Читать книгу: «Die Kiste Gottes», страница 5

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„Das macht doch nichts, komm rein. Du siehst aus, als ob du einen Kaffee vertragen könntest.“

„Ja danke, ein starker Kaffee wird mir jetzt guttun.“ Oberhofer hängte seinen langen, braunen Lodenmantel an die eiserne Garderobe und folgte Jessica in die Küche. Die Maschine mahlte bereits die Bohnen, als er die Küche betrat. Er setzte sich an den Küchentisch.

„Danke“, sagte er, als Jessica ihm den Kaffee servierte. Er trank in langsamen Schlucken. Die Wärme durchfloss seinen Körper. Jessica setzte sich ebenfalls mit einer Tasse zu ihm an den Tisch.

„Was ist denn bloss geschehen?“, fragte sie, nachdem sie ebenfalls einen Schluck getrunken hatte. „Ich konnte dich gestern Abend und auch heute Morgen nicht zu Hause erreichen. Ich habe mir bereits Sorgen gemacht.“

„Es tut mir leid, Kleines“, antwortete Oberhofer und umklammerte die Tasse, um seine Hände zu wärmen. „Seit ich gestern heimgekommen bin, hat sich eine Menge zugetragen. Ich habe ganz vergessen dich anzurufen. Es tut mir leid“, wiederholte er.

„Warst du denn gestern gar nicht zu Hause? Ich habe mehrmals angerufen.“

„Kaum hatte ich die Koffer abgestellt, musste ich wieder los, um mich mit jemandem zu treffen. Dann war ich wohl zu sehr in das vertieft, was ich geschickt bekommen habe.“

„Macht ja nichts. Die Hauptsache ist, dass es dir gut geht“, sagte sie und legte ihm die Hand beruhigend auf den Arm. „Was ist denn so Wichtiges geschehen, dass es dich komplett eingenommen hat?“

Er legte seine warme Hand auf ihre und streichelte sie langsam. „Ich weiss es nicht…“, sagte er schliesslich leise und nach einer längeren Pause.

„Was weisst du nicht?“, fragte Jessica verwundert. „Du weisst nicht, was dich gestern so beschäftigt hat?“

„Ja und nein“, antwortete er und blickte in die Kaffeetasse.

Jessica sagte nichts und wartete ab. Nach einer Weile blickte er auf und schaute sie mit einem fragenden Blick an. „Ich weiss schon, was mich gestern so beschäftigt hat…“, er stockte erneut. „Aber ich weiss nicht, woher es kam und was es ist.“

„Das klingt aber geheimnisvoll…“

„Ist es auch, glaub mir! Ich habe keine Ahnung um was es sich bei der Sache dreht. Aber es ist faszinierend.“ Er stand auf und liess sich noch eine Tasse Kaffee von der Maschine zubereiten.

„Los erzähl schon!“, drängte ihn Jessica, ihr Interesse war geweckt. Sie wusste, dass ihr Vater nicht zu Übertreibungen neigte, eher im Gegenteil.

„Ich weiss nicht, ob ich dich damit hineinziehen soll.“ Er schaute sie liebevoll an und tätschelte ihre Hand, als er sich wieder an den Tisch gesetzt hatte. „Ich weiss ja selber noch nicht, was es ist und um was es genau geht. Es ist auf jeden Fall sehr mysteriös und scheinbar interessieren sich noch andere dafür. Deshalb bin ich ja hier: Ich musste letzte Nacht aus meinem Haus fliehen. Es…“

„Was?“, unterbrach ihn Jessica besorgt.

„Keine Sorge, es ist mir ja nichts passiert“, beruhigte er sie mit seiner sanften Stimme.

„Aber um was geht es denn?“, fragte Jessica immer noch verblüfft und besorgt.

„Wenn ich das nur wüsste.“ Er trank einen Schluck Kaffee und fuhr dann langsam fort: „Lass mich von Anfang an erzählen. Kaum zu Hause angekommen, klingelte das Telefon. Eine Männerstimme forderte mich auf ihn in einer Stunde auf einem abgelegenen Parkplatz zu treffen. Er habe ein Packet, dass er mir persönlich übergeben müsse. Auf meine Frage, was es sei, sagte er, er wisse es nicht. Er habe den Auftrag, mir ein Packet persönlich zu übergeben. Du weisst, ich bekomme viele solche Anrufe und die meisten ignoriere ich, weil es sich um irgendwelche geltungssüchtigen Spinner handelt.“ Er blickte von der Tasse auf und schaute Jessica an. Sie nickte und er fuhr fort: „Da er mir nicht sagen konnte oder wollte, was in dem Packet sei, wurde ich neugierig und entschloss mich hinzugehen. Denn normalerweise prahlen die Leute schon am Telefon was sie Grossartiges für mich hätten. Ich hatte nicht einmal genug Zeit die Post durchzusehen, wenn ich rechtzeitig am Parkplatz sein wollte. Also fuhr ich sofort los. Auf dem Parkplatz erhielt ich eine Holzkiste ohne irgendwelche weiteren Informationen. Nur die Kiste. Keine Angaben woher sie stammt oder wer sie mir geschickt hat.“

„Wer hat sie dir übergeben? Kanntest du ihn?“

„Nein, ich konnte nicht einmal sein Gesicht erkennen. Er sprach mit einem italienischen Akzent und achtete sehr darauf, dass ich ihn nicht erkennen konnte.“

„Was geschah dann?“ Die Geschichte begann Jessica zu faszinieren.

„Nun, ich nahm die Kiste und fuhr mit ihr nach Hause. Es…“

„Konntest du keinen Hinweis auf den Absender entdecken?“, unterbrach sie ihn.

„Nein. Es war eine schlichte Holzkiste, die in Packpapier eingewickelt war, etwa so gross“, er zeigte mit den Händen die ungefähren Masse. „In meinem Haus angekommen, habe ich die Kiste dann geöffnet.“ Er trank einen weiteren Schluck Kaffee.

„Und?“, fragte ihn Jessica ungeduldig.

„Wenn ich bis dahin schon gedacht hatte es sei mysteriös, musste ich jetzt feststellen, dass es erst begonnen hatte. In der Holzkiste steckte eine Art Metallkiste. Sonst nichts. Kein Brief, keine Erklärung, kein Hinweis auf den Absender, nur die Metallkiste.“

„Was meinst du mit eine Art Metallkiste?“, fragte Jessica verwundert.

„Nun, es ist Metall, da bin ich mir sicher. Aber ich kenne es nicht.“ Er schaute sie an und schüttelte leicht den Kopf.

„Was heisst das, du kennst es nicht?“

„Die Kiste müsste für ihre Grösse viel schwerer sein.“

„Was willst du damit sagen?“, sie war vollkommen verwirrt.

Er schaute sie an und sagte mit einem gequälten Lächeln: „Ein solches Metall gibt es nicht.“

Sie lehnte sich zurück und starrte ihn an. Sie wusste, dass er sich in den zwanzig Jahren, die er bei der NASA gearbeitet hatte, viel mit Metallen beschäftigt hatte und damit beauftragt war neue Werkstoffe für die Raumfahrt zu entwickeln. Wenn ihr Vater ein Metall nicht kannte, dann musste es sich um etwas ganz Spezielles handeln. „Aber was ist es dann?“, fragte sie perplex.

„Ich wage nicht auszusprechen, was ich denke. Du hältst mich dann sicher für einen alten Trottel.“

„Vater!“, sagte Jessica mit gespielter Empörung. „Du weisst, dass ich das niemals von dir denken würde. Auch wenn ich mit einigen deiner Theorien nicht einverstanden bin.“

„Eben darum geht es. Ich glaube, dass die Kiste nicht von diesem Planeten stammt.“

„Was?“, sie starrte ihn ungläubig an. „Und wer hat sie dir dann geschickt? Ausserirdische?“, sagte sie mit einem ironischen Unterton. Jessica begann nun doch zu zweifeln. Obwohl es gar nicht die Art ihres Vaters war solche Geschichten zu erfinden.

„Siehst du“, sagte er nach einer kurzen Pause. „Du glaubst mir nicht.“

„Entschuldige Papi, aber das ist unglaublich.“

„Ich weiss! Aber was soll ich denn machen? Ich habe die Kiste gestern Abend mit eigenen Augen gesehen und habe sie lange untersucht.“

„Wer sollte dir eine solche Kiste schicken?“

„Ich habe keine Ahnung. Ich weiss noch nicht einmal, woher sie gekommen ist. Bei meinen Projekten, an denen ich zurzeit arbeite, gibt es niemanden, der mir so etwas kommentarlos schicken würde.“

Jessica stand auf, machte zwei neue Kaffees und setzte sich dann wieder an den Tisch. „Vielleicht will dich jemand auf den Arm nehmen“, spekulierte sie, nachdem sie einen Schluck getrunken hatte.

„Das glaube ich nicht. Wozu der ganze Aufwand? Und ich sage dir, das Metall gibt es hier nicht“, wiederholte er eindringlich. „Sicher, zuerst muss ich es genauer untersuchen, damit ich hundertprozentig sicher sein kann. Aber ich erkenne ein Metall, wenn ich es sehe und so etwas habe ich noch nie zuvor gesehen. Es müsste sich um eine völlig neue Legierung handeln. Die ganzen Umstände lassen mich einfach glauben, dass es sich hier um etwas ganz Spezielles handelt. Ob es nun von diesem Planeten stammt oder nicht. Es ist kein Metall, dass man hier findet.“

„Was ist denn überhaupt in der Kiste?“

„Keine Ahnung“, antwortete Oberhofer kopfschüttelnd. „Ich habe sie nicht öffnen können. Ich habe alles versucht, aber keinen Weg gefunden, sie zu öffnen.“

Jessica sah in fragend an und als sie nichts sagte, erklärte er: „Ich habe die Kiste gründlich untersucht - sicher zwei Stunden lang. Ich konnte nichts finden, um die Kiste zu öffnen. Es gibt keine Scharniere, keine Schlösser, keine Knöpfe, rein gar nichts. Nur ein paar Schriftzeichen auf einer Seite.“

„Was sagen die Schriftzeichen?“

„Keine Ahnung. Ich konnte sie nicht entziffern.“

„Was für Schriftzeichen könnten es denn sein?“ Jessicas Forscherdrang erwachte und sie war wieder völlig fasziniert. Eine solche Geschichte erfände ihr Vater niemals.

„Das kann ich dir nicht sagen. Im Zusammenhang mit dem Metall kann es für mich nur eine Erklärung geben. So fantastisch sie auch klingen mag.“

„Wo ist die Kiste jetzt?“, plötzlich fiel Jessica ein, dass ihr Vater nichts bei sich getragen hatte. Die Erzählung hatte sie so gefesselte, dass ihr das gar nicht aufgefallen war.

„Ich konnte sie nicht mitnehmen, es wäre zu gefährlich gewesen, wenn sie mich finden. Zudem konnte ich nicht mehr zum Haus zurück.“

„Wieso, wer soll dich finden?“

„Ich weiss nicht, wer es ist. Aber scheinbar haben sie etwas in meinem Haus gesucht. Ich nehme an, die Kiste.“

„In deinem Haus? Ist jemand eingebrochen? Wann? Musstest du deshalb fliehen?“, Jessica staunte. Die Geschichte wurde immer undurchsichtiger.

„Ja, gestern Nacht ist jemand eingebrochen.“ Er erzählte ihr, was in der der letzten Nacht vorgefallen war und was er beobachtet hatte.

„Ja, und so bin ich nun hier und weiss nicht, was ich weitermachen soll. Du bist der einzige Mensch dem ich vertrauen kann“, schloss Oberhofer seinen Bericht ab.

Jessica hatte die ganze Zeit gebannt zugehört. Wie konnte so etwas nur geschehen, dachte sie sich. Sie nahm die Hand ihres Vaters und hielt sie mit beiden Händen fest. Es gab für sie keine Zweifel mehr, dass es sich bei der Kiste um etwas sehr Bedeutendes handelte. „Wer könnte hinter den Einbrüchen stecken? Hast du irgendeine Idee?“, fragte sie nach einer längeren Pause.

„Ideen habe ich viele, aber es sind nur Spekulationen. Es gibt viele Gruppen und Organisationen, die alles unternehmen würden, um an einen solchen Gegenstand zu gelangen. Auch gewisse Regierungsorganisationen schrecken vor nichts zurück, um so etwas in ihren Besitz zu bringen.“

„Was sollen wir tun?“

„Wir?“, er schaute seine Tochter mit einem fragenden und flehenden Blick an.

„Sicher, ich werde dich mit dieser Sache nicht alleine lassen. Die Kinder sind über Weihnachten und Neujahr bei ihrem Vater, also muss ich mir um sie keine Sorgen machen.“

„Und hast du eine Idee, was wir als Nächstes unternehmen sollten?“

„Wir müssen noch jemanden einweihen“, schlug sie vor.

„Wie bitte?“, Oberhofer zog die Hand zurück und schaute seine Tochter überrascht an. „Wir dürfen niemandem etwas von der Kiste erzählen! Erst wenn wir alle Fakten kennen und wissen um was es sich handelt, dürfen wir an die Öffentlichkeit treten. Wir brauchen hieb- und stichfeste Beweise, die von niemandem widerlegt werden können. Die Gefahr ist zu gross, dass irgendetwas zu früh durchsickert und alles gefährdet.“

„Wir müssen aber davon ausgehen, dass wir überwacht werden. Nicht nur du, sondern mittlerweile auch ich. Wenn sie dich kennen, ist es nur ein Gedanke, der sie zu mir führt. Wir können keinen Schritt mehr machen ohne Gefahr zu laufen, dass wir observiert werden. Es ist nicht möglich auf diese Weise Nachforschungen zu betreiben.“

„Ja, da hast du Recht“, pflichtete Oberhofer nachdenklich bei. „Was unternehmen wir als Erstes?“

„Wir müssen herausfinden, wer dir die Kiste geschickt hat und wer gestern Nacht in dein Haus eingebrochen ist.“ Sie schaute ihren Vater an, der nickte. „Und um das herauszufinden, brauchen wir jemanden, dem wir vertrauen können und der uns hilft.“

„An wen hast du dabei gedacht?“

„Philipp Marthaler“, sagte sie entschlossen und schaute ihren Vater fragend an.

„Ist er nicht mit dir zur Schule gegangen?“ Nach einer kurzen Pause fragte er: „Ist er nicht bei der Polizei?“

„Nicht mehr, er hat seine eigene Privatdetektei eröffnet.“

„Du meinst, er wird uns helfen – und dass wir ihm vertrauen können?“

„Da bin ich mir ganz sicher, ja.“

„Gut, wenn du dir so sicher bist, dass wir ihm trauen können, dann bin ich einverstanden.“

„Ich werde ihn sofort anrufen.“ Jessica holte das Telefon aus dem Wohnzimmer.

8.

Ein ungeduldiges Klingeln riss Alfons Carpaun aus dem Schlaf. Er setzte sich in seinem Bett auf und blickte verschlafen um sich. Er musste sich zuerst darüber klarwerden, was los war. Durch die geschlossenen Rollläden drangen einige Sonnenstrahlen ins Zimmer,

Wieder das Klingeln, drei Mal kurz hintereinander, dann wieder Ruhe. Es war die Türklingel. Carpaun knipste die alte Lampe an, welche auf dem wackligen Nachttisch balancierte. Der fast blinden Glühbirne gelang es nicht den Raum komplett zu erhellen. Carpaun schaute sich um. Der Wecker zeigte neun Uhr - er hatte also nur zwei Stunden geschlafen. Erst um Sieben Uhr war er aus Sumiswald zurückgekehrt.

Nach dem der schwarze Chrysler an ihm vorbeigefahren war, hatte er sich in den Wald hoch gekämpft. Von seiner Position konnte er alles überblicken. Er hatte nicht genau erkennen können, was der Mann im Haus getrieben hatte, ihm wurde allerdings schnell klar, dass der Besucher ebenfalls nach etwas suchte. Soweit er es erkennen konnte, wurde jeder Raum des Hauses von der schwarz gekleideten Gestalt gründlich durchsucht.

Als der Chrysler an seinem Versteck vorbeigefahren war, hatte Carpaun einen Blick auf das Nummernschild werfen können. Die genaue Nummer vermochte er zwar nicht zu erkennen, doch er glaubte eine Diplomatennummer gesehen zu haben.

Wieder klingelte es. Wieder dreimal, kurz hintereinander. Wer konnte das nur sein, am Samstagmorgen um diese Zeit? Hatte er bei seinem Einbruch etwa Spuren hinterlassen? Hatte ihn jemand beobachtet? Er liess die Nacht kurz vor seinem geistigen Auge vorbeiziehen.

Nein.

Er war sich ziemlich sicher, dass ihn niemand beobachtet hatte. Und selbst wenn, wie hätte ein Bezug zu ihm hergestellt werden können? Das Einzige war sein Wagen, aber den hatte er extra auf dem Parkplatz zurückgelassen und dort hatte ihn niemand beobachtet.

Das erneute Klingeln riss ihn aus seinen Gedanken.

Carpaun stieg aus dem Bett. Aus dem Kleiderhaufen, neben dem schwarzen Polsterbett, fischte er sich seine Unterhose, die alten Jeans und den dicken, grauen Wollpullover. Während er sich anzog, klingelte es erneut dreimal. Er zog den Pullover auf dem Weg zur Tür über den Kopf und fuhr sich mit den Händen durchs zerzauste braune Haar, um es etwas in Form zu bringen.

Er blickte durch den Spion in der Tür und Gefühle von Freude und Unbehagen stiegen gleichzeitig in ihm auf. Hastig machte er sich daran die Tür zu öffnen. Er war nervös, denn es gelang ihm nicht, die Sicherungskette beim ersten Versuch aus der Schiene zu ziehen. Nachdem er es geschafft hatte, drehte er den Schlüssel der schon im Schloss gesteckt hatte und öffnete die Tür.

„Guten Morgen, Oberster“, sagte Carpaun hastig, verbeugte sich und trat beiseite, damit der hohe Gast eintreten konnte. Carpaun strich sich abermals mit der Hand die Haare glatt. „Was für eine Überraschung Sie hier zu sehen!“

Der Mann vor der Tür blickte sich schnell um und betrat eilig den kleinen, engen Flur. „Guten Morgen, Bruder Alfons“, sagte er mit seiner warmen Stimme und marschierte direkt ins Wohnzimmer. In der Mitte des Zimmers blieb er stehen und schaute sich um, als wollte er sich einen Platz aussuchen, wo er sich hinsetzen könnte.

Ein altes Sofa mit verschlissenem grünem Leder stand an der Wand. Auf dem hölzernen Salontisch davor gammelten zwei leere Packungen Chips und drei Dosen Bier, ebenfalls leer, vor sich hin.

Der ältere Mann schälte sich aus seinem braunen Lodenmantel und legte ihn über einen der beiden Metallstühle, die in einem kleinen Erker, an einem abgenutzten Bistrotisch standen. Unter dem Mantel kam ein dunkelblauer Anzug mit weissem Hemd und roter Krawatte zum Vorschein. Der Oberste schob die roten Jalousien ein Stück beiseite und blickte auf die Strasse hinunter.

„Ich warte“, sagte der er, ohne sich umzudrehen.

„Ähm, ähm, natürlich…“, stammelte Carpaun, der immer noch an der Flur Türe wartete.

„Nun?“, fragte der Oberste und drehte sich langsam zu Carpaun um. Sein sonnengebräuntes Gesicht bildete einen scharfen Kontrast zu seinen kurzen, grauen Haaren und seinem kurzen gepflegten Bart, der die scharfen Kanten des Gesichts noch mehr betonten. Seine stahlblauen Augen funkelten voller Ungeduld, als er Carpaun ansah.

„Leider habe ich nichts finden können…“, begann Carpaun vorsichtig. Als der Oberste nichts erwiderte und ihn weiter fordernd ansah, fuhr er fort. „Ich bin wie besprochen zu der Villa gegangen, nachdem ich davon ausgehen konnte, dass Oberhofer schlief. Durch ein Fenster im Erdgeschoss gelangte ich ins Wohnzimmer. Es war alles ruhig. Ich schlich mich in sein Arbeitszimmer hinauf und durchsuchte alles gründlich, konnte aber nichts finden. Daraufhin ging ich wieder hinunter und durchsuchte dort alle Räume. Es war aber auch hier nichts zu finden.“ Unsicher betrachtete er den Obersten, gespannt wie dieser seinen Bericht aufnehmen würde.

„Und was ist mit Oberhofer? Hat er nichts bemerkt oder hast du sein Schlafzimmer nicht durchsucht?“ Seine Stimme blieb ruhig.

„Das war etwas komisch.“ Carpaun machte eine Pause, um zu sehen, wie sein Gegenüber reagierte. Doch auf dem Gesicht des Obersten war keine Regung zu erkennen. Also erzählte er weiter: „Zuerst durchsuchte ich das Arbeitszimmer, ohne etwas zu finden. Dann ging ich hinunter und durchsuchte alle Zimmer im Haus. Ich war sehr leise und vorsichtig, da ich davon ausging, dass Oberhofer irgendwo schlafen müsse. Ich konnte ihn aber in keinem der Zimmer finden.“

„Was soll denn das heissen? Hat er das Haus verlassen?“

„Das muss er wohl. Ich habe später allerdings fast erwischt.“ Schnell erzählte Carpaun wie er Oberhofer ins Haus gefolgt war, nach dem der Chrysler das Gelände verlassen hatte.

„Dann ist er dir also entkommen“, kommentierte der Oberste den Bericht herablassend.

„Ja“, antwortete Carpaun schlicht, da er nicht wusste, was er sonst sagen sollte.

„Dann wissen wir also genau so viel wie zuvor!“ Der Oberste wandte sich von Carpaun ab. Er schien zu überlegen.

„Nicht ganz“, bemerkte Carpaun vorsichtig.

Der Oberste blickte über die Schulter zu Carpaun hinüber. „Was heisst nicht ganz? Du hast weder die Kiste gefunden, noch konntest du Oberhofer befragen. Wir wissen immer noch nicht, ob die Kiste tatsächlich an Oberhofer gegangen ist.“

„Das ist richtig. Aber es sieht so aus, als ob sich noch jemand für die Kiste interessiert. Der Fahrer des Chryslers hat das Haus ebenfalls gründlich von oben bis unten durchsucht.“

„Und du bist sicher, dass Oberhofer nicht dabei war?“, unterbrach der Oberste.

„Ich konnte nur eine Person erkennen und sie trug eine schwarze Maske.“

„Dann interessiert sich also noch jemand für die Kiste“, sagte der Oberste, mehr zu sich selber. „Wer könnte das nur sein?“

„Ich denke es steckt eine Regierung dahinter.“

„Wie kommst du darauf?“

„Als der Wagen wieder vom Haus wegfuhr, musste er nahe an meinem Standort vorbeifahren. Ich konnte das Kennzeichen zwar nicht genau entziffern, ich bin mir aber sicher, dass es ein Diplomatenkennzeichen gewesen ist.“

Über das Gesicht des Obersten zog ein kurzes Lächeln, das dann schnell wieder verschwand.

„Damit war ja eigentlich zu rechnen gewesen“, sinnierte der Oberste.

„Womit war zu rechnen?“

„Dass auch die Regierung davon erfährt und sich dafür interessiert.“

„Die Frage ist nur welche?“, warf Carpaun vorsichtig ein.

„Ich denke es werden die Amerikaner sein. Die Gelegenheit ein solches Wissen zu erlangen, liessen sie sich bestimmt nicht entgehen.“

„Das steht ja auch so in unseren Büchern“, bemerkte Carpaun schnell.

Doch der Oberste fuhr weiter, als ob er die Bemerkung nicht gehört hätte: „Das gibt der Geschichte eine neue Dimension. Wenn sich die USA einschalten, um nach der Kiste zu suchen, haben wir weniger Zeit, als ich bisher dachte. Wir müssen neben Oberhofer noch einen anderen und sehr viel mächtigeren Kontrahenten in unsere Überlegungen mit einbeziehen.“

„Wie gehen wie weiter vor?“, fragte Carpaun, nach einer Weile des Schweigens.

Der Oberste blickte wieder zu Carpaun. „Wir müssen Oberhofer und die Kiste finden, bevor es die anderen tun. Wenn sie die Kiste nicht schon gestern Nacht gefunden haben“, fügte er mit einem vorwurfsvollen Blick hinzu. „Wenn sie erst einmal in den Händen der USA ist, gibt es für uns keine Möglichkeit mehr an sie ranzukommen und wir können der Welt nicht die Wahrheit bringen und unseren Glauben als einzig wahren manifestieren.“ Die Stimme hatte in den letzten Sätzen den Ton der Predigerstimme angenommen, welche Carpaun aus vielen Reden des Obersten bestens kannte. „Wir müssen jetzt schnell handeln. Es darf uns niemand zuvorkommen! Wir müssen die Kiste finden.“

„Wo setzten wir denn an? Sollen ich die Villa weiter überwachen?“

„Das werden wir wohl müssen. Wir müssen Oberhofer wieder aufspüren. Wenn er die Kiste bei sich hat, wird er wohl kaum zur Villa zurückkommen. Jetzt ist nur die Frage, ob er die Kiste mitgenommen oder ob er sie irgendwo versteckt hat.“

„Er würde die Kiste doch nicht zurücklassen“, gab Carpaun zu bedenken.

„Das glaube ich eigentlich auch nicht. Aber du hast ihn überrascht und er hatte vielleicht keine Zeit sie zu holen. Natürlich könnte er sie schon im Auto gehabt haben.“

„Dann hätte ich sie aber finden müssen. Ich habe wirklich…“

„Schon gut“, unterbrach ihn der Oberste. „möglicherweise gibt es in so alten Villen Geheimverstecke. So etwas habe ich auch in meinem Haus. Das ist sehr nützlich bei Hausdurchsuchungen. Nein, wir können nicht ausschliessen, dass die Kiste noch im Haus ist. Ich werde Schwester Eveline anrufen und sie zu dir schicken. Warte hier bis sie kommt, dann teilt ihr euch auf. Jemand bewacht die Villa und der andere überwacht die Wohnung seiner Tochter.“

„Gut Oberster, ich werde hier warten.“

Der Oberste nahm den Mantel von der Stuhllehne und zog ihn sich wieder über. Dann ging er an Carpaun vorbei in den Flur und sagte, während er die Tür öffnete: „Ich erwarte regelmässig einen Bericht vor dir, Bruder Alfons. Denk daran, das Wohl unsere Organisation liegt in deinen Händen. Wir müssen die Kiste wiederfinden!“ Er verliess die Wohnung und liess die Tür offenstehen.

Carpaun wollte noch etwas antworten, als er bei der Tür angelangte, aber der Oberste befand sich schon auf dem Weg nach unten.

Carpaun schloss die Tür. Er freute sich auf Schwester Eveline. Eine schöne Frau. Während er anschliessend duschte, hatte er in Gedanken Sex mit Schwester Eveline und sie war willig und fügte sich seinen Wünschen.

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