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Die hochmittelalterliche Binnenkolonisation

Die Feudalordnung erlebte im 12. und 13. Jahrhundert einen wirtschaftlichen Aufschwung. Wachsende Bodenerträge gingen auf damals günstige klimatische Verhältnisse und landwirtschaftliche Neuerungen zurück: den schweren Wendepflug, das Hufeisen oder den Kummet für Zugtiere, besonders aber die Dreizelgenwirtschaft. In einer «Zelge» wurden Parzellen von verschiedenen Bauern zusammengefasst, sodass das Ackerland eines Dorfes, das sich damit als geschlossene Siedlungsform entwickelte, auf drei Zelgen aufgeteilt wurde. Diese bebaute man im jährlichen Fruchtwechsel mit zum Teil neuen Kulturpflanzen: Wintergetreide (Dinkel, Roggen, in der Westschweiz Weizen), Sommergetreide (Hafer, Gerste) und – zur Erholung des Bodens – Brache, auf der jeweils Vieh weidete und damit dem Boden im Dünger neuen Stickstoff zuführte. Die zusammenhängende Zelge erlaubte eine bessere Nutzung unter der Voraussetzung, dass die Bauern einheitliche Pflanzen anbauten und ihre Feldarbeiten (Aussaat, Ernte), die Überfahrt über fremde Parzellen oder Beweidung untereinander abstimmten. Diese Regelung, der «Flurzwang», oblag der Dorfgemeinde, die damit wirtschaftliche wie politische und rechtliche Zuständigkeiten verwob.

Durch solche Methoden konnte sich die Bevölkerungszahl im Gebiet der heutigen Schweiz zwischen 1000 und 1300 gemäss allerdings sehr unsicheren Schätzungen von etwa 350 000 auf 700 000 bis 800 000 Bewohner verdoppeln. Entsprechend stieg die Nachfrage nach Neuland. Der sogenannte Landesausbau durch Rodungen und Trockenlegungen ging von geistlichen und weltlichen Adligen aus, zuerst von Klöstern, dann vor allem von Grafen und Edelfreien. Sie übten auf ihren Burgen die faktische Herrschaft in der Region aus, in welcher der König oder Kaiser, der seine Herrschaft auf Reisen wahrnahm, selten gegenwärtig sein konnte. Er gewährte seinen adligen Vasallen für ihre militärischen und administrativen Leistungen indessen Privilegien (Lehen), sowohl die benötigten Herrschaftsrechte über Menschen wie auch Besitztitel für Wälder, Feuchtgebiete und Alpen, welche die Grundherren durch Hörige erschliessen liessen. Dabei kam es oft zu Nutzungskonflikten dieser Landleute untereinander, ein wichtiger Grund für adligen Schutz und Schirm.

Der Adel in der Krise

Für das Gebiet der späteren Eidgenossenschaft wurde bezeichnend, dass dieser Militärstand bald an Bedeutung verlor. Die hochadligen Edelfreien (nobiles) starben früh weitgehend aus: die herzogliche Linie der Zähringer 1218, die Hauptlinie der Kyburger 1264, die Grafen von Rapperswil 1283. Bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts wurden auch die niederen Adelsgruppen stark geschwächt, vor allem der ursprünglich dienstbare Ritteradel, die «Ministerialen» oder milites. Die Gründe für deren Krise waren vielfältig, teils zufällig, teils strukturell, lagen aber nicht im Kampf mit «freien Bauern», wie man es sich später ausdachte. Als Ritter gingen die Adligen grundsätzlich einem lebensgefährlichen Beruf nach. Andere Familienmitglieder unterwarfen sich als hohe Kleriker dem Zölibat und blieben deswegen ohne erbberechtigte Nachkommen. Den milites boten sich zwei Wege aus der Krise: Einerseits war dies der Fürstendienst vor allem bei den Habsburgern oder – längerfristig aussichtsreicher – bei den Savoyern, in deren Gefolge sie als sogenannte «Landesadlige» Hof-, Verwaltungs- oder Kriegsdienst leisteten; und andererseits die Einbürgerung in eine Stadt, wo sie als Patrizier (mit dem Titel «Ritter») eine herausragende Stellung innehatten, sich aber doch zusehends an bürgerliche Werte und Tätigkeitsfelder anpassten. Beide Strategien beinhalteten einen Statusverlust, wie er für Hochadlige kaum denkbar war. Wie manche milites wichen sie deshalb dem Druck oft räumlich aus, mittelfristig vor allem in das Gebiet nördlich des Rheins. Andere (Raub-)Ritter leisteten dem Niedergang Widerstand, indem sie die Fehde suchten. Gerade damit gerieten sie aber ins Visier der sich ausbildenden Landesherrschaft – sei es diejenige von Fürsten oder, wie im eidgenössischen Raum, von Städten oder Ländern, die sich verbanden. So schränkten sie den Handlungs- und Gestaltungsraum der selbstständigen wie der habsburgischen Adligen zusehends ein: Nur an der eidgenössischen Peripherie konnten sich die Grafen von Toggenburg, Thierstein, Greyerz und Neuenburg bis ins 15. Jahrhundert behaupten, dort allerdings durchaus als Verbündete und nicht als Feinde der Eidgenossen.

Strukturell wurde die Stellung des Adels in ganz Europa durch die allgemeine demografische und wirtschaftliche Krise des 14. Jahrhunderts in Frage gestellt. Eine Ursache war das Ende des «mittelalterlichen Klimaoptimums» des 11. bis 13. Jahrhunderts, worauf die Durchschnittstemperaturen sanken. Diese «kleine Eiszeit» sollte bis ins 19. Jahrhundert anhalten. 1322/23 war ein erster extrem kalter Winter, die Ostsee schon im November vereist. Das «Magdalenen-Hochwasser» vom 21./22. Juli 1342, als die halbe normale Jahresregenmenge fiel, überschwemmte auch weite Teile der Schweiz und zerstörte grosse Mengen von Kulturland. Nach weiteren nassen und teilweise extrem kalten Sommern folgte als nächste Katastrophe die aus Asien eingeschleppte Pest, die 1348/49 etwa ein Drittel der europäischen Bevölkerung hinwegraffte und fortan regelmässig wiederkehrte, etwa einmal pro Jahrzehnt. Diese Entwicklung traf den Adel hart, während die Vollbauern ihre relative Stellung insgesamt verbessern konnten. Wegen der Todesfälle nahm ihre Zahl ab, der bebaubare Boden aber nicht, sodass sie bessere Arbeitsbedingungen für ihre gefragten Dienste aushandeln konnten: Abgabenermässigung, Schuldenerlass und Erbleihe mit weitgehend freiem Verfügungsrecht. Widrigenfalls fanden sich Alternativen bei einem anderen Grundherrn oder in den entvölkerten Städten. Insbesondere waren die Bauern nicht bereit, die festgeschriebenen Grundzinsen zu erhöhen, auch wenn sie etwa durch die extensive Viehwirtschaft auf ungenutztem Land höhere Einnahmen erzielten. Die «Realteilung», das heisst die Erbteilung auf die Nachkommen zu gleichen Teilen, schmälerte zusätzlich die Einkünfte einer Grundherrschaft. Von diesen Erträgen hing es aber ab, ob ein Adliger standesgemäss leben, also den Anforderungen eines elitären Lebensstils genügen konnte, der auch wegen Importen des Fernhandels immer mehr kostete. Für die Grundherren tat sich so eine Schere auf zwischen stagnierenden Einnahmen und wachsenden Ausgaben.

Die Zeit der Städtegründungen

Städte waren für die ländliche Gesellschaft sowohl eine Notwendigkeit als auch ein Fremdkörper. Im schweizerischen Mittelland war im Hochmittelalter eine überdurchschnittliche Zahl von ihnen entstanden. Einige Städte gingen auf die (Spät-)Antike zurück und dienten oft als Bischofsresidenzen (Basel, Chur, Konstanz, Genf, Lausanne); andere entstanden um Klöster und königliche Pfalzen (Luzern, St. Gallen, Zürich) herum. Doch die Blütezeit war das 13. Jahrhundert, in dem drei Viertel der 200 Städte gegründet wurden, die es um 1300 gab. Die meisten blieben auf wenige Hundert Einwohner beschränkt; mehr als 5000 zählten Anfang des 14. Jahrhunderts nur Genf, Basel und St. Gallen. Die grossen Stadtgründer im deutschen Südwesten waren die Zähringer: Ihr Stadtrecht für Freiburg im Breisgau hatte Modellcharakter, etwa für Bern und das andere Freiburg, im Üechtland. Dazu kamen, zum Teil als Ausbau von älteren Herrschaftsanlagen, Rheinfelden, Burgdorf, Murten, Thun und Moudon.

Könige, Prälaten oder Adlige hatten als Stadtherren dasselbe Ziel: Sie wollten vom verstärkten wirtschaftlichen Austausch auf den Marktplätzen profitieren, aber auch ein geschütztes Verwaltungszentrum errichten. Eine anhaltend günstige Agrarkonjunktur trug dazu ebenso bei wie der zunehmende Fernhandel, der von der Levante über Italien (Venedig) nach Oberdeutschland oder zu den Messen der Champagne führte. Auf diesen Routen lagen die Bündner Pässe und der Grosse St. Bernhard sowie die beiden Messestädte des Mittellands: Genf und, gleichsam als dessen Aussenstation, Zurzach. Simplon und Gotthard erlangten erst im 14. Jahrhundert mehr Bedeutung. Doch dieses bereitete der städtischen Blütezeit vorerst ein Ende: Die Katastrophen in der Jahrhundertmitte trafen in der Schweiz kurz- und mittelfristig vor allem das Mittelland und dort auch die 200 Klein- und Kleinststädte, von denen die Hälfte zu Dörfern wurde oder ganz verschwand. Doppelt geschlagen wurden die Juden, nicht nur von der Seuche, sondern auch von ihren Nachbarn, welche sie 1348/49 als angebliche Brunnenvergifter mit einem systematischen Pogrom überzogen und ermordeten, zur Konversion zwangen oder vertrieben – womit sie auch ihre Schulden bei jüdischen Geldverleihern getilgt sahen.

Landfrieden gegen Adelsfehden

Der Wohlstand, den die Städte im 13. Jahrhundert erlangt hatten, erlaubte es den Bürgern und konkret den Handwerkerzünften, sich von ihren Stadtherren zu emanzipieren und gemeinsam Ordnungsaufgaben zu übernehmen. Es ging in dieser Zeit ohne eindeutige Staatsmacht um Schutz oder Frieden in dem Sinn, dass Streitigkeiten auf dem Rechtsweg beigelegt wurden und Macht- und Waffenträger auf Gewaltanwendung verzichteten. Diese Forderung betraf in einer stets gewaltbereiten Gesellschaft vor allem die Ritter, die im Prinzip allein dazu legitimiert waren, Fehden mit Blutrachecharakter auszutragen. Mit dieser in einem Absagebrief angekündigten gewaltsamen Selbsthilfe stellten sie (ihr) verletztes Recht wieder her – oder ihre Ehre, was in der Adelskultur kaum voneinander zu trennen war. Entsprechend wurden die feudalen Kleinkriege als private Angelegenheit ausgefochten. Gegen derartige Fehden richtete sich die bereits hochmittelalterliche Landfriedensbewegung, getragen vor allem von der Kirche und den Städten, aber auch von den Fürsten. Sie alle wollten der Eigenmächtigkeit von Kriegsherren und der Eigendynamik von Ehrstreitigkeiten wehren und stattdessen eigene Herrschaftsstrukturen aufbauen. Langfristig arbeiteten sie auf ein obrigkeitliches Gewaltmonopol und rationales Recht hin, indem sie für klar umschriebene Räume und Menschengruppen sowie eine feste Zeitdauer Friedensregeln fixierten. Aussergewöhnlich war die schweizerische Entwicklung nur insofern, als die Einbindung und letztlich Unterordnung des Adels langfristig gelang, ohne dass dafür eine fürstliche Landesherrschaft benötigt wurde, aus der heraus der moderne Staat in der Regel entstehen sollte.

Städte konnten solche weiträumigen Polizeiaufgaben nicht alleine erbringen. Die naheliegende Lösung waren Städtebünde, wie es ihrer im Spätmittelalter viele gab. Besiegelt wurden sie durch einen Eid, weshalb Städtebünde lateinisch coniurationes hiessen: Schwurgemeinschaften von legitimen Herrschaftsträgern zur Verteidigung gemeinsamer Interessen und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Der wechselseitige Schutz und Schirm entsprach dem, was der Adel denen versprach, die ihm einen Treueid schworen, doch geschah es bei Städten eben unter Gleichrangigen. Das Ziel dieser Bünde war aber ähnlich: die Wahrung des Landfriedens – und nicht, wie die Geschichtsschreibung es für die Eidgenossenschaft lange haben wollte, der Freiheit. Freiheit im Singular bedeutete, den vielfältigen Gefahren des Alltags einsam ausgeliefert zu sein. Freiheiten im Plural, iura ac libertates, waren hingegen Privilegien oder (Herrschafts-)Rechte einer ständischen Gruppe.

Städtebünde zur Ordnungswahrung

Die spätmittelalterlichen Städtebünde dienten vor allem dazu, im ausserstädtischen Raum Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten, etwa auf den Überlandwegen gegen fehdeführende «Raubritter». Überlokale Rechtsfälle wollte man einvernehmlich und partnerschaftlich angehen, Urteile und Strafen gemeinsam durchsetzen. Im Reich, das keine «Polizei» kannte, aber viele Herrschaftsträger und Gerichte, konnten Übeltäter sonst leicht ihrer Strafe entfliehen. Schiedsgerichte sollten Konflikte zwischen den Verbündeten beilegen, damit keine mächtigen Schlichter anstelle des kaum mehr gegenwärtigen Kaisers eingriffen und die Streitenden nicht nur zur Räson brachten, sondern sie sich gleich ganz unterwarfen. Folgerichtig sagte man sich in solchen Bünden auch gegenseitige Hilfe gegen fremde Bedrohung zu. Nicht zuletzt wollte man damit die städtische «Reichsfreiheit» sichern: Der König als Herr der Reichsstädte war oft versucht, diese an Fürsten zu verpfänden, weil er deren Gefolgschaft oder Geld benötigte. Auch die wirtschaftliche Koordination von Zoll, Münze oder Massen war ein Anliegen vor allem der überlokal tätigen Kaufleute, denen der Landfrieden und die Bündnisse zu dessen Schutz besonders am Herzen lagen. Die Rechtsordnung im Reich war die Voraussetzung der Autonomie, die im Namen Reichsstadt selbst steckte und bedeutete, dem König unmittelbar unterstellt zu sein, keinen anderen Herrn zu haben. Es war deshalb ein Hauptanliegen der Städte, die Reichsordnung selbstständig und miteinander zu gewährleisten, insbesondere in den heiklen Zeiten des Interregnums oder bei dynastischen Wechseln.

Die dazu gegründeten Bündnisse waren selten eine dauerhafte Lösung. Das galt auch für diejenigen, an denen sich Städte aus der heutigen Schweiz beteiligten. Zürich und Basel gehörten zum Rheinischen Bund, der von 1254 bis 1257 bestand und auch – vorwiegend geistliche – Reichsfürsten einschloss; der südwestdeutsche Städtebund von 1327 zählte neben Konstanz, Überlingen, Lindau, Freiburg im Breisgau, Strassburg, Speyer, Worms und Mainz auch Zürich, St. Gallen, Basel und Bern sowie den Grafen von Kyburg-Burgdorf zu seinen Mitgliedern; und 1385 befanden sich Zürich, Bern, Solothurn und Zug im Schwäbischen Bund. Daneben gab es vor allem im Südwesten des Reiches manche Zusammenschlüsse ohne «schweizerische» Beteiligung: die 1354 gegründete, langlebige elsässische Dekapolis von zehn Reichsstädten um Colmar oder 1381 der kurzlebige rheinische Städtebund mit den Zentren Worms und Mainz. 1356 begannen zudem die Hansetage, an denen jeweils Gesandte der rund 70 autonomen Hansestädte um einstimmige Lösungen rangen – ähnlich wie später die Eidgenossen an der Tagsatzung.

Zürich braucht Hilfe

Die Eidgenossen begannen ihre Bündnispolitik ebenfalls in der Mitte des 14. Jahrhunderts. Dass es dabei um den Ausbau und die Sicherung der Herrschaft lokaler Eliten ging, zeigte sich bei den Verträgen der Reichsstädte Zürich (1351) und Bern (1353) mit den Waldstätten. Zürich war seit 1218 eine Reichsstadt und löste sich danach allmählich von der eigentlichen Stadtherrin, der Äbtissin des Fraumünsters. Sie hatte auch Besitzungen in Uri, die eine der Brücken in die Innerschweiz bildeten. Ausgangspunkt für Zürichs Bündnis mit den ländlichen Gebieten war allerdings eine Zunftrevolte, die der ritterbürtige Rudolf Brun 1336 zum Erfolg geführt hatte. Nach Strassburger Vorbild wurde daraufhin der erste «Geschworene Brief» verfasst, eine Verfassung, die Brun zum Bürgermeister auf Lebzeiten und rund ein Fünftel der Stadtbewohner zu vollwertigen Bürgern machte. Die bisher herrschenden Adligen und Kaufmannsgeschlechter wurden in der «Gesellschaft zur Constaffel» zusammengefasst, die weiter vornehm blieb, ihren politischen Einfluss aber allmählich an reich gewordene Handwerker verlor. Die Vertreter der (ab 1440) zwölf Zünfte überwogen im Grossen Rat, der die Bürgerschaft repräsentierte, nach Zahl klar diejenigen der Constaffel; die alltäglichen Regierungsgeschäfte lagen bei einem Kleinen Rat. Ähnliche Verfassungen waren im deutschsprachigen Raum die Regel. Sie waren nicht demokratisch im Sinn von freien Wahlen unter gleichberechtigten Bürgern. Aber ein Grosser Rat mit, wie in Zürich, rund 200 Mitgliedern erlaubte in Städten mit etwa 5000 Einwohnern – wenn man Frauen, Kinder, Unterbürgerliche und Auswärtige abzieht – einem Grossteil der Bürgerfamilien die Mitsprache.

Nach Bruns Umsturz emigrierten etliche unterlegene Patrizier in das nahe Rapperswil, das nach ihrem gescheiterten Putschversuch, der «Mordnacht» von 1350, durch Zürich zerstört wurde. Die verwüsteten Gebiete gehörten jedoch einer habsburgischen Nebenlinie, sodass Herzog Albrecht II. militärisch eingriff und auch Rapperswil als vorderösterreichische Stellung wieder aufbaute. Der innerzürcherische Konflikt rief also die regionale Ordnungsmacht auf den Plan. In dieser bedrohlichen Situation empfing Zürich Gesandte von Luzern, Uri, Schwyz und Unterwalden, mit denen am 1. Mai 1351 ein «ewiges» Bündnis beschworen wurde. «Ewig» war keine aussergewöhnliche Wendung, sondern die übliche Formel für «unbefristet». Auch der Vertragstext entsprach weitgehend früheren Landfriedensbündnissen der Limmatstadt, etwa mit Habsburg. Darin sicherten sich die Partner gegenseitig den Schutz von Leib, Gut, Ehren und Freiheiten zu und definierten einen Kreis zwischen Aare, Rhein und Gotthardgebiet, in dem sie sich nach entsprechender Aufforderung gegenseitig Hilfe leisten würden. Dieser Radius entsprach den Innerschweizer Interessen, während der für Zürich wichtige Bodenseeraum fehlte. Das weist darauf hin, dass Brun als Bittsteller nach Söldnern suchte, um seine Stellung gegen die inneren und äusseren Feinde zu behaupten. Der Bund garantierte nämlich ausdrücklich die zünftische Verfassungs- und damit Herrschaftsordnung Zürichs, den ersten Geschworenen Brief, was für ein ansonsten konventionelles Schutz- und Landfriedensbündnis nicht üblich war.

Die Vertragspartner behielten sich beide ihr Bündnisrecht vor. Zürich legte sich also nicht auf diese «Eidgenossenschaft» fest und versöhnte sich auch bald wieder mit Habsburg, als dessen Pensionär Brun bis zu seinem Tod 1360 wirken sollte. Doch auf den Bund von 1351 sollte man sich in Zukunft berufen. Es war auch aussergewöhnlich, dass eine Reichsstadt mit bäuerlichen Talschaften zu einer Allianz von «stetten und lendern», von «Burger und Lantlut» gefunden hatte, wie es in der Urkunde hiess. Dies erst war die Grundlage dafür, dass im Voralpenraum mittelfristig ein territorial umfassendes Gebilde zusammenkam. Eine solche Tendenz kündigte sich bereits in zwei gemeinsamen Erwerbungen von Innerschweizern und Zürchern an: Bevor der Friede mit Österreich wiederhergestellt worden war, eroberten sie von Albrecht II. das Alpental von Glarus, mit dessen Einwohnern die Schwyzer und vor allem die Urner schon wiederholt wegen Nutzungs- und Weiderechten Streit gehabt hatten. Entsprechend fiel der «Bündnisvertrag» von 1352 aus, den die Glarner noch lange als «bösen Bund» bezeichneten. Sie mussten als Protektorat den Eidgenossen auf eigene Kosten Hilfe leisten, erhielten aber selbst keine unbedingte Hilfezusage.

Etwas glimpflicher behandelt wurde fast gleichzeitig die bis dahin habsburgische Landstadt Zug, die strategisch wichtig auf dem Verbindungsweg zwischen Zürich und den Waldstätten lag. Im ebenfalls auferlegten Bündnis vom 27. Juni 1352 konnte sich Zug die Rechte und Verpflichtungen gegenüber Österreich vorbehalten. Das war eine Stütze der Zuger Autonomie, nicht deren Gefährdung. Denn die bedrohlich nahen Schwyzer sollten in der March (Mark = Grenzland) am Zürichsee und später am Kloster Einsiedeln beweisen, dass sie eine Schutzbeziehung allmählich in ein Untertanenverhältnis umzuwandeln verstanden. Insofern überrascht es wenig, dass Zug und Glarus schon bald, im Regensburger Frieden von 1355 zwischen Habsburg und Zürich, wieder unter Habsburger Herrschaft zurückkehrten. Doch 1365 eroberte Schwyz Zug erneut. Hätte Habsburg dann nicht an seinen Rechten festgehalten, sondern Zug den Schwyzern verpfändet, wäre es wohl ein Untertanengebiet geworden. Erst rückblickend wurde der entwicklungsoffene Zuger Bund von 1352, der ein Schwyzer Herrschaftsinstrument hätte werden können, zu einem antihabsburgischen Verteidigungsbündnis verklärt.

Bern und die «Burgundische Eidgenossenschaft»

Den Regensburger Frieden vermittelte Kaiser Karl IV. aus dem Geschlecht der Luxemburger. Seine Rolle in den Auseinandersetzungen ist nicht ganz klar. Es lag ihm wohl daran, dass kein grösserer Konflikt entstand. Auch wenn sein Verhältnis zu den verschwägerten Habsburgern damals nicht sonderlich gespannt war, konnte ein Gegengewicht zu ihnen im schwäbischen Raum kaum schaden. Jedenfalls verlieh der Kaiser 1362 Zürich Privilegien, wobei er der Reichsstadt mit der Einrichtung eines Hofgerichts auch hoheitliche Aufgaben übertrug. Dass Karl IV. im Raum zwischen Bodensee und Genfersee auf die Städte setzte, bewies er bereits 1348, als er Berns Reichsprivilegien bestätigte. Um 1191 gegründet, war Bern kein gewerbliches, sondern ein militärisches Zentrum, in dem Rittergeschlechter wie die Bubenberg als Burger, Räte und Schultheissen eine führende Rolle spielten. Insofern handelte es sich bei Berns Kleinkriegen oft um Auseinandersetzungen innerhalb des Adels, in denen die reichsfreie Stadt gleichsam als Erbin der 1218 ausgestorbenen Zähringer und als Fortsetzerin von deren Territorialpolitik Bündnisse in der Westschweiz suchte. Dabei zählte sie, etwa im Krieg von 1251 gegen die Kyburger, auf Freiburg, Solothurn und weitere «eitgnoze von Buorgendon».

Für Bern, das sich links der Aare in der Diözese Lausanne befand, war die Ausrichtung auf diese westliche «Burgundische Eidgenossenschaft» naheliegend. Wie die Eidgenossenschaft, die im Osten entstand, bildete sie keine feste Allianz, sondern beruhte auf zumeist bilateralen, zeitlich befristeten Abkommen. Neben kleineren Städten, Grafen und geistlichen Herrschaften verband sich Bern in diesem Netzwerk während des 13. und 14. Jahrhunderts auch mit den (reichs-)freien Landleuten von Hasli und Guggisberg im Berner Oberland, also künftigen Untertanen. Zu diesem Zeitpunkt war dies aber noch ein Bündnis mit bäuerlichen Landgebieten – ähnlich den allerdings befristeten Abkommen von 1323 und 1339 mit den Waldstätten. Mit Hilfe von 900 Innerschweizer Söldnern gewann das ansonsten isolierte Bern 1339/40 den Laupenkrieg gegen das habsburgische Freiburg, das mit Habsburg verschwägerte Kyburg-Burgdorf und westschweizerische Adlige. Mit der Landvogtei Laupen legte die Aarestadt den Grundstock ihrer Territorialherrschaft. Damit war im westlichen Mittelland die Vormachtstellung des Adels nachhaltig in Frage gestellt. In den anhaltenden Kleinkriegen wurde auch dessen wirtschaftliche Basis, die Grundherrschaften, verwüstet und zerstört, sodass die Berner sie schliesslich aufkaufen konnten.

Am 6. März 1353 schloss Bern ein weiteres, diesmal unbefristetes Bündnis mit den Waldstätten, das auch Luzern und Zürich indirekt über Beibriefe einbezog. Bern sollte im Bedarfsfall von den Waldstätten erneut Hilfstruppen erhalten. Gleichzeitig sicherte es seine Ostgrenze durch den gemeinsamen Vertrag mit den unruhigen Obwaldnern. Aber «eidgenössisch» wurde Bern mit diesem Bündnis nicht. Es handelte sich weiterhin um nur eines der zahlreichen Bündnisse der Aarestadt, die unter anderem mit Savoyen und Habsburg alliiert blieb. Entsprechend stärker war ihre Verhandlungsposition im Vergleich zu Zürich, das in der Notsituation von 1351 in die Allianz mit den Innerschweizern geflüchtet war. Auch wenn keineswegs absehbar war, weshalb diese lockere schweizerische Eidgenossenschaft eine längere Dauer vor sich haben sollte als die burgundische, überbrückten die Bündnisse mit den Innerschweizern nun die mittelalterliche Grenze zwischen burgundischem und alemannisch-schwäbischem Mittelland. Über die Waldstätte kamen Bern und Zürich, die Reichsstädte mit ihren wachsenden Territorien, miteinander in eine indirekte und spannungsträchtige, aber letztlich dauerhafte Allianz.

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9783039198085
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