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1 Grundbegriffe und aktuelle Trends1
Wie viele Menschen migrieren weltweit? Welche Arten von Migration unterscheidet man? Wie wird Migration gemessen? Zählen sog. Binnenmigrant*innen (also Menschen, die innerhalb eines Landes wandern) zu den offiziellen Migrant*innen? Welche Schwierigkeiten gibt es bei der Erfassung offizieller Migrationsstatistiken? Diese und weitere Fragen zu aktuellen Migrationsbewegungen werden in dem Kapitel behandelt.
1.1 Definition internationaler Migration
Migration bedeutet, wörtlich aus dem Lateinischen übersetzt, wandern, von einem Ort zum andern; internationale Migration, von einem Land zum andern. Während Migration so alt ist wie die Menschheit selbst, gibt es internationale Migration seit der Zeit, in der es Länder bzw. Nationalstaaten gibt. Die Herausbildung von Nationalstaaten beginnt mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges im Jahr 1648, als in Europa die „Westfälische Staatenordnung“ etabliert wurde, die für die Entstehung von Nationalstaaten grundlegend war. Die Regulierung von Migration gehört seither zu den ureigensten Domänen des Nationalstaates. Wer auf das Territorium eines Staates kommen darf und wer nicht, liegt vor allem in seiner Hand. Nur in einigen Aspekten gibt es internationale Regelungen, die versuchen, festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Nationalstaaten möglicherweise auch gegen ihren Willen Menschen aufnehmen müssen und wie sie mit den Menschen, die zu ihnen kommen, umgehen müssen bzw. sollen. Diese Vergemeinschaftung bzw. Internationalisierung von Migrationspolitik ist besonders innerhalb der Europäischen Union weit fortgeschritten. Aber auch hier versuchen einzelne Nationalstaaten möglichst wenig von ihrer Souveränität abzugeben, wie auch der jüngste Streit in der Asylpolitik zeigt. Alle Vereinbarungen, die international gelten und Migration, die mindestens zwei Länder bzw. Nationalstaaten betrifft, regeln sollen, nennt man internationale Migrationspolitik.
Aber ab wann ist ein Mensch ein*e internationale*r Migrant*in? Sollen z.B. auch Tourist*innen oder Studierende, die ein Semester im Ausland verbringen, schon als internationale Migrant*innen gelten? Es ist nicht ganz leicht, hierfür eine allgemein gültige Definition zu finden, da auch die Ursachen und Umstände der Migration immer wieder ganz unterschiedlich sein können. Um mit diesen komplexen Fragen pragmatisch umzugehen, haben die Vereinten Nationen (United Nations, UN) 1998 eine einfache Definition vorgeschlagen, an der sich große Teile der Migrationsforschung (Koser 2007; Castles et al. 2014; Martin 2014) sowie internationale Organisationen wie etwa die International Organization for Migration (IOM) orientieren. Danach werden diejenigen Menschen zu internationalen Migrant*innen gezählt, die sich für mindestens ein Jahr außerhalb ihres gewöhnlichen Aufenthaltslandes aufhalten, unabhängig von den Wanderungsgründen (UN 1998, S.10). Nach dieser Definition sind Binnenmigrant*innen, also Migrant*innen, die innerhalb eines Landes wandern, und temporäre Migrant*innen, die nur für eine kürzere Zeit als zwölf Monate migrieren, ausgeschlossen.
Nationalstaaten und der Westfälische Frieden von 1648
Mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges im Jahr 1648 entstand in Europa die „Westfälische Staatenordnung“, die für die Entstehung von Nationalstaaten grundlegend war. Der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 ist eine Sammelbezeichnung mehrerer Kriege, die überwiegend auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation ausgetragen wurden und die sowohl Religionskriege als auch ein Konflikt um die Vormachtstellung in Europa waren (für mehr Informationen siehe Wedgwood 2011). Dabei standen sich sowohl habsburgische und französische Truppen als auch Katholiken und Protestanten gegenüber. Gemeinsam mit ihren jeweiligen Verbündeten und Schutzmächten trugen die habsburgischen Mächte Österreich und Spanien ihre Interessenkonflikte mit Frankreich, den Niederlanden, Dänemark und Schweden aus. Im Westfälischen Frieden von 1648, der in Münster und Osnabrück ausgehandelt wurde und der das Ende des Dreißigjährigen Krieges bedeutete, wurde zum ersten Mal eine Staatenordnung etabliert, die auf dem Prinzip der inneren und äußeren Souveränität territorial abgegrenzter, untereinander formal gleichberechtigter Staaten beruht. Der Territorialstaat war grundlegend für die spätere Herausbildung von Nationalstaaten.
Mit der Herausbildung von modernen Territorialstaaten gewinnt die Beziehung zwischen Staat und Staatsangehörigen an Bedeutung. Während der Staat sich zu unterschiedlichen Leistungen wie Sicherheit, Rechtsfrieden oder Wohlfahrt verpflichtet, erwartet er von seinen Staatsbürger*innen Loyalität. Wer in den Genuss dieser Leistungen kommt, wurde letztendlich über die Unterscheidung in Staatsangehörige und Ausländer*innen reguliert (Bommes 1999, S.122-140).
Allerdings halten sich viele Nationalstaaten nicht an diese Empfehlung und definieren internationale Migrant*innen in ihren Ländern unterschiedlich. So setzen einige Länder die Aufenthaltsdauer deutlich unter einem Jahr an, teilweise werden (wie in den USA) sich irregulär aufhaltende Menschen ohne Aufenthaltstitel offiziell als Migrant*innen erfasst, während dies in den meisten Ländern Europas nicht der Fall ist (Münz 2009). Deutschland führt ein Einwohnermelderegister, was es woanders nicht gibt. Ein weiteres Problem bei der systematischen Erfassung globaler Migration ist, dass nicht alle Staaten ihre Einwanderungsdaten veröffentlichen oder internationalen Organisationen zur Verfügung stellen. Zum Beispiel geben mehrere Staaten am Persischen Golf, wie Katar, keine Daten über die Herkunft ihrer Einwanderer*innen frei, obwohl diese durch ein Visasystem gesammelt werden (Pew Research Center 2013). Andere Staaten wiederum haben aufgrund bürokratischer Überforderung grundsätzliche Defizite bei der Erfassung ihrer Einwanderungszahlen. So basieren viele Zahlen zur internationalen Migration nur auf Schätzungen, weil die Ermittlung registrierter Grenzübertritte teilweise schwierig ist. Auch die unten dargestellten Zahlen und Fakten zur internationalen Migration präsentieren zudem immer nur eine Momentaufnahme.
Probleme der Datenerhebung zur internationalen Migration
Grundsätzlich verschafft die Kategorisierung in einzelne Migrationsformen einen besseren Überblick über die weltweiten Migrationsgeschehnisse. Jedoch wird von den internationalen Organisationen, die die Daten zu den verschiedenen Migrationsformen erfassen (UN, OECD, Weltbank, IOM, ILO etc.), angemerkt, wie schwer es ist, Migrationsbewegungen realitätsnah abzubilden. Die IOM (2015) fordert deswegen, dass Daten zur internationalen Migration noch umfangreicher, systematischer, komparativer und über einen längeren Zeitraum erfasst werden. Bisher gibt es noch keine regelmäßige Datenerfassung von ein und derselben Organisation oder Institution zu allen Migrationsformen weltweit.
Die UN selbst ist dazu übergegangen, als internationale Migrant*innen von nun an alle Menschen zu zählen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem anderen Land als ihrem Geburtsland bzw. dem Land, von dem sie die Staatsbürgerschaft besitzen, leben.
1.2 Umfang der globalen Migration heute
Legt man diese Definition zugrunde, gab es im Jahr 2019 rund 272 Millionen internationale Migrant*innen, was ungefähr 3,5 Prozent der Weltbevölkerung entspricht (UN 2019). Zusätzlich gab es noch 763 Millionen Binnenmigrant*innen (IOM 2019a). Insgesamt lebten also über eine Milliarde Menschen bzw. rund ein Siebtel der Weltbevölkerung an einem anderen Ort als ihrem Geburtsort. Die weltweite internationale Migration ist dabei in den letzten 30 Jahren deutlich angestiegen. Zwischen den Jahren 1990 und 2019 stieg sie um rund 77 Prozent und damit um fast 118 Millionen Menschen an. Dies entspricht einem relativen Anstieg von ca. 2,9 auf 3,5 Prozent gemessen an der Weltbevölkerung (UN 2019). Wären alle diese Migrant*innen in ein neues Land eingewandert, dann wäre dies das zwölftgrößte Land der Welt. Hinzu kommen, wie angesprochen, die zahlreichen Binnenmigrant*innen innerhalb der Landesgrenzen, die gerade in großen und bevölkerungsreichen Ländern, wie Indien und China, von großer Bedeutung sind.
Knapp die Hälfte der rund 272 Millionen internationalen Migrant*innen waren Frauen (47,9 Prozent). Das sog. Medianalter, das also die Gesamtgruppe der internationalen Migrant*innen in zwei gleich große Gruppen teilt, lag bei 39 Jahren. Dabei waren drei Viertel der internationalen Migrant*innen im sog. arbeitsfähigen Alter zwischen 20 und 64 Jahren. Zusätzlich waren etwa 38 Millionen unter 20 Jahre und 32 Millionen 65 Jahre und älter (UN 2019). Im Vergleich zu 1990 hat vor allem die Zahl der Migrant*innen im arbeitsfähigen Alter zugenommen. Der Anteil der unter 20-Jährigen nahm dagegen ab (ebd.).
Abbildung 1:
Entwicklung der Zahlen internationaler Migrant*innen weltweit (in Millionen)
Quelle: IOM, World Migration Report 2019.
Abbildung 2:
Entwicklung des Anteils internationaler Migrant*innen an der Weltbevölkerung (in %)
Quelle: UN, International Migration Report 2019.
Blickt man auf die grobe Verteilung der Migrant*innen auf die Weltregionen zeigt, dass die internationalen Migrant*innen mehrheitlich in den entwickelteren Regionen des Globalen Nordens leben. In absoluten Zahlen ist der Unterschied mit 152 zu knapp 120 Millionen Menschen gar nicht mal so groß. Setzt man die Migrationszahlen aber mit der Zahl der Gesamtbevölkerung ins Verhältnis wird der Unterschied sehr deutlich: Während der Migrant*innenanteil im Globalen Norden im Durchschnitt 12 Prozent beträgt, liegt er im Globalen Süden bei nur 1,9 Prozent. Allerdings ist der Migrationsanteil seit 2005 in den Ländern des Globalen Südens deutlich stärker angewachsen als im Globalen Norden.
Es ist herauszuheben, dass Migration zu einem erheblichen Teil innerhalb von Regionen stattfindet. So verteilt sich die Migration aus Ost- und Südostasien sowie aus Subsahara-Afrika zu fast 80 Prozent auf andere Länder innerhalb der Regionen. Auch findet viel Migration innerhalb der OECD-Länder statt, wie etwa zwischen den Ländern der EU. Blickt man auf die Regionen überschreitenden Migrationsbewegungen, sieht man, dass internationale Migration zudem überwiegend aus Ländern des Globalen Südens in die Länder des Globalen Nordens erfolgt. So war die Nettozuwanderung (also die Differenz zwischen Ein- und Auswanderung) in den Ländern des Globalen Norden aus Ländern des Globalen Südens in der Vergangenheit immer positiv, d.h. es wanderten mehr Menschen aus dem Globalen Süden ein als dorthin aus, während es in den Ländern des Globalen Südens mehr Auswanderer*innen in den Globalen Norden gab als Einwanderer*innen aus dem Globalen Norden. Zwar hat sich der Trend in den letzten zwei Jahrzehnten etwas abgeschwächt. Die Unterschiede sind aber nach wie vor deutlich, und es wird auch weiterhin damit gerechnet, dass diese Wanderungsrichtung bestehen bleibt (UN 2019).
Abbildung 3:
Entwicklung der Zahlen internationaler Migrant*innen nach Entwicklungsregionen (in Millionen)
Quelle: UN, International Migration Report 2019.
Abbildung 4:
Veränderung der Anteile internationaler Migrant*innen an der Gesamtbevölkerung nach Entwicklungsregion (in %)
Quelle: UN, International Migration Report 2019.
Abbildung 5:
Nettomigration aus dem Globalen Süden in den Globalen Norden (in Millionen)
Quelle: UN, International Migration Report 2019.
1.3 Migration in und zwischen einzelnen Weltregionen
Blickt man auf die regionale Verteilung des internationalen Migrationsgeschehens, so sieht man, dass die meisten internationalen Migrant*innen in Europa leben (rund 30 %), gefolgt von Nordamerika (21,6 %) und Nordafrika und Westasien (17,9 %). In absoluten Zahlen ausgedrückt wohnten im Jahr 2019 82 Millionen Migran*innten in Europa, rund 59 Millionen in Nordamerika und rund 49 Millionen in Nordafrika und Westasien (UN 2019). Die nächstmeisten Migrant*innen entfielen auf Subsahara-Afrika (8,7 %, rd. 24 Millionen), Zentralasien und Südasien (7,2 %, rd. 20 Millionen) sowie auf Ost- und Südostasien (6,7 %, rd. 18 Millionen). Lateinamerika und die Karibik (4,3 %, rd. 12 Million) sowie Ozeanien (3,3 %, rd. 9 Millionen) bildeten das Schlusslicht. Dabei ist auffallend, dass in allen Regionen die internationale Migration in den letzten 15 Jahren noch einmal stark zugenommen hat, wobei nur in Nordamerika der Zuwachs geringer ausfiel als im Vergleich zu den Jahren 1990 bis 2005.
Abbildung 6:
Regionale Verteilung der internationalen Migrant*innen 2019
Quelle: UN, International Migration Report 2019.
Abbildung 7:
Veränderung des Anteils internationaler Migrant*innen in den verschiedenen Weltregionen (in %)
Quelle: UN, International Migration Report 2019.
Gemessen an der Gesamtbevölkerung ist demgegenüber die Migration in Ozeanien, insbesondere Australien, am höchsten. Hier beträgt der Migrant*innenanteil über 21,2 Prozent. Danach folgt Nordamerika mit 16 Prozent. Europa weist 11 Prozent und Nordafrika und Westasien weisen 9,4 Prozent auf. In allen anderen Regionen liegt der Anteil an internationalen Migrant*innen seit den 1990er Jahren unter drei Prozent.
Auffallend ist zudem, dass der Großteil der internationalen Migration überwiegend nicht zwischen, sondern innerhalb der einzelnen Weltregionen stattfindet. So wandert in den allermeisten Regionen jeweils die Mehrheit der internationalen Migrant*innen innerhalb der eigenen Region. In Ost- und Südostasien sowie in Subsahara-Afrika trifft dies auf fast 80 Prozent der Fälle zu. In absoluten Zahlen stellte Europa mit rund 30 Millionen Menschen den größten Wanderungskorridor weltweit dar, (noch vor der Migration aus Lateinamerika und der Karibik nach Nordamerika im Umfang von 26,6 Millionen Menschen). Ausnahmen bilden nur Ozeanien und Nordamerika, wo nur 11,9 (Ozeanien) bzw. 2,3 Prozent (Nordamerika) der Migrant*innen innerhalb ihrer eigenen Region verbleiben. Während Menschen aus Ozeanien vor allem nach Europa wandern, gehen Migrant*innen aus Nordamerika in den meisten Fällen nach Lateinamerika bzw. die Karibik. Hierbei handelt es sich vielfach auch um Rückwanderer*innen.
Betrachtet man wieder die Nettomigration, zeigt sich entsprechend der Darstellung zu den Entwicklungsregionen (Globaler Norden vs. Globaler Süden), dass vor allem Europa, Nordamerika, Ozeanien und seit 2000 auch die Region Nordafrika und Westasien Einwanderungsregionen, während Zentral- und Südasien, Lateinamerika und die Karibik sowie Ost- und Südostasien ebenso wie Subsahara-Afrika Auswanderungsregionen sind, wobei Zentral- und Südasien die größte Auswanderungsregion der Welt darstellen. Hier sind seit 2000 im Jahresdurchschnitt etwa 1,5 Millionen Menschen mehr aus- als eingewandert. Demgegenüber stieg in Europa die Zahl der internationalen Migrant*innen jährlich um etwa eine Million Menschen, wobei allerdings viele der Migrant*innen innerhalb Europas gewandert sind. Interessant ist dabei auch, dass Europa noch bis weit in das 20. Jahrhundert zu den Auswanderungsregionen der Welt gehörte.
Abbildung 8:
Anteile der Migrationen innerhalb der eigenen Region (in %)
Quelle: UN, International Migration Report 2019.
Abbildung 9:
Ausgangs- und Zielregionen internationaler Migration
Quelle: UN, International Migration Report 2019.
Abbildung 10:
Bevölkerungsabnahmen und -zuwächse infolge internationaler Migration in verschiedenen Weltregionen seit 1950 (in Millionen)
Quelle: UN, International Migration Report 2019.
1.4 Migration auf nationalstaatlicher Ebene
Darüber hinaus gibt es auch große Unterschiede innerhalb der Regionen. So gibt es in den meisten Regionen Länder, in denen mehr Menschen ein- als abwandern und umgekehrt. In Europa hatten 2019 z.B. 25 Länder einen positiven Wanderungssaldo und 15 einen negativen. Die größten Empfängerländer waren Russland und Deutschland, während Rumänien und Polen zu den größten Herkunftsländern gehörten (UN 2019). Auch in Nordafrika und Westasien gibt es etwa gleich viel Auswanderungs- und Einwanderungsländer, wie etwa Syrien und der Sudan als Auswanderungs- und die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien als Einwanderungsländer, die beide erst nach dem Steigen der Ölpreise zu extremen Zuwanderungsländern wurden. In Subsahara-Afrika gehörten Südafrika, Angola und Sierra Leone zu den Einwanderungs- und Simbabwe und Ghana zu den Auswanderungsländern.
Interessanterweise konzentriert sich die internationale Migration zudem auf wenige Länder. So stammen ein Drittel aller internationalen Migrant*innen aus insgesamt nur zehn Ländern. Umgekehrt beherbergen auch nur zehn Länder mehr als die Hälfte aller Migrant*innen. Zu den größten Auswanderungsländern weltweit gehören aktuell neben Syrien auf Platz 1 die bevölkerungsreichen asiatischen Länder Indien, Bangladesch und China sowie Pakistan, Myanmar, Nepal und die Philippinen. Weitere Hauptherkunftsländer sind die krisengeschüttelten Länder Venezuela und Simbabwe (UN 2019). Auf Seite der Einwanderungsländer stehen in absoluten Zahlen die USA unangefochten auf Platz 1. Allein in den letzten zehn Jahren wanderten netto pro Jahr knapp eine Million Menschen in das Land ein, gefolgt von Deutschland mit 466.000 Nettozuwanderer*innen pro Jahr und der Türkei mit 318.000. Weitere große Zuwanderungsländer sind Russland, Großbritannien, Kanada, Saudi-Arabien, Italien, Südafrika und Australien.
Abbildung 11:
Größte Auswanderungsländer 2010-2020 (Nettomigration in Tausend pro Jahr)
Quelle: UN, International Migration Report 2019.
Abbildung 12:
Größte Einwanderungsländer 2010-2020 (Nettomigration in Tausend pro Jahr)
Quelle: UN, International Migration Report 2019.
Die größte Migration zwischen zwei Ländern fand dabei in den letzten Jahren zwischen Syrien und der Türkei statt. In dieser Zeit flüchteten im Durchschnitt knapp 500.000 Menschen pro Jahr von Syrien in die Türkei, die meisten von ihnen in den letzten fünf Jahren. Durchschnittlich etwa 125.000 Menschen pro Jahr flüchteten in den letzten zehn Jahren zudem aus Syrien in den Libanon. Weitere bedeutende Migrationskorridore bestanden vom Südsudan nach Uganda, von Venezuela nach Kolumbien und Peru sowie von China und Indien in die USA. Aus Indien wanderten viele Migrant*innen nach Saudi-Arabien und in den Oman. Zudem bestand ein wichtiger Fluchtkorridor zwischen Myanmar und Bangladesch. Interessant ist, dass sich die Migrationskorridore in den letzten dreißig Jahren deutlich verschoben haben. In den zwei vorhergehenden Dekaden war jeweils die Migration von Mexiko in die USA weltweit am bedeutendsten. Inzwischen ist Mexiko selbst zu einem wichtigen Einwanderungsland für Migrant*innen aus dem Süden Lateinamerikas geworden.
Abbildung 13:
Größte Migrationskorridore zwischen zwei Ländern in den Jahren 1990-2000, 2000-2010 und 2010-2019 (durchschnittlicher jährlicher Zuwachs in Tausend)
Quelle: UN, International Migration Report 2019.
1.5 Urbanisierung von Migration
Ein weiterer wichtiger Trend der internationalen Migration besteht in der zunehmenden sog. Urbanisierung von Migration, d.h. dass immer mehr internationale Migration in Städte erfolgt und deshalb vor allem Städte anwachsen und immer mehr zum Dreh- und Angelpunkt der Verarbeitung von Migrationsprozessen werden. So hat die Soziologin Saskia Sassen (1991) die sog. Global-City-Hypothese entwickelt, die besagt, dass die Migrationsbewegungen aus ärmeren Ländern in reiche Länder eng mit der Entstehung globaler Städte verbunden sind. Diese hätten eine große Sogwirkung auf internationale Migrant*innen, die umgekehrt auch die Entwicklung der Städte stark beeinflussten. Globale Städte sind häufig von ihrem direkten regionalen Umfeld losgelöst und nur mit anderen globalen Städten wirklich vergleichbar, etwa in Bezug auf Mietpreise. Beispiele für Global Cities sind London, New York und Los Angeles, aber auch Frankfurt am Main mit seinem global agierenden Finanzsektor (Samers 2010, S.74, 76).
Nach Daten des internationalen Migrationsdatenportals1 lebten 2019 bereits 55 Prozent aller internationalen Migrant*innen in Städten, während es 1950 nur etwa 30 Prozent waren. Es wird geschätzt, dass bis 2030 bis zu 60 Prozent der Migrant*innen in Städten leben werden, insbesondere in sog. Megacities, die heute 13 Prozent der gesamten Weltbevölkerung beherbergen (UN 2018). Besonders rasant verläuft dieser Prozess in Asien und Afrika. Hier wird sich der Verstädterungsprozess bis 2050 in Asien um gut 60 Prozent erhöhen und sich in Afrika sogar verdreifachen (Migrationsdatenportal 2020). Insgesamt wird geschätzt, dass rund 20 Prozent der internationalen Migrant*innen in 20 Städten leben: „Peking, Berlin, Brüssel, Buenos Aires, Chicago, Hongkong, London, Los Angeles, Madrid, Moskau, New York, Paris, Seoul, Shanghai, Singapur, Sydney, Tokio, Toronto, Wien und Washington DC“ (IOM 2015). Gemessen an dem Gesamtanteil von 3,5 Prozent internationaler Migrant*innen an der Gesamtbevölkerung sind dies sehr hohe Werte. Insbesondere Dubai (83 %), Brüssel (62 %) und Toronto (46 %) stechen weltweit heraus.
Hinzu kommt in fast allen Städten noch die Binnenmigration, die ebenfalls zumeist vom Land in die Städte erfolgt. Dies sorgt für eine weitere Verstädterung der Besiedlungsstrukturen. Dies ist insbesondere, aber nicht nur, in Ländern des Globalen Südens zu beobachten, wo Binnenwanderung die Verstädterung stark beschleunigt. Die am stärksten urbanisierte Region der Welt ist jedoch nach wie vor Nordamerika, wo 82 Prozent der Bevölkerung in Städten leben (ebd.).
Abbildung 14:
Städte mit den größten Anteilen im Ausland geborener Bürger*innen 2019 (in %)
Quelle: Migrationsdatenportal.