Читать книгу: «Die Kiste Gottes», страница 2

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„Oberhofer ist vor ungefähr zwanzig Minuten zu Hause angekommen, blieb dann eine Weile in der Garage und sitzt nun in einem Turmzimmer“, berichtete Carpaun.

„Und, hat er die Kiste?“

„Ich konnte es nicht genau erkennen. Oberhofer fuhr mit dem Wagen direkt in die Garage und ging von dort ins Haus. Aber ich glaube gesehen zu haben, wie er eine Kiste im Arbeitszimmer auf den Tisch gestellt hat.“

„Und bei der Übergabe? Konntest du dort auch nichts erkennen?“ Die Stimme des Obersten klang ungeduldig.

Carpaun wollte dem Obersten nicht mitteilen, dass er Oberhofer nicht bis zur Übergabe hatte folgen können. Er begann mit der Ausrede, die er sich während der Wartezeit auf dem Parkplatz zurechtgelegt hatte. „Die Übergabe fand auf einer Autobahnraststätte statt. Ich konnte deshalb nicht nahe genug ran, ohne bemerkt zu werden“, log er deshalb und hoffte das ihm der Oberste die Geschichte abkaufen würde. „Ich wollte unsere Organisation nicht in Gefahr bringen und ausserdem hat unser Informant ja gesagt, dass die Kiste zu Oberhofer unterwegs sei“, fügte er noch schnell hinzu.

„Da hast du richtig gehandelt“, antwortete der Oberste mit ruhiger Stimme. „Aber wir müssen wissen, ob die Kiste bei ihm angekommen ist. Es könnte sein, dass sie an jemand anderen gegangen ist. Unser Mann vor Ort hat lediglich spekuliert. Sicher lassen die Verbindungen zwischen Deutz und Oberhofer eine solche Vermutung als wahrscheinlich erscheinen, aber wir brauchen Gewissheit. Danach können wir weitere Schritte planen. Erst dann wissen wir wie ernst die Lage ist.“

„Ich kann leider nicht genau in das Zimmer sehen, in dem sich Oberhofer im Moment aufhält. Es ist auch schwer ungesehen zu seinem Haus zu gelangen. Es liegt abgelegen am Waldrand. Jeder der auf der Strasse zum Wald fährt, muss zwangsläufig zum Haus gelangen. Von dem Turm, in dem Oberhofer sitzt, kann er die gesamte Zufahrt überblicken. Es fiele ihm sicher auf, wenn sich jemand seinem Anwesen nähern würde.“

„Was schlägst du also vor?“, fragte der Oberste fordernd.

„Wie wäre es, wenn ich in sein Haus einbreche um nach der Kiste zu suchen?“, schlug Carpaun vor.

Es entstand eine kurze Pause. „Ja, mach das. Wenn er schläft, brichst du ins Haus ein und holst unser Eigentum für uns zurück.“

„Wäre es nicht besser, wenn wir warten bis er das Haus verlässt?“ Carpaun hatte noch nie einen Einbruch begangen und wollte es lieber versuchen, wenn sich niemand im Gebäude befand.

„Und was geschieht, wenn er die Kiste mitnimmt?“, fragte der Oberste wütend. Er war es gewohnt, dass seine Befehle ausgeführt und nicht hinterfragt wurden. „Ausserdem können wir es uns nicht leisten noch länger zu warten. Je mehr Zeit vergeht, desto grösser ist die Gefahr, dass noch weitere Leute von der Kiste erfahren. Das darf nicht geschehen! Es sind schon zu viele Gerüchte im Umlauf. Alleine, dass von der Kiste gesprochen wird, ist schon zu viel! Seit langem lag sie in Ruhe gebettet und von der Menschheit unbeachtet, so wie es sein muss. Was zurzeit geschieht, darf nicht sein. Die Zeit ist noch nicht reif. Wir brauchen die Kiste für unsere Organisation. Sie wird uns eines Tages dazu verhelfen, endlich das Ansehen und die Wertschätzung zu erhalten, die uns zusteht. Wir werden diejenigen sein, die der Menschheit die Augen öffnet! Wir alleine werden die Überbringer der Wahrheit und Weisheit sein! Wir werden denjenigen an die Spitze setzen, der laut der Überlieferung dorthin gehört! Doch ist noch zu früh, die Welt nicht bereit. Wie müssen weiter geduldig warten und die Geheimnisse bewahren. Unsere Stunde wird kommen und dann werden wir bereit sein.“ Er predigte mit einer Stimme, mit der er Zuhörer in seinen Bann zu schlagen vermochte.

„Jawohl Oberster, ich werde noch heute Nacht den Auftrag erledigen!“, antwortete Carpaun mit brennendem Eifer.

„Und vergiss nicht“, erinnerte der Oberste Carpaun eindringlich, „es gibt nichts, was wichtiger ist als unsere Organisation. Für den Ruhm und die Anerkennung in der Gesellschaft ist kein Preis zu hoch!“

Die Leitung wurde unterbrochen. Der Oberste hatte aufgelegt. Carpaun wusste, was er mit der letzten Bemerkung meinte. Er griff in das Handschuhfach und nahm die geladene Magnum und das Messer heraus, steckte beides in seine alte Winterjacke und stieg aus dem Honda Civic. Er streckte seine starren Glieder und begab sich entschlossen auf den Weg zu Oberhofers Haus. Er wollte das Eigentum der Organisation zurückholen: Koste es was es wolle.

3.

Mozarts kleine Nachtmusik, gespielt von den Berliner Philharmonikern, erfüllte den Raum. Die Klänge schienen sich in der modern eingerichteten Dachwohnung wohl zu fühlen. Der dunkle Holzboden und die Deckenbalken spielten harmonisch mit dem Weiss der Wände, an denen wenige Gemälde hingen. Die Möbel verteilten sich locker im Raum.

Jessica Neumann holte die Tasse Earl Gray aus der Küche, nahm das Buch von der silbernen Anrichte im Esszimmer und legte beides auf den kleinen gläsernen Salontisch im Wohnzimmer. Als die Duftkerzen begannen ihren lieblichen Duft zu verströmen, ging sie zu ihrem Lesestuhl und legte die Beine auf den Hocker. Sie trank einen Schluck Tee, nahm das Buch vom Tisch und legte es auf die Beine. Sie schloss die Augen und lauschte einige Augenblicke lang der Musik. Gerne hätte sie sich selber ans Klavier gesetzt und etwas gespielt, doch dafür war es zu spät. In Gedanken liess sie den Tag nochmals Revue passieren.

Am Morgen hatte sie zwei Vorlesungen an der Universität über Platons „Der Staat“ gehalten. Danach war sie nach Hause gefahren, um das Mittagessen für die Kinder zu bereiten. Obwohl sie Pizza gebacken hatte, schien es eine Ewigkeit zu dauern bis die Kinder ihre Teller leer gegessen hatten. Marco, der älteste, ass mit viel Appetit und war schnell mit dem Essen fertig. Er beeilte sich immer, damit er seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen konnte: Computerspiele. Bei den Mädchen dauerte es wie gewöhnlich länger. Neuerdings träumte und plapperte Simone während des Essens mehr als das sie ass. Das hatte sie, wie so vieles, von ihrer grossen Schwester Julia übernommen. Genau wie das „verliebt sein“ in fast alle männlichen Klassenkameraden. Scheinbar fehlte es keiner von beiden an Verehrern. Julia machte sich in der zweiten Klasse sehr gut und Simone war der Einstieg in die erste hervorragend gelungen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatten sich bei Marco die Probleme gelegt und er hatte sich gut in die dritte Klasse integriert. Mit den schulischen Leistungen konnte Jessica bei allen zufrieden sein.

Nach dem Essen brachte sie Julia und Simone zum Ballettunterricht und machte Besorgungen in der Stadt. Marco blieb zu Hause. Da sie in der Altstadt von Bern wohnte, besass Jessica kein Auto. Sie ging fast täglich Einkaufen, damit sie nicht riesige Mengen auf einmal schleppen musste. Als sie die Einkäufe zu Hause abgestellt hatte, musste sie sofort wieder los, um die Mädchen abzuholen. Nach einem versprochenen Abend im Kino kehrten sie nach Hause zurück, wo das übliche Prozedere - wie jeden Tag - ablief. Keines der Kinder wollte zu Bett gehen. Um neun herrschte wohl verdiente Ruhe und sie konnte sich dem Rest der Wäsche zuwenden.

Nun sass sie endlich in ihrem bequemen Lesestuhl und wollte bei einem guten Buch entspannen. Sie strich sich mit der Hand ihre langen, schwarzen Haare aus dem Gesicht und nahm das Buch zur Hand. „Die Päpstin“, ein Buch, das sie sich schon lange vorgenommen hatte zu lesen, bisher aber noch nicht dazugekommen war. Jetzt konnte sie es kaum mehr aus der Hand legen, denn es hatte sie von der ersten Seite an gepackt. Sie schlug es auf und tauchte mit den ersten Worten sofort wieder in die Welt des 9. Jahrhunderts ein, um mit Johanna die Erlebnisse zu teilen.

Sie hatte kaum richtig zu lesen begonnen, als sie das Telefon ins Heute zurückriss. Der Blick auf die kleine Standuhr auf dem Sideboard zeigte ihr, dass es bereits 22.00 Uhr war. Wer konnte das um diese Zeit sein? Vielleicht ihr Vater, der heute aus dem Urlaub zurückgekommen war und für den sie das Haus gehütet hatte? Sie hatte schon einige Male versucht ihn anzurufen, aber ihn nie erreichen können. Eigentlich wollte er am frühen Abend zu Hause eintreffen.

Sorgen machte sie sich keine. Seit ihr Vater nicht mehr arbeitete, änderte er oft spontan seine Pläne und vergass es ihr mitzuteilen.

Sie stand auf, holte das drahtlose Telefon von der Station und setzte sich wieder in den Sessel.

„Neumann“, meldete sie sich.

„Hallo, hier auch.“

Ihre Stimmung sank schlagartig. Ihr Ex-Ehemann. Sie lebten schon seit drei Jahren getrennt. Da er sich nicht auf eine fixe Besuchsregelung mit den Kindern einlassen wollte, musste sie warten bis die vier Jahre Trennungszeit abgelaufen waren, damit er sich der Scheidung nicht mehr widersetzen konnte.

Er wolle die Scheidung auch, allerdings plagte ihn immer das Gefühl er werde benachteiligt, wenn sich nicht alles nach ihm richtete. Das war schon während der zehn Jahre Ehe so gewesen und der Grund, weshalb sich Jessica vom ihm getrennt hatte. Er versuchte Musiker zu sein, fand aber meistens keine Engagements. Nicht weil er kein guter Musiker gewesen wäre, sondern weil er sich selber immer wieder im Weg stand. Er konnte sich nicht in eine Gruppe einordnen, von unterordnen ganz zu schweigen. Aufgrund dessen war es unmöglich für ihn, über längere Zeit in einem Ensemble oder einer kleinen Band zu spielen. Früher oder später gab es immer Unstimmigkeiten und aus seiner Sicht konnte er natürlich nie etwas dafür. Das gleiche geschah auch, wenn er Arbeit in einem anderen Bereich fand. Anfangs ging es gut, aber nie für lange. Deshalb war er die meiste Zeit arbeitslos. Während ihrer Ehe sorgte stets sie für das Auskommen der Familie. Seine kleinen Gagen und den Lohn aus den Kurzeinsätzen investierte er in Musikinstrumente und Computer.

„Was willst du?“, fragte sie deprimiert. Sie konnte es sich bereits denken. Er rief nur an, wenn er etwas mit dem Abholen der Kinder ändern wollte. Dies geschah oft, denn er vertrat die Ansicht, er könne sein Leben nicht so lange im Voraus planen und die Besuchsregelung müsse flexibel gestaltet werden. Das bedeutete aus seiner Sicht, er holte und brachte die Kinder, wann es ihm passte und das immer kurzfristig.

„Ich kann morgen nicht schon um neun Uhr die Kinder holen. Ich komme erst um 13.00 Uhr.“ Das war keine Frage, sondern eine Tatsache.

„Und das fällt dir jetzt ein?“

„Ich habe heute Nachmittag versucht sich anzurufen, aber du warst ja nie zuhause.“

„Du weisst genau, dass die Mädchen am Freitag Ballett haben und ich unterwegs bin. Du hättest auf mein Handy anrufen können. Und ausserdem, weshalb fällt es dir immer erst am Freitag ein, dass du am Samstag die Termine nicht einhalten kannst?“ Sie war nun verärgert. Es war jedes Mal dasselbe und die Ausreden klangen immer gleich.

„Ich habe morgen um neun Uhr einen Termin in Basel und bin deshalb nicht vor 13.00 Uhr wieder zurück in Bern.“

„Und das weisst du erst seit heute? Du musstest dich sicher schon früher anmelden, oder etwa nicht?“

„Ja schon, aber ich hatte so viel um die Ohren mit dem neuen Job. Du weisst doch, dass ich wieder arbeite!“

„Trotzdem hättest du mir früher Bescheid geben können. Ich habe es satt, dass du immer im letzten Moment anrufst und die Termine änderst. Ich habe morgen einen Termin um 10.00 Uhr an der Uni.“

„Wenn du etwas flexibler wärst, könnte ich die Kinder auch mal unter der Woche holen. Aber das willst du ja nicht!“, er begann laut zu werden.

„Natürlich! Mir reicht es vollkommen, wenn ich alle zwei Wochen bangen muss, ob du die Kinder zur abgemachten Zeit abholst oder nicht. Das möchte ich nicht jeden Tag!“

„Du willst mir die Kinder nur nicht öfters geben!“, schrie er ins Telefon. „Du weisst ganz genau, dass ich die Kinder mehr sehen möchte. Aber wegen deiner Sturheit geht das nicht!“

„So wie morgen?“ Jessica versuchte ruhig zu bleiben, wusste aber, dass sie ihn mit dieser Bemerkung ganz aus der Fassung gebracht hatte.

„Was soll ich denn machen? Ich setze die Termine für das Vorspielen nicht selber an!“, schrie er weiter.

„Zum Beispiel mir früher Bescheid geben“, sagte sie weiter in einem ruhigen Ton. „Dann könnte ich…“

„Was könntest du dann? Du arbeitest ja nur halbtags und hast genug Zeit um deinen Hobbies nachzugehen!“, fiel er ihr immer noch schreiend ins Wort.

„Lassen wir das. Es hat keinen Sinn mit dir darüber zu diskutieren. Es ist und bleibt so wie es in der Trennungsvereinbarung steht. Also dann bis morgen um 13.00 Uhr.“ Sie legte auf. Jessica hatte das Gespräch beenden müssen, denn sonst wäre sie in Rage geraten. Die Wut hatte schon zu glimmen begonnen. Sie hasste es, wenn das geschah. Es entsprach nicht ihrem Wesen, die Beherrschung zu verlieren und laut zu werden. Das passierte ihr einzig bei ihrem Ex. Nicht einmal die Kinder schafften es, selbst wenn sie noch so quengelten.

Sie legte das Telefon auf den Tisch und trank einen Schluck Tee. Dann atmete sie tief durch, schloss die Augen und konzentrierte sich wieder auf die Musik. Langsam fühlte Jessica, wie sie sich wieder beruhigte. So blieb sie eine Zeit lang sitzen. Dann öffnete sie die Augen und blickte auf das Telefon.

Sollte sie nochmals versuchen bei ihrem Vater anzurufen? Sie schaute auf die Uhr. Halb elf. Normalerweise ging er nie so früh zu Bett. Er arbeitete meist bis Mitternacht oder noch länger. Es kam ihr vor, als ob ihr Vater seit der Pensionierung noch mehr arbeitete als zuvor. Wenigstens hatte er begonnen Urlaub zu machen und entspannte sich dabei. Obwohl sie wusste, dass er auch dort nicht ohne seine Arbeit sein konnte. Vielleicht hatte er sich heute wegen der Zeitverschiebung früher ins Bett gelegt. Nein, überlegte sie, in Hawaii wäre es jetzt erst Mittag. Bestimmt hat er noch viel an Post nachzulesen. Der Stapel, der sich während seiner Abwesenheit angesammelt hatte, hatte beträchtliche Ausmasse angenommen.

Sie nahm das Telefon und wählte die Nummer aus dem Speicher. Es klingelte. Nach dem fünften Klingeln meldete sich der Anrufbeantworter. Jessica stutzte. Warum hob ihr Vater nicht ab? Er liess nie den Beantworter an, wenn er zu Hause war. Er hatte immer Angst etwas Wichtiges zu verpassen, wenn er nicht jedes Mal ans Telefon ging, wenn es klingelte. Dafür opferte er gerne etwas Schlaf.

Was war nur los? Ist er noch nicht zuhause angekommen? Hatte er seine Pläne wieder einmal kurzfristig geändert und vergessen es ihr mitzuteilen? Vielleicht hatte er sich auch schon wieder in seine Arbeit gestürzt und verfolgte irgendwelche Spuren oder prüfte irgendwo etwas nach.

Am liebsten wäre sie sofort nach Sumiswald gefahren um nachzusehen.

Irgendetwas beunruhigte sie.

Rührte es noch vom Telefongespräch mit ihrem Ex-Ehemann her? Sie wusste es nicht. Doch in ihr drin nagte etwas und lies sie nicht zur Ruhe kommen.

Nach einigen Minuten Grübeln beschloss Jessica, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Sie konnte die Kinder sowieso nicht alleine in der Wohnung lassen, dafür waren sie noch zu klein. Jessica versuchte sich einzureden, dass ihr Vater wohl zu erschöpft von der Reise war und deshalb den Anrufbeantworter nicht ausgeschaltet hatte.

Auch das half nicht.

Sie nahm das Buch vom Tisch und begann zu lesen. Nach einer Seite wurde ihr klar, dass sie gar nicht wusste, was sie soeben gelesen hatte. Ihre Gedanken weilten nicht im neunten Jahrhundert, sondern in Sumiswald. So beschloss sie, schlafen zu gehen.

Aber auch im Bett liessen sich die Gedanken nicht aus ihrem Kopf verbannen. Erst spät fiel sie in einen unruhigen Schlaf.

4.

Immer noch unschlüssig stieg Major Lock die Stufen hoch. Die Informationen waren noch sehr vage. Eine zum Teil verschlüsselte Mail, die sie bis jetzt noch nicht dechiffrieren konnten, sowie ein Gerücht über einen aussergewöhnlichen Fund. Das war alles, was sie bis jetzt vorweisen konnte.

Lock hatte in den letzten fünf Jahren gelernt, wenn sie zu früh Meldung erstattete, dies meist mit einem Wutausbruch des Alten endete. Berichtete sie allerdings erst, wenn hieb und stichfeste Beweise vorlagen, beschuldigte sie Franks jedes Mal, eigenmächtig gehandelt zu haben. Wie sie es auch anstellte, richtig handelte sie für ihn nie.

Sicher, dachte sich Lock, der Empfänger der Mail wurde von ihnen ständig überwacht. Schliesslich hatte er fast zwanzig Jahre für die NASA gearbeitet und aufgrund der heiklen Themen in seinen Büchern war es unumgänglich ihn im Auge zu behalten. Dadurch rechtfertigte sich eine Meldung, auch schon bei geringen Verdachtsmomenten.

Sie hatten schon einige seiner Mails abgefangen und ausgewertet. Meist handelte es sich um Nachrichten, die von irgendwelchen Phantasten verfasst worden waren und ihm sensationelle Enthüllungen versprachen. Doch diese Leute machten sich nicht die Mühe ihre Schreiben zu verschlüsseln. Solche Informationen meldete Lock nie.

Bei dieser Mail kam allerdings hinzu, dass der Absender bei ihnen bisher noch nicht registriert gewesen war.

Die ersten Nachforschungen hatten ergeben, dass er bis jetzt nie in diesen Verschwörerkreisen aktiv geworden war. Im Gegenteil: Er galt als seriöser, traditioneller Wissenschaftler, der die gängigen Lehrmeinungen vertrat. Alle seine Publikationen unterstützten die offiziellen Thesen. Weiter hatte Locks Team herausgefunden, dass von Deutz und Oberhofer zur gleichen Zeit studiert hatten und aus demselben Dorf in der Schweiz stammen. Sie wuchsen zusammen auf und besuchten bis zum Studium immer die gleiche Klasse. Auch heute trafen sich gelegentlich und spielten zusammen Golf.

Die Mail und das Gerücht hielt sie für wichtig genug der Sache genauer nachzugehen. Aber ob General Frank ihre Meinung teilte, darüber machte sie sich Gedanken, als sie die Treppen hochstieg.

Lock benutzte nie den Lift. Sie war im Sommer vierundvierzig geworden. Körperlich und geistig fit zu bleiben hatte bei ihr höchste Priorität. Deshalb spielte sie dreimal in der Woche Tennis und öfters Schach. Sie war stolz auf ihren durchtrainierten Körper, mit dem sie es noch mit so manch einer Jüngeren hätte aufnehmen können. Ihre blonden Haare trug sie meist als Pferdeschwanz zusammengebunden, was ihre jugendliche Ausstrahlung verstärkte. Ihre Augen drückten Entschlossenheit und Durchsetzungsvermögen aus. Ohne diese beiden Charakterzüge, gepaart mit Mut, hätte sie es nie in diese Stellung geschafft.

Ohne Anzuklopfen betrat sie das Vorzimmer von Franks. Maggie, Franks Sekretärin, schaute von den Papieren auf, die vor ihr auf dem Schreibtisch lagen und begrüsste ihn mit einem strahlenden Lächeln.

„Ah, guten Tag Major. Der General erwartet Sie bereits. Sie können gleich hineingehen.“

„Danke Maggie, Sie sehen heute wieder besonders reizend aus“, antwortete Lock, worauf Maggies Lächeln leicht verlegen wurde und sie sich wieder den Papieren zuwandte.

Lock klopfte kurz an die Tür und trat ein ohne eine Antwort abzuwarten. Franks thronte hinter seinem riesigen Schreibtisch und las in einer Akte. Er blickte auf und als er Lock sah, schloss er die Mappe und legte sie beiseite.

„Guten Morgen Helen. Was haben Sie denn für mich?“, frage er und deutete auf einen der beiden hölzernen Besuchersessel vor dem Schreibtisch.

Lock durchschritt das riesige Büro, setzte sich in den Sessel und überreichte Franks das Dossier, das sie mitgebracht hatte.

„Guten Morgen General. Ich habe mir erlaubt eine kurze Zusammenfassung vorne ins Dossier zu legen.“ Lock wusste aus Erfahrung, dass es Franks bevorzugte, wenn die Informationen schriftlich vorlagen. So musste er sich nicht alles einprägen und konnte später auf die Papiere zurückgreifen. Sofort begann er die Zusammenfassung zu lesen. Lock schaute aus den grossen Panoramafenstern. Der Regen schränkte die ansonsten tolle Aussicht auf die Stadt stark ein. Deshalb schaute sie sich im Büro um. Es strahlte genau das aus, was der Besitzer beabsichtigte: Macht, Geld und Einfluss. Teures Mobiliar buhlte mit Kunstwerken um die Aufmerksamkeit der Besucher. Selbst in dem grossen Büro wirkten die Möbel massig und schwer. Die Bar protzte mit teurem Whisky und Kristallgläsern, während die Bücherregale mit ledergebunden Werken aufschnitten. Ein Designbildschirm beherrscht den dunklen Schreibtisch und auch der grosse Fernseher, der flach an der Wand dahinter hing, liess unverschämt erkennen, dass er nicht zur Massenware gehörte. Die Kunstgegenstände verteilten sich locker, aber trotzdem aufdringlich im ganzen Raum.

Franks legte grossen Wert darauf, dass alle wussten, in welchen Kreisen er verkehrte.

An den Wänden drängten sich Fotos von Franks mit allen möglichen Politikern. Selbstverständlich befanden sich auch Fotos mit allen Präsidenten der letzten Legislaturperioden darunter. Es gab eine Wand, auf der man ihn mit Prominenten aus der Film- und Musikszene bewundern durfte. Franks Frau hatte ihm die Türen in diese Kreise aufgestossen und gierig hatte er sie durchschritten. Als Tochter eines berühmten Produzenten fiel es ihr leicht Franks in die Welt der Reichen und Mächtigen einzuführen. In der Abteilung waren sich alle einig, dass er sie nur deshalb geheiratet hatte. Aber was seine Frau an ihm anziehend fand, darüber kursierten die wildesten Spekulationen. Einige gingen davon aus, dass Franks etwas gegen ihren Vater in der Hand hätte. Das waren allerdings nur Gerüchte. Jedenfalls hatte sie ihn bestimmt nicht wegen seines Äusseren geheiratet. Wie die Fotos illustrierten, hatte er den Kampf gegen die Kilos schon vor langer Zeit aufgegeben und von seinen Haaren musste er sich schon in jungen Jahren verabschieden. Selbst in Uniform machte er keinen stattlichen, sondern eher einen grotesken Eindruck.

„Ist ja nicht gerade viel, was Sie da haben“, sagte Franks mit einem abschätzigen Unterton, als er das Dossier beiseitelegte.

„Das ist richtig, Sir“, antwortete Lock ohne sich von der Bemerkung beeindrucken zu lassen. Sie kannte Franks schon lange genug. „Aber ich denke, wir sollten der Sache weiter nachgehen. Deshalb bin ich hier, um von Ihnen die Genehmigung für zwei weitere Observationen im Ausland einzuholen.“

„Sie möchten also den Sender und den Empfänger der Mail überwachen lassen?“

„Richtig, Sir.“

„Wissen Sie was es sein könnte?“

„Nein, Sir. Aber ich bin der Meinung, dass Oberhofer mit seinen Thesen eine Gefahr darstellt. Falls die Gerüchte aus dem Grabungsgebiet zutreffen und etwas mit der Mail zu tun haben, dann dürfen wir keine Zeit verlieren. Stellen Sie sich vor, wenn die Gerüchte wahr sind und Deutz den Fund tatsächlich an Oberhofer geschickt hat?“

„Es sind mir zu viele offene Punkte in Ihrer Argumentation. Sie haben nur ein Gerücht und eine Mail, die Sie nicht einmal entziffern können. Deshalb soll ich zwei Observationen im Ausland genehmigen? Ausserdem kommt hinzu, dass dieser Deutz bis heute noch nie aufgefallen ist. Und Oberhofer“, fügte er mit einer wegwerfenden Geste hinzu, „Oberhofer ist nicht gefährlich. Seine Bücher verbreiten Thesen, wie viele andere auch. Was soll’s?“

„Genau, dass Deutz noch nie bei uns aufgetaucht ist, macht mir Sorgen.“

„Und warum das?“, fragte Franks abschätzig.

„Weshalb sollte er Oberhofer eine zum Teil verschlüsselte Mail schicken, in der von einer Kiste die Rede ist, genau zu dem Zeitpunkt als ein Gerücht über einen ungewöhnlichen Fund in seinem Grabungsbiet die Runde macht?“

„Was weiss ich? Da kann es viele Gründe geben“, antwortete Franks schnell und gereizt. „Woher stammt überhaupt dieses Gerücht über den sensationellen Fund und was soll daran überhaupt so sensationell sein?“, fügte er schnell an.

„Nun, was es genau ist, wissen wir noch nicht, wie gesagt. Es soll sich um etwas handeln, dass nicht an der offiziellen Grabungsstätte gefunden wurde. Das Gerücht selber stammt aus dem Grabungsteam. Leider konnten wir noch nicht mit Deutz sprechen. Unser Mann bekam die Information von einem Studenten aus dem Team. Wir wollten erst Ihre Zustimmung einholen, bevor wir auf Deutz zugehen.“

„Was könnte Deutz Ihrer Meinung nach so Interessantes gefunden haben, dass wir uns da einmischen sollten? Ich denke alles, was da ausgebuddelt wird, wird von der Regierung überwacht. Auch die Plätze an denen gegraben werden darf, sind doch geprüft. Wie soll da jemand etwas finden, dass so gefährlich sein könnte? Immer wenn etwas Neues entdeckt wird, was wirklich neue Enthüllungen bringen könnte, wird das Gebiet doch grossräumig abgesperrt und nur ausgesuchte Wissenschaftler dürfen weiter buddeln. Oder hat sich das geändert?“

„Nein Sir, es ist immer noch so. Nur...“

„Was nur? Ich glaube wir haben genug Absicherungen getroffen, damit nichts in falsche Hände gerät.“

„Aber jedes System kann Lücken aufweisen. Dazu kommt, dass es auch in einem scheinbar bekannten Grabungsgebiet Sachen geben kann, die bis jetzt übersehen worden sind. Wie ich bereits erwähnt habe: Das Gerücht besagt, dass der Fund ausserhalb der offiziellen Grabungsstätte gemacht worden ist.“

„Und wie ist so etwas möglich?“

„Er könnte zum Beispiel nachts gearbeitet haben. Da ist nicht viel los und wenn die Fundstelle weit genug abseits liegt, dann konnte er unbeobachtet vorgehen. Das Gebiet in dem noch Entdeckungen gemacht werden können, ist riesig. Es ist unmöglich alles zu überwachen. Eine einzelne Person fällt kaum auf.“

„Was denken Sie könnte Deutz denn gefunden haben?“, hackte Franks nach.

„Nun, da gibt es vieles, Sir…“

„Zum Beispiel?“, Franks wurde ungeduldig.

„Stellen Sie sich nur einmal vor, wenn er etwas von dem gefunden hat, was wir schon seit Jahren zu finden hoffen. Wenn es weitere Aufzeichnungen davon gibt, was wir bereits wissen und Deutz solche Hinweise gefunden hat. Wir wissen, dass es noch weitere Aufzeichnungen geben muss. Er könnte Material ausgegraben haben, welches die Thesen von Oberhofer und anderer Wissenschaftler stützen. Stellen Sie sich nur einmal vor, was das bedeuten würde? Was geschieht, wenn solche Beweise an die Öffentlichkeit gelangen. Die gesamte Arbeit unserer Abteilung wäre umsonst gewesen. Es ist besser, wenn es so bleibt wie es ist. Die Menschen dürfen nicht erfahren, was wir wissen. Es ist Ihnen doch bewusst, dass…“

„Sie brauchen mir nicht zu erklären, was wir hier tun und welche Verantwortung wir tragen, Lock!“, unterbrach ihn Franks aufbrausend. Sein feistes Gesicht war rot angelaufen und er wirkte wie eine wütende rote Sonnenscheibe. „Sie müssen mir nicht unsere Aufgabe erklären als sei ich ein Frischling!“, wetterte Franks weiter. „Ich will auch nicht, dass noch mehr Indizien auftauchen. Es gibt schon genügend Gerüchte und Geschichten und es scheint, dass es immer mehr werden. Wir haben schon genug damit zu schaffen immer wieder neue Gegendarstellungen zu kreieren.“

„Darum müssen wir der Sache nachgehen!“, beharrte Lock. „Wir können nicht zusehen und hoffen, dass sich das Gerücht nicht bestätigt. Bisher konnten wir immer durch Experten alles so darstellen lassen, dass die Mehrheit der Menschen unseren Berichten glaubte. Das ist nur so, weil wir die meisten Beweisstücke immer in unseren Besitz bringen konnten.“

„Es sind noch keine unwiderlegbaren Beweise an die Öffentlichkeit gelangt!“, unterbrach sie Franks und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Selbst wenn wir es nicht verhindern konnten, dass einige Dinge an die Öffentlichkeit gelangten, so konnten wir zumindest so viele glaubhafte Gegendarstellungen inszenieren, dass nur noch Anhänger von Verschwörungstheorien weiter daran glaubten.“

„Aber, wenn noch mehr Stücke auftauchen, was machen wir dann?“, fragte Lock resigniert. Sie hatte damit gerechnet, dass es nicht einfach sein würde die Bewilligung zu bekommen. Franks war dafür bekannt, dass er lieber bestehende Probleme löste, als sie erst gar nicht entstehen zu lassen. Wenn das Problem erst einmal greifbar war, dann ging er es hart und unbarmherzig an. Dann wusste er gegen wen oder was er kämpfte. Vorausplanen und handeln bevor Schaden entstand, waren nicht seine Stärken. Er wäre ein miserabler Schachspieler, dachte Lock.

„Dann werden wir die Beweise eben beschaffen! So wie wir es immer tun und einige Experten auftreten lassen, welche die Gerüchte dementieren.“ Franks lehnte sich zufrieden lächelnd in seinem Sessel zurück. Das Rot wich langsam aus seinem Gesicht. Das war genau seine Methode, sein Vorgehen. Nicht vorbeugen, sondern Schaden begrenzen.

Doch Lock wollte noch nicht aufgeben. Ihr Gefühl sagte ihr, dass es in diesem Fall um etwas sehr Wichtiges ging. Sie durften keine Zeit mehr verlieren. Deshalb beugte sie sich nach vorne und sagte mit ruhiger Stimme: „Wenn es den Fund tatsächlich gibt und er sich schon in Oberhofers Besitz befindet, was dann? Ich bin sicher, dass es sich Oberhofer nicht nehmen lässt einen solchen Fund zu publizieren. Und“, fuhr Lock schnell fort, weil sie sah, dass Franks sie unterbrechen wollte, „wenn Deutz wirklich eindeutige Beweise gefunden hat, dann nützen alle Dementis nichts mehr. Sie wissen selber, dass solche Beweise existieren. Einige befinden sich in unseren Archiven, an anderen wird geforscht.“

„Wenn Deutz einen solchen Beweis gefunden hat und er sich schon bei Oberhofer befindet, warum ist dann noch nichts an die Medien gelangt?“, fragte Franks ungeduldig.

„Ich bin sicher, dass Oberhofer erst hundertprozentig sicher sein will, dass der Fund echt ist. Das wird uns ein wenig Zeit verschaffen.“

„Wann haben Sie die Mail abgefangen?“, fragte Franks.

Lock hatte das Gefühl, dass die Stimmung bei Franks gedreht hatte.

„Vor zwei Tagen, Sir.“

„Wenn wir nur wüssten, was in der Mail steht“, sagte Franks nachdenklich.

Jetzt hab ich ihn, dachte Lock. Wenn Franks begann in der Wir-Form über eine Sache zu sprechen, zeigte dies, dass er angebissen hatte. Deshalb hackte sie schnell nach: „Wir arbeiten daran. Aber es ist nicht so einfach. Mit einigen gängigen Verschlüsselungsmethoden haben wir es schon versucht, ohne Erfolg. Unser Experte meinte, es handle sich um einen Buch Code. Das heisst, die Zahlen in der Mail beziehen sich auf Wörter in irgendeinem Buch. Bis wir das richtige Buch gefunden haben, kann es noch eine Weile dauern.“

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9783738081503
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