Читать книгу: «Die Botschaft der Bhagavadgita», страница 10

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"Der Mensch, der im Yoga zur Vollkommenheit gelangt ist, findet es im Verlauf der Zeit von selbst im Selbst." Das Wissen wächst sozusagen in seinem Inneren: Er wächst in es hinein in dem Maße, in dem er weiter zunimmt an Freisein von Verlangen, an Gelassenheit und Hingabe an das Göttliche. So etwas kann man überhaupt nur von der höchsten Erkenntnis sagen. Das Wissen, das der Intellekt des Menschen anhäuft, wird mühevoll durch die Sinne und die Vernunft von außen her zusammengetragen. Um jenes andere Wissen zu erlangen, das im Selbst, intuitiv ist, das Selbst erfährt und offenbart, müssen wir unser Mental und die Sinne besiegen und unter Kontrolle gebracht haben, saṁyatendriyaḥ, so dass wir nicht mehr ihren Täuschungen unterworfen sind, vielmehr Mental und Sinne zum reinen Spiegel dieses Wissens werden. Wir müssen unser ganzes bewusstes Wesen fest auf die Wahrheit jener höchsten Wirklichkeit gegründet haben, in der alles ist, tat-paraḥ, so dass sie ihr lichtvolles Selbst-Sein in uns entfalten kann. (204)

4.39

Wer Glauben hat, wer Mental und Sinne bezwungen und unter Kontrolle gebracht hat, wer sein ganzes bewusstes Wesen fest in der erhabenen Wirklichkeit gegründet hat, der erlangt Wissen. Und hat er Wissen erlangt, geht er rasch in den erhabenen Frieden ein.

4.40

Der Unwissende, der keinen Glauben hat, die von Zweifeln zerrissene Seele, geht in das Verderben. Weder diese Welt hier, noch jene höchste Welt, noch irgendein Glück ist der Seele bereitet, die erfüllt ist von Zweifeln.

Wir müssen einen Glauben haben, den wir uns durch keinen intellektuellen Zweifel erschüttern lassen dürfen, śraddhāvān labhate jñānam. Tatsächlich, es ist wahr, dass man ohne Glauben nichts Entscheidendes erreichen kann, weder in der diesseitigen Welt noch für den Besitz der jenseitigen. Nur wenn der Mensch sich an eine sichere Grundlage und an eine positive Forderung hält, kann er ein gewisses Maß von irdischem oder himmlischem Erfolg, von Zufriedenheit und Glück erlangen. Das nur skeptische Mental verliert sich im Leeren. (204)

4.41

Wer aber alles Zweifeln durch Wissen zerstört und durch Yoga alle Werke aufgegeben hat und im Besitz des Selbstes ist, der, O Dhananjaya, ist nicht durch seine Werke gebunden.

In diesem Sinne spricht die Gita, wenn sie sagt, die Gesamtheit allen Wirkens findet Vollendung, Höhepunkt und Ziel im Wissen, sarvaṁ karmākhilaṁ jñāne parisamāpyate. „So wie ein loderndes Feuer seinen Brennstoff in Asche verwandelt, verwandelt auch das Feuer des Wissens alle Werke in Asche.“ Damit ist aber keineswegs gemeint, dass das Wirken aufhören soll, sobald das Wissen vollständig geworden ist. Was wirklich gemeint ist, wird von der Gita deutlich gemacht, wenn sie sagt, dass der, der durch Wissen allen Zweifel zerstört hat, der im Yoga alles Wirken überantwortete und im Besitz des Selbstes ist, nicht durch seine Werke gebunden wird, yoga-sannyasta-karmāṇam ātmavantaṁ na karmāṇi nibadhnanti, und dass der, dessen Selbst zum Selbst aller existierenden Wesen geworden ist, zwar handelt, aber in keiner Weise durch sein Wirken belastet wird, sich nicht in ihm verfängt, von ihm keine Gegenwirkung erleidet, die seine Seele umgarnt, kurvann api na lipyate. (200-01)

4.42

Darum zerschlage mit dem Schwerte des Wissens diesen Zweifel, der sich aus Unwissenheit erhoben und in deinem Herzen festgesetzt hat, und nimm Zuflucht zum Yoga! Erhebe dich, O Bharata!

Im niederen Wissen jedoch haben Zweifel und Skepsis ihren vorübergehenden Wert. Im höheren Wissen werden sie zum schweren Hindernis. Denn dort besteht das ganze Geheimnis nicht darin, dass wir Wahrheit und Irrtum gegeneinander ausbalancieren, sondern dass wir in der Verwirklichung der geoffenbarten Wahrheit ständig fortschreiten. Im intellektuellen Wissen findet sich stets eine Beimischung von Falschem oder Unvollständigem, das dadurch ausgemerzt werden muss, dass wir die Wahrheit selbst einer skeptischen Erforschung unterwerfen. Im höheren Wissen kann das Falsche nicht eindringen. Und das, was der Intellekt dazu beiträgt, indem er sich dieser oder jener Meinung anschließt, kann nicht durch bloßes Anzweifeln ausgemerzt werden. Es wird von selbst wegfallen, wenn wir beharrlich in der Verwirklichung bleiben. Jede etwaige Unvollständigkeit in der bisher erlangten Erkenntnis kann nicht dadurch ausgemerzt werden, dass wir im Grunde infrage stellen, was bereits verwirklicht worden ist, sondern dadurch, dass wir zu weiterer und vollständigerer Verwirklichung fortschreiten, indem wir immer tiefer, höher und umfassender im Geist leben. Alles, was noch nicht verwirklicht wurde, muss durch Glauben vorbereitet werden, nicht durch ein skeptisches Anzweifeln. Denn es ist eine Wahrheit, die uns der Intellekt nicht geben kann und die tatsächlich oft ganz den Ideen entgegengesetzt ist, mit denen das vernünftig und logisch denkende Mental umgeht. Es ist keine Wahrheit, die bewiesen werden muss, sondern eine Wahrheit, die man in seinem Inneren leben muss, eine größere Wirklichkeit, in die wir hineinwachsen müssen. Schließlich ist dieses Wissen in sich selbst eine selbst-seiende Wahrheit. Sie wäre von selbst einleuchtend, gäbe es nicht die Zauberkünste der Unwissenheit, in der wir leben. Die Zweifel, die Verwirrungen, die uns daran hindern, sie anzunehmen und zu befolgen, entstehen gerade aus dieser Unwissenheit, aus dem von den Sinnen verwirrten, in seiner Meinung verunsicherten Herz und Mental, die tatsächlich in einer niedrigeren, an die Erscheinungen verhafteten Wahrheit leben und darum die höheren Wirklichkeiten infrage stellen, ajnñāna-sambhūtaṁ hṛtsthaṁ saṁśayam. Die Gita sagt, sie müssen mit dem Schwert des Wissens weggehauen werden, mit Wissen, das sich dadurch verwirklicht, dass es sich dauernd an den Yoga hält, das heißt: Durch nach außen gelebte Vereinigung mit dem Erhabenen, dessen Wahrheit zu wissen, bedeutet, alles zu wissen, yasmin vijñate sarvaṁ vijñatam. (204-05)

1 Das Wort Avatara bedeutet eine Herabkunft. Es ist ein Herabkommen des Göttlichen in den Bereich unterhalb der Linie, die die göttliche Welt, den göttlichen Zustand, vom menschlichen trennt. (Sri Aurobindos Anmerkung)

5. Kapitel
Entsagung und Yoga der Werke

5.1

Arjuna sprach:

Du lehrst mich den Verzicht auf das Wirken, O Krishna, und andererseits lehrst Du mich den Yoga. Welches von beiden ist der bessere Weg? Sage es mir mit klarer Bestimmtheit.

Arjuna ist verwirrt. Hier werden begehrensfreies Wirken, das Prinzip des Yoga, und Verzicht auf das Wirken, das Prinzip des Sankhya, Seite an Seite gestellt, als seien sie zwei Elemente ein-und derselben Methode, doch gibt es keine sichtbare Aussöhnung zwischen ihnen. Denn für das praktische Gemüt Arjunas ist die Art des Ausgleichs, die der Lehrer bereits erläutert hat, zu unbegreiflich, zu subtil und in fast rätselhaften Worten ausgedrückt: Er soll in einem äußeren Nicht-Handeln erkennen, wie das Handeln noch weitergeht, und in einem sichtbaren Handeln ein wahres Nicht-Handeln, da die Seele ihrer Illusion entsagt hat, sie sei der Handelnde, und da sie alles Wirken in die Hand des Herrn des Opfers gelegt hat. Er hat den Sinn dieser Rede nicht verstanden, ist zumindest nicht in ihren Geist und ihre Wirklichkeit eingedrungen.

Die Antwort ist wichtig, denn sie macht den ganzen Unterschied klar und zeigt die Linie des versöhnenden Ausgleichs, auch wenn sie diesen nicht völlig entwickelt. (82-83)

5.2

Der Erhabene sprach: Beide Wege führen zur Erlösung der Seele: die Entsagung wie auch der Yoga der Werke. Jedoch steht von beiden der Yoga der Werke auf einer höheren Stufe als der Verzicht auf die Werke.

5.3

Als ein Sannyasin sollte stets gelten, wer (selbst wenn er Handlungen vollzieht) weder von Abneigung noch von Verlangen bestimmt wird. Über den Gegensätzen stehend, O Starkarmiger, wird er auch leicht und glücklich aus der Gebundenheit befreit.

5.4

Kinder sprechen von Sankhya und Yoga als voneinander getrennten Wegen, nicht aber die Weisen. Wenn sich ein Mensch dem einen Weg ganzheitlich widmet, empfängt er die Früchte beider.

5.5

Den Zustand, der durch Sankhya erreicht wird, erlangen auch jene, die den Yoga praktizieren. Wer Sankhya und Yoga als eines betrachtet, erkennt wirklich.

5.6

Aber Entsagung, O Starkarmiger, ist ohne Yoga schwer zu erlangen. Der Weise aber, der im Yoga ist, gelangt bald zu Brahman.

Die schmerzhafte Disziplin des äußeren Sannyasa, duḥkham āptum, ist ein unnötiges Unternehmen. Es ist vollkommen wahr, dass alles Handeln ebenso wie der Erfolg des Handelns hingegeben werden müssen, dass man ihnen entsagt. Das muss aber im Inneren, nicht äußerlich geschehen. Sie dürfen nicht an die Trägheit der Natur hingegeben werden, sondern sind als Opfer dem Herrn darzubringen, hinein in die Ruhe und Freude des Apersonalen, aus dem alles Handeln hervorgeht, ohne dass dadurch unser Friede gestört würde. Das wahre Sannyasa des Handelns besteht darin, besteht darin, dass alles Wirken in Brahman ruht. [siehe Slokas 10-12] (185)

Der Weise, der im Yoga ist: Er weiß, dass die Handlungen nicht seine eigenen, sondern die der Natur sind, und gerade durch dieses Wissen ist er frei. Er hat den Werken entsagt, vollbringt keine Handlungen, wenn diese auch mittels seiner getan werden. Er wird zum Selbst, zum Brahman, brahmabhūta. Er sieht alles Seiende als Werde-Gestaltungen, bhūtāni, jenes selbst-seienden Wesens. Sein eigenes Wesen ist nur eines von ihnen. Alles, was sie tun, ist nur die Entfaltung der kosmischen Natur, die durch deren individuelle Natur wirkt. Und auch seine eigenen Handlungen sieht er als einen Teil derselben kosmischen Aktivität. (83)

5.7

Wer im Yoga ist, die reine Seele, Meister seines Selbsts, wer die Sinne bezwungen hat, wessen Selbst zum Selbst aller Daseinsformen wird (aller Dinge, die geworden sind), der ist nicht in sein Wirken verstrickt, auch wenn er handelt.

5.8-9

Der Mensch, der um die Prinzipien der Dinge weiß, mit seinem mentalen Wesen im Yoga (durch das inaktive Apersonale), denkt: „Ich tue nichts.“ Wenn er sieht, hört, schmeckt, riecht, isst, sich bewegt, schläft, atmet, redet, Nahrung einnimmt und ausscheidet, seine Augen öffnet oder schließt, hält er daran fest: „Es sind allein die Sinne, die auf die Gegenstände der Sinne einwirken.“

5.10

Wer die Bindung an die Gegenstände der Sinne aufgegeben hat und handelt, indem er sein Wirken in Brahman ruhen (oder gegründet) lässt, an den heftet sich die Sünde so wenig, wie das Wasser am Lotosblatt haften bleibt.

Die Gita sagt, dass der Yoga des Wirkens besser sei als die physische Entsagung der Werke. Während Sannyasa für die verkörperten Wesen schwierig ist, die wirken müssen, solange sie im Körper sind, ist der Yoga des Wirkens völlig ausreichend und bringt die Seele rasch und leicht zu Brahman. Dieser Yoga der Werke ist, wie wir gesehen haben, die Darbringung allen Handelns als eine Opfergabe an den Herrn. Das führt, auf dem Höhepunkt, zu einem inneren, nicht äußerlichen, einem spirituellen, nicht physischen, Aufgeben der Werke in das Brahman, in das Wesen des Herrn, brahmaṇi ādhāya karmāṇi, mayi samnyasya. Wenn das Wirken so ganz „in Brahman ruht“, verschwindet die Persönlichkeit des instrumentalen Täters. Obwohl er weiter handelt, tut er nichts. Denn er hat nicht nur die Früchte seines Wirkens an den Herrn hingegeben, sondern auch die Werke selbst und das Ausführen der Werke. Nun nimmt das Göttliche die Bürde der Werke von ihm. Der Erhabene wird zum Täter, zur Tat und zum Ergebnis der Tat. (201)

5.11

Darum vollziehen die Yogins ihre Handlungen mit dem Körper, mit dem Mental, mit dem Verstand oder eben bloß mit den Werkzeugen des Handelns, dabei alle Bindung aufgebend, zur Reinigung ihres Selbstes.

5.12

Wenn die Seele ihre Bindung an die Früchte ihres Wirkens aufgibt, erlangt sie in ihrem Einssein mit Brahman den Frieden, entzückt in Brahman gegründet. Die Seele ohne dies Einssein ist an den Lohn gebunden und wird gefesselt durch ihr Handeln aus Verlangen.

5.13

Die verkörperte Seele, die vollkommene Herrschaft über ihre Natur erlangt hat, von all ihren Betätigungen mental (innerlich, nicht äußerlich) zurückgetreten ist, sitzt heiter-gelassen in ihrer neuntorigen Stadt1. Sie handelt nicht und verursacht kein Handeln.

5.14

Der Herr erschafft nicht die Werke in der Welt und nicht den Zustand des Wirkenden und auch nicht die Verknüpfung der Werke mit ihrer Frucht. Die Natur arbeitet diese Dinge aus.

5.15

Der alles durchdringende Apersonale nimmt von niemandem Sünde oder Tugend an. Wissen ist verhüllt durch Unwissenheit. Dadurch werden die Geschöpfe in die Irre geführt.

5.16

Wahrlich, wenn sie die Unwissenheit durch Selbst-Erkenntnis zerstört haben, lässt diese Erkenntnis (in ihrem Inneren) das erhabene Selbst gleich einer Sonne erstrahlen.

Diese Erkenntnis, von der die Gita spricht, ist nicht eine intellektuelle Aktivität des Mentals. Sie ist ein lichtvolles Hineinwachsen in den höchsten Zustand des Wesens durch das Ausstrahlen des Lichts der göttlichen Sonne der Wahrheit, „jener Wahrheit, jener Sonne, die verborgen liegt in der Finsternis“ unserer Unwissenheit, von der der Rigveda spricht, tat satyaṁ sūryaṁ tamasi kṣiyantam. Dort, in den Himmeln des Geistes, ist das unwandelbare Brahman, über dieser geplagten niederen Art der Dualitäten, weder von ihrer Tugend noch von ihrer Sünde berührt, weder unser Empfinden von Sünde noch unsere Selbstgerechtigkeit annehmend, ungerührt von ihrer Freude und ihrem Schmerz, gleichgültig gegenüber unserer Freude am Erfolg wie unserem Kummer über unser Versagen, Meister von allem, erhaben, alles durchdringend, prabhu vibhu, ruhig, stark, rein, gleichmütig in allen Dingen, Ursprung der Natur, nicht der unmittelbare Täter unserer Werke, aber Zeuge der Natur und ihres Wirkens, uns auch nicht die Illusion auferlegend, wir seien die Täter; denn diese Illusion ist das Ergebnis der Unwissenheit jener niederen Natur. Aber diese Freiheit, diese Meisterschaft und Reinheit können wir nicht sehen. Wir sind durch die zu unserer Art gehörende Unwissenheit verwirrt. Sie verbirgt vor uns die ewige Selbst-Erkenntnis des Brahman, der im Inneren unseres Wesens verborgen ist. Die Erkenntnis kommt jedoch zu dem, der beharrlich danach sucht, und beseitigt die naturbedingte Unwissenheit vom Selbst. Sie leuchtet hervor wie eine lange verborgen gewesene Sonne und erleuchtet unsere Schau jenes Selbstseins, das erhaben jenseits der Gegensätzlichkeiten dieses niederen Daseins ist, ādityavat prakāśayati tat param. Wir werden ein einziges Denken, ein einziges Selbst mit jenem, tad-buddhayas tad-ātmānaḥ, wenn wir uns lange von ganzem Herzen bemühen, wenn wir unser ganzes bewusstes Wesen auf jenes richten, wenn wir es zu unserem einzigen Ziel erheben, wenn wir es zum ausschließlichen Gegenstand unseres unterscheidenden Mentals machen und es so nicht nur in uns selbst sondern überall schauen. So werden wir von aller Finsternis und allem Leiden des niederen Menschen durch die Wasser der Erkenntnis reingewaschen, jñāna-nirdhūta-kalmaṣāḥ2.

Daraus ergibt sich, wie die Gita sagt, vollkommener Gleichmut allen Dingen und Personen gegenüber. Nur dann können wir unser Wirken voll in Brahman gründen. (201-02)

5.17

Wenn sie ihr unterscheidendes Mental Jenem zuwenden, wenn sie ihr ganzes bewusstes Wesen auf Jenen einstellen, wenn sie Jenen zum Ziel und einzigen Gegenstand ihrer Verehrung machen, gelangen sie dorthin, von wo es keine Rückkehr mehr gibt. Und ihre Sünden sind bereinigt durch die Wasser des Wissens.

5.18

Die Weisen betrachten mit gleichem Auge den gelehrten und kultivierten Brahmanen, die Kuh, den Elefanten, den Hund und den Kastenlosen.

In allen schaut der göttlich Wirkende sich selbst, er sieht Gott und hat im Herzen die gleiche gelassene Güte und dieselbe göttliche Zuneigung. Die Umstände mögen einen äußeren Zusammenschluss oder einen äußeren Konflikt bestimmen. Sie können aber niemals seinen gleichmütigen Blick, sein offenes Herz, sein inneres Umarmen allen Seins beeinträchtigen. (183-84)

5.19

Schon hier auf Erden haben jene die Schöpfung überwunden, deren Mental in Gleichmut gegründet ist: Der gleichmütige Brahman ist ohne Fehl, deshalb leben sie in Brahman.

Denn Brahman ist gleichmütig, samaṁ brahma. Wenn wir diesen vollkommenen Gleichmut haben, sāmye sthitaṁ manaḥ, „dass wir mit gleichem Auge den gelehrten und kultivierten Brahmanen, die Kuh, den Elefanten, den Hund und den Kastenlosen betrachten“, und dass wir alle als das eine Brahman erkennen, nur dann können wir, in diesem Einssein lebend, wie das Brahman, zusehen, wie unser Wirken in freier Weise aus unserem Wesen hervorgeht, ohne dass wir uns irgendwie vor einem Hang zu ihm, vor Sünde oder Gebundenheit an es zu fürchten brauchen. Sünde und Makel kann es also nicht geben. Denn wir haben diese niedere Art der Schöpfung, die voller Begehren ist, mit ihrem Wirken und den Reaktionen darauf, die zur Unwissenheit gehören, überwunden, tair jitaḥ sargaḥ. Da wir nun in der erhabenen, göttlichen Natur leben, gibt es in unserem Wirken nichts Fehler- oder Mangelhaftes mehr. Denn diese werden durch die vielfachen Unausgeglichenheiten der Unwissenheit hervorgebracht. Das ausgeglichene Brahman ist fehlerlos, nirdoṣaṁ hi samaṁ brahma, jenseits der Verwirrung von Gut und Böse. Wenn wir im Brahman leben, erheben auch wir uns in dieses Jenseits von Gut und Böse, handeln wir in jener Reinheit und Unbeflecktheit mit der gelassenen und aufrichtigen Absicht, das Wohl alles Seienden zu fördern, kṣīṇa-kalmaṣāḥ sarvabhūta-hite ratāḥ. [siehe Sloka 25] (202-03)

Nachdem die Gita vom vollkommenen Gleichmut dessen gesprochen hat, der das Brahman erkennt und in das Brahman-Bewusstsein emporgekommen ist, brahmavid brahmaṇi sthitaḥ, entwickelt sie in den neun folgenden Versen ihre Auffassung von Brahmayoga und vom Nirvana in Brahman. (235-36)

5.20

Mit beständiger, ungetrübter Intelligenz äußert derjenige, der Brahman erkennt und in Brahman lebt, keinen Jubel, wenn ihn Erfreuliches, und keinen Kummer, wenn ihn Unerfreuliches trifft.

5.21

Wenn die Seele nicht mehr an die Einwirkungen der äußeren Dinge gebunden ist, dann findet man das Glück, das im Selbst existiert. So erfreut man sich eines unvergänglichen Glücks, denn sein Selbst ist im Yoga, yukta, durch Yoga mit Brahman geeint.

Wesentlich ist das Nicht-Gebundenheit, sagt die Gita, damit man frei bleibt von den Angriffen des Begehrens, von Zorn und Leidenschaft, ein Freisein, ohne das wahres Glück nicht möglich ist. Jenes Glücksgefühl und jenen Gleichmut müssen aber vom Menschen ganz und gar innerhalb seines körperlichen Daseins gewonnen werden. Er soll nicht unter dem geringsten Überrest dessen leiden, dass er der verwirrten niederen Natur unterworfen ist. Er soll nicht in der Vorstellung steckenbleiben, vollkommene Erlösung komme nur dadurch, dass er den Körper ablegt. Hier auf der Erde muss eine vollkommene spirituelle Freiheit gewonnen und im menschlichen Leben besessen und genossen werden, prāk śarīra-vimokṣanāt. (236)

5.22

Die Daseinsfreuden, die aus den Berührungen mit den Dingen kommen, sind Ursachen des Leids. Sie haben einen Anfang und ein Ende. Darum, O Kaunteya, sucht der Weise, der Mensch von erwachtem Verstand, budhaḥ, seine Freude nicht in ihnen.

5.23

Wer hier, in seinem Körper, den heftigen Ansturm von Zorn und Verlangen ertragen kann, ist der Yogin, der glückliche Mensch.

5.24

Der Yogin, der das innere Glück besitzt, die innere Gelassenheit und Ruhe und das innere Licht, der wird zum Brahman. Er erlangt das völlige Erlöschen seiner selbst in Brahman, brahma-nirvāṇam.

Hier bedeutet Nirvana ganz klar das Erlöschen des Ego in dem höheren spirituellen inneren Selbst, das für immer zeitlos, raumlos und nicht gebunden ist durch die Kette von Ursache und Wirkung und an die Umwandlungen der Welt-Mutation. Es ist aus dem Selbst mit Seligkeit erfüllt, aus dem Selbst erleuchtet und für immer im Frieden. Dieser Yogin hört auf, das Ego, die kleine, durch Mental und Körper beschränkte Person zu sein. Er wird zum Brahman. Er wird in seinem Bewusstsein mit der unwandelbaren Göttlichkeit des ewigen Selbsts vereinigt, das seinem natürlichen Wesen immanent ist.

Bedeutet das aber, dass wir in einen Tiefschlaf von Samadhi, fern von allem Welt-Bewusstsein, verfallen müssen? Oder ist es die vorbereitende Bewegung für eine Auflösung des natürlichen Wesens und der individuellen Seele in ein absolutes Selbst, das auf das äußerste und für immer jenseits der Natur und ihrem Wirken steht, laya, mokṣa? (236)

5.25

Das Nirvana in Brahman gewinnen die Weisen, in denen der Makel der Sünde ausgelöscht und der Knoten des Zweifels zerschnitten ist. Sie sind die Meister ihres Selbsts und erstreben mit ihrem Wirken das Wohl aller Geschöpfe.

5.26

Für Yatis (die durch Yoga und Enthaltsamkeit Selbstbeherrschung üben), die befreit sind von Begehren und Zorn und Selbstbeherrschung erlangt haben, für sie existiert das Nirvana in Brahman überall um sie herum; es umgibt sie von allen Seiten. Sie leben bereits in ihm, denn sie besitzen die Erkenntnis des Selbsts.

Das soll besagen: Das Wissen zu haben und das Selbst zu besitzen bedeutet, schon im Nirvana zu sein. Das ist ganz klar eine große Ausweitung der Vorstellung von Nirvana. Offenbar sind es die Voraussetzungen für Nirvana, die in diesen Versen niedergelegt sind; sie bilden Nirvana, sie sind seine spirituelle Substanz: Freisein von allem Makel der Leidenschaften, Herrschaft des Selbsts in einem gleichmütigen Mental, auf das sich diese Freiheit gründet, gleichmütige Haltung allen Wesen gegenüber, sarvabhūteṣu, gütige Liebe zu allem, endgültige Zerstörung des Zweifels und der Dunkelheit jener Unwissenheit, die uns von dem alles-vereinenden Göttlichen und der Erkenntnis des Einen Selbsts in uns und in allem fernhält.

So ist klar, dass Nirvana vereinbar ist mit Welt-Bewusstsein und mit Wirken in der Welt. Denn die weisen Menschen, die es besitzen, sind durch ihr Wirken des Göttlichen im veränderlichen Universum bewusst geworden und stehen in inniger Beziehung zu ihm. Sie befassen sich mit dem Guten für alle Geschöpfe, sarvabhūta-hite. Sie haben auf die Erfahrungen des Kshara-Purusha nicht verzichtet, sie haben sie vergöttlicht. Denn das Kshara ist, wie die Gita sagt, alles Seiende, sarvabhūtāni. Allumfassend allen Gutes tun, ist ein göttliches Wirken in der Veränderlichkeit der Natur. Dies Wirken in der Welt ist nicht vereinbar mit einem Leben im Brahman. Es ist vielmehr dessen unausweichliche Vorbedingung und sein äußeres Ergebnis, weil Brahman, in dem wir das Nirvana finden, weil das spirituelle Bewusstsein, in das wir das gesonderte Ego-Bewusstsein verlieren, nicht nur in unserem Inneren, sondern in allem Dasein ist. Es existiert nicht nur über und getrennt von all diesen universalen Geschehnissen, sondern durchdringt sie, enthält sie in sich und ist in ihnen ausgebreitet. Darum muss unter Nirvana in Brahman eine Zerstörung oder ein Erlöschen des begrenzten trennenden Bewusstseins gemeint sein, das verfälscht und zerteilt und an der Außenseite des Seins durch die niedere Maya der drei Gunas hervorgebracht worden ist. Das Eingehen in Nirvana ist ein Übergang in dieses andere wahre vereinende Bewusstsein, das das Herz des Daseins ist, das in ihm enthalten ist und es als Ganzes in sich enthält und fördert: Seine ganze ursprüngliche, ewige und endgültige Wahrheit. Nirvana, das wir erlangen und in das wir eingehen, ist nicht nur in unserem Inneren, sondern überall um uns herum, abhito vartate, da dies nicht nur das Brahman-Bewusstsein ist, das insgeheim in uns lebt, sondern auch das Brahman-Bewusstsein, in dem wir leben. Es ist das Selbst, das wir in unserem Inneren sind, das höchste Selbst unseres individuellen Wesens. Es ist aber auch das Selbst, das wir in unserem äußeren Wesen sind, das erhabene Selbst des Universums, das Selbst alles Seienden. Wenn wir in diesem Selbst leben, leben wir in allem, nicht mehr nur in unserem eigenen egoistischen Wesen. Durch das Einssein mit jenem Selbst wird ein dauerhaftes Einssein mit allen Wesen im Weltall zur eigentlichen Natur unseres Wesens, zum Grund-Zustand unseres aktiven Bewusstseins und zum Grund-Motiv all unseres Wirkens. (237-38)

5.27-28

Der Weise, der alles einsetzt für seine Befreiung, der alle Einwirkungen der Außenwelt von sich weist, der seine Schau auf den Punkt zwischen den Augenbrauen konzentriert und prāṇa (Einatmung) und apāna (Ausatmung) gleichmäßig durch die Nase gehen lässt, der seine Sinne, sein Mental und seinen Verstand unter Kontrolle hat, aus dem Begehren, Zorn und Furcht gewichen sind –, der ist für immer frei.

Hier haben wir einen Vorgang des Yoga, der ein Element hereinbringt, das ganz anders zu sein scheint als der Yoga des Wirkens und auch anders als der reine Yoga des Wissens durch Unterscheidung und Kontemplation. Er gehört allen Kennzeichen seiner Art nach dem System des Raja-Yoga an und weist auf dessen psychophysische Askese hin. Hier handelt es sich um die Beherrschung aller mentalen Bewegungen, cittavṛtti-nirodha, ebenso um die Beherrschung des Atems, Pranayama, das Hineinnehmen der Sinne und des Schauens in das Innere. Das alles sind Prozesse, die zur inneren Trance des Samadhi führen, zu mokṣa, dem Ziel von all diesem. Und mokṣa bezeichnet im gewöhnlichen Sprachgebrauch den Verzicht nicht nur auf das trennende Ego-Bewusstsein, sondern auf das ganze aktive Bewusstsein, die Auflösung unseres Wesens in das höchste Brahman. Sollen wir nun annehmen, die Gita führe diesen Prozess an im Sinne einer letzten Bewegung von Erlösung durch Auflösung oder als ein besonderes Mittel und eine starke Hilfe, das Mental, das sich nach außen zerstreut, zu beherrschen? Ist dies der Schlusssatz der Gita, ihre höchste Steigerung, ihr letztes Wort? Wir werden Begründungen genug dafür finden, es sowohl als ein besonderes Mittel, eine Hilfe, zumindest als einen der Zugänge zu einem schließlichen Abgang, nicht durch Auflösung, sondern durch Aufschwung zum suprakosmischen Sein, zu erkennen: Denn gerade hier, an dieser Stelle, ist das nicht das letzte Wort. Das letzte Wort, der Schlusssatz, die höchste Steigerung, folgt in einem Vers, dem letzten Verspaar des Kapitels. (238-39)

5.29

Wenn ein Mensch Mich erkannt hat als den, der Opfer und Tapasya (alle Askese und Schaffenskraft) mit Freude annimmt, als den mächtigen Herrn aller Welten und als den Freund aller Wesen, erlangt er den Frieden.

Wieder tritt hier die Macht des Karma-Yoga hervor. Mit Nachdruck wird die Erkenntnis des aktiven Brahman, der kosmischen Überseele, als wichtige Voraussetzung für den Frieden im Nirvana gefordert.

Wir kommen zurück zu dem großen Gedanken der Gita, zur Idee des Purushottama. Obwohl dieser Name erst ganz am Schluss mitgeteilt wird, ist er immer das, was Krishna meint mit seinem „Ich“ und „Mich“: der Göttliche, den es gibt als das eine Selbst in unserem zeitlosen unwandelbaren Wesen, der auch gegenwärtig ist in der Welt in allem Seienden und in allen Aktivitäten, der Meister des Schweigens und des Friedens, der Meister der Macht und des Handelns, der hier verkörpert ist als der göttliche Wagenlenker in diesem schrecklichen Konflikt, der Transzendente, das Selbst, das Ganze, der Meister jedes individuellen Wesens. Er ist es auch, der sich an jedem Opfer und an aller Tapasya erfreut. Darum soll, wer die Befreiung sucht, Werke als ein Opfer und als Tapasya tun. Er ist der Herr aller Welten, der geoffenbart ist in der Natur und in allen Wesen. Darum soll der befreite Mensch weiter wirken, um die Völker in diesen Welten richtig zu regieren und zu führen, lokasanṅgraha. Er ist der Freund alles Seienden. Darum befasst sich der Weise, der Nirvana in seinem Inneren und überall in seiner Umgebung gefunden hat, noch immer und jederzeit mit dem Guten für alle Geschöpfe, wie auch das Nirvana des Mahayana-Buddhismus als sein höchstes Zeichen die Werke allumfassenden Mitleidens ansah. Deshalb ist auch der Befreite gerade dann, wenn er das Einssein mit dem Göttlichen in seinem zeitlosen, unwandelbaren Selbst gefunden hat, der göttlichen Liebe zum Menschen und der Liebe zum Göttlichen fähig, zum Bhakti, da er auch alle Beziehungen des Spiels der Natur liebevoll umarmt.

Dass die Anschauung der Gita in diese Richtung geht, wird klarer, wenn wir die Bedeutung des sechsten Kapitels ausgelotet haben, das ein eingehender Kommentar und eine vollständige Entwicklung des Gedankens dieser abschließenden Verse des fünften Kapitels ist –, was zeigt, welche Bedeutung die Gita ihnen beilegt. (239-40)

1 Sieben Tore im oberen Körper – die beiden Augen, die beiden Ohren, die beiden Nasenlöcher und der Mund –, sowie zwei Tore im unteren Körper, die der Ausscheidung, – das sind die neun Tore. (d. Ü.)

2 Der Rigveda spricht dergestalt von den Strömen der Wahrheit, den Wassern, die vollkommenes Wissen mit sich führen, den Wassern, die voll sind von göttlichem Sonnenlicht, rtasya dharah, apo vicetasah, svarvatir apah. Was hier Metaphern sind, das sind dort konkrete Symbole.

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Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
25 мая 2021
Объем:
1159 стр. 650 иллюстраций
ISBN:
9783963870385
Правообладатель:
Автор
Формат скачивания:
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