich denn in Florida bleiben? Wo willst du denn hin?“

Missmutig und ratlos schüttelte Kendras Mutter den Kopf. Kendra lief ziellos durch die Straßen, als ihr Lisa einfiel. Sie wühlte in der Handtasche und hielt kurze Zeit später ihr Handy in der Hand. Zuerst blockierte sie die Nummer ihrer Mutter, dann wählte sie die von Lisa.

„Ja?“, fragte eine weiche Stimme.

„Ich bin es, Kendra. Wir haben uns lange nicht gesehen. Ich brauche jemanden zum Reden. Hast du Zeit?“

„Aber natürlich. Wollen wir heute Abend zusammen essen gehen? Ich habe tolle Neuigkeiten.“

16

Es klatschte laut, als die Handfläche von Bodo Klarf um sechs Uhr abends die Wange seiner Frau Nadja traf. Ihr Kopf wurde zur Seite gerissen, die Haare wirbelten durcheinander. Ehe Nadja wieder zu sich kam, griff die sorgfältig manikürte Hand ins lange, blonde Haar. Bodo zog Nadja mit sich ins Schlafzimmer, wo er sie auf das Bett stieß. Dass Nadja mit dem Kopf hart auf die Holzkante des Nachttisches aufschlug, störte ihn wenig. Er zog mit Schwung den Gürtel aus der Hose seines gepflegten Anzuges, legte das Jackett ordentlich über den Herrendiener und lockerte die Krawatte, sein Gesicht war vor Zorn gerötet.

„Was fällt dir ein, du Schlampe? Ich komme von der Arbeit heim und du hast nichts Besseres zu tun, als mit irgendeiner anderen Schlampe zu telefonieren? Was denkst du denn, wann ich etwas zu essen bekomme?“

Am Ende jeder Frage war das harte Leder des Gürtels auf Nadjas Körper niedergegangen. Nadja zuckte jedes Mal vor Schmerzen zusammen, aber sie schrie nicht, sie schrie niemals, denn sie konnte nicht schreien. Vor zwei Jahren hatte sie Bodo in einem Anfall von Raserei so lange gewürgt, dass ihr Kehlkopf dauerhaft so geschädigt war, dass sie nicht mehr laut sprechen und auch nicht mehr schreien konnte.

Auch jetzt kam nur ein leises Röcheln aus ihrem Mund.

„Hör auf, bitte, ich mache dir sofort etwas zu essen“, flehte sie flüsternd.

„Steh auf, du Dreckstück!“

Nadja richtete sich langsam und vorsichtig auf und versuchte zu stehen.

„Schneller, du faule Schlampe!“

„Ich bin soweit. Lass mich in die Küche gehen.“

„Zieh dich aus!“

„Nein, bitte …“

Der Gürtel sauste auf Nadjas rechte Schulter nieder. Nadja wimmerte. Dann zog sie rasch ihren Pulli über den Kopf und ließ ihn auf das Bett sinken. Ihr magerer Körper bebte vor Angst und Aufregung. Sie wusste, was nun kommen würde und hielt inne.

Bodo forderte unbeirrt: „Weiter, schneller!“

Nadja griff mit beiden Händen nach hinten und löste den Verschluss des roten Büstenhalters, dann warf sie ihn neben den Pulli. Sie wusste, dass sie sich weiter ausziehen musste und streifte die Designer-Jeans von den knochigen Beinen. Sie trug niemals Socken, denn die engten sie ein. Der kleine, rote Slip verdeckte wenig, aber alle besseren Unterhosen hatte Bodo weggeworfen.

„Leg dich hin!“

Nadja bekam nur noch mühsam Luft, vor Angst war ihre Kehle zugeschnürt. Jetzt ging Bodo ans Fenster, zog die Gardinen zu und die Hose mitsamt der Unterhose aus. Er kniete über Nadja auf dem Bett und schlug mit dem Gürtel zuerst auf ihre Brust, auf den Bauch und danach forderte er sie auf, sich umzudrehen. Bodo warf den Gürtel achtlos neben sich und riss Nadja an den Haaren hoch. Mit seiner großen, groben, rechten Hand ergriff er eine ihrer Brüste und presste sie so zusammen, dass Nadja sich vor Schmerzen wand. Die andere Hand versank in ihrer Scham und riss daran herum.

„Eine Frau muss ihren Mann versorgen und für ihn da sein. Dafür schafft der Mann das Geld heran. Das hat mein Vater schon zu meiner Mutter gesagt. Die hat auch nichts getaugt, dafür hat es immer mal einen Satz warme Ohren gegeben. Und du bist genauso ein Miststück, nicht mal etwas zu essen bringst du zustande. Da muss ich dich bestrafen, das verstehst du doch, oder?“

Er boxte sie mit der Faust in den Rücken. Seine sonst so hübschen, südländischen Züge waren zu einer bösen Fratze verzerrt, nichts erinnerte mehr an den Mann, den Nadja einmal geliebt hatte.

„Verstehst du das?“, wiederholte er Bodo gefährlich leise.

„Ja“, hauchte Nadja mit letzter Kraft.

„Na siehst du!“

Nun griff er wieder nach dem Gürtel, legte ihn von hinten um Nadjas Hals und zog das Lederende durch die Schnalle, dann drückte er sie nach vorne und drang ohne zu zögern in sie ein. Als er schreiend zum Höhepunkt kam, bemerkte er, dass Nadja bewegungslos in der Gürtelschlinge hing. Er ließ sie fallen, zog sich an und ging in die Küche. Als Nadja nach zehn Minuten immer noch nicht hinterherkam und wie sonst Essen machte, lief er zurück ins Schlafzimmer. Nadja lag auf dem Bauch, er drehte sie um und sah, dass ihre Augen weit aufgerissen in die Luft starrten, der Mund war geöffnet, die Zunge hing sinnlos heraus.

„Scheiße, diese dumme Schlampe! Jetzt krepiert die auch noch, das darf nicht wahr sein.“

Zornig fuhr er sich durch die schwarzen Haare, wandte sich ab und sah auf die Uhr. Dann schleppte er Nadja ins Bad, wo er sie ordentlich wusch. Er holte ein Kleid und neue Unterwäsche aus dem Schlafzimmerschrank und zog sie an. Die hohen Schuhe fand er im Flur im Schuhschrank. Er warf sie achtlos auf den toten Körper seine Frau, der neben der Wanne lag. Um Mitternacht würde er mit ihr an den Rhein fahren und sie entsorgen, dann ein paar Akten bearbeiten und sie morgens vermisst melden.

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