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Читать книгу: «Herz und Wissen», страница 7

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Capitel XIV

Währendem war Zo die unschuldige Ursache einer Meinungsverschiedenheit zwischen Maria und der Duenna, diesen beiden sich so unähnlichen Persönlichkeiten geworden.

Da des Kindes Gemüth ganz von dem kranken Affen erfüllt war, so fühlte es eine natürliche Neugier, die anderen, gesunden Affen zu sehen. Ehe die Gouvernante Zo’s Wünschen willfuhr, fragte dieselbe ihre junge Freundin aus Italien, ob diese Neigung hätte, das Affenhaus zu besuchen. Carmina, eingedenk des Versprechens ihres Cousins, ließ ihre Augen den Weg hinunter schweifen; da aber Ovid nicht zurückkam, ja nicht einmal zu sehen war, blieb ihr nichts übrig, als sich in die Umstände zu fügen, und sie that dies nicht ohne einen leichten Anflug von Gereiztheit, den Miß Minerva nicht unterließ, ihrem Gedächtnisse einzuregistriren.

Als sie bei dem Affenhause anlangten, zeigte sich Teresa in einem ganz neuen Charakter, indem sie zur Ueberraschung ihrer Begleiter ein Interesse an der Naturgeschichte bekundete.

»Sind in diesem großen Hause lauter Affen?« fragte sie. »Ich möchte nur wissen, wie das die Thiere aushalten.«

Sie hatte sich dabei an die Gouvernante als an die Gelehrteste von den Anwesenden gewandt, aber diese erwiderte, ihrer älteren Schülerin ermuthigend zulächelnd: »Maria wird Ihnen Auskunft geben. Ihre Studien in der Naturgeschichte haben sie mit den Gewohnheiten der Affen hinreichend bekannt gemacht.«

Die sonst so dicerete Maria erröthete wirklich bei dieser Aufforderung. Es war ja aber auch ihr höchster Lohn, wenn sie ihre Kenntnisse zum Wohle der Unglücklichen aus den unteren Klassen, denen nur eine unvollständige Erziehung zu Theil geworden, entfalten konnte, wobei sie natürlich die Lehrmethode ihrer Lehrerin nachahmte. Man hätte sich bei dem Tone liebenswürdig herablassenden Wohlwollens, in welchem sie jetzt eine Frau, die dem Alter nach ihre Großmutter hätte sein können, belehrte, veranlaßt fühlen können, ihr gleichfalls eine Lection – aber eine fühlbare – zu geben.

»Man hält die Affen in großen und luftigen Käfigen«, begann sie, »deren Temperatur sehr sorgfältig reguliert wird. Ich werde glücklich sein, Sie auf die Unterschiede unter denselben aufmerksam zu machen. Es ist Ihnen vielleicht nicht bekannt, daß man die einen als Simiadae unterscheidet, diejenigen nämlich, die keinen Schwanz und keine Backentaschen haben?«

Teresa, die bis soweit in stummer Verwunderung zugehört hatte, unterbrach plötzlich diesen Redefluß mit den Worten:

»Was für einen Unsinn schwatzt das Kind da? Ich möchte wissen, wie sich die Affen in diesem großen Gebäude amüsieren.«

Die wohlerzogene Maria ließ sich herab, ihr auch dies zu erklären.

»Sie haben Seile, an denen sie sich schwingen können, und die Besucher füttern sie durch die Gitter der Käfige. Ferner sind zu ihrem Zeitvertreib Baumäste angebracht, die ohne Zweifel viele von ihnen an die ungeheuren tropischen Wälder erinnern, in denen sie, wie uns die Reifenden berichten, herdenweise von Baum zu Baum wandern.«

Teresa erhob die Hand als Zeichen, daß sie innehalten möge. »Sie marschieren mit Siebenmeilenstiefeln, junges Fräulein. Erwägen Sie, was ich fassen kann, ehe Sie mich in solchem Tempo vollpfropfen.«

Maria war verwirrt, verlor aber noch nicht den Muth. »Verzeihen Sie«, wandte sie ein; »ich fürchte, ich verstehe Sie nicht recht.«

»Dann geht es Ihnen gerade so wie mir, entgegnete die Duenna rauh. »Ich verstehe Sie auch nicht. Ich für meine Person betrete dies Haus gewiß nicht. Man kann von keinem Christen erwarten, daß er sich um Bestien kümmert – aber was recht ist, ist recht, so lange die Welt steht. Wenn die Affen, wie ich gehört habe, widerliche Thiere sind, nicht einmal zum Essen gut genug, so ist das noch kein Grund, sie aus ihrer Heimath fortzuschleppen und in einen Käfig zu sperren. Sollen wir durchaus Geschöpfe in der Gefangenschaft sehen, dann mögen es solche sein, die es verdient haben – Spitzbuben und Dirnen. Die Affen haben es nicht verdient. Gehen Sie nur – ich werde solange an der Thür warten.«

Nach diesem mit bitterster Emphase vorgebrachten Proteste, dem Ausdruck einer tief wurzelnden, feindlichen Abneigung, die das Mitgefühl mit den eingesperrten Thieren nur als nächstliegendes Mittel ergriffen hatte, setzte sich die Alte triumphierend auf die nächste Bank.

Eine mit nur gewöhnlichen Kenntnissen ausgerüstete junge Dame hätte der alten Frau das Privilegium des letzten Wortes gelassen. Miß Minerva’s Schülerin aber, die gleichsam die Belehrung aus allen Poren schwitzte, war ja in einem Augenblicke wie durch ein eisiges Sturzbad erkältet worden. Hat doch selbst die größte irdische Vollkommenheit ihre schwachen Stellen, und Maria verlor die Geduld.

»Sie werden mir erlauben«, sagte sie, »Sie daran zu erinnern, daß der Wissenstrieb uns veranlaßt, die Gewohnheiten uns neuer Thiere zu studieren. Wir bringen sie in Käfige —«

Jetzt aber verlor auch Teresa die Geduld.

»Wahrhaftig, Sie sind mir auch ein neues Thier«, rief sie gereizt. »Solch ein Kind habe ich ja in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Madame Gouvernante setzen Sie doch, bitte, dies Mädchen in einen Käfig. Mein Wissenstrieb wünscht, einen mir neuen Affen zu studieren.«

Es war ein Glück für Teresa, daß sie Carmina’s Günstling und Freundin war und als solche rücksichtsvoll behandelt werden mußte. Miß Minerva erstickte den Streit mit größtem Takte. Teresa auf die Schulter klopfend und Carmina lächelnd ansehend, sagte sie: »Die würdige alte Dame! welchen Humor sie hat! Es steckt Energie im Volke, Miß Carmina. Man sehe nur mit welch’ Wunderbarem Nachdruck es seinen Ideen Ausdruck giebt! Nein – kein Wort der Vertheidigung wenn ich bitten darf. Maria, meine Liebe, nimm Deine Schwester bei der Hand; wir werden folgen.« Dabei legte sie ihren Arm mit dem glücklichsten Gemisch von Vertraulichkeit und Achtung in den Carmina’s und nickte der Alten mit der Herzlichkeit einer gutgelaunten Freundin zu.

Teresa kam nicht in die Lage, durch langes Warten noch weiter gereizt zu werden, denn schon nach einigen Minuten kam Carmina zurück und setzte sich zu ihr auf die Bank.

»Bist Du der Thiere schon überdrüssig, mein Liebling?«

»Mehr als das – der Geruch hat mich fort getrieben! Liebe Teresa, warum sprachst Du aber auch so rauh mit Miß Minerva und Maria?«

»Weil ich sie hasse! weil ich die ganze Sippe hasse! War denn Dein armer Vater in seinen letzten Augenblicken von Sinnen, daß er Dich zu diesen abscheulichen Menschen schickte?«

»Gestern sagtest Du ja aber das gerade Gegentheil von der Familie!« rief Carmina die sie mit Erstaunen angehört hatte.

Teresa ließ in Verwirrung den Kopf hängen, denn ihr wohlgemeinter Versuch, Carmina mit dem neuen Leben, in das dieselbe eingetreten, zu versöhnen, war jetzt dadurch, daß sie ihr Temperament nicht hatte bändigen können, als eine Täuschung enthüllt, und es blieb ihr nun weiter nichts übrig, als die Wahrheit zu gestehen und Carmina wenn möglich zu Warnen, ohne sie zu sehr zu beunruhigen.

»In meinem ganzen Leben werde ich nie wieder eine Lüge in den Mund nehmen«, erklärte sie. »Siehst Du, ich mochte Dir nicht den Muth nehmen, und meine Meinung ist ja schließlich auch vielleicht gar nicht richtig. Aber es ist einmal meine Ansicht und bleibt es. Ich hasse diese beiden, Herrin sowohl als Gouvernante, gleich sehr. So! nun ist’s heraus. Bist Du mir deshalb böse?«

»Ich bin Dir nie böse, meine gute Teresa, nur fühle ich mich ein wenig bedrückt. Du mußt nicht sagen, daß Du Leute hassest, die Du erst seit ein oder zwei Tagen kennst! Miß Minerva ist jedenfalls sehr freundlich gegen uns beide gewesen und ich schäme mich schon, daß ich anfangs gegen sie eingenommen war.«

Teresa ergriff die Hand ihrer jungen Herrin und streichelte dieselbe theilnahmsvoll. »Arme Unschuld, wenn Dir doch meine Erfahrung zur Seite stände! Es giebt unter allen Geschöpfen gute und schlechte, und ich sage Dir, die Gallilee’s gehören zu den letzteren! Auch der Musiklehrer, den ich heute Morgen sah, sieht wie ein Schurke eins. Du wirst mir sagen, der arme alte Herr sei jedenfalls harmlos, und ich will Dir darin nicht widersprechen; aber ich frage Dich, was hilft mir ein Mann, der so widerstandslos ist wie Wasser? O ja, ich mag ihn wohl leiden, aber ich mache einen Unterschied. Auch Zo gefällt mir; aber was ist ein Kind, besonders wenn ihm solch ein Scheusal von Gouvernante das unglückliche Köpfchen mit lauter Gelehrsamkeit ganz wirr gemacht hat? Nein, mein Herzblatt nur eine Person unter der ganzen Sippe tröstet mich, wenn ich an den Tag des Scheidens denke. Ah! es kommt etwas Farbe in die Wangen hier? Du kleiner Schlaukopf! Du weißt, wen ich meine. Das nenne ich mir einen Mann! Wenn ich so jung und so schön wäre wie Du —«

Ein warnendes Zeichen von Carmina ließ sie verstummen, denn Ovid kam eilig auf sie zu. Derselbe sah etwas beunruhigt aus und entschuldigte sich, ohne den Namen des Doctors dabei zu erwähnen, was seiner Cousine, die sich bereits für denselben interessierte, auffiel. Mochte er Benjulia wirklich nicht leiden, und hatte eine Mißhelligkeit zwischen beiden stattgefunden?

»War der lange Doctor so interessant?« wagte sie zu fragen.

»Nicht im mindesten!« antwortete er, als ob ihm das Thema unangenehm wäre – und doch kam er selbst wieder auf dasselbe zurück: »Nebenbei gesagt, haben Sie Benjulia’s Namen je zu Hause in Italien gehört?«

»Nein, nie! Kannte er meine Eltern?«

»Wie er sagt, ja.«

»O, stellen Sie mich ihm vor.«

»Wir müssen uns etwas gedulden, da er heute dem Affen den Vorzug giebt. Wo sind Miß Minerva und die Kinder?«

Teresa zeigte nach dem Affenhause, zog dann Ovid beiseite und raunte ihm zu: »Sehen Sie sich mit ihr die Vögel weiter an; ich werde aufpassen, daß die Gouvernante Sie nicht stört. Erklären Sie sich ihr – gestehen Sie ihr Ihre Liebe, Herr Doctor!«

Wie aber konnte Ovid einem jungen Mädchen das er erst ein oder zwei Tage kannte, schon eine Liebeserklärung machen?

»Ich freue mich unendlich, wieder bei Ihnen zu sein«, sagte er ihr offenherzig, als sie nach einer Minute der Alten aus dem Gesichte waren. »Waren Sie wohl halb so erfreut, als Sie mich zurückkommen sahen?«

Er verstand sich nicht auf die verschlungenen Pfade, durch die die Liebe den Weg zu ihrem Ziele findet, und es fiel ihm nicht bei, sich ihr mit den geheimnißvollen Tönen und verstohlenen Blicken zu nähern, die für sich selbst sprechen. Und mit gleicher offenherziger Geradheit antwortete sie ihm:

»Sie halten mich doch hoffentlich nicht für unempfindlich gegen Ihre Freundlichkeit. Ich bin erfreuter und stolzer, als ich zu sagen vermag.«

»Stolzer?« wiederholte Ovid, der sie nicht sofort verstand.

»Warum nicht?« fragte sie. »Sollte ich nicht stolz darauf sein, wenn mir ein Mann soviel Beachtung schenkt, von dem mein Vater zu sagen pflegte, daß er eine Ehre für die Familie sein würde?«

Als sie ihn dabei schüchtern ansah, hätte er alle seine Aussichten auf Berühmtheit dafür hingeben mögen, wenn er sie hätte küssen dürfen.

»Carmina, erinnern Sie sich, wo Sie mich zum ersten Male gesehen haben?« fragte er, um sie sich, wenn auch nur im Geiste, etwas näher zu bringen.

»Gewiß! In dem Concertsaale. Als ich Sie dort sah, fiel es mir ein, daß ich Ihnen bereits in den Anlagen begegnet war. Ein seltsamer Zufall, daß Sie zu demselben Concerte gingen, das Teresa und ich zufällig besuchten.«

»Es war kein Zufall«, entgegnete Ovid. »Ich folgte Ihnen nach der Begegnung in den Anlagen zu dem Concerte.«

Dieses kühne Geständniß, das ein weniger unschuldiges Mädchen verlegen gemacht haben würde, setzte Carmina blos in Erstaunen.

»Was bewog Sie, uns zu folgen?« fragte sie.

»Uns?« Glaubte sie denn, daß er der Alten gefolgt sei? Das mußte er berichtigen. »Ich sah Teresa überhaupt gar nicht, sondern folgte einzig und allein Ihnen.«

Weshalb schwieg sie? War sie verwirrt, oder verstand sie ihn noch nicht? Seine krankhafte Empfindsamkeit, das deutlichste Zeichen seiner untergrabenen Gesundheit, war jetzt schon so gereizt, ihn zum Extremen zu treiben, und er fragte sie: »Haben Sie je davon gehört, daß man sich beim ersten Anblick verliebt hat?«

Sie stutzte; Ueberraschung, Verwirrung und Zweifel wechselten rasch auf ihrem beweglichen, zarten Gesichte, aber sie nahm den Muth zusammen und sah ihn schweigend an.

Und in diesem Momente, wo Kühnheit am Platze gewesen wäre, wo er, wenn er den Blick zurückgegeben, die ganze Geschichte seiner ersten Liebe ohne ein Wort zu sprechen erzählt haben würde, machten ihn seine zerrütteten Nerven schüchtern, und die Furcht – die ihn in gesunden Tagen nie angewandelt haben würde – daß er vielleicht zu frei gesprochen habe, ließ seine Augen unverwandt auf dem Boden haften. Sofort sah sie mit einem schnellen Erröthen der Scham wieder weg. Denn war es nicht vermessene Eitelkeit von ihr, zu denken, daß ein Mann, wie Ovid sie meinen könne, als er von einer beim ersten Anblick erwachten Liebe sprach? Er hatte sich nur freundlich zudem Niveau des Verständnisses eines thörichten, jungen Mädchens herabgelassen. Unzufrieden mit sich selbst, machte sie eine Bewegung, als ob sie umkehren wollte.

Und er seinerseits fühlte sich zu bitter enttäuscht, um den Versuch zu machen, das Gespräch noch weiter fortzusetzen. Ein Gefühl tödtlicher Schwäche, die unvermeidliche Folge der äußersten Vernachlässigung seiner selbst, begann ihn zu überwältigen. Nach einer schlaflosen Nacht hatte er vor dem Frühstück einen langen Spaziergang gemacht und dann noch seinen geschwächten Kräften diesen Ausflug und das Herumwandern im zoologischen Garten zugemuthet und jetzt hatte er seine physische und moralische Spannkraft verloren.

»Ich fürchte, ich habe Sie beleidigt«. sagte er traurig zu seiner Begleiterin; »ich meinte es nicht so.«

»O wie wenig kennen Sie mich«, rief sie, »wenn Sie das denken!«

Diesmal begegneten sich ihre Augen und die Wahrheit begann in ihr heraufzudämmern. Er nahm ihre Hand in die seine, deren feuchtkalter Griff ihr auffiel, und fragte so leise, daß sie es kaum hören konnte: »Wundern Sie sich noch, weshalb ich Ihnen folgte?« Dabei standen ihm schwere Schweißtropfen auf der Stirn, eine graue geisterhafte Blässe überzog sein Gesicht – er wankte und versuchte verzweifelt, sich an dem Zweige eines neben ihnen stehenden Baumes zu halten. Ihn mit den Armen umfassend, versuchte sie mit ihrer ganzen geringen Kraft, ihn aufrecht zu halten, vermochte aber mit äußerster Anstrengung nur soviel, daß sie ihn zu dem Rasen zog und seinen Fall milderte. Hilfe rufend sah sie sich um und erblickte einen großen Mann auf sie zukommen, der indeß nicht lief, auch nicht, als er sah, was geschehen war, sondern nur weit ausschritt. »Es war Doctor Benjulia, der seinen kranken Affen unter dem langen Rocke geschützt hielt und von einem der Wärter gefolgt war.

»Bitte, lassen Sie das«, war Alles, was er mit seiner gewohnten Gelassenheit sagte, als sich Carmina bemühte, Ovid’s Kopf vom Grase aufzuheben. Dann legte er seine Hand so kühl auf das Herz des Ohnmächtigen, als ob derselbe ihm ein vollständig Fremder gewesen wäre. »Wer von Ihnen beiden kann am schnellsten laufen?« fragte er dann, Carmina und den Wärter ansehend. »Ich brauche etwas Branntwein.«

Ehe der Wärter noch verstand, was von ihm begehrt wurde, eilte Carmina schon über den Rasen auf das Restaurant zu.

»Wie das Mädchen rennen kann’s sagte er zu sich als er ihr mit seiner gewohnten feierlichen Aufmerksamkeit nachgesehen hatte, und wandte sich dann wieder dem Ohnmächtigen zu.

»Hat sich thörichterweise bei seinem Zustande allzusehr angestrengt.« Dann erinnerte er sich des Affen’s, den er für den Augenblick in’s Gras gesetzt hatte, und bemerkte mit mehr Interesse, als er bis dahin gezeigt hatte: »Da ist es zu kalt für ihn. Heda, Wärter! Nehmen Sie den Affen auf, bis ich ihn selbst wieder hinnehmen kann.«

»Er möchte mich beißen, Herr Doctor«, sagte der Mann zögernd.

»Nehmen Sie ihn auf!« wiederholte der Doctor, »er kann nach dem, was ich mit ihm gemacht, überhaupt Niemanden beißen.«

Der Affe befand sich wirklich in einem Zustande der Erstarrung, und der Wärter, der ihn, dem Befehle gehorchend, aufnahm, schien sich nun mehr vor dem Doctor als vor dem Affen zu fürchten.

»Haltet Ihr mich für den Teufel?« fragte Benjulia, da der Wärter ihn verblüfft anstarrte, und das Aussehen des Mannes bejahte die Frage jedenfalls, wenn es der Mund auch nicht wagte.

Als Carmina mit dem Branntwein eiligst zurückkam, roch der Doctor erst an diesem, ehe er ihr Beachtung schenkte.

»Außer Athem?« fragte er dann.

»Warum geben Sie ihm nicht den Branntwein?« gab sie ungeduldig zur Antwort.

»Starke Lungen«, fuhr Benjulia fort, sich neben Ovid setzend und das Reizmittel anwendend, ohne sich dabei besonders zu beeilen. »Manche Mädchen würden nach einer solchen Strapaze nicht im Stande gewesen sein zu sprechen. Als Sie noch klein waren, hielt ich nicht viel von Ihren Lungen.«

»Komm er wieder zu sich?« fragte Carmina.

»Wissen Sie, was eine Pumpe ist?« gab Benjulia wieder zurück. »Nun, eine Pumpe kommt manchmal in Unordnung, aber der Zimmermann wird sie schon wieder in Stand setzen, wenn man ihm Zeit läßt. Diese Pumpe ist in Unordnung«, und damit ließ er seine mächtige Hand auf des Daliegenden Brust fallen; »und ich bin der Zimmermann, der sie wieder in Stand setzen wird. Sie gleichen Ihrer Mutter durchaus nicht«

Carmina, die Ovid’s Gesicht eifrig beobachtete, war durch eine schwache Wiederkehr von Farbe auf demselben so erfreut, daß sie fähig war, dem seltsamen Gespräch des Doctors zuzuhören und sogar darauf einzugehen. »Verschiedene von unseren Bekannten meinten, daß ich meinem Vater ähnlich wäre«, antwortete sie.

»So?« äußerte Benjulia und schloß die dünnen Lippen, als ob er den Gegenstand fallen lassen wollte. Als dann Ovid sich schwach rührte und die Augen halb öffnete, erhob er sich und sagte: »Jetzt brauchen Sie mich nicht mehr.« Darauf ließ er sich von dem Wärter den Affen wieder geben, nahm denselben wie ein Bündel unter den Arm, deutete dann nach dem Ende des Weges und sagte: »Da sind Ihre Begleiter. Adieu.«

Carmina aber hielt ihn an, legte, in ihrer Besorgniß das Ceremoniell vergessend, die Hand auf seinen Arm und fragte schüchtern:

»Was bedeutet dieser Anfall; ist er der Vorgänger einer Krankheit?«

»Sogar einer ernstlichen – wenn Sie nicht das Richtige thun, und zwar auf der Stelle«, antwortete er, ihre Hand nicht ärgerlich, sondern so abschüttelnd, wie er sich vielleicht einen Fleck von Cigarrenasche oder Straßenstaub abgeschüttelt haben würde, und dann ging er. Bescheiden aber doch entschlossen folgte sie ihm mit den Worten: »Sagen Sie mir, bitte, was wir zu thun haben.«

Er sah über die Schulter zurück: »Schicken Sie ihn fort.« Dann ging sie zurück, kniete neben Ovid, der sich langsam erholte, nieder und wischte ihm zärtlich und sanft die feuchte. Stirn, dabei mit einem traurigen Seufzer zu sich sagend: »Gerade als wir anfingen uns zu verstehen!«

Capitel XV

Zwei Tage vergingen und Ovid blieb trotz der empfangenen Warnung in London. Die unbestreitbare Autorität Benjula’s wirkte bei ihm eben sowenig als die unwiderleglichen Gründe seiner Mutter. Neuerliche Umstände hatten, wie diese es erklärte, seinen verblendeten Widerstand gegen die Vernunft verstärkt. Der gefürchtete Augenblick der Abreise Teresa’s war durch ein Telegramm aus Italien beschleunigt worden, und das Mitgefühl, welches Ovid mit dem Kummer Carmina’s empfand, machte sie ihm theurer als je. Ihre Seelenstärke war an dem zweiten Morgen nach dem Vesuche im zoologischen Garten auf eine harte Probe gestellt worden, als sie unter ihrem Kissen das Telegramm, in einen Abschiedsbrief eingeschlossen, gefunden hatte – Teresa war fort.

»Meine Carmina«, schrieb dieselbe, »ich habe Dich geküßt und nehme nun schriftlich Abschied von Dir, so gut es meine vermeinten alten Augen zulassen. O Du Liebling meines Herzens, ich kann es nicht über mich gewinnen, Dich zu wecken und Deinen Schmerz zu sehen. Vergieb mir, daß ich nur mit diesem stummen Lebewohl fortgehe; meine Liebe zu Dir ist meine einzige Entschuldigung. Solange mein hilfloser alter Mann noch lebt, hat derselbe ein Anrecht auf mich. Schreibe mit jeder Post und sei überzeugt, daß ich antworte – und denke an das, was ich von Ovid gesagt habe. Liebe den guten Mann, der Dich liebt, und suche so gut wie möglich mit den Anderen auszukommen. Sie können ja nicht schlecht gegen den armen Engel sein, der von ihrer Güte abhängt. O, wie hart ist das Leben —« Das Uebrige war von Thränen ausgelöscht und unleserlich.

Carmina verbrachte diesen unglücklichen Tags in der Einsamkeit ihres Zimmers und weigerte sich sanft, aber fest, irgend Jemand zu sehen, was Mrs. Gallilee’s Besorgnisse vermehrte. So schon ganz von Ovid’s Hartnäckigkeit und den Mitteln, dieselbe zu überwinden, in Anspruch genommen, sah sie sich nun noch einer Entschlossenheit im Charakter ihrer Nichte gegenüber, die sie des Höchsten überraschte, denn es konnten sich bei der Behandlung Carmina’s vielleicht unvorhergesehene Schwierigkeiten erheben. Mittlerweile war sie, was die ernste Angelegenheit in Betreff des drohenden Gesundheitszustandes ihres Sohnes anbetraf, ganz auf ihre eigene Klugheit angewiesen, da Benjulia zu sehr von seinen Experimenten im Laboratorium in Anspruch genommen war und es abgelehnt hatte, sie zu unterstützen. »Ich habe meinen Rath bereits abgegeben«, schrieb er. »Schicken Sie ihn fort. Lassen Sie mich dann nach einem Monate seine Briefe sehen, so werde ich Ihnen meine Meinung über ihn sagen, wenn ich dann noch etwas zu sagen habe«

So also auf sich selbst angewiesen, blieb der Selbstverleugnung Mrs. Gallilees nur ein gesunder Schluß übrig. Der einzige Einfluß, den sie jetzt noch mit irgendwelcher Aussicht auf Erfolg bei ihrem Sohn gebrauchen konnte, war der ihrer Nichte. Sie ließ daher Carmina genügend Zeit, sich von dem Verluste ihrer alten Freundin zu erholen, und lud sie dann drei Tage nach deren Abreise ein, den Thee in ihrem Boudoir einzunehmen. Carmina traf ihre Tante beim Lesen eines reizenden Buches über einen sehr interessanten Gegenstands wie dieselbe sagte, als sie es weglegte »Pflanzengeographie. Der Verfasser theilt die Erde in fünfundzwanzig Pflanzenzonen – doch ich vergesse, Du bist nicht wie Maria und machst Dir nichts aus diesen Dingen.«

»Ich bin so unwissend«, meinte Carmina »Vielleicht wird es besser, wenn ich älter werde.« Dann nahm sie ein Buch vom Tische, das durch seinen schönen Einband ihre Aufmerksamkeit erregte.

»Wieder Wissenschaft, liebes Kind«, sagte Mrs. Gallilee, die sie mit theilnahmvoller Wohlgelauntheit angesehen hatte, in scherzendem Tone. »Sie ladet Dich hier in hübscher Hülle ein. Es behandelt Merkwürdigkeiten der Coprolithen – eins meiner kostbarsten Bücher, ein mir vom Verfasser zur Ansicht, überreichtes Exemplar.«

Was sind Coprolithen?« fragte Carmina.

Noch gut gelaunt, aber doch schon mit zu Tage tretender Anstrengung ließ sich Mrs. Gallilee herab, ihrer Nichte eine deren Verständniß angepaßte Erklärung zu geben. »Coprolithen sind versteinerte unverdaute Speisenüberreste ausgestorbener Reptilien. Der große Gelehrte, der dies Buch geschrieben hat, hat Schuppen, Knochen, Zähne und Muschelschalen darin entdeckt. Welch ein Mann! welch ein Feld für die Forschung! Erzähle mir von Deiner Lectüre. Was hast Du in der Bibliothek gefunden?«

»Sehr interessante Bücher – wenigstens für mich interessant«, antwortete Carmina »Viele Bände Poesie. Liest Du je Poesie?«

»Poesie?« wiederholte Miß Gallilee, sich in ihren Stuhl zurücklehnend, in resigniertem Tone. »Lieber Himmel!«

Carmina versuchte ein mehr versprechendes Thema. »Was für schöne Blumen Du im Salon hast!« sagte sie.

»Was ist dabei Besonderes, Beste? Die hat jeder in seinen Salons – das gehört zum Meublement.«

»Hast Du sie selbst arrangiert, Tante?«

Mrs. Gallilee ertrug es noch. »Das besorgt Alles der Gärtner«, erwiderte sie. »Ich secire manchmal Blumen, befasse mich aber nie mit dem Arrangieren derselben. Wozu brauchten wir dann auch den Menschen?« Diese Auffassung der Frage ließ Carmina verstummen und Mrs. Gallilee fuhr fort: »Dies Blumenthema erinnert mich an andere Ueberflüssigkeiten. Hast Du das Piano in Deinem Zimmer versucht? Geht es?«

»Der Ton ist ganz vollkon1men!« antwortete Carmina enthusiastisch. »Hast Du es selbst ausgesucht?« Mrs. Gallilee sah aus, als ob sie wieder »lieber Himmel« sagen und es vielleicht nun nicht länger aushalten würde, aber Carmina, die zu unschuldig war, um dies richtig zu deuten, und jedenfalls nicht einzusehen vermochte, weshalb ihre Tante nicht selbst ein Piano auswählen sollte, fragte dieselbe: »Interessiert Dich Musik nicht?«

Mit einer letzten Anstrengung nahm sich Mrs. Gallilee noch einmal zusammen. »Wenn Du erst etwas mehr von der Gesellschaft kennen lernst, liebes Kind, wirst Du sehen, daß man sich für Musik interessieren muß. Gerade so geht es mit Gemälden – man muß die Ausstellung der königlichen Akademie besuchen. So geht es gleichfalls —«

Ehe sie noch ein weiteres gesellschaftliches Opfer erwähnen konnte, wurde sie durch den Eintritt eines Dieners der einen Brief brachte, unterbrochen.

Kaum hatte sie einen Blick auf die Adresse geworfen, so verwandelte sich die müde Gleichgültigkeit in ihrem Wesen in lebhaftes Interesse. »Von dem Herrn Professor!« rief sie. »Entschuldige mich auf eine Minute.« Dann las sie den Brief und steckte denselben mit einem Seufzer der Erleichterung wieder in das Couvert, dabei zu sich selbst sagend: »Ich wußte es! habe es ja immer behauptet, daß die Eiweißsubstanz der Froscheier, als Nahrung betrachtet, unzureichend ist, eine Kaulquappe in einen Frosch zu verwandeln; und endlich giebt der Professor zu, daß ich Recht habe. Entschuldige, Carmina, daß ich mich von einem Gegenstande hinreißen lasse, den ich Wochen lang in mühsam erübrigten Mußestunden bearbeitet habe. Laß mich Dir etwas Thee einschenken. Ich habe Miß Minerva gebeten, uns Gesellschaft zu leisten. Was sie nur abhalten mag? Sie ist sonst so pünktlich. Wahrscheinlich ist Zoe wieder unartig gewesen.«

Und diese mütterliche Vermuthung wurde nach einigen Minuten von der Gouvernante bestätigt. Zo hatte keine Neigung gehabt, sich »die politischen Folgen des Erlasses der Magna Charta« einzuprägen, und die Gouvernante empfahl sie zur Bestrafung, wenn ihre Mutter »Zeit dazu haben sollte.« Mrs. Gallilee entledigte sich gleich dieser Verantwortlichkeit, indem sie ihr Brod und Wasser statt des Thees zudictirte.

»Ich möchte mit Ihnen beiden über meinen Sohn sprechen«, begann sie dann, aus den Zweck des Abends kommend.

Die Angeredeten erwarteten schweigend das Weitere, aber während Carmina den Kopf senkte und zu Boden blickte, betrachtete Miß Minerva aufmerksam Mrs. Gallilee. »Warum soll ich mitanhören, was sie über ihren Sohn zu sagen hat?« fragte sich die Letztere. »Besorgt sie, daß Carmina mit mir darüber sprechen könnte, wenn ich nicht zu den Familiengeheimnissen zugelassen würde?«

Und sie hatte damit in der That das Rechte getroffen.

Mrs. Gallilee hatte in letzter Zeit bemerkt, daß sich die Gouvernante in das Vertrauen ihrer Nichte einschmeichelte – d. h. in das Vertrauen einer jungen Dame, deren Vater, wie man sich allgemein erzählte, als Besitzer eines schönen Vermögens gestorben war. Es war aber eine gebieterische Pflicht, der Zunahme einer Freundschaft dieser Art Einhalt zu thun, ohne Miß Minerva offen zu verletzen; und Mrs. Gallilee sah ein Mittel, dies in taktvoller Weise zu erreichen darin, daß sie das Interesse, welches beide an Ovid nahmen, benutzte. Wenn sie sie beide einlud, mit ihr über den zarten Gegenstand, ihren Sohn, zu Rathe zu gehen, so mußte es nicht schwierig sein, eine Meinungsdifferenz anzuregen, die den Entfremdungsproceß dadurch einleiten würde, daß sie sich nach dem Thee mieden.

»Es ist von höchster Wichtigkeit, daß zwischen uns kein Mißverständniß stattfinde«, fuhr Mrs. Gallilee fort. »Ich will das Beispiel geben, ohne Rückhalt zu sprechen. Wir wissen alle drei, daß Ovid dabei beharrt, in London zu bleiben —«

Sie brach ab und wandte sich plötzlich an Miß Minerva: »Sie werden mich doch unschuldigen, daß ich Sie mit Familiensorgen belästige.« Dabei spähte sie nach einer Veränderung der Farbe oder einem Zucken der Lippen im Gesichte der Gouvernante. Denn wenn sie auch wirklich einen Professor bekehrt hatte, so war sie doch nur ein Weib, und hatte plötzlich bei ihren anderen Calculationen an die Möglichkeit gedacht, die Gouvernante zu irgend welcher interessanten Bekundung ihrer Neigung für Ovid zu veranlassen.

Miß Minerva hatte keine Ahnung davon, was diese überflüssige Entschuldigung bezwecken sollte, da sie durchaus nicht argwöhnte, daß Mrs. Gallilee ihr Geheimniß entdeckt haben könnte. Aber eben weil sie deren Motive nicht zu durchdringen vermochte, war sie von nun ab doppelt auf ihrer Hut.

»Sie thun mir eine Ehre damit an, daß Sie mich in Ihr Vertrauen ziehen, gnädige Frau«, sagte sie, bei sich selbst aber dachte sie: »Versuche es nur, wenn Du kannst, mir ein Bein zu stellen, Du Katze!«

»Wir wissen«, nahm Mrs. Gallilee ihre Rede wieder auf, »daß Ovid beharrlich in London bleibt, während doch Luft- und Szenenwechsel für seine Genesung absolut nothwendig sind. Und wir wissen auch, warum er bleibt. Glaube nicht, liebe Carmina, daß ich Dich im geringsten tadele! nein, glaube auch nicht, daß ich meinem Sohne einen Vorwurf mache. Du bist ein zu reizendes Mädchen, als daß nicht die Bewunderung der Männer entschuldigt, ja sogar gerechtfertigt wäre. Aber laß uns, wie wir harten Alten sagen, den Thatsachen in’s Gesicht sehen. Hätte Ovid Dich nicht gesehen, so würde er sich jetzt auf der Gesundheit spendenden See, auf der Reise nach Spanien und Italien befinden. Du bist die unschuldige Ursache seiner halsstarrigen Gleichgültigkeit, seiner so beklagenswerthen und gefährlichen Mißachtung der Pflicht, die er sich selbst schuldig ist. Auf seine Mutter hört er nicht, über die Meinung seines erfahrenen Collegen setzt er sich hinweg, einer aber hat noch Einfluß über ihn.« Wiederum pausierte sie und versuchte nochmals, der Gouvernante ein Bein zu stellen. »An Sie, Miß Minerva, darf ich appellieren. Ich betrachte Sie ja als Familienglied und empfinde die aufrichtigste Bewunderung für Ihr Taktgefühl. Ueberschreite ich die Grenzen der Delicatesse, wenn ich meine Nichte offen und ehrlich auffordere, Ovid zum Gehen zu überreden?«

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
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Public Domain

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