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Feuer und Asche

Coach dich selbst zu deinem besseren Ich. Doch – wer bin ICH? Spätestens seit Gregory Bateson gilt der Begriff „Ich“ als die ultimative Nominalisation, die Abstraktion per excellence. Und was heißt besser? Und überhaupt, wenn ja, wie viele? Diese Frage ist nicht neu und auch nicht von mir. Fans des Philosophie-Dandys der Jetztzeit – Richard David Precht – ist diese Frage möglicherweise von seinem Buchtitel aus dem Jahr 2007 geläufig. Und verzeih mir, wenn ich anmerken darf: Diese Frage stellte bereits der deutsche Psychotherapeut Gunther Schmidt im Jahr 2003 mit seinem gleichnamigen Buchtitel. Alles nur geklaut, sang die deutsche Popband „Die Prinzen“ – oder ein menschlicher Dauerbrenner. Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Was war, was ist die Antwort nur? Als Vater dreier Kinder begegnet mir dieses Thema im Alltag immer wieder. Sind Kinder doch grundsätzlich gut und engelsgleich, brechen doch auch in Sekundenschnelle imaginäre kleine Teufelshörner auf der Stirn hervor. Gut und böse zugleich? Können Kinder überhaupt böse sein? Fast wie im legendären Italo-Western der Siebzigerjahre „The Good, the Bad and the Ugly“. Also gleich drei Identitäten: Clint, die Schießwut, alias Eastwood, Eli Wallach und Lee Van Cleef im dritten Teil der berühmten Dollar-Trilogie von Sergio Leone. Drei Identitäten: der Gute, der Böse und der Brutale – zufälligerweise ging dann in

der deutschen Übersetzung eine Identität verloren, denn der deutsche Filmtitel wurde zu: „Zwei glorreiche Halunken“. Anscheinend blieben nur zwei Identitäten übrig, so schnell kann also nur mit einer Übersetzung eine Identität verloren gehen – dafür die bestehenden glorreich werden. In meiner Welt treffe ich oft auf Menschen, die diesbezüglich in der klassischen Dilemmasituation sind: Entweder sie haben etwas, was sie nicht mehr haben wollen, oder sie wollen etwas, was sie eben noch nicht haben. Viele meiner Kunden, und viele mir bekannte Menschen, halten im Alltag oft an Identitäten fest, deren Zeit längst abgelaufen ist. Wie oft ertappe auch ich mich dabei, wie ein trotziges Kind zu reagieren, anstatt als selbstbestimmter Erwachsener. Anführen möchte ich eine traditionelle Indianergeschichte, die sich in diversen sozialen Netzwerken verbreitete und dies wunderbar ergänzt:

Am Abend erzählt ein Indianerhäuptling seinem Sohn im Lichte des Lagerfeuers folgende Geschichte: „In jedem von uns tobt ein Kampf zwischen zwei Wölfen. Der eine Wolf ist böse, der andere ist gut. Der böse Wolf kämpft mit Ärger, Neid, Eifersucht, Sorgen, Gier, Arroganz, Selbstmitleid, Lügen, Überheblichkeit, Egoismus und Missgunst. Der gute Wolf kämpft mit Liebe, Freude, Frieden, Hoffnung, Gelassenheit, Güte, Mitgefühl, Großzügigkeit, Dankbarkeit, Vertrauen und Wahrheit.“ „Welcher der beiden Wölfe wird gewinnen?“, fragt der Sohn. „Der, den du fütterst, den du nährst, wird siegen“, antwortet der Häuptling.


RAAM 2013: C. Strasser im Dauerregen Foto: www.lupispuma.com

Jeder von uns hat manchmal gute und manchmal schlechte Tage, verspürt negative und positive Emotionen. Und manches Mal scheinen diese unberechenbar und zufällig wie das Wetter zu sein. Spitzensportler, Manager oder Menschen wie dir und mir ergeht es dabei völlig gleich. Doch in den vielen Jahren der Arbeit mit unterschiedlichsten Menschen zu verschiedensten Themen und Problemlagen durfte ich lernen, dass wir Einfluss nehmen können. Wir können uns für die Fülle oder für die Leere verantwortlich zeigen. So titelte das führende Radsportmagazin „Tour“ nach Christoph Strassers RAAM-Rekord 2013: „Der Kopf ist total leer!“ (C. Strasser, Tour, 2013/8, S. 9)Wir füttern und nähren unsere Emotionen und unseren Gefühlszustand durch uns selbst, durch unser Denken, durch unsere Selbstgespräche, durch unsere Umgebung, durch unsere Aktivitäten. Worauf wir uns konzentrieren, das kann wachsen, im negativen wie im positiven Sinne. Was wir nicht mit Aufmerksamkeit versehen, wird verkümmern. Dachte Christoph Strasser 2013 noch „mehr als ein Rennen wie das RAAM wäre also im Jahr gar nicht möglich“ (ebd.), konnte er 2014 das RAAM erneut gewinnen und zwei Monate später ebenfalls das Race Around Austria mit neuem Streckenrekord absolvieren. Denke an eine Wiese mit hohem Gras – kein Weg durchs Gras ist noch erkennbar. Wenn du – in Gedanken – durch diese Wiese schreitest, hinterlässt du Fußabdrücke, manche Grashalme werden sich recht bald wieder aufrichten, als ob du nie hier gewesen wärst. Manche Fußabdrücke werden für eine bestimmte Zeit, aufgrund deines Gewichtes, aufgrund deiner Präsenz, deine Spur nachzeichnen. Gehst du nur einmal, verblasst deine Spur recht bald und es ist, als wärst du nie hier gegangen. Welches andere Ergebnis könntest du erreichen, wenn du diesen Weg – immer in dieselben Fußstapfen steigend – mehrfach gehst? Ein Weg wird erkennbar werden: dein Weg! Ob er positiv wird oder eben nicht, kann dein Fokus, deine mentale Ausrichtung mitentscheiden. Dein gedankliches Ziel, dein mentaler Wunsch hinterlässt deine individuellen neuronalen Spuren!

Möglicherweise kannst du beginnen zu genießen, was an angenehmen und positiven Dingen Tag für Tag zu erleben ist. Füttere deinen Wolf und werde du selbst dein bester Coach!

Im Wald zwei Wege boten sich mir dar,

und ich ging den,

der weniger betreten war;

und das veränderte mein Leben.

(Robert Frost)


Geht der Tag oder kommt die Nacht? Foto: lucaspflanzl.at

Vielleicht hast du „Hilf mir, meinen Lebenstraum zu erfüllen“ gelesen – oder auch nicht. Um entweder Erinnerungen wieder wachzurütteln oder einfach in wenigen Worten Erkenntnisse aus dem Leistungssport zutage zu fördern, dürfen sechs Lektionen – um das Leben wieder zu lieben – folgen. Das Hauptaugenmerk gilt dabei nicht dem prolongierten Drang zu einer ständigen Selbstoptimierung, sondern mehr der inneren Balance und dem Erlernen einer Fehlerkultur, die in unseren Breiten leider nicht sehr ausgeprägt ist. Viele Menschen tun lieber gar nichts, bevor sie Fehler machen. Doch was letztendlich ein Fehler ist, wird für viele oft von außen definiert. Diejenigen, die gelernt haben, selbst zu entscheiden, wie sie mit Fehlern umgehen, fanden für sich häufig eine andere Begrifflichkeit: keine Fehler mehr, sondern Ergebnisse. Ergebnisse, die zufriedenstellend sind, oder eben nicht – und damit die Basis für die Weiterentwicklung, um aus Ergebnissen lernen zu können, zu schaffen. Oder im Sinne einer pragmatischen Fehlerkultur, um den filmischen Albert-Einstein-Verschnitt aus „Zurück in die Zukunft“, Doc Brown, zu zitieren:

„Deine Zukunft ist immer das,

was du draus machst!”

(Doc Brown, „Zurück in die Zukunft”, Teil 3)


Schlussfolgerung

Mach es wie RAAM-Rekordmann Christoph Strasser!

So nach dem Motto „die wahren Abenteuer sind im Kopf”: passend einerseits zu sportlichen Trainings- und Wettkampfvorbereitungen, den Herausforderungen des Lebens selbst und dem Beginn, sich selbst zu coachen: sechs Quickies zum mentalen Herantasten an die persönlichen Möglichkeiten:


1 Konzentrationsfähigkeit/Fokussierung:

Wenn du trainierst, im Wettkampf oder – noch wichtiger – in he­rausfordernden Situationen: Sei im Hier und Jetzt! Der Pedaltritt jetzt, der Atemzug jetzt, einfach das Erleben hier und jetzt darf wichtig und im Vordergrund sein. Christoph kann so seine zeitlich sehr langen Vorhaben in kleine Mini-Arbeitseinheiten aufteilen. Um so Minute für Minute, Stunde für Stunde immer das Beste geben zu können und nicht aufgrund der noch kommenden etwaigen Strapazen schon klein beizugeben. Sei fokussiert auf den gerade stattfindenden Bewegungsablauf, dein jetziges Tun, und: Lass es fließen!


2 Stressresistenz/Psychisches Durchsetzungsvermögen

Wenn du es schaffen kannst, im Hier und Jetzt zu sein und zu bleiben, sind dir deine Konkurrenten egal. Auch die nörgelnden Zurufe von außen – zwar im Sport nicht so häufig wie in der Arbeitswelt – können im Wettkampf und vor allem zuvor zusätzlich Stressoren erzeugen. Einerseits hilft Christoph die Vorfreude auf seine Zielerreichung und andererseits seine Fähigkeit, Stress in Motivation zu verwandeln. Er lernte lieber, ein paar tiefe und ruhige Atemzüge zu nehmen und eine Körperposition einzunehmen, die für ihn Stärke und Ruhe zugleich bedeuten kann. Wie? Vielleicht kannst du dir vorstellen, du selbst wärst Christoph Strasser oder ein anderes deiner Idole. Was denkst du, welche Körperposition nimmt er/sie vor einem Wettkampf ein? Möglicherweise aufrecht, Brustbein aufgerichtet. Wie tief und ruhig kann sein Atem sein? Welche Gedanken kann er sich dann erlauben? Möglicherweise heute bzw. jetzt sich selbst überraschen und einfach das Beste an Möglichkeiten umsetzen! Wie leicht kannst du dir das auch erlauben?


3 Realistisches Selbstvertrauen

Ein Gedankenexperiment hat Christoph mittlerweile schon automatisiert: Sich immer wieder das Wissen zu bestätigen, dass Menschen alle Ressourcen in sich tragen, die sie brauchen, um die von ihnen gewünschte Veränderung herbeizuführen. Das heißt, wenn ein Mensch etwas tun kann, kann es irgendwann ein jeder/eine jede lernen. Die meisten von uns sind von Geburt an perfekt und in jeder Hinsicht bestens ausgestattet. Doch bei vielen Menschen wird bewusst oder unbewusst irgendwann scheinbar ein Riegel vorgeschoben – die Frage, die ich dabei gerne stelle, ist: Wie können diese Ressourcen/Fähigkeiten wieder aktiviert werden? Welche inneren Glaubenssätze passen oder passen nicht zum gelebten Leben einer Identität? Welche Glaubenssätze könnten die richtigen sein, um das Durchhaltevermögen und die Ausdauer von Christoph Strasser zu unterstützen? Welche könnten vielleicht dich unterstützen?

Ein Schlüssel dazu darf der nächste Hinweis sein:


4 Fähigkeit zur Selbstmotivierung – innerer Monolog

Wie spreche ich mit mir? Immer wieder stelle ich fest, dass sich Menschen anderen gegenüber meist freundlicher verhalten als sich selbst gegenüber. Lerne gut und mit angenehmer Stimme mit dir selbst zu sprechen – vielleicht auch mit der gedanklichen Stimme eines Sportreporters oder deines besten Freundes oder der besten Freundin – schlichtweg eines Menschen, den du respektierst und dem du vertraust. Auch Christoph hat dies bei einigen DNF (Did Not Finish) schmerzvoll lernen müssen, er konnte nicht mehr ausreichend gut mit sich selbst umgehen. Du kannst lernen, gut mit dir selbst umzugehen! Dadurch wird dein Körper beginnen können, mit deinem Geist in Balance zu gehen. Sei selbst dein bester Freund! Halte jeden Morgen kurz inne, betrachte dich selbst im Spiegel. Lächle dich an und frage dich: „He, was wollen wir zwei Hübschen heute alles so entdecken? Was wird dieser Tag Gutes bringen können?“


5 Willensstärke/Motivation

Willensstärke und Motivation sind das Ergebnis einer konsequenten und mit allen Sinnen durchgeführten Zielarbeit. Oder wie Christoph es gerne sagt: „Meine Motivation? Das Gefühl (Anm. Die Vorstellung meiner Wahrnehmungen) beim Überfahren der Ziellinie.“ (C. Strasser, Revue, 2009, S. 16)


6 Ziel und Feuer

In den letzten Jahren habe ich in unterschiedlichen Kontexten und an unterschiedlichen Orten eine Frage immer wieder gehört: Was sind die mentalen Geheimnisse, die zu dem Erfolg von Christoph Strasser beigetragen haben? Meine Antwort ist seit Jahren die gleiche:

Entdecke dein Ziel und lebe danach.

Erhöhe deine Wahrnehmungsfähigkeit und Sinnesschärfe, um zu erkennen, ob du noch auf dem richtigen Weg zu deinem Ziel bist.

Werde wieder flexibel und nutze deine Flexibilität, um dein Handeln so lange zu verändern, bis du das erreichst, was du willst.

Was auch immer du tust:

Es gilt, das Feuer zu bewahren

und nicht die Asche zu verwalten!


RAAM-Sieger C. Strasser (3-fach) und Daniel Wyss (2-fach) bewahren ihre Feuer nach dem RAAM 2013 Foto: www.lupispuma.com

Zurück ins Hier und Jetzt

Beginnen werde ich diesmal mit dem Ende. Mit unserem Ende. Mit dem Ende unserer Zeit. Das Gute oder das Schlimme an ihr ist – sie vergeht. In der Kindheit kann die Zeit oft nicht schnell genug vergehen. Beim Warten aufs Christkind, den Osterhasen oder auf ähnliche Ereignisse. Manchmal reicht auch das Wiederheimkommen des Vaters, wie es bei meinen Kindern doch tatsächlich der Fall ist. Obwohl meine drei Kinder mein Arbeiten am Wochenende gewohnt sein sollten, erlebte ich im Winter 2013 etwas Ungewöhnliches mit ihnen. Vor allem mit meinem Jüngsten. Für das Buch „Hilf mir, meinen Lebenstraum zu erfüllen“ ging ich drei Mal nicht nur in eine imaginäre Klausur, sondern fuhr tatsächlich räumlich woanders hin, um meine Gedanken besser sammeln zu können. Doch obwohl ich im Durchschnitt 30 Wochenenden pro Jahr bei Seminaren, auf der Vortragsbühne oder bei Wettkämpfen bin, reagierte mein Sohn David, als ich zum vierten Mal zum Schreiben wegfahren wollte, anders als sonst. Beim abendlichen Ins-Bett-Bringen und meiner schon standardisierten Frage zum Tagesabschluss (Leser von „Hilf mir, meinen Lebenstraum zu erfüllen“ können wissen, welche Frage ich jeden Abend stelle), fing er an zu weinen und bat mich: „Bitte bleib bei mir, fahr nicht weg.“ Und ich blieb.

Was er und ich noch nicht wissen konnten: Dass ein Eisregen am nächsten Tag meine Wohnregion bis hin zur 65 km entfernten Grenze nach Slowenien in eine quasi Zuckergusshülle aus Eis eintauchen würde. Als wenn ein göttlicher Zuckerbäcker am Werk gewesen wäre, inspiriert von dem einen oder anderen Walt-Disney-Film. Wunderschön anzusehen, doch unglaublich gefährlich: spiegelglatte Fahrbahnen, vom Gewicht des unüblichen Gefrorenen umgeknickte Bäume, gerissene Stromleitungen und dadurch seltsame Ausreißer nach oben in der Unfallstatistik. Nun gut, klar – es war vielleicht Intuition, er hat es nicht wissen können. Als Resultat ersparte ich mir vermutlich so einiges und damit meine ich nicht nur den Weg zur Autospenglerei. Kinder nehmen vieles im Leben anders wahr. Nicht nur die Zeit. Und sie vertrauen ihrem Gefühl, ihrer Intuition.

Doch mit dem Ende der Jugend, mit Beginn des Erwachsenseins ändert sich für viele Menschen das Verhältnis zur Zeit. Woher kommt sie und wohin geht sie? Die Zeit als ein flüchtiges Wesen. Es scheint fast so wie in Michael Endes Roman „Momo“ aus dem Jahr 1973. Die grauen Herren, die Zeiträuber gehen um! Termin folgt auf Termin und alles, was noch für einen persönlich wichtig wäre, fällt der fehlenden Zeit zum Opfer. Im Roman stehlen die grauen Herren den Menschen die Lebenszeit. Sie arbeiten bei der Zeitsparkasse, alles an ihnen ist grau und sie rauchen. Sie rauchen Zigarren aus getrockneten Stundenblumen, die sie den Menschen aus den Herzen stehlen. So haben die Menschen keine Zeit mehr, um sich Geschichten zu erzählen und zu spielen. Obwohl seit der Veröffentlichung bereits 42 Jahre vergangen sind, wirkt das Thema für manche Menschen in meinen Seminaren und Coachings aktueller denn je. Meine zwei Lieblingsanfordernisse, die ich oft höre: ständige Erreichbarkeit und Multitasking. Anscheinend haben die meisten Handys keinen On/Off-Schalter und ein jeder ist Wertpapierhändler und arbeitet an mehreren Bildschirmen mit zig geöffneten Fenstern gleichzeitig. Den Hinweis, dass für viele die grauen Herren im Jahr 2015 zum Beispiel blau eingerahmte Bilder und Texte auf dem Tablet, Laptop oder Handydisplay sind, könnte ich mir ersparen. Doch Facebook und Co haben auch ausreichend nutzbare und sinnvolle Anteile! Mehr davon später.

Im Roman „Momo“ jedenfalls vertraut die gleichnamige Hauptfigur ihrer Wahrnehmung sowie Intuition und macht es sich zum Ziel, den Menschen ihre Lebenszeit wieder zurückzugeben. Unterstützt vom Zeitverwalter Meister Secundius Minutius Hora, der sie in die Geheimnisse der Zeit und des Lebens einweiht, kann sie die Zeit anhalten und so den grauen Männern den Diebstahl der Stundenblumen und der Zeit verwehren. Ein Zeitdieb nach dem anderen löst sich nicht nur sprichwörtlich in Luft auf. Der positive Effekt für die Menschen: Wieder Zeit füreinander zu haben, miteinander plaudern und spielen zu können.


Teamessen vor dem Race Around Ireland 2013 Foto: www.lupispuma.com

Macht man das nicht auch auf Facebook? Plaudern und spielen? Möglich. Besser zur richtigen Zeit und am richtigen Ort wie z. B. Alexander Karelly, selbst aktiver Radsportler – seinerseits stolzer Rekordhalter für die langsamste Glocknerman-Zielzeit (1.100 km mit 16.000 Höhenmetern in 66 Stunden und ich sehe seinen Mentaltrainer jeden Tag im Spiegel) – und hauptberuflich Fotograf sowie auch Betreuer von Christoph Strasser. Wenige Tage bevor seine Tochter auf die Welt kam, hat er Folgendes auf Facebook gepostet: „Ich habe mir ein Stück Leben zurückgeholt: Habe Facebook von meinem Handy gelöscht!“ Da soll noch einer sagen, wir Menschen seien nicht lernfähig! Unsere jetzigen Technologien haben immense Auswirkungen auf unser Kommunikationsverhalten und unseren Umgang mit Zeit. Mehr von allem und das gleichzeitig ist die kaum einlösbare Forderung. Die latent unausgesprochene Aufforderung, den Status zu aktualisieren, und der Anspruch eines ehemaligen großen Handyerzeugers: connecting people, führt manche in die Zeitknappheit. So manchem zerrinnt die Lebenszeit auf dem Touchscreen, oder wie es auch ebenda zu lesen ist: Leben ist dort, wo der unscharfe Rand bei deinem Handy ist.

Doch eines ist klar, Zeiträuber gab es schon vor Facebook und Smartphones. Und obwohl es uns in Mitteleuropa im Sinne unserer wirtschaftlichen Stärke oder auch technologischen Ausstattung noch nie so gut ging wie heute, sehnen sich laut einer Umfrage, die bei 800 repräsentativ ausgewählten Menschen aus Österreich durchgeführt wurde, viele nach der „guten alten Zeit“. Laut der vom Linzer Market-Institut durchgeführten Studie konnten sich die Teilnehmer ein Wunschjahr, in dem sie gerne leben würden, aussuchen. Alles zwischen 1800 und 2100 war möglich: die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft. Das Ergebnis förderte einen Hang zur Sehnsucht nach früheren Zeiten zutage: Im statistischen Mittel war die erste Jahreshälfte 1996 der Wunschzeitraum (Conrad Seidl, Schwerpunkt, Standard, 6. Dez. 2014, S. 3). Und das, obwohl 1996 von Smartphones keine Spur, der Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg gerade zwölf Jahre alt war und damit der noch nicht erfundene Facebook-Account nicht jeden Tag die hochethische Frage stellten konnte: Was machst du gerade?

Sollte uns dies zum Nachdenken anregen? Davon abgesehen suchten doch Marty McFly und Doc Brown gerade jetzt, in der Gegenwart, im Jahr 2015, den Schlüssel für die Veränderung der Geschichte. Kamen sie doch mit dem umgebauten DeLorean aus dem Jahr 1985 zurück in die Zukunft. Also ich für meinen Teil setz mich da lieber in den Kultwagen mit dem Fluxkompensator, hinterlasse brennende Reifenspuren und höre Doc Browns Stimme, die sagt: „Nächsten Samstag senden wir dich zurück in die Zukunft!“

Einen Vorteil hat die Vergangenheit: Das Monster der eigenen Vergänglichkeit rückt in die Ferne. In der Gegenwart wird die Aussicht auf die Endlichkeit immer größer. Sozusagen ein Logenplatz mit bester Aussicht, auf den man gerne verzichten würde. Auch wenn es noch ewig weg zu sein scheint, das Ende rückt immer näher.


Zurück in die Zukunft, De Lorean T. Jaklitsch Foto: sportcoaching.net

Als ich 2013 mit Christoph Strasser beim Race Around Ireland (2.070 Kilometer lang, mit 22.000 Höhenmetern) war, lernte ich den spätberufenen italienischen Langstreckenradfahrer Valerio Zamboni kennen. Das Frühjahr und den Sommer verbringt Valerio in Monaco, Herbst und Winter in Florida. Als ehemaliger Pilot war der Himmel sein Metier. Auch heute noch verkauft er den Menschen den Himmel auf Erden: Flugzeuge und Helikopter. Von Jugend an immer schon sportlich aktiv und mitten im Leben stehend, stürzte er beim Bergsteigen ab. Brach sich leider nicht nur die Hüften und wartete fast 20 Jahre, bis eine künstliche Hüfte ihm endlich wieder Sport und Aktivitäten ermöglichte. Zu Rehabilitationszwecken und um seine 20 Kilo Übergewicht loszuwerden, entschied er sich, weil weniger langweilig als schwimmen, fürs Radfahren. Und er fand darin sehr spät seine Passion: Langstreckenradfahren. Bei seinem ersten Antreten beim Race Across America stellte er ein Team aus Betreuern des Profiradsports zusammen und scheiterte kläglich. Bei Halbzeit der Distanz, also nach knapp 2.500 km, war für ihn am Mississippi das Rennen vorüber. Er lernte daraus, behielt seinen Humor, seine Willensstärke und änderte sein Training und seine Taktik. In den nachfolgenden Jahren finishte er nicht nur das RAAM, sondern gewann 2011 als 57-Jähriger das Race Around Ireland!


V. Zamboni, vor dem Start RAAM 2012 Foto: www.lupispuma.com

„Wenn du jung bist, lautet die Antwort: Ich möchte erfolgreich sein,

ich möchte viel Geld verdienen, ich möchte gut in meinem Sport sein.

Und dann siehst du vielleicht Menschen und Freunde sterben,

du beginnst zu verstehen, dass das Leben …

Es gibt keine Versicherung, alles kann passieren,

zu jeder Zeit, ohne Vorwarnung. Also …”

(Valerio Zamboni, it’s all about, an ultracycling movie, bei 54:56)

So kannst du vielleicht besser verstehen, wieso ich damals bei meinem Sohn blieb. Den Zeitdieben, den Verpflichtungen und geplanten Vorhaben zum Trotz, weil dieser Moment, die Zeit des Jetzt, unwiederbringlich ist. Und seine Intuition goldrichtig war. Welche Gedanken hätte ich da wohl auf Facebook posten können? Welche Antwort auf die Frage „Was machst du gerade?“ hätte da mein Profil aktualisiert?

Wie alt oder jung du auch immer bist, eines kannst du wissen: Die Gegenwart ist womöglich letztlich die Ewigkeit, nach der wir uns sehnen. Das Hier und Jetzt, die Zeitlosigkeit des Augenblicks. Ungeachtet der steigenden Lebenserwartung und frohlockenden Zahlen des österreichischen Innenministeriums (BMI). Wenige Tage bevor ich diesen Augenblick für mich genießen konnte und für mich handelte, nämlich zu Hause bei meiner Familie zu bleiben, traf ich im Rahmen einer Veranstaltung auf den Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit: Mag. Mag. (FH) Konrad Kogler. Ein eloquenter, charismatischer Mensch, der sich in seiner Position verantwortlich für das Sicherheitsempfinden der Menschen in Österreich fühlen darf. Immerhin zieht sich sein Bogen der Verantwortlichkeit vom Katastrophenschutz bis zur Flugpolizei, vom Sondereinsatzkommando Cobra bis hin zum „einfachen“ Exekutivbeamten auf der Straße. Umso begeisterter zeigte er die Verkehrstotenstatistik des BMI zum Jahresende 2013: Voller Freude und Stolz präsentierte er die Zahl von 455 verunglückten Menschen auf Österreichs Straßen! Mir gefror das Lächeln, weil wir doch wissen: jeder einzelne Tote ist zu viel und hinterlässt Spuren in seinem Umfeld. Noch unverständlicher wird diese Zahl, wenn man weiß, dass die Hauptunfallursachen dieser tödlichen Verkehrsunfälle rein menschliche Fehlleistungen waren. Angeführt wird die Auflistung der Top-fünf-Todesursachen von zu hohen Fahrgeschwindigkeiten, Vorrangverletzungen, Unachtsamkeiten bzw. Ablenkungen, Überholmanövern, Fehlverhalten von Fußgängern. Da hinterlässt auch die Jubelstatistik des BMI für das abgelaufene Jahr 2014 einen fahlen Nachgeschmack: „Niedrigste Zahl seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1950“ (http://www.bmi.gv.at/cms/BMI_Verkehr/statistik/Jahr_2014.aspx). Zum zweiten Mal blieb die Zahl der tödlich ver­unglückten unter 500, exakt waren es 430 Menschen und daher nochmals um 25 Personen weniger. Ein großartiger Trend, vor allem im Vergleich zu früher. „430 Verkehrstote sind etwa ein Siebentel der Todesopfer im Vergleich zu 1972, dem bisher schwärzesten Jahr in der Unfallstatistik (2.948 Tote). Obwohl der Fahrzeugbestand sich seit 1972 von 2,5 Millionen auf 6,5 Millionen mehr als verdoppelt hat. Noch vor 15 Jahren gab es in Österreich mehr als 1.000 Tote (1.079) im Straßenverkehr. Der Rückgang seit damals beträgt 60 Prozent.“ (ebd.)

In Korrelation mit der vorher zitierten Studie mit der Fragestellung „Wann möchten Sie leben?“ wäre meine Antwort schlichtweg: JETZT!

Schlussfolgerung

Ende 2014 fand ich mich inmitten eines Konzertes eines in die Jahre gekommenen österreichischen Austropop-Musikers wieder. Während dieses Abends erkannte ich erst die vielen Hits und die Virtuosität seines Gitarrespiels. Das Publikum trieb wie mit einem „Segel im Wind” und verfiel spätestens bei „Der Kaffee ist fertig” nahezu in Agonie. Doch Peter Cornelius konnte als Sprachrohr mit seinem letzten Song das scheintote Publikum nicht nur aufwecken, sondern die Menschen wieder mit lange nicht vorhandener Lebensenergie füllen. Der ganze Saal sang nicht nur, sondern schrie sich die Vision der Textzeilen des Refrains von der Seele:


I bin reif, reif, reif, reif für die Insel.

I bin reif, reif, reif überreif.

Und i frag mi, warum i no’ da bin,

für’s Aussteig’n bin i scheinbar zu feig.

Viele Menschen der Jetztzeit erkennen scheinbar nicht, welchen Luxus wir großteils genießen, kurz gesagt, wie reich wir doch an Annehmlichkeiten sind, wie gut es uns geht. Sie brauchen dann ein Sprachrohr. Sie sind gefangen von Routinen, von Tagesabläufen, von Fremdbestimmung. Und es geht dabei nicht ums Aussteigen, darum, alles wegzuwerfen, ein Reset zu machen, sondern schlichtweg darum, wie Albert Camus die Strategie eines funktionierenden Lebensentwurfes formulierte: „Lebe tief und heftig”!

Übrigens: der Song ist aus dem Jahre 1981, entstanden ein paar Jahre vor Robert Zemeckis’ Kult-Trilogie „Zurück in die Zukunft” – und inhaltlich eine klassische menschliche Tragödie. Überforderung und andererseits Unterforderung, Ziel- und Sinnlosigkeit sowie Fremdbestimmung sind die Zutaten gefühlten Unglücks. Das Jetzt wieder nutzen, wieder genießen, sogar lieben zu können, beginnt damit, nein zu den langweiligen Routinen und ja zu deinen Möglichkeiten zu sagen. Dafür muss man nicht aussteigen, sondern sich seine eigene mentale Insel schaffen, um das JETZT wieder im Griff zu haben. Genügend

Ideen dafür darf es im Verlauf des Buches geben!

Check-up

Die Voraussetzung für eine mentale Insel ist der Beginn. Beginne mit deinem Check-up und stelle dir folgende Fragen, die deinen Fokus, deine Gedanken lenken dürfen:

Wofür bin ich dankbar oder könnte ich dankbar sein?

Worauf bin ich besonders stolz oder könnte ich stolz sein?

Wen liebe ich und von wem werde ich geliebt?

Worüber kann ich im Moment glücklich sein?

Was begeistert mich und wofür könnte ich und kann ich mich begeistern?

Mit welchen Menschen verbringe ich gerne meine Zeit?

An welchen Orten fühle ich mich besonders wohl?

Was mache ich gerne?

Wann war ich einmal besonders mutig und wie lange ist das schon her?

Also riskiere ein paar Minuten, erschaffe dir deine Insel und beginne, deine Gedanken fließen zu lassen! So wie Oscar-Gewinner Kevin Kostner es auf den Punkt gebracht hat:

„Der Gedanke, etwas nicht zu riskieren,

ängstigt mich zu Tode.”

(Kevin Costner)


Lebe tief und heftig! RAW 2015 Foto: www.lucaspflanzl.at

1 435,42 ₽
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298 стр. 131 иллюстрация
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9783701180189
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