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Читать книгу: «Mann und Weib», страница 2

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III

Schon in der äußeren Erscheinung des Mr. Delamayn kündigte sich der Mann an, der seinen Weg im Leben unbeirrt zu verfolgen entschlossen ist. Sein bartloses Gesicht mit den scharfen Zügen, seine klaren grauen Augen, seine dünnen, fest geschlossenen Lippen sprachen deutlich: »Ich bin entschlossen, in der Welt fortzukommen; und, wenn Ihr mir im Wege seid, so müßt Ihr mir gutwillig oder mit Gewalt weichen.«

Mr. Delamayn war in der Regel gegen Jedermann höflich, aber kein Mensch hatte ihn je, auch nicht zu seinem besten Freunde, ein einziges überflüssiges Wort sagen hören. Er war ein Mann von seltener Begabung, ein Mann von nach den Gesetzen der Welt unbescholtenem Ruf, aber kein Mann, dem man vertraulich hätte die Hand reichen mögen. Es wäre Niemandem zu rathen gewesen, sich wegen eines Darlehns an ihn zu wenden, aber unbedenklich hätte man ihm eine Summe ungezählten Goldes anvertrauen dürfen. In Verlegenheiten privater und persönlicher Natur würde man Anstand genommen haben, ihn um seinen Beistand zu bitten; aber bei Verlegenheiten, die sich zu einer öffentlichen Verhandlung eigneten, würde Jeder sich gern an Delamayn gewandt und gesagt haben: »Das ist mein Mann« Er war ein Mann des sichern Erfolgs, man brauchte ihn nur anzusehen, um davon überzeugt zu sein.

»Mr. Kendrew ist einer meiner ältesten Freunde«, sagte Mr. Vanborough, zu dem Advokaten gewandt. »Was Sie mir auch zu sagen haben, sprechen Sie es ruhig vor ihm aus. Nehmen Sie ein Glas Wein?«

»Nein, ich danke.«

»Bringen Sie mir etwas Neues?«

»Ja.«

»Haben Sie die Gutachten der beiden von uns consultirten Advokaten bei sich?«

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Weil wir ihrer nicht bedürfen. Wenn die von Ihnen angegebenen Thatsachen richtig sind, so kann über die Anwendbarkeit des betreffenden Gesetzes auf dieselben nicht der geringste Zweifel obwalten.«

Mit diesen Worten zog Mr. Delamayn ein Schriftstück aus der Tasche und legte es vor sich auf den Tisch.

»Was ist das?« fragte Mr. Vanborough.

»Die schriftliche Darlegung der Ihre Verheirathung begleitenden Umstände.«

Mr. Kendrew stutzte und fing erst jetzt an, sich für die Unterhaltung zwischen Vanborough und seinem Advokaten zu interessiren, von der er bisher keine Notiz genommen hatte.

Mr. Delamayn sah ihn einen Augenblick an und fuhr dann fort:

Es ist die Darlegung Ihres Falls, wie Sie ihn selbst vorgetragen haben und wie ihn unser erster Schreiber zu Papier gebracht hat.«

»Wozu soll uns das jetzt noch nützen? fragte Vanborough; »Sie haben ja die nöthigen Erkundigungen über die Nichtigkeit meiner Angaben eingezogen, nicht wahr?«

»Und haben gefunden, daß ich im Rechte bin?«

»Ich habe gefunden, daß Sie im Rechte sind, wenn die hier niedergeschriebenen Angaben richtig sind. Ich möchte mich darüber vergewissern, daß kein Mißverständnis; zwischen Ihnen und meinem Schreiber stattgefunden hat. Es handelt sich hier um eine sehr ernste Angelegenheit. Ich soll die Verantwortlichkeit für eine von mir auszusprechende Ansicht übernehmen, die zu den nachhaltigsten Consequenzen führen kann, und ich wünsche mir daher, vor allen Dingen die feste Ueberzeugung zu verschaffen, daß meine Ansicht unbestreitbare Thatsachen zu ihrer Grundlage hat. Ich muß einige Fragen an Sie richten. Bitte, werden Sie nicht ungeduldig, es soll nicht lange dauern.«

Er blickte auf das vor ihm liegende Schriftstück und fing an zu fragen.

»Sie wurden vor dreizehn Jahren in Inchmallok in Irland getraut?

»Ja«

»Ihre Frau, damals Miß Anne Silvester, war katholisch?«

»Ja«

»Die Eltern Ihrer Frau waren gleichfalls katholisch?«

»Ihre Eltern gehörten der englischen Hochkirche an und Sie wurden auf den Glauben dieser Kirche getauft und in demselben erzogen?«

»Vollkommen richtig.«

»Miß Anne Silvester weigerte sich, Sie zu heirathen, weil sie zu einer andern Kirche, als Sie, gehörte?«

»So ist es.«

»Sie überwanden ihre Bedenken durch Ihre Bereitwilligkeit, zum Katholicismus überzutreten?«

»Es war der sicherste Weg, sie zu einer Verbindung mit mir zu bestimmen, und mir war die Sache gleichgültig.«

Sie wurden förmlich in den Schooß der katholischen Kirche aufgenommen?«

»Ich machte alle dazu erforderlichen Ceremonien durch.«

»Im Ausland oder in England?«

»Im Ausland.«

»Wie lange vor dem Tage Ihrer Heirath fand Ihr Uebertritt statt?«

»Sechs Wochen.«

Den Blick fortwährend auf das Schriftstück geheftet, verglich Mr. Delamayn diese letzte Antwort Vanborough’s besonders genau mit der desfallsigen von dem Schreiber aufgenommenen Angabe.

»Ganz in Ordnung«, sagte er, und fuhr fort zu fragen.

»Der Priester, der Sie traute, war ein gewisser Ambrosius Redman, ein junger Mann, der sein Amt erst seit kurzer Zeit übernommen hatte?«

»Fragte er Sie, ob Sie beide katholisch seien?«

»Ja.«

»That er noch weitere Fragen?

»Nein.«

»Sind Sie ganz sicher, daß er Sie nicht gefragt hat, ob Sie beide, bevor Sie sich von ihm trauen ließen, seit länger als einem Jahr katholisch seien?«

»Vollkommen sicher.«

»Dann muß er einen Theil seiner Obliegenheiten vergessen haben, oder hat sie vielleicht als Anfänger gar nicht gekannt. Fiel es weder Ihnen, noch Ihrer Braut ein, ihn über diesen Punkt aufzuklären?

Weder meine Braut noch ich wußten, daß es einer Aufklärung bedürfe.«

Mr. Delamayn faltete das Schriftstück zusammen und steckte es wieder in die Tasche.

»Es stimmt«, sagte er, »bis in die kleinsten Einzelheiten.«

Vanborough’s dunkelfarbiger Teint vermochte doch eine gewisse Blässe nicht zu verbergen. Er sah Kendrew verstohlen an und wandte sich dann wieder ab.

»Nun«, sagte er zu Mr. Delamayn; »bitte ich um Ihre Ansicht. Was sagt das Gesetz?«

»Die Bestimmungen des Gesetzes«, antwortete dieser, »sind vollkommen klar und unzweideutig. Ihre Heirath mit Miß Anne Silvester ist null und nichtig.«

Kendrew sprang auf.

»Was wollen sie damit sagen?« fragte er finster.

Der Advokat sah ihn mit höflichem Erstaunen an. Wenn Mr. Kendrew eine Auskunft wünschte, warum erbat er sie sich in diesem Ton? »Wünschen Sie eine nähere Mittheilung über die Bestimmungen des Gesetzes?« fragte er.

»Allerdings.«

Mr. Delamayn gab nun den Inhalt des Gesetzes an, wie es noch heutigen Tages zur Schande der englischen Gesetzgebung und der englischen Nation besteht.

»Durch ein irisches Statut Georg’s II.«, sagte er, wird jede von einem katholischen Priester vollzogene Heirath zwischen zwei Protestanten oder einem Katholiken und einer Person, die innerhalb der letzten zwölf Monate vor der Heirath Protestant gewesen ist, für null und nichtig erklärt. Und in Gemäßheit zweier anderer, unter derselben Regierung erlassenen Acte macht sich der Priester, der eine solche Heirath vollzieht, eines schweren Verbrechens schuldig. Für die irische Geistlichkeit der übrigen Confessionen sind diese Bestimmungen aufgehoben, für die katholischen Priester aber bestehen sie unveränderlich fort.«

»Das ist ja ein in unserer Zeit undenkbarer Zustand der Dinge!« rief Kendrew aus.

Delamayn lächelte. Die Illusion, daß wir in einem besonders erleuchteten Zeitalter leben, bestand für ihn schon lange nicht mehr.

»Das irische Ehegesetz«, fuhr er fort, »erscheint noch in anderen Beziehungen als eine merkwürdige Anomalie. Ein katholischer Priester macht sich, wie gesagt, eines schweren Verbrechens schuldig, wenn er eine Heirath vollzieht, die von einem Geistlichen jeder anderen Confession mit vollkommen gesetzlicher Gültigkeit vollzogen werden könnte. Nach einem anderen Gesetz kann ein katholischer Priester mit gesetzlicher Gültigkeit eine Heirath vollziehen, durch deren Vollziehung ein Geistlicher einer anderen Confession sich eines Verbrechens schuldig machen würde. Und nach noch einem anderen Gesetz begehen ein presbyterianischer und ein nonconformistischer Geistlicher ein Verbrechen, wenn sie eine Heirath vollziehen, die ein Geistlicher der Staatskirche ohne Anstand vollziehen dürfte. Ein sonderbarer, in den Augen von Ausländern vielleicht scandalöser Zustand der Dinge! In England scheint man keinen Anstoß daran zu nehmen. Um auf unseren Fall zurückzukommen, steht es damit so: Mr. Vanborough ist ein unverheiratheter Mann, Mrs. Vanborough ist ein unverheirathetes Frauenzimmer, ihr Kind ist ein uneheliches, und der Priester Ambrosius Redman hat die auf das Verbrechen ihrer Trauung stehende gesetzliche Strafe verwirkt.«

»Ein schmachvolles Gesetz« sagte Kendrew.

»Aber ein Gesetz«, lautete die ganze Antwort Delamayn’s.

Bis jetzt hatte Vanborough noch kein Wort geäußert. Mit fest geschlossenen Lippen, die Augen unverwandt aus den Tisch geheftet, saß er da. Nach einer Pause wandte sich Kendrew an ihn und brach das Schweigen mit der Frage! »Bezog sich der Rath, den Sie von mir wünschten, auf diese Angelegenheit?«

»Ja.«

»Soll ich das dahin verstehen, daß Sie in der Voraussicht dieser Conferenz und ihres möglichen Ergebnisses noch irgend welche Zweifel über das Verfahren, das Sie einzuschlagen verpflichtet sind, hegten? Soll ich wirklich glauben, daß Sie einen Augenblick zaudern können, diesen schrecklichen gesetzlichen Mangel Ihrer Ehe zu beseitigen und die Frau, die Ihr Weib vor Gott ist, auch vor dem Gesetz zu ihrem Weibe zu machen?«

»Wenn Sie die Sache in diesem Lichte auffassen, wenn Sie keine Rücksicht darauf nehmen wollen —«

»Ich wünsche eine präcise Antwort, auf meine Frage, Ja oder Nein.«

»Lassen Sie mich reden, wenn ich bitten darf; jeder Mensch hat doch wohl das Recht, sich über seine Intentionen zu erklären?«

Kendrew unterbrach ihn durch eine Handbewegung, in der sich der Abscheu, der ihn erfüllte, deutlich aussprach. »Ich will Sie der Mühe weiterer Erklärungen überheben«, sagte er, »indem ich Ihr Haus verlasse. Sie haben mir eine Lehre gegeben, die ich nicht vergessen werde. Ich weiß jetzt, daß ein Mensch den andern von Jugend auf gekannt und sich doch vollständig in ihm geirrt haben kann. Ich schäme mich, jemals Ihr Freund gewesen zu sein. Von diesem Augenblick an sind Sie für mich ein Fremder.« Mit diesen Worten verließ er das Zimmer.

»Ein sonderbar aufgeregter Mann«, bemerkte Mr. Delamayn. »Ich bitte jetzt doch um ein Glas Wein.«

Vanborough erhob sich, ohne Notiz von Delamayn’s Worten zu nehmen, und ging ungeduldig im Zimmer auf und ab. Bei aller Niedrigkeit seiner Gesinnung machte ihn doch der Verlust seines ältesten Freundes einen Augenblick stutzig.«

»Das ist ’ne verfluchte Geschichte, Delamayn«, sagte er. »Was würden Sie mir rathen zu thun?«

Delamayn schüttelte den Kopf und schlürfte ruhig seinen Rothwein. »Ich muß mich jedes Raths in dieser Sache enthalten«, antwortete er. »Ueber die Feststellung der Anwendbarkeit des bestehenden Gesetzes auf Ihren Fall hinaus, übernehme ich keinerlei Verantwortlichkeit.«

Vanborough setzte sich wieder an den Tisch, um sich den verhängnißvollen Schritt einer Lösung seiner ehelichen Bande nochmals zu überlegen. Bis jetzt hatte er zu einer solchen Erwägung nicht viel Zeit gehabt. Hätte er nicht so lange auf dem Continent gelebt, so wäre ihm die Frage des gesetzlichen Mangels seiner Ehe vielleicht längst nahe getreten. Nun aber war sie erst bei Gelegenheit einer im Laufe dieses Sommers zufällig stattgehabten Unterhaltung mit Delamayn vor ihm aufgetaucht.

So saßen beide Männer eine Weile schweigend da. Das Schweigen wurde erst durch das Erscheinen eines Dieners im Eßzimmer unterbrochen.

Vanborough sah auf und brach in die ärgerlichen Worte aus: »Was willst Du hier?«

Der so Angeredete war ein wohlerzogener englischer Diener, mit andern Worten eine menschliche Maschine, die, einmal aufgezogen, unbeirrt ihre Functionen vollzieht. Er hatte gewisse Worte zu sagen und sagte sie.

»Es hält eine Dame vor der Thür, Herr, die das Haus zu besehen wünscht.«

»Das Haus ist zu dieser späten Abendstunde nicht zu besehen.«

Die Maschine hatte eine Bestellung auszurichten und richtete sie aus.

»Die Dame läßt sich entschuldigen, Herr. Ich soll bestellen, daß sie sehr eilig sei. Dieses Haus sei das letzte auf der Liste ihres Hausmaklers, und ihr Kutscher, der die Gegend nicht kenne, habe ungeschickter Weise den Weg verfehlt.«

»Halt’s Maul! und sag’ der Dame, sie soll zum Teufel gehen.«

Delamayn legte sich, theilweise im Interesse seines Clienten, theilweise aus Schicklichkeitsgefühl in’s Mittel.

»Sie legen«, sagte er, »glaub’ ich, einigen Werth darauf, dieses Haus zu vermiethen.«

»Gewiß thue ich das!«

»Thun Sie unter diesen Umständen Recht, einer augenblicklichen Verstimmung wegen sich die Gelegenheit, vielleicht einen Miether zu finden, entgehen zu lassen?«

»Recht oder nicht, es ist unerträglich, sich von einem Fremden stören zu lassen.«

»Wie Sie wollen, ich denke nicht daran, mich in Ihre Angelegenheiten zu mischen. Ich will Sie nur noch bitten, bei Ihrem Entschluß auf mich als Ihren Gast keine Rücksicht zu nehmen.«

Der Diener stand noch immer unbeweglich wartend da. Vanborough gab widerwillig nach. »Nun gut, laß sie hereinkommen. Aber sorge dafür, daß, wenn sie hier an’s Zimmer kommt, sie nur hineinsieht und gleich weiter geht. Wenn sie Fragen zu thun hat, muß sie sich an ihren Makler wenden.«

Delamayn ergriff abermals das Wort, diesmal im Interesse der Frau vom Hause. »Scheint es Ihnen nicht gerathen, Vanborongh um ihre Meinung zu fragen, bevor Sie sich entscheiden?

»Wo ist Mrs. Vanborough?«

»Im Garten oder im Park, Herr, ich weiß es nicht; ganz gewiß.«

»Ich kann sie nicht erst überall suchen lassen. Sag’ dem Hausmädchen Bescheid und führe die Dame in’s Haus.«

Der Diener ging hinaus. Delamayn schenkte sich ein zweites Glas Wein ein.

»Vortrefflicher Rothwein!« sagte er. Beziehen Sie ihn direct von Bordeaux?«

Vanborough antwortete nicht. Er war wieder in Gedanken über seine Sitution versunken. Er hatte den Kopf auf die eine Hand gestützt, während er an den Nägeln der andern nagte, und zwischen den Zähnen murmelte: »Was soll ich thun?« In diesem Augenblick ließ sich das Rauschen eines seidenen Kleides auf dem Corridor vernehmen. Die Thür öffnete sich, und die Dame, welche das Haus besehen wollte, trat in das Eßzimmer.

IV

Die Dame war von schlankem Wuchs und sehr eleganter Erscheinung, höchst geschmackvoll in prächtige Stoffe, aber einfach gekleidet. Ueber dem Gesicht hing ihr ein leichter Sommerschleier. Sie lüftete denselben und entschuldigte sich in der ungezwungenen Weise einer vornehmen Frau dafür, daß sie die Herren beim Nachtisch störe.

»Verzeihen Sie mir, bitte, daß ich zu so ungelegener Zeit bei Ihnen eindringe. Aber ich brauche nur einen Blick in das Zimmer zu thun, um Sie dann nicht weiter zu belästigen.«

Diese Worte hatte sie an Mr. Delamayn gerichtet, der ihr zufällig zunächst stand. Als sie aber den Blick über das Zimmer schweifen ließ, fiel ihr Auge auf Vanborough. Sie stutzte mit einem lauten Ausruf des Erstaunens.

»Sie!« sagte sie. »Guter Gott! Wer hätte denken sollen, daß ich Sie hier treffen würde?

Vanborough seinerseits stand wie versteinert da.

»Lady Jane!« rief er aus. »Ist es möglich ?«

Dabei aber sah er sie kaum an. Mit Blicken, in denen sich sein Schuldbewußtsein nur zu deutlich malte, sah er nach der Gartenthür. Er mußte sich sagen, daß seine Situation gleich schrecklich wäre, wenn seine Frau erfuhr, wer Lady Jane sei, oder wenn Lady Jane erfuhr, daß er ein verheiratheter Mann sei.

Im Augenblick war Niemand im Garten sichtbar. Wenn ihm das Glück nur irgend günstig war, so mußte es ihm gelingen, Lady Jane noch rechtzeitig zum Fortgehen zu bewegen. Sie, die keine Ahnung von dem wahren Sachverhalt hatte, reichte ihm freundlich die Hand.

»Heute zum ersten Mal muß ich an Magnetismus glauben«, sagte sie, »Unsere Begegnung ist ein Beweis des Wirkens geheimnißvoller Kräfte, Mr. Vanborough. Eine kranke Freundin wünscht ein möblirtes Haus in Hampstead, ich übernehme es, ein solches Haus für sie zu suchen, und an dem Tage, wo ich nach langem Umherfahren das letzte auf meiner Liste stehende Haus betrat, essen Sie zufällig in demselben bei einem Freunde zu Mittag. Merkwürdig. »Ich vermuthe«, fuhr sie zu Mr. Delamayn gewandt, fort, daß ich die Ehre habe, in Ihnen den Eigenthümer des Hauses zu begrüßen.« Noch bevor einer der Herren ein Wort antworten konnte, fiel ihr Blick auf den Garten. »Was für reizende Anlagen! Aber sehe ich da nicht eine Dame im Garten? Ich hoffe, ich habe sie nicht vertrieben.« Sie sah sich um und wandte sich an Vanborough mit der Frage: »Vermuthlich die Frau Ihres Freundes?« und wartete dieses Mal auf eine Antwort.«

Was konnte Vanborough in seiner augenblicklichen Situation antworten?

Mrs. Vanborough hatte sich dem Hause bereits so weit genähert, daß man deutlich hören konnte, wie sie im Tone der Frau vom Hause einem der Gartenarbeiter ihre Ordres gab. Wenn er gesagt hätte, daß sie nicht die Frau seines Freundes sei, so würde Lady Jane unzweifelhaft weiter gefragt haben, wer sie denn sei.

Eine Ausflucht zu erfinden würde Zeit gekostet und seiner Frau Gelegenheit gegeben haben, Lady Jane’s Anwesenheit zu entdecken. Vanborough, der diese Schwierigkeiten mit dem raschen Scharfblick eines Verzweifelten überschaute, ergriff den kürzesten und kühnsten Weg der furchtbaren Verlegenheit zu entgehen. Er beantwortete Lady Jane’s Frage bejahend mit einem schweigenden Kopfnicken, durch welches er seine Frau, in der Hoffnung, daß Delamayn nichts davon merken werde, rasch zu dessen Frau machte.

Aber dem scharfen Auge Delamayn’s war das bedeutungsvolle Kopfnicken Vanborough’s nicht entgangen.

»Er hielt zwar die erste Regung des Erstaunens über das, was sich Vanborough gegen ihn erlaubte, zurück, begriff aber sofort, daß hier ein falsches Spiel gespielt werde und daß Vanborough den keinen Augenblick zu duldenden Versuch mache, ihn in die Sache zu verwickeln. Entschlossen, seinen Clienten in’s Gesicht Lügen zu strafen, trat er auf denselben zu. Die gesprächige Lady Jane unterbrach ihn, noch ehe er den Mund öffnen konnte.

»Dürfte ich mir eine Frage erlauben? Liegt das Haus nach Süden? Ach gewiß, ich sehe es ja aus dem Stand der Sonne. Diese und die beiden andern Zimmer die ich gesehen habe, sind wohl die einzigen zu ebner Erde. Und ist es ruhig hier? Ach natürlich, ein reizendes Haus. Es wird meiner Freundin sicher viel besser gefallen, als alle die ich bisher gesehen habe. Wollen Sie es mir bis morgen an der Hand lassen?« Hier unterbrach sie ihren Redefluß einen Augenblick, um Athem zu schöpfen und gewährte dadurch Mr. Delamayn zum ersten Mal die Möglichkeit auch seinerseits etwas zu sagen.

»Ich bitte um Vergebung, gnädige Frau«, fing er an. »Ich kann in der That nicht – —«

In diesem Augenblick trat Vanborough von rückwärts dicht an den Advokaten heran und verhinderte ihn weiter zu reden, indem er ihm im Vorübergehen in’s Ohr flüsterte:

»Um Gottes willen widersprechen Sie mir nicht! Meine Frau kommt eben herein!«

Lady Jane aber, die Delamayn noch immer für den Herrn vom Hause hielt, fuhr fort die Hausangelegenheiten zu betreiben, indem sie sagte:

»Sie scheinen zu schwanken, verlangen Sie zuverlässige Auskunft über uns?« Mit einem spöttischen Lächeln forderte sie ihren Freund auf ihr zu Hilfe zu kommen, »Mr. Vanborough!«

Vanborough, der sich ängstlich immer näher an das Fenster heranschlich, entschlossen seine Frau auf jede Weise aus dem Zimmer fern zu halten, schien diese Anrede ganz zu überhören Lady Jane ging ihm nach und klopfte ihm ungeduldig mit dem Sonnenschirm auf die Schulter.

In diesem Augenblick erschien Mrs. Vanborough an der Außenseite der Glasthür.

»Ich störe doch nicht?« fragte sie ihren Mann, nachdem sie Lady Jane einen Augenblick scharf in’s Auge gefaßt hatte. »Die Dame scheint eine alte Bekannte von Dir sein.« Der Ton, in dem sie diese Worte sprach, war vermuthlich in Folge des Schlags mit dem Sonnenschirme so sarkastisch, daß man darauf gefaßt sein mußte, im nächsten Augenblick eine Aeußerung der Eifersucht zu vernehmen.

Lady Jane fühlte sich aber nicht einen Augenblick unangenehm berührt. – Durch ihr vertrautes Verhältniß zu dem Mann ihrer Neigung und durch ihre Stellung als eine vornehme junge Wittwe, durfte sie sich doppelt geschützt glauben. Sie verneigte sich gegen; Mrs. Vanborough mit der vollendeten Höflichkeit der Frauen ihres Standes. Ich habe wohl die Ehre die Frau vom Hause vor mir zu sehen?« sagte sie mit einem graziösen Lächeln.

Mrs. Vanborough verneigte sich kühl, trat in’s Zimmer und antwortete erst dann: »Ja.«

»Wollen Sie mich gefälligst vorstellen«, sagte Lady Jane zu Vanborough gewandt.

Vauborough gehorchte, ohne seine Frau dabei anzusehen und ohne ihren Namen zu nennen.

»Lady Jane Parnell«, sagte er leichthin. »Erlauben Sie mir, Sie an Ihren Wagen zu geleiten«, fügte er hinzu, indem er ihr seinen Arm bot. »Ich will schon dafür sorgen, daß Sie das Haus an der Hand behalten, Sie können mir die Sache getrost überlassen.«

Aber Lady Jane war nicht gewohnt von dannen zu gehen, ohne einen angenehmen Eindruck hinterlassen zu haben, sie verstand es immer und überall, – wenn auch in einer gegen die verschiedenen Geschlechter sehr verschiedenen Weise —, liebenswürdig zu sein. Lady Jane wollte nicht fortgehen, bevor es ihr gelungen war, die eisige Kälte der Hausfrau in eine mildere Stimmung zu verwandeln.

»Ich muß mich wiederholt dafür entschuldigen daß ich zu so ungelegener Zeit hier eingedrungen bin«, sagte sie zu Mrs. Vanborough, »und, wie es scheint, die Behaglichkeit der beiden Herren so unangenehm gestört habe. Mr. Vanborough machte ein Gesicht, als ob er mich hundert Meilen wegwünschte, und Ihr Mann —« bei diesen Worten hielt sie inne und sah auf Mr. Delamayn, »verzeihen Sie, daß ich mich so vertraulich ausdrücke, ich habe noch nicht die Ehre den Namen Ihres Herrn Gemahls zu kennen.«

In sprachlosem Staunen folgte Mrs. Vanborough mit ihrem Blick den Augen Lady Jane’s und ließ denselben auf dem Advokaten ruhen, der ihr persönlich vollkommen fremd war.

Delamayn, der schon lange auf einen Moment harrte, wo er sich erklären könnte, ließ die sich ihm zum zweiten Mal darbietende Gelegenheit diesmal nicht unbenützt vorübergehen.

»Ich bitte um Vergebung«, sagte er, »hier waltet ein Mißverständniß ob, an dem ich völlig unschuldig bin. Ich bin nicht der Mann dieser Dame.«

Jetzt war die Reihe an Lady Jane, erstaunt zu sein. Sie sah Delamayn fragend an, aber vergebens. Er hatte sich aus dem Spiel gezogen und das war ihm genug, er wollte nichts weiter mit der Sache zu thun haben. Er zog sich schweigend in einen entfernten Winkel des Zimmers zurück. Jetzt wandte sich Lady Jane an Vanborough.

»Wenn ich einen Mißgriff gemacht habe«, sagte sie, »so sind jedenfalls Sie verantwortlich dafür. Sie haben meine Frage, ob diese Dame die Frau Ihres Freundes sei, ganz bestimmt bejahend beantwortet.

»Wie?!!« rief Mrs Vanborough laut in finster ungläubigen Tone.

Der angeborene Stolz der großen Dame fing an, die leichte Hülle äußerer Höflichkeit zu durchbrechen.

»Ich kann noch lauter reden, wenn Sie es wünschen«, sagte sie. Ich habe es von Mr. Vanborough daß Sie die Frau jenes Herrn seien.«

Vanborough flüsterte seiner Frau wüthend durch die Zähne die Worte zu: »Die ganze Geschichte ist ein Mißverständnis, geh’ wieder in den Garten.«

Mrs. Vanborough wich einen Augenblick dem Entsetzen über den Ausdruck der furchtbaren Leidenschaftlichkeit und des Schreckens, die sich in den Zügen ihres Mannes walten.

»Wie siehst Du mich an?! Wie sprichst Du mit mir?!«

Er aber wiederholte nur die Worte: »Geh’ in den Garten.«

Lady Jane fing an zu merken, was Delamayn schon einige Minuten früher klar geworden war, daß hier in der Villa in Hampstead etwas nicht in Ordnung sei. Mit der Stellung der Frau vom Hause mußte es unter allen Umständen eine eigenthümliche Bewandtniß haben. Und da das Haus allem Anscheine nach Mr. Vanboroughs Freund gehörte, so mußte dieser Freund, trotz seiner ablehnenden Erklärung, in einer oder der anderen Weise für diese Stellung verantwortlich sein. Von dieser falschen aber sehr natürlichen Voraussetzung ausgehend ließ Lady Jane ihr Auge einen Augenblick auf Mrs. Vanborough mit einem geringschätzig, spöttisch fragenden Ausdruck ruhen, der das schüchternste Weib außer sich gebracht haben würde. Die in diesem Blick liegende Insulte traf die fein empfindende Frau wie ein Stich in’s Herz. Wieder wandte sie sich an ihren Mann, dieses Mal mit der ganz rückhaltlosen Frage:

»Wer ist die Dame da?«

Lady Jane war nicht die Frau, sich durch einen solchen Vorfall einschüchtern zu lassen. Im Vollgefühl ihrer Würde sagte sie:

»Mr. Vanborough, Sie haben mir vorhin angeboten, mich an meinen Wagen zu führen. Ich fange an zu begreifen, daß ich besser gethan hätte, von Ihrem Anerbieten sofort Gebrauch zu machen. Geben Sie mir Ihren Arm, wenn ich bitten darf.

»Halt!« rief Mrs. Vanborough. »Ihre Blicke sprachen Verachtung aus, Ihre Worte lassen nur eine einzige Erklärung zu. Ich bin hier das Opfer einer schändlichen Täuschung, die ich mir noch nicht zu erklären vermag. So viel aber weiß ich gewiß, ich dulde keine Beleidigung in meinem eigenen Hause. Ich verbiete meinem Manne, Ihnen den Arm zu geben!«

»Ihrem Manne?«

Lady Jane sah Vanborough an, Vanborough, den sie liebte, den sie für unverheirathet gehalten hatte, gegen den sie bis zu diesem Augenblick keinen schlimmeren Verdacht gehegt hatte, als daß er die Schwächen seines Freundes zu beschönigen suche.

Mit einem Male waren ihr vornehmer Ton und ihr vornehmes Benehmen verschwunden. Das Gefühl der Beleidigung, die ihr angethan war, die Eifersucht, die sich in ihr regen mußte, wenn diese Frau wirklich Vanborough’s Gattin war, ließ plötzlich die menschliche Natur unverhüllt bei ihr hervortreten. Mit hochgerötheten Wangen und funkelnden Blicken rief sie in hochfahrendem Ton:

»Wenn Sie mir noch etwas zu sagen haben, so thun Sie es gefälligst auf der Stelle. Haben Sie sich der Welt, haben Sie sich mir fälschlich als einen unverheiratheten Mann präsentirt? Ist diese Dame Ihre Frau?«

»Höre sie nur, sieh sie nur an!« rief Mrs. Vanborough gegen ihren Mann gewandt. Aber schaudernd fuhr sie zurück. »Er zaudert«, sagte sie zitternd vor sich hin, »Gerechter Gott, er zaudert.«

Lady Jane wiederholte in strengem Ton ihre Frage:

»Ist diese Dame Ihre Frau?«

Er raffte sich mit dem verzweifelten Muth der Niederträchtigkeit auf und antwortete:

»Nein!«

Mrs. Vanborough wankte und mußte sich an den weißen Fenstervorhängen halten um nicht zu fallen. Sie starrte ihren Mann an und fragte sich: »Wer von uns Beiden ist hier wahnsinnig geworden? er oder ich?«

Lady Jane athmete tief auf: Er war nicht verheirathet, er war nur ein liederlicher Junggeselle und die Liederlichkeit eines Junggesellen ist zwar tadelnswerth aber nicht unbesserlich. Man kann ihm seinen Lebenswandel scharf vorhalten und mit Entschiedenheit darauf bestehen, daß er ihn ändere. Man kann ihm aber dann auch vergeben und ihn heirathen. Mit vollkommen richtigem Tact sprach Lady Jane gegen Vanborough ihre Mißbilligung seines Verhaltens aus, ohne ihm jede Hoffnung für die Zukunft abzuschneiden.

»Ich habe hier eine für mich sehr peinliche Entdeckung machen müssen«, sagte sie zu ihm, »ich muß es Ihnen überlassen, mich dieselbe vergessen zu machen! Leben Sie wohl.«

Der Blick mit dem sie diese Abschiedsworte begleitete, machte Mrs. Vanborough rasend. Sie stürzte an die Thür und versperrte Lady Jane den Weg.

«Nein«, rief sie, »noch dürfen Sie nicht fort von hier.«

Vanborough trat vor, um sich in’s Mittel zu legen. Seine Frau warf ihm einen fürchterlichen Blick der Verachtung zu. »Dieser Mensch lügt«, sagte sie, »ich bin es mir selbst schuldig Ihnen das zu beweisen.« Sie zog an einer neben ihr befindlichen Klingel und hieß den darauf eintretenden Diener ihre Schreibmappe aus dem anstoßenden Zimmer hereinbringen.

Sie verharrte in ihrer Stellung und hielt den Blick fest auf Lady Jane gerichtet, während sie ihrem Manne den Rücken zukehrte Schutzlos und verlassen stand sie da auf den Trümmern ihres ehelichen Glücks, erhaben über den Verrath ihres Mannes, die Gleichgültigkeit des Advokaten und die Verachtung ihrer Nebenbuhlerin In diesem schrecklichen Augenblick erschien sie wie verklärt in dem Glanze ihrer ehemaligen Schönheit. Die große Künstlerin, welcher einstmals in den Tagen ihres Ruhmes, wenn sie fremde Leiden auf der Bühne darstellte, eine athemlose Menge gelauscht hatte, stand jetzt, in ihrem eigenen Leiden größer da als je, während die drei Anwesenden sie athemlos betrachtetem bis sie aufs Neue das Wort ergriff.

Der Diener trat mit der Schreibmappe ein, sie nahm ein Papier aus derselben und reichte es Lady Jane.

»Ich war als Mädchen Opernsängerin und um dem bösen Leumund, dem Frauen in dieser Stellung ausgesetzt sind, zu begegnen, habe ich mich bei meiner Heirath mit diesem Document versehen, das für sich selbst spricht. Selbst in der höchsten Gesellschaft werden. solche Papiere respectirt!«

Lady Jane betrachtete das Document, es war ein Trauschein. Sie erbleichte und winkte Vanborough zu sich heran indem sie ihn fragte: »Wollen Sie mich hintergehen?«

Vanborough wandte sich nach dem Advokaten um, der noch immer in seinem Winkel saß und mit unerschütterlicher Ruhe der Dinge harrte, die da kommen würden. »Darf ich Sie bitten einen Augenblick herzukommen«, sagte er.

Delamayn erhob sich und trat heran. Jetzt wandte sich Vanborough an Lady Jane und sagte:

»Wenden Sie sich gefälligst an meinen Advokaten der kein Interesse dabei haben kann, Sie zu hintergehen.«

»Ich werde mich auf eine Darlegung des Thatbestandes beschränken«, sagte dieser, »und würde jede weitere Erklärung ablehnen müssen.«

»Mehr wird auch nicht von Ihnen verlangt.«

Mrs. Vanborough, die diesem kurzen Gespräch mit der gespanntesten Aufmerksamkeit gefolgt war, trat jetzt schweigend einen Schritt vor. Der stolze Muth, der sie der offenen Insulte gegenüber beseelt hatte, verließ sie, als sie inne ward, daß eine ungeahnte Enthüllung über sie hereinzubrechen drohe. Eine namenlose Angst bemächtigte sich ihrer.

Lady Jane überreichte dem Advokaten den Trauschein.

»Beantworten Sie mir bitte«, sagte sie ungeduldig, »kurz die Frage, was bedeutet dieser Schein?«

»Ganz kurz, gnädige Frau«, antwortete Delamayn, »dieser Schein ist ein werthloses Stück Papier.«

»Er ist also nicht verheirathet?«

»Nicht verheirathet.«

Nach einer kurzen Pause warf Lady Jane der schweigend neben ihr stehenden Mrs. Vanborough einen durchdringenden Blick zu und fuhr entsetzt zurück. »Bringen Sie mich fort«, rief sie mit dem Ausdruck des Schauders vor dem geisterhaft bleichen Antlitz mit den starren unheimlich funkelnden Augen, das ihr gegenüber stand. »Bringen Sie mich fort von hier, das Weib will mir an’s Leben!«

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
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