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2. KAPITEL
Mit der Diagnose in den Alltag

Von unterwegs rufe ich zu Hause an. Mein Vater nimmt den Anruf entgegen. Kaum höre ich seine Stimme, übermannen mich wider die Emotionen. Er fragt, was los sei. „Ich habe einen Hirntumor!“, schreit es förmlich aus mir heraus.

Dann ist es einen Moment still. Damit hat mein Vater nicht gerechnet.

Heulend erzähle ich ihm in der Kurzversion, was gerade passiert ist.

„Komm doch jetzt erst mal nach Hause, dann schauen wir weiter“, meint er geschockt und gleichzeitig beruhigend.

Er hatte Angst mich so nach Luzern fahren zu lassen, wie er mir später mal erzählte. Er wollte sich erst ein Bild von mir machen und mich in Sicherheit wissen.

Daraufhin rufe ich meinen Freund Sacha an, denn auch er wartet auf meinen Bericht und wir wollten ja heute mit seiner Familie Weihnachten feiern. Wie mein Vater war auch er völlig vor den Kopf gestoßen.

Zu Hause in Derendingen angekommen, fällt mir als erstes meine Schwester um den Hals. Ihr laufen die Tränen nur so runter. Wir stehen im Hauseingang beieinander und umarmen uns. Mein Vater wirkt wie der Fels in der Brandung. Ich spüre, dass auch ihm alles sehr nahegeht, er aber versucht sich zusammenzureißen, den Ausgleich zu schaffen und uns etwas zu beruhigen. „Es kommt schon gut, das schaffen wir“, meint er immer wieder.

Als Mam von der Arbeit nach Hause kommt, merkt sie natürlich sofort, dass hier etwas nicht stimmt. Sie ist fassungslos. Es sei gewesen, als ob einem jemand den Boden unter den Füssen weg zieht, hat sie mir später einmal erzählt. Schock pur.

Irgendwie komme ich mir etwas blöd vor und es tut mir total leid, dass schon wieder ich diejenige bin, die ihnen Sorgen bereitet.

Ich stehe da, umarme meine Mam und spüre, wie sie ein Flashback hat. Ich bekomme ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen. Keine Ahnung warum, aber es ist so. Ich merke und sehe ihr an, dass Erinnerungen an früher Erlebtes viele Emotionen auslösen.

Als zwei Monate altes Baby hörte ich in der Nacht immer wieder auf zu atmen. Meine Mutter wachte zum Glück immer rechtzeitig auf und brachte mich dazu, meine Lungen wieder mit Luft zu füllen. Sie hat mir mal gesagt, dass es eine Zeit gab, da traute sie sich fast nicht mehr einzuschlafen, weil sie Angst hatte mal nicht rechtzeitig aufzuwachen. Aber das war natürlich nie der Fall.

Es ist unglaublich, wie man als Mutter ein Band zum und eine Sensibilität für das eigene Kind entwickelt. Dieses „Spüren“ verblüfft mich, jetzt da ich selber Mami bin, auch immer wieder.

Damals stellte sich heraus, dass ich stark an Asthma litt. Ich war bis zu meiner Teenagerzeit immer wieder krank. Angina und Bronchitis waren sozusagen treue Begleiter. Manchmal fehlte ich in der Schule in einem Jahr insgesamt ein bis zwei Monate. Viele Arzttermine, Untersuchungen, Medikamente und Therapien folgten, bis ich gegen Ende der Schulzeit die Krankheit langsam verwuchs.

Die Sorge, dass etwas mit mir nicht stimmt und dass ich sterben könnte, scheint sie jetzt wieder voll einzuholen.

Info: Das Bewusstsein und das Unterbewusstsein

Rund 5 % von allen unseren Erfahrungen werden im Bewusstsein gespeichert und sind somit jederzeit für uns abrufbar. Die restlichen 95 %, von dem was wir erleben, werden im Unterbewusstsein abgelegt.

Im Durchschnitt verarbeitet unser Bewusstsein ca. 8 Bytes pro Sekunde unser Unterbewusstsein hingegen 1.3 Mio. Bytes pro Sekunde. Das Unterbewusstsein verarbeitet also rund 275 000-mal mehr Informationen als unser Bewusstsein.

Es ist ein immens großer und bunter Topf an Erlebnissen und Gefühlen, die wir nicht einfach so abrufen können. Was aber nicht heißt, dass sie in unserem Leben keine Rolle mehr spielen. Im Gegenteil, sie wirken permanent auf unser Leben, unsere Entscheidungen, Gedanken, Reaktionen und Gefühle ein und steuern uns gewissermaßen.

Verarbeiten wir ein belastendes Erlebnis nicht oder nicht ganz, bleibt die Erfahrung als negative Prägung und negative Energie gespeichert, bewusst oder unbewusst.

Ist sie im Bewusstsein vorhanden, wird aber über lange Zeit nicht beachtet, kann es sein, dass sie irgendwann ins Unterbewusstsein umgespeichert wird. Wir haben dann das Erlebte als Ganzes oder Teile davon schlicht „vergessen“. Vor allem Gefühle, die auf Grund von mehr oder weniger einschneidenden Erlebnissen entstanden sind, werden nach einer bestimmten Zeit im Unterbewusstsein abgespeichert, sonst würden wir permanent mit einem riesigen Gefühlschaos durchs Leben gehen. Das Unterbewusstsein ist also sozusagen auch unser Endlager.

Manchmal tauchen „verschwundenen“ Erfahrungen, ausgelöst durch bestimmte Situationen, Bilder, Gerüche oder auch Musik, plötzlich aus der Versenkung wieder auf. Das kann z. B. in Form von klaren Erinnerungen oder einfach Gefühlen sein. Oft sagen die Leute dann: „Jetzt habe ich ein Déjà-vu.“ Oder sie haben das Gefühl, dass sie die Situation irgendwie kennen, sie aber nicht einordnen können.

Da der Körper ein unglaubliches Selbstheilungsbedürfnis hat, wird er vor allem bei stärkeren, negativ prägenden, nicht verarbeiteten Erlebnissen Situationen schaffen oder eine Möglichkeit finden, um uns zum Hinschauen und Verarbeiten zu zwingen. Vielleicht entwickeln wir Ängste und Phobien, bekommen körperliche respektive psychische Beschwerden oder ein Erlebnis lässt uns schlicht nicht mehr los.

Eine große seelische Narbe bleibt meistens eine Narbe. Aber es kommt darauf an, wie wir sie verheilen lassen. Je nachdem bleibt eine größere oder eben bloß kleinere Narbe, die kaum sichtbar oder fühlbar ist und uns in unserem Leben nicht einschränkt.

Wir haben immer die Chance an unseren Erlebnissen zu wachsen.

Haben wir eine negative Erfahrung gemacht und verarbeiten wir diese gut und vollständig, können wir gestärkt daraus hervorgehen. Wir haben also die negative Erfahrung sozusagen in etwas Positives verwandelt. Wir haben uns weiterentwickelt.

Wir tun also gut daran, Probleme und negative Erlebnisse möglichst rasch anzugehen und sie gut zu verarbeiten.

Denn, wie gesagt, alles was im Unterbewusstsein ist, beeinflusst uns weiterhin in unserem Leben. Ob positiv oder negativ – ob wir wollen oder nicht. Und abgesehen davon, je länger wir belastende Probleme vor uns herschieben, desto größer werden sie in der Regel.

Es gibt eine wunderbare Methode, um bewusst und direkt an den Erfahrungsschatz im Unterbewusstsein zu gelangen: Die Hypnose.

Info: Was ist Hypnose

Hypnose ist eine der ältesten Heilmethoden der Welt. Schon die Ägypter haben sie angewendet.

Sie ist ein ganz natürlicher Zustand, den wir jeden Tag mehrmals von selbst erleben. Zum Beispiel, wenn wir fernsehen und total im Film versinken oder uns auf etwas konzentrieren und alles um uns herum vergessen.

Hypnose ist nichts anderes als ein veränderter Bewusstseinszustand. In der Hypnosetherapie wird dieser Bewusstseinszustand „künstlich“ erzeugt, indem der Klienten in eine Tiefenentspannung, auch Trance genannt, versetzt wird. Dabei ist der Körper unglaublich entspannt und der Kopf hellwach.

In der Hypnosetherapie umgehen wir mit der Trance die sogenannte kritische Instanz. Diese entscheidet, welche Erlebnisse wir im Bewusstsein und welche im Unterbewusstsein abspeichern. Mit dieser Umgehung können wir direkt zum Unterbewusstsein und damit zu den 95 % der dort gespeicherten Erinnerungen gelangen.

Eine therapeutische Hypnose hat nichts mit Showhypnose zu tun.

Ein Grundsatz gilt auch hier: Man kann niemanden in eine Trance versetzen, der das nicht möchte.

In der Therapie gehen wir den Ursachen gewisser Anliegen auf den Grund, mit dem Ziel sie zu neutralisieren oder gar ganz aufzulösen. Der Klient kann unter Hypnose ganz normal sprechen, hört genauso gut wie im Wachzustand und er weiß hinterher auch alles, was passiert ist und was wir besprochen haben.

Hypnose kann in vielerlei Hinsicht beim Lösen von Problemen, Lindern von Beschwerden und Erreichen von Zielen helfen. Zum Beispiel bei psychosomatischen Symptomen, Phobien und Ängsten, Gewichtsproblemen, Süchten, Blockaden, Depression, Motivationsschwierigkeiten, Burnout, Schmerzen, Stress usw.

Sie wird aber auch zur Potentialausschöpfung, Leistungssteigerung oder Ressourcenausschöpfung angewendet, zum Beispiel im Spitzensport, bei Prüfungen oder im Beruf.

Jetzt sitze ich da und bin schon wieder diejenige, um die sich meine Eltern Sorgen machen.

Ich spüre, dass unsere Familie noch einmal stärker zusammenrückt. Ich weiß, dass ich voll auf meine Leute zählen kann und dass ich ihre ganze Unterstützung habe. Das tut mir unglaublich gut, gibt mir enorm Sicherheit und auch eine gewisse Ruhe.

Wir sitzen am Tisch und ich erzähle alles, was vor rund zwei Stunden über mich hereingebrochen ist. Die Situation ist immer noch völlig surreal. Ich begreife es überhaupt nicht und kann es in keiner Art und Weise fassen. Ich habe einen Hirntumor?!

Innerlich bin ich zwar sehr aufgewühlt, aber ich bleibe sachlich. Ich bin wieder in der genau gleichen Schutzhaltung, wie als ich die Diagnose erfahren habe. Meine Glasscheibe ist unten. Es gibt kurze Momente in denen niemand etwas sagt. Momente, in denen jeder in sich hineinzuhorchen scheint oder vielleicht auch einfach niemand weiß, was er sagen soll. Schließlich war keiner von uns je in einer solchen Situation. Mein Horizont reicht in diesen stillen Sekunden lediglich ein paar Zentimeter über meinen Körper hinaus. Ich bin völlig in mich gekehrt.

Meine Eltern möchten mich natürlich ins Spital begleiten. Ich denke, es macht ihnen zu schaffen, dass sie mich heute doch alleine zur Untersuchung haben fahren lassen. Obwohl ich das ja so gewollt hatte. Jetzt möchten sie sichergehen, dass ich gut aufgehoben bin und für mich da sein. Das ist wunderschön. Aber ich sage ihnen, dass mein Freund mich ins Spital bringen wird, dass sie aber bitte nach der Operation da sein sollen.

Und ich bitte sie, den anderen Familienmitgliedern morgen an den Weihnachtsfeiern nichts von meiner Situation zu erzählen. Ich möchte ihnen nicht auch noch die schöne Stimmung vermiesen und auch nicht, dass sie sich Sorgen um mich machen. Vor allem meine Großeltern würden wohl außer sich sein und sich den Kopf zerbrechen. Wenn alles vorbei ist, kann ich es ihnen dann selber sagen und sie auch gleich beruhigen.

Ich habe mich zudem entschieden anonym ins Spital einzutreten. Ich will meine Ruhe haben und mich voll auf mich konzentrieren. Ich möchte nicht, dass irgendjemand davon erfährt. Am allerwenigsten die Presse! Meine Eltern und meine Schwester verstehen mich voll und ganz und sichern mir zu, alles für sich zu behalten.

Info: Psychischer Schock/Akute Belastungsreaktion/Trauma

Ein traumatisches Erlebnis, wie z. B. eine Gewalterfahrung, einen Unfall, der Tod eines Angehörigen oder eine niederschmetternde medizinische Diagnose erleben die meisten Menschen im Laufe des Lebens. Ist man von einem sehr belastenden Erlebnis direkt betroffen, als naher Angehöriger involviert oder auch einfach Beobachter eines potentiell traumatischen Ereignisses, kann man dadurch in einen psychischen Schockzustand versetzt werden.

Das auslösende Ereignis tritt plötzlich und unerwartet auf. Die traumatische Situation konfrontiert uns mit zu viel „Information“, die wir im Moment nicht verarbeiten können.

Im Moment des Schocks schaltet der Körper auf das Notprogramm. Kampf, Flucht oder Erstarrung. Der Blutdruck steigt, der Puls rast, Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol werden ausgeschüttet.

Ein derart belastender Moment kann z. B. als Lebensgefahr, intensive Furcht oder Kontrollverlust wahrgenommen werden und Gefühle wie Ohnmacht und Hilflosigkeit auslösen.

Psychische Reaktionen können u. a. auch Desorientierung, Rückzug in sich selber, Hektik oder Fluchtreaktion, mechanische Handlungen oder auch eine veränderte Wahrnehmung sein, eine sogenannte Dissoziation. Man hat ein Gefühl der Unwirklichkeit, steht neben sich, fühlt sich in Watte gepackt oder hinter einer Glasscheibe.

Jeder Mensch versucht Belastungen zu bewältigen oder in sein Leben zu integrieren und sie so zu kompensieren. Welche Wege er dabei einschlägt, hängt von seiner Persönlichkeit, seinen Erfahrungen/Prägungen und seinen individuellen sozialen Fähigkeiten ab.

Meistens können belastende Erfahrungen verarbeitet werden.

Kann jemand den Schock nicht bewältigen und entwickelt diese Person z. B psychische Probleme, Ängste, oder Depressionen, dann hat die psychische Belastung möglicherweise zu einer akuten Belastungsreaktion oder unter Umständen gar zu einem Trauma geführt.

Ein Trauma ist eine schwere körperliche oder seelische Verletzung.

Deshalb ist es wichtig sich professionelle Hilfe zu holen.

In der Regel gilt: Je länger man wartet, bis man ein Trauma anpackt, desto länger wird es auch dauern, bis man es auflösen kann.


Tipp: Wie verarbeite ich eine Schocksituation?Ob man direkt von einem Schicksalsschlag oder Erlebnis betroffen ist, zu den Angehörigen und Freunden zählt oder man einfach eine belastende Situation beobachtet hat, unter Schock stehen oft
Akzeptiere, dass der Schock/das Trauma geschehen ist.
Gib dir Zeit, den Boden unter den Füssen wieder zu finden. Mach einen Schritt nach dem anderen.
Lass dich nicht hängen, hole dir als Erstes die psychische und seelische Stabilität zurück, indem du versuchst zu verstehen, was passiert ist, dir genügend Informationen einholst und versuchst, die Situation richtig einzuschätzen. Kannst du dir nicht selber erklären, was gerade passiert ist, dann finde jemanden, der dir das vermitteln kann.
Verkrieche dich nicht, sprich mit deinen Vertrauenspersonen oder einem Therapeuten über das Erlebte und die Gefühle.
Höre in dich hinein und tue was dir guttut.
Begib dich an einen gewohnten Ort oder umgib dich mit Menschen, die dir Sicherheit und Halt geben.
Auch Rituale können dir Sicherheit vermitteln.
Sei dir bewusst, die Schocksituation ist nur eine vorübergehende Situation.
Jeder Mensch kann in eine solche Situation geraten und hat Ängste. Nimm sie an und stelle dich ihnen. Du wirst sehen, sie verlieren ihre Kraft.
Wenn die Belastungssymptome anhalten, hole dir professionelle Hilfe bei einem Therapeuten.
Lass dich nur von jemandem therapieren, bei dem du ein gutes Gefühl hast und dem du vertrauen kannst.
Verarbeite die traumatische Situation gründlich.

3. KAPITEL
Weihnachten

Ich breche langsam auf Richtung Luzern zu meinem Freund. Ich spüre, dass es meinen Eltern am liebsten wäre, ich würde bei ihnen bleiben. Aber ich möchte aus irgendwelchen Gründen, die ich auch heute noch nicht verstehe, an meinem Plan festhalten. Vielleicht auch, weil ich die Einladung nicht so spontan absagen will, mich irgendwie auch nicht traue, aber sicher auch, weil ich jetzt einfach ein Stück Normalität in meinem Leben brauche. Und diese Normalität ist eben am 24. Dezember mit der Familie meines Freundes zu feiern. Auch wenn das heißt, dass Weihnachten mit meiner eigenen Familie dieses Jahr ins Wasser fällt.

Die Stimmung um den Weihnachtsbaum ist gedrückt. Es ist aber eine andere Bedrücktheit als zuhause, es ist irgendwie ein gehemmtes Bedrücktsein. Die Familie meines Freundes ist betroffen, interessiert und stellt mir Fragen, aber ich merke auch, dass sie nicht recht wissen, wie reagieren und was sagen. Das ist ja auch verständlich. Wie geht man mit so einer Situation um? Auch ich komme ihnen wohl verändert vor. Ich weiß ja selber nicht, wie ich die Situation handhaben soll. Auf eine Art bin ich verlegen, auf die andere Art komme ich mir einfach blöd vor.

Ein bisschen erinnert mich die Situation an die Zeit kurz nach meiner Wahl zur Miss Schweiz. Plötzlich reagierten die Leute, auch solche die ich schon lange kannte, anders auf mich. Sie waren zurückhaltender. Für mich war das sehr komisch, denn ich war immer noch die gleiche Person wie vor der Wahl. Die Leute verhielten sich anders, weil sie mich plötzlich in einem anderen Licht sahen. Ich war eben nun für sie eine öffentliche Person, die auf den Titelseiten abgebildet war und nicht mehr einfach nur das Mädchen von nebenan.

Die so typische und schöne Lockerheit, die sonst immer zwischen Sachas Familie und mir herrschte, ist zwar noch da und die tut mir auch richtig gut, aber zwischendurch gibt es immer wieder Momente, in denen ich eine gewisse Distanz fühle. Vielleicht liegt es auch an mir. Vielleicht fühle ich eine Beklemmung, weil ich innerlich aufgewühlt bin und mich schützen will oder weil meine Gedanken immer wieder zu meiner Diagnose abschweifen.

Dann haben wir es wieder lustig und lachen zusammen. Das ist für mich die beste Medizin und doch fühle ich mich innerlich irgendwie einsam.

Es zieht mich wieder ganz stark nach Solothurn zurück. Ich möchte etwas alleine sein, noch mal die beleuchtete Verenaschlucht sehen. Plötzlich werden Sachen wichtig, die mir vorher einfach nur schön oder auch einfach banal vorkamen. Dinge, die mich nun auf eine Art und Weise berührten, wie eben die Verenaschlucht, wenn sie am 24. Dezember mit hunderten von Kerzen beleuchtet ist.

Ich verabschiede mich etwas früher als geplant von Sachas Familie und mache mich auf den Weg Richtung Solothurn.

Ich fahre nicht direkt zu meinen Eltern nach Hause, sondern mache einen Abstecher in die Schlucht.

Mittlerweile sind fast keine Leute mehr da. Sie ist wunderschön mit all den flackernden Flämmchen. Aber ich komme nicht so recht in Stimmung. Ich sehe das Meer von Kerzen aus einer gewissen Distanz und merke, dass ich nicht richtig präsent bin und immer noch unter einer dünnen Glashaube stecke. Seit der Diagnose habe ich wohl meinen Schutzschild nie ganz abgelegt.

Die Schlucht, mein Leben, überhaupt die ganze Welt scheinen irgendwie anders zu sein. Mir ist zwar bewusst, dass sich die Welt noch genau so dreht und ich weiß auch, dass alles noch genau so ist, wie es vorher war und doch scheint alles anders zu sein. Meine Wahrnehmung hat sich verändert.

Kaum oben angekommen laufe ich die Schlucht auch schon wieder runter. Auf einmal schießen mir die Gedanken wieder durch den Kopf: Was, wenn ich die Schlucht heute zum letzten Mal sehe? In rund zehn Stunden muss ich im Spital einchecken. Was kommt alles auf mich zu? Wie wird es sein operiert zu werden. Ich war noch nie im Spital, außer auf Besuch natürlich. Die Angst schleicht sich wieder in meine Knochen. Es ist krass, wie die Diagnose meine Welt durchschüttelt. Ich durchlebe pausenlos ein Wechselbad der Gefühle. Mal kann ich nicht mehr klar denken, alles ist surreal und verschwommen, die Gefühle sind wie ausgeschaltet, dann wieder überfallen mich alle Emotionen auf einmal.

Ich bin fassungslos. Ich kann einfach nicht verstehen, warum mein Körper etwas produziert, das mir schadet. Und ich kann schon gar nicht verstehen, warum ich all die Signale nicht als solch eine Gefahr aufgefasst habe.

Vielleicht habe ich heute Abend zum letzten Mal Weihnachten gefeiert und ich habe es nicht gewusst. Na ja, eigentlich weiß man ja nie, wann etwas zum letzten Mal ist. Und wenn dies wirklich meine letzte Weihnacht gewesen sein soll, dann habe ich sie nicht einmal mit meiner Familie verbracht! Mir schießen die Tränen in die Augen und ich habe das Gefühl, meine Leute im Stich gelassen zu haben. Ich habe meinen Eltern und meiner Schwester nicht die Priorität gegeben, die sie hätten bekommen sollen. Ich hätte doch zu Hause bleiben sollen. Ich, der Familienmensch, verbringe meine letzte Weihnacht mit einer anderen Familie. Dabei sind meine Leute und Weihnachten für mich so wichtig. Ich hätte wenigsten den 24. Dezember bei Mam und Pap sein sollen. Die großen Familienfeten werden ja ohnehin ohne mich stattfinden.

Wir feiern am 25. Dezember am Mittag mit dem ganzen Familienclan meines Vaters und am Abend mit der ganzen Familienseite meiner Mutter. Für mich fällt das alles ins Wasser!

Der Satz: Genieße jeden Tag, wie wenn es dein letzter wäre, fällt mir plötzlich ein. „Oh nein“, schießt es mir in den Kopf. Ich habe mein Leben viel zu wenig genossen! Ich habe viel zu wenig gefeiert, bin zu wenig gereist, habe meinen Leuten zu wenig gesagt, wie gern ich sie habe! Überhaupt, es war von allem zu wenig! Ich spüre, wie Wut in mir hochsteigt! Es ist einfach nicht richtig, es ist unfair! Habe ich irgendwann etwas getan, wofür ich jetzt bestraft werde? Nicht dass ich wüsste. Was also soll das Ganze?

Wenn ich heil aus der ganzen Geschichte rauskomme, dann werde ich das alles ändern! Ich werde leben, voll und ganz. Reisen, feiern, den Leuten richtig nah sein und vor allem werde ich ihnen mehr zeigen und sagen wie viel sie mir bedeuten!

Wenn man plötzlich spürt, dass man etwas verlieren könnte, wird es unglaublich wertvoll. Das ist mit allem so, mit Menschen, Tieren, Sachen und auch mit dem Leben. Warum braucht es oft die einschneidenden Momente, damit man realisiert, wie wertvoll etwas ist?

Ich wusste lange nicht, was ich hier auf dieser Welt überhaupt soll. Ich hatte kein klares Ziel. Ich war wie ein Boot auf dem Ozean – ohne Segel, wohlverstanden. Das Leben hat einfach mal mit mir gemacht. Zu realisieren, dass ich viel von dem, was ich möchte und mir wichtig ist, gar nicht richtig ausgekostet habe und jetzt die Möglichkeit besteht, dass ich das vielleicht gar nie mehr kann, das war wie ein kleiner Schock. Es hat mich wachgerüttelt und hat mir gezeigt, dass ich mein Leben in die Hand nehmen muss.

Wenn ich den Steuerknüppel nicht in die Finger nehme, dann lebt das Leben mich und nicht ich das Leben.


Tipp: Das Leben bewusst leben und bewusst verändernUm das Leben bewusst zu steuern und zu verändern, musst du wissen, was du willst und achtsam sein.Du fährst ja auch nicht einfach mit dem Auto drauflos. Du hast ein Ziel, wohin du willst. Und um an dieses Ziel zu kommen, preschst du nicht wie ein Verrückter über die Straßen ohne links oder rechts zu schauen. Mal musst du anhalten, mal schauen, wie du unversehrt über die Kreuzung kommst, mal musst du dich orientieren, ob du überhaupt in die richtige Richtung fährst, dann kannst du wieder richtig Gas geben. Genau so ist es auch mit dem Leben.Werde dir bewusst, was du vom Leben möchtest und erwartest. Was sind deine beruflichen und persönlichen Ziele? Wohin willst du dich entwickeln? Wen möchtest du teilhaben lassen?Achte auf dich, horche in dich hinein. Nimm dich wahr. Welche Situationen, Jobs Menschen, Aussagen tun dir gut und welche reißen dich herunter? Finde heraus, was welche Emotion in dir auslöst. Deine Emotionen sind sozusagen dein Navigationssystem.Hast du bei etwas ein gutes Gefühl, dann bist du auf dem richtigen Weg dein Ziel zu erreichen. Ist das Gefühl eher negativ oder belastend, dann musst du vielleicht eine andere Route nehmen oder sogar dein Ziel überdenken.Achtsamkeit hilft dir nicht nur in die richtige Richtung zu gehen, sondern auch eventuelle Gefahren oder Hindernisse, die sich dir in den Weg stellen könnten, frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Und sie hilft, dir bewusst zu werden, was für dich richtig und wichtig ist.


Das Leben ist zum Leben da – jetzt und in jedem Moment!
Werde dir bewusst, was du vom Leben erwartest. Tu alles (ethisch korrekt natürlich), damit es auch in Erfüllung geht.
Hab Ziele im Leben, dann hast du auch eine Motivation vorwärts zu gehen.
Achte auf deine Emotionen, sie sind dein Leitfaden und zeigen dir, ob du auf dem richtigen Weg bist.
Nimm auch deine Gegenüber wahr und sei achtsam, was zu jedem Zeitpunkt in deinem Leben gerade passiert, sowohl um dich herum als auch in deinem Inneren.
Nimm dir immer mal wieder bewusst Zeit und horche in dich hinein, welche Bedürfnisse du hast?
Willst du etwas in deinem Leben verändern, dann nimm dir Zeit und überlege in Ruhe, was alles falsch läuft und was in Zukunft alles anders sein soll.
Denke in schwierigen Momenten positiv, lösungs- und zukunftsorientiert.
Jedes negative Erlebnis hat auch etwas Positives. Man muss es nur sehen wollen.
Setze dir Deadlines, bis wann du zum Beispiel etwas verarbeitet oder erreicht haben möchtest.
Wenn es dich zusätzlich motiviert, dann erzähl einer dir nahen Person davon und bitte sie, dich gelegentlich zu fragen, wie es mit der Umsetzung läuft.
Nimm dir für jeden Tag einen kleinen Schritt in diese Richtung vor und setze es auch um!Das Leben ist zu kurz um es zu verplempern! Mache dir darum immer wieder Gedanken, was dir wichtig ist im Leben, wohin du es steuern möchtest und wie du dich dabei fühlen willst. Genieße es in vollen Zügen. Willst du etwas tun, dann warte nicht. Mach dich auf den Weg. Tu es jetzt!

1 626,94 ₽
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271 стр. 2 иллюстрации
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9783906287195
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