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Joshuas zauberhafte Welt

Autor:Thomas Karl / mail: tk73de@yahoo.de

Illustration: Angelina Gruhn / angelina.gruhn@googlemail.com

published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Copyright: © 2013 Thomas Karl

ISBN 978-3-8442-6813-3

Inhalt

1. Der Knappe Joshua

2. Reden ist Gold

3. Der schwere Weg zur Entschuldigung

4. Das geheime Labor

5. Insektenplage

6. Ein neuer Plan

7. Wikiper der Ölfte

8. Der erste Tag

9. Lernen, Braten, Putzen

10. Die verflixte Prüfung

11. Mesubils Schloss

12. Kampf ums Überleben

13. Die Straße im Nichts

14. Der Wolkenritt

15. Elias und die Prüfung im Paradies

16. Auf Schloss Gregorian

1. Der Knappe Joshua

Der Morgen begann wie jeder andere auch. Die Sonne kitzelte mit ihren warmen Strahlen schon früh den Hahn aus seiner Nachtruhe heraus. Verschlafen öffnete er die Augen und blickte sich um. Noch war alles ruhig, doch dies wollte er sogleich ändern.

Der Hahn plusterte sich kurz auf, schüttelte sich und streifte die letzte Müdigkeit aus seinem Gefieder.Voller Schwung setzte er zu seinem Weckruf an. Mit einem tiefen Atemzug streckte er den Hals in die Höhe, um aus voller Kehle drauflos krähen zu können. Doch..., ehe er sich versah, zischte ein kleiner Stiefel durch die Luft und knallte ihm direkt an seinen Kopf. Augenblicklich verlor das Federvieh sein Gleichgewicht und polterte vom Misthaufen herunter.

„Heute ist Sonntag, da wollen die Leute länger schlafen! Also, halt deine Klappe!“, raunzte ihn eine kindliche Stimme völlig übermüdet an.


Der Hahn rappelte sich verwirrt vom Boden auf und blickte verdutzt zu dem kleinen Jungen, der sich dort unter einem hölzernen Vordach gähnend im Stroh wälzte. Verächtlich scharrte das Tier mit seinen Krallen im matschigen Boden umher und beförderte so eine größere Menge Dreck zu dem Kind hinüber. Nach dieser Tat zog er sich tief beleidigt, aber mit hoch erhobenen Schnabel in seinen Hühnerstall zurück. Der Hahn hatte genug von diesem Tag, obwohl dieser ja eigentlich noch nicht einmal richtig begonnen hatte.

Joshua hingegen verteilte etwas frisches Stroh über seinen Körper, deckte sich damit zu und schloss erneut seine Augen. Da es sein freier Tag war, wäre er niemals, aber auch wirklich niemals auf die Idee gekommen, früh aufzustehen. Schließlich war er schon den ganzen Rest der Woche immer der Erste, der aufstand und seine Arbeit erledigte.

Sein Ritter, der ehrenwerte und edle Herr Alfons von Dickhusen, duldete morgens keine Verspätungen. Früh musste das Pferd gesattelt und das Schwert poliert sein. Immerhin galt es für den Ritter, jeden Tag eine gute Tat zu vollbringen und zu dieser wollte er nur ungern zu spät kommen. Zumindest war dies seine Meinung dazu.

Da Joshua nur ein Knappe, also der Helfer, von seinem Herren war, blieb ihm an den gewöhnlichen Wochentagen nichts anderes übrig, als rechtzeitig seine Arbeit zu tun, …sonst drohte gewaltiger Ärger.

Doch heute war Sonntag und alle Ritter schliefen länger. Somit gab es für den Jungen auch keinen erklärbaren Grund, früh aufzustehen. Zwar besuchten die Ritter Sonntags die Kirche und putzten sich dafür heraus wie an keinem anderen Tage, doch Joshua war nicht dumm. Meistens legte er die saubere Uniform für seinen Herren einfach schon tags zuvor bereit. So konnte er den freien Sonntagmorgen in vollen Zügen genießen.

Joshuas normaler Tagesablauf sah hingegen ganz anders aus. Wenn er arbeiten musste, stand er sehr früh auf. Meistens sogar früher, als der Hahn krähte. Häufig war es noch dunkel und er konnte kaum etwas erkennen. Selbst das Licht der Fackeln, die zahlreich an den Mauern befestigt waren, reichte kaum dafür aus, um die anliegenden Aufgaben sorgfältig erledigen zu können. Und auf Sorgfalt bestand Ritter Alfons leider sehr. Das Schwert musste gründlich poliert sein, damit sich jeder darin spiegeln konnte. Was wäre er auch für ein Ritter gewesen, wenn er einem Gegner mit schmutziger Schneide entgegen getreten wäre? Nein, so etwas kam für den edlen Ritter einfach nicht in die Tüte.

Auf Grund dieser Tatsache reinigte Joshua das Schwert immer zuerst. Es gab selten Ärger, wenn andere Dinge nicht ordnungsgemäß erledigt waren, jedoch hagelte es immer harte Strafen, wenn die Waffe nicht ordentlich genug glänzte, so wie sie es eigentlich sollte.

Normalerweise brauchte der Junge eine gute Stunde dafür, damit alles vom Griff bis zur Klingenspitze blitzte und blinkte. Aber es war gar nicht so einfach, denn Joshua hatte nur Wasser, einen Lappen und etwas Stroh zur Verfügung. Trotzdem schaffte er es irgendwie immer wieder, seine Arbeit zur vollsten Zufriedenheit seines Herren zu erledigen.

Wenn er früh genug mit dem Schwert fertig war, musste er sich um das Schild und um das Wohl des Pferdes im Stall kümmern. Die Wäsche erledigte er klugerweise schon immer am Abend zuvor.

Das Leben war nicht leicht für den fleißigen Jungen. Die Ausrüstung eines Ritters war schwer und für alle Teile musste der Knappe Sorge tragen, ob es sich nun um die Waffen oder um die schwere Rüstung handelte. Joshua musste alles in Schuss halten. Egal wie sehr es auch regnete, hagelte, stürmte oder schneite. Alle Sachen hatten auszusehen, als kämen sie gerade frisch vom Schmied oder aus der Wäscherei. So blieb für den kleinen Jungen kaum Zeit für andere Dinge im Leben. Wenn er sich nicht gerade auf irgendwelchen Reisen zu neuen Abenteuern mit seinem Herren befand, hatte er genug damit zu tun, die ganze Ausrüstung auf Vordermann zu bringen. Es sah ziemlich langweilig und trist in Joshuas Leben aus. Mehr als Arbeit hatte es nicht für ihn zu bieten. Dabei träumte er häufig davon, selber einmal ein großer und berühmter Ritter zu sein. Doch für einen Knappen wie ihn war der Weg bis dorthin steinig und schwer.

Er machte sich da nichts vor. Wenn man nicht aus gutem Hause kam oder einem nicht der Zufall half, war der Wunsch ein echter Ritter zu werden, schneller ausgeträumt als man meinte. Auf den Turnieren, die er mit seinem Herren Alfons besuchte, traf er oft genug auf seinesgleichen, die ihr Leben lang als Knappen schufteten ...und auch endeten.

Von nicht vielen, um nicht zu sagen, nur von ganz, ganz wenigen, wusste man, dass sie den langen Weg vom jungen Helfer bis zum Ritterschlag geschafft hatten. So einem Knappen war Joshua jedoch noch niemals selber begegnet. Er hielt es auch eher für ein Gerücht als für die Wahrheit. Trotzdem wollte er seinen Traum nicht aus den Augen verlieren, auch wenn dies Ritter Alfons nicht gerne sah oder gar hörte. Der Junge wusste, dass etwas Besonderes in ihm schlummerte. Da war er sich ganz, ganz sicher.

An jenem Sonntagmorgen fiel es Joshua sichtlich schwer, sich aus dem warmen Stroh zu erheben. Sechs Tage die Woche hatte er sich abplagen müssen und dies steckte auch in seinen geschundenen Knochen. Obwohl ihn die Müdigkeit kaum die Augen offen halten ließ, wurde es langsam für ihn Zeit aufzustehen. Die Kirchturmglocken läuteten schon zum zweiten Mal. Dies bedeutete für ihn, dass Ritter Alfons bald seine Hilfe bräuchte, wenn die Kirche zu Ende war.

Jeden Sonntag gab es nämlich das gleiche Drama. Ritter Alfons bekam zwar seinen feinsten Zwirn alleine an, doch heraus kam er nur selten ohne fremde Hilfe. Der Junge zwang sich aufzustehen, und schleppte sich müde zum Misthaufen hinüber. Schließlich fehlte ihm ja noch sein zweiter Stiefel, den er nach dem Hahn geworfen hatte. Müde schlüpfte er in ihn hinein, kippte dabei fast nach hinten über und landete beinahe in dem großen Haufen. Er konnte sich gerade noch an einem Mauervorsprung festhalten. Das hätte dem Jungen noch gefehlt, wenn er nach frischem Mist gerochen hätte! Sicherlich hätte er dann eine gehörige Ansprache von Ritter Alfons bekommen. Doch es ging gerade noch einmal gut.

Der edle Herr ließ nicht lange auf sich warten. Kurz nachdem der ganze Hofstaat an Joshua vorbeigezogen war, marschierte sein Ritter gemächlich und in aller Seelenruhe an ihm vorbei, zwinkerte ihm freundlich zu und machte sich weiter auf den Weg zu seiner Kammer. Der Junge folgte ihm wortlos und begleitete ihn in sein Zimmer. Da Ritter Alfons schon ein alter und verdienter Ritter war, hatte er einen ganzen Raum für sich alleine in der Burg. Das war schon etwas Besonderes, denn alle anderen Soldaten und auch die anderen Ritter mussten sich ihre Kammern mit mehreren Leuten teilen.

Gähnend stieß der alte Ritter seine schwere Zimmertür auf und kratzte sich am Bauch. „Ich glaube, mein Junge“, stellte er entschlossen fest: „es ist an der Zeit noch ein kleines Mittagsschläfchen zu halten. Was meinst du?“ Joshua nickte nur, dennoch konnte man ein vergnügtes Lächeln bei ihm erkennen. Das hatte auch seinen Grund. Immer wenn sich Ritter Alfons am Sonntag zum Mittagsschlaf hinlegte, bedeutete dies für Joshua, dass er frei hatte. Nur selten, ja eigentlich nur sehr, sehr selten, stand der edle Herr dann überhaupt noch einmal auf. Noch nicht einmal mehr zum Essen. Es hätte schon die Burg brennen oder angegriffen werden müssen, dann, aber vielleicht auch nur dann, wäre Ritter Alfons noch einmal aufgestanden. Er war halt nicht mehr der Jüngste.

Joshua machte dies wenig aus. Ganz im Gegenteil, somit konnte er den ganzen Tag tun und lassen, was er wollte, und das tat er auch am liebsten. Jetzt musste er seinen Herren nur noch aus der sauberen Robe helfen, was schon schwer genug war. Man kann sich nicht vorstellen, wie viele Kordeln, Knoten und Schnüre die Ausgehuniform eines Ritters haben kann. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis Joshua seinen Herren bis auf die Unterhose ausgezogen hatte. Nachdem das Werk vollbracht war, schleppte sich dieser erschöpft zu seinem Bett, plumpste wie ein nasser Sack hinein und schnarchte augenblicklich drauf los. Leise zog Joshua noch die Gardinen vor die Fenster, damit es dunkel wurde. Außerdem sorgte er dafür, dass Ritter Alfons nicht mehr aufstehen musste und platzierte deshalb den Nachttopf vorsorglich neben dem Bett. Langsam schlich sich der Junge aus der Kammer, und zog die schwere Holztür sanft hinter sich zu. Jetzt hatte er einen ganzen freien Tag für sich!

Jubelnd sprang er den Flur entlang, achtete aber darauf, dass er nicht zu laut war. Um keinen Preis der Welt wollte er seinen Herren nochmals wecken. Überglücklich und beschwingt lief Joshua die Treppe hinunter, sauste über den Burghof und passierte das mächtige Tor. Beim Überqueren der Zugbrücke grüßte er noch freundlich die dort beiden postierten Wachen, dann sprintete er, wie wild geworden, einfach drauf los. Es trieb ihn immer weiter und weiter und er durchstreifte sämtliche nahegelegenen Wälder und Felder. Er genoss seinen freien Tag und seine Freiheit. Überglücklich warf er sich an einem schattigen Plätzchen in ein Moosbett hinein. Gut gelaunt beobachtete er die Wolken im Himmel, die lustig an ihm vorbei zogen.

Warum konnte es nicht immer so sein? Ein unbeschwertes und sorgenfreies Leben! Mit diesen Gedanken schlummert er friedlich ein.

2. Reden ist Gold

Durch einen festen Tritt wurde Josh unsanft aus seinen Träumen gerissen. Der Junge schlug erschrocken die Augen auf und blickte zu dem Mann, der dort vor ihm stand. Leider blendete ihn die tief stehende Sonne dabei so sehr, dass er nur schwache Umrisse wahrnehmen konnte. Schützend legte Joshua seinen Arm vor den Kopf. Langsam erkannte er mehr.

Vor ihm stand ein dürrer, alter Mann. Sein Bart war lang und rot wie Feuer. Er ähnelte einer lodernden Flamme, die auf dem Kopf stand. Das Haupthaar hingegen war grau wie eine prall gefüllte Regenwolke. Das alte Kerlchen wirkte nicht sehr stabil und musste sich an einem Stock aufrecht halten. Zu seinem komischen Gewand, das dunkelblau schimmerte und mit diversen Sternen und Halbmonden bestickt war, gesellte sich eine lange, spitze Mütze auf seinem Kopf. Diese Mütze war aus dem gleichen Material wie der Rest gefertigt, überraschte jedoch mit einem dicken Bommel am Ende, der so gar nicht recht ins Bild passen wollte.

„Was liegst du hier so faul herum, Junge!“, herrschte die Stimme des Mannes Joshua vorwurfsvoll an: „Hast du nichts Besseres zu tun, als hier den Tag faul zu verschlafen?“ Immer wieder stieß der alte Mann dabei dem Jungen mit seinem Stock in die Seite. Das gefiel Joshua überhaupt nicht und er drehte sich erst nach links, um anschließend mit einer gekonnten Rolle rückwärts in den Stand zu springen. In Abwehrhaltung und mit erhobenen Fäusten wartete er ab.


„Guter Mann, was habe ich ihnen denn getan?“, wollte Joshua wissen: „Wer sind sie denn eigentlich?“„Was du mir getan hast?“, lachte das alte kleine Männchen: „Du hast mir überhaupt nichts getan. Wenn man es genau nimmt, muss man sagen, dass du überhaupt nichts getan hast, ...außer zu schlafen! Du verschwendest dein Leben, mein Junge!“

Der Fremde musterte Joshua streng von oben bis unten über seine kleine Brille hinweg. Dabei kraulte er sich hinter seinem wuchtigen Bart nachdenklich an seinem Kinn. „Wenn ich dich so ansehe, glaube ich, dass da eine ganze Menge in dir stecken könnte!“ Joshua merkte, dass keine Gefahr mehr von dem Fremden ausging und entspannte sich ein wenig. Neugierig fragte er nach: „Was meinen sie damit, dass eine Menge in mir stecken könnte?“ Doch ehe der Mann hätte antworten können, fuhr der Junge übermütig fort: „Eigentlich kenne ich die Antwort ja auch schon, schließlich will ich einmal ein ehrenwerter und unbezwingbarer Ritter werden, genauso wie mein edler Herr, Alfons von Dickhusen!“ Das alte Männlein konnte sich ein knappes Lächeln nicht verkneifen: „So, so! Wie der edle Herr von Dickhusen? Na, der Gute ist aber auch schon in die Jahre gekommen, wie?“

„Wie? Sie kennen ihn?“

„Natürlich, kenne ich Alfons, den alten Tunichtgut“, lachte der alte Mann drauf los, dabei wackelte sogar der Stab mit, an dem er sich fest halten musste: „Wir haben früher Seite an Seite für das Gute gekämpft, aber mittlerweile sind wir zu alt dafür!“ Joshua staunte nicht schlecht und ließ sich verblüfft auf das Moos nieder fallen. Der alte Mann gesellte sich dazu. Ihre Blicke überflogen die unendlich schöne Landschaft und verharrten auf der weit entfernten Burg.

„Dort habe ich früher auch gelebt“, erklärte der alte Mann und zeigte dabei mit seinem Stock auf die Burg hinüber. „Wirklich?“, Josh wirkte überrascht: „Aber wenn sie dort einmal gelebt haben, warum kenne ich sie dann nicht?“ Der alte Mann senkte den Kopf: „Das ist schon viele, viele Jahre her, mein Junge. Viele werden mich dort nicht mehr in Erinnerung haben. Und du warst noch nicht einmal auf der Welt, als ich dort gelebt habe.“ Joshua betrachtete den alten Mann, der sich gerade noch einmal seine Mütze zurecht schob. Er bemerkte die Traurigkeit in dessen Worten, wollte jedoch nicht weiter darauf eingehen.

„Wie heißen sie denn?“, lenkte Josh gekonnt vom Thema ab. „Ich bin der große Hamurabi! Zauberer aus Leidenschaft!“, lautete die knappe, aber freundliche Antwort.

„Ja, klar.“, polterte es aus Joshua lachend heraus: „Und ich bin König Gugelhupf! Darf ich mich vorstellen?!“ Der Junge wälzte sich vor Lachen am Boden. Er hatte noch nie eine blödere Antwort gehört. Dieser alte Mann sollte ein großer Zauberer sein? Eher wäre Josh der Kaiser von China gewesen. „Sie und ein Zauberer! Hahaha!“

Dass sich Joshua über Hamurabi lustig machte, gefiel diesem überhaupt nicht. Kurzerhand stand der Zauberer auf und baute sich wütend vor dem Jungen auf. „Ich warne dich mein Junge, reize mich nicht!“, brodelte es aus Hamurabi heraus. Drohend erhob er seinen Zeigefinger. Joshua konnte jedoch nicht anders und lachte weiter. Freudentränen kullerten an seinen Wangen herunter: „Hahaha! Und jetzt wollen sie mich wohl zur Strafe verzaubern, wie?“

Das hätte der Junge besser nicht gesagt, denn er verärgerte damit den Zauberer aufs Äußerste. Hamurabi rieb sich die Hände und säuselte etwas vor sich hin. Ein kleiner Blitz entzündete sich zwischen seinen Daumen und Mittelfinger. Mit einem gekonnten Schnipsen schmetterte er sein leuchtendes Geschoss auf den Mund des vorlauten Jungen. Ein Donner grollte auf.

Das Lachen verstummte.

Als wäre der Blitz nicht schon Strafe genug gewesen, traf es Joshua noch viel schlimmer als erwartet. Nicht nur, dass sich seine Lippen, durch den gewaltigen Stromschlag anfühlten als würden tausende von Nadeln in ihnen stecken, nein, voller Entsetzen musste er feststellen, dass er seinen Mund überhaupt nicht mehr öffnen konnte. Völlig außer sich und in großer Panik geraten, riss er sich an seinen Lippen herum. Doch es war vergebens. Egal was er auch versuchte oder unternahm, ...sein Mund... er blieb verschlossen. Entsetzt und traurig blickte er hilfesuchend zu dem Zauberer.

Flehend erhob er die Hände und gab Zeichen, dass er wieder sprechen wollte. Doch Hamurabi blieb hart und zeigte keine Gnade: „So, mein Junge, ich hatte dich gewarnt. Man macht sich über ältere Menschen nicht lustig, wenn diese einem etwas Wichtiges zu sagen haben. Denk einmal darüber nach und dann kannst du wieder zu mir kommen. Einen schönen Tag wünsche ich dir noch.“

Der Zauberer klatschte zweimal fest in die Hände, daraufhin donnerte es laut und eine dicke Rauchwolke erschien aus dem Nichts und umhüllte ihn sanft. Als sich der Rauch verzogen hatte, kniete Joshua immer noch flehend auf dem Moos, ...doch ...Hamurabi war verschwunden.

Was sollte der Junge jetzt tun? Erneut liefen ihm Tränen über die Wangen. Diesmal jedoch nicht vor Freude. Sein Mund blieb weiterhin verschlossen, er konnte nichts dagegen tun. Ja, …selbst nach Hilfe konnte er noch nicht einmal mehr rufen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als sich auf den Weg nach Hause zu machen. Vielleicht konnte ihm dort irgend jemand helfen.

Am späten Nachmittag erreichte er die Zugbrücke. Die Wachen standen immer noch dort, jedoch viel müder als am Vormittag. Gelangweilt grüßten sie Josh, als er hastig an ihnen vorbei eilte. Doch dieser konnte den Gruß ja nicht erwidern, worüber sich die Wachen fürchterlich aufregten. „Was für ein unhöflicher Junge das doch ist! Kann noch nicht einmal grüßen“, beschwerten sie sich zeitgleich. Sie konnten ja nicht ahnen, dass der Junge gerade gar nicht in der Lage war zu sprechen.

Joshua war es egal, er war mit seinen Gedanken eh ganz woanders. Er hatte schreckliche Angst davor, dass er niemals mehr sprechen können würde. Und was war eigenlich mit essen? Dadurch, dass er den Mund nicht öffnen konnte, konnte er auch keine Nahrung mehr zu sich nehmen. Er machte sich große Sorgen. Panisch lief er auf dem Burghof umher und zerrte an jeder Person, die er finden konnte. Ganz gleich um wen es sich auch handelte.

Der Hof wimmelte vor Leuten, doch keiner konnte mit dem aufgeregten Jungen etwas anfangen. Sie konnten seine Zeichen nicht deuten und letztendlich gab es immer die gleiche Antwort zu hören: „Wenn du uns nicht sagst, was du für ein Problem hast, dann können wir dir auch nicht helfen.“ Die Menschen verstanden einfach nicht, dass Joshua nicht sprechen konnte. Der Hofnarr äffte den kleinen Jungen sogar nach und belustigte den ganzen Hofstaat damit. Dies war genug für Joshua und er rannte verzweifelt die lange Treppe hinauf und den Flur entlang, wo es zum Zimmer von Ritter Alfons ging.

Ohne zu klopfen stürzte Josh zur Tür herein. Ritter Alfons erleichterte sich gerade vor dem Bett in seinen Nachttopf hinein. Vor lauter Schreck ließ er das Gefäß fallen: „Potzblitz, Junge, was fällt dir ein? Habe ich dir keine Manieren beigebracht, dass du nicht weißt, dass man anklopft, bevor man meine Gemächer betritt? Jetzt sieh dir nur an, welche Sauerei du damit angerichtet hast! Ich hoffe nur für dich, dass die Burg brennt oder wir wenigstens angegriffen werden. Anders kann ich dein Handeln nicht durchgehen lassen.“ Verärgert schaute Ritter Alfons zu seinem Knappen hinüber. Doch zu seiner Verwunderung blieb dieser völlig stumm in der Tür stehen. „Sag mal Bengel, willst du mich komplett verärgern? Es reicht wohl nicht, dass ich bis zu den Knöchel in meiner eigenen Pippi stehe? Sprich! Was ist geschehen?“

Joshua fuchtelte wie wild in seinem Gesicht herum und zeigte ständig auf seinen Mund. Es war schwer, dem Ritter nur mit den Händen zu zeigen, dass er nicht mehr sprechen konnte. Da Ritter Alfons zum Glück nicht der Dümmste war, erahnte und verstand er sogar die Gesten nach einiger Zeit, auch wenn er nicht genau wusste, was dies alles zu bedeuten hatte. „Ich glaube, jetzt weiß ich was du mir sagen willst!“, grummelte er vorsichtig, aber dennoch überzeugt in seinen wehenden Schnauzer hinein: „Du kannst nicht mehr reden, stimmts?“

Joshua nickte erleichtert und hob den Daumen zum Zeichen, das die Antwort richtig war. „Hast du dich heute Nachmittag erkältet? Bist du heiser?“, bohrte Ritter Alfons weiter nach. Der Junge schüttelte verzweifelt den Kopf.

Langsam begann Joshua das Gewand und die Statur von Hamurabi mit seinen Händen in der Luft darzustellen. Ritter Alfons von Dickhusen schien ratlos. Doch nur bis zu dem Zeitpunkt, als Joshua die Mütze und den riesigen Bommel des Zauberers, auf seinem eigenen Kopf malerisch nach formte. Dem Ritter ging augenblicklich ein Licht auf und er lachte drauf los: „Ja, ja! Jetzt habe ich es verstanden, mein Junge!“ Joshua wirkte erleichtert und blickte fragend seinen Herren an.

„Bist du etwa einem alten Mann begegnet und warst nicht höflich zu ihm?“, wollte Alfons sofort wissen und grinste dabei. Dem Jungen blieb nichts anderes übrig, als zustimmend zu nicken.

„Tja, das passiert jedem, der es sich mit dem großen Hamurabi verscherzt!“, fuhr der Ritter fröhlich fort:„Sei beruhigt, du bist nicht der Erste, dem dies zustößt. Mir hat er einmal zwei geschlagene Tage lang das Sprechen weggezaubert. Ich musste mich erst bei ihm entschuldigen, damit er mich zurück verwandelte. Das solltest du besser auch tun.“ Ritter Alfons schlug Josh aufmunternd auf die Schultern. Dieser blickte zwar erleichtert, aber immer noch fragend zu seinem Herren auf. „Ach, du weißt sicherlich gar nicht, wo er wohnt, wie?“, stellte Alfons amüsiert fest: „Na, komm mal mit zum Fenster, ich zeige es dir!“

Der alte, mächtige Ritter, obwohl nur mit Unterhosen bekleidet, nahm Joshua an die Hand und ging mit ihm zum Fenster. Mit einem Ruck schob er den Vorhang beiseite. Von hier aus konnte man das halbe Königreich überblicken. „Siehst du den kleinen, blau schimmernden Wald dort hinten in der Ferne?“ Der Junge nickte übereifrig. „Dort steht ein kleines, komisches Haus. Dir wird es gleich ins Auge springen, zumindest wenn du es finden solltest. Dort lebt der alte Hamurabi. Lass dir auf den Weg dorthin noch einmal alles gut durch den Kopf gehen. Er wird eine ordentliche Entschuldigung von dir erwarten! Los, mach dich auf den Weg, sonst ist es Nacht, wenn du ankommst. Und sei auf Überraschungen gefasst!“, lachte der Ritter vergnügt. Er wusste nur zu gut, wovon er sprach und was den Jungen erwartete.

Joshua verbeugte sich dankbar vor seinem Ritter und schüttelte ihm zum Abschied die Hand. Dieser wiederum klopfte seinem Knappen auf die Schultern und schickte ihn los.

„Aber lass dir von ihm keine Flausen in den Kopf setzen, hörst du?“, schrie der alte Ritter Joshua noch warnend hinterher, doch es war zu spät. Der Junge war längst die Treppe hinunter gerannt und schon dabei, die Brücke zu überqueren. Erneut beschwerten sich die Wachen darüber, dass der Junge nicht grüßte. Joshua machte sich auf den Weg. Er war fest entschlossen, seine Stimme zurückzubekommen.

382,18 ₽
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140 стр. 17 иллюстраций
ISBN:
9783844268133
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