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Читать книгу: «Eine neue Göttin für Myan», страница 3

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Kapitel 4

Die Probe dauerte zwei Stunden. Ally hatte Christopher danach nicht wiedergesehen. Die Gefühle, die sie in seiner Gegenwart verspürte, sollte sie nicht haben.

Die junge Frau war nun auf dem Weg nach Hause. Manche Mitglieder des Chors gingen nach der Probe noch etwas trinken. Ally hatte sich dem noch nie angeschlossen. Sie hätte viel zu viel Angst vor einer längeren Unterhaltung, weil sie nach wenigen Minuten schon nicht mehr wissen würde, was sie sagen sollte.

Es war dunkel, und die spärlichen Straßenlaternen spendeten nur wenig Licht. Aus einigen Fenstern der umliegenden Wohnungen fiel Licht auf die Straße. Alle Parkplätze an den Seiten waren belegt. Ally war mit ihren Gedanken bei Christopher. Sie achtete nicht auf ihre Umgebung. Es waren sonst keine Menschen in dieser Gasse. Doch in diesem Moment tauchten hinter ihr drei Männer auf.

Aber davon bekam Ally nichts mit. Sie ging einfach weiter die Straße entlang. Einer der Männer hob die rechte Hand. Es schien, als ob er etwas werfen würde, aber seine Hand war leer. Kurz darauf löste sich jedoch eine leuchtend rote Kugel aus seiner Hand. Der brennende Ball flog auf Ally zu.

Im nächsten Moment wurde Ally umgeworfen. Sie krachte gegen die Hausmauer und rutschte auf den Boden. Instinktiv hatte sie die Hände gehoben. Auf der Handfläche und dem Handgelenk hatte sie Schürfwunden. „Hey!“, war das erste, das ihr in den Sinn kam. Direkt gefolgt von: „Aua!“

Die brennende Kugel traf stattdessen eines der parkenden Autos. Mit einem lauten Knall flog das Fahrzeug in die Luft. Teile des Autos wurden weggeschleudert. Ally riss ihre Hände vor das Gesicht – aber keines der Teile erreichte sie. Stattdessen prallten sie an einer unsichtbaren Wand ab. Immer wenn ein Teil die Wand berührte, leuchtete diese kurz hellrosa auf. Durch die Explosion waren auch die benachbarten Autos beschädigt worden. Fensterscheiben waren zu Bruch gegangen. Aber dennoch rührte sich nichts. Nirgendwo liefen panische Menschen auf die Straße. Kein Fenster wurde geöffnet, und weder die Polizei noch die Feuerwehr war im Anmarsch.

Die Hitze des brennenden Autos schlug ihr entgegen.

Ally stand mühsam auf und drehte sich um. Hinter ihr stand eine Frau. Sie war weiß gekleidet. Ally vermutete, dass es sich um einen Engel oder eine Göttin handeln musste. Die Frau hatte blonde Locken. Ihr Gesicht konnte sie nicht sehen.

Erst jetzt entdeckte Ally die Männer. Einer von ihnen war noch sehr jung, trug Jeans, Turnschuhe und ein T-Shirt einer Musikgruppe, von der Ally noch nie etwas gehört hatte. Seine langen Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden. Ein weiterer hatte kurze und ebenso schwarze Haare. Auch er trug Jeans, dazu aber ein schwarzes Hemd. Der letzte von ihnen, mit kurzen schwarzen Locken, welche bis zu den Ohren reichten, trug einen dunklen Anzug, aber ohne Krawatte. Durch die gleichen markanten Gesichtszüge war zu erkennen, dass sie miteinander verwandt sein mussten. Ihre Augen lagen im Schatten, und so konnte man sie nicht sehen.

Einen Augenblick war es still. Es war nur das Knistern des brennenden Autos zu hören. Die drei Männer starrten den Engel an.

„Lucy!“, knurrte der Mann im Anzug.

„Jaaa?“, meinte die Frau. Lucy. Sie zog das Wort in die Länge. „Ian, Alex und Florian McNail!“, sprach sie die Männer nacheinander streng, geradezu autoritär, an. Wieder machte sie eine kleine Pause. Als sie das nächste Mal sprach, passte dies überhaupt nicht mehr zu dem strengen Tonfall, den sie eben verwendet hatte. Nun klang ihre Stimme eher verwundert und locker.

„Was macht ihr denn hier?“ Lucy trat einen Schritt auf sie zu. „Habt ihr gerade tatsächlich Alyssa einfach angegriffen?“ Sie schüttelte den Kopf. „Das passt so gar nicht zu euch!“ Aber keiner der drei Männer antwortete ihr. Sie starrten sie einfach weiter an. Gerade als Ally sich wieder wunderte, warum immer noch keine Polizei aufgetaucht war, richtete der Mann mit den kurzen Haaren die Hand auf den Engel. Irgendwie wirkten die Männer nicht so, als wären sie freiwillig hier. Sie wirkten eher wie Marionetten. Aus seiner Hand löste sich wieder einer dieser Feuerbälle, aber Lucy war darauf vorbereitet. Der Engel hatte die Hände erhoben, fast so, als wollte sie den Ball fangen. Der Feuerball wurde langsamer, und wenige Zentimeter vor Lucy hielt der Ball einfach an. Sie griff danach, aber sie berührte den Ball nicht wirklich. Stattdessen hielt sie die Hände über und unter dem Ball. Um die Kugel schien es zu flackern, und der Ball war von leichtem Nebel umgeben. Und dann verpuffte er einfach ins Nichts, aus dem er gekommen war.

„War das schon alles?“, fragte Lucy. Anscheinend kannte sie die Angreifer. So als hätte Lucys Aussage in den Köpfen der drei Männer irgendeinen Schalter umgelegt, gingen alle drei plötzlich gleichzeitig auf sie los. Die Magie schien vergessen. Ally fragte sich, warum Lucy sie nicht einfach in eine Starre versetzen oder sie einschlafen lassen konnte. Einen Augenblick wollte Ally ihr das auch raten, aber Lucy hatte keine Probleme mit der handgreiflichen Auseinandersetzung. Die Brüder wollten den Engel packen, doch sie schien die Bewegungen kommen zu sehen. Sie duckte sich unter Ians Arm hinweg und schubste Alex ein klein wenig, sodass er über seinen Bruder stolperte. Alex und Ian waren hingefallen und standen sich gegenseitig beim wieder Aufstehen im Weg. Lucy stand nun direkt zwischen Florian und dem Knäuel aus seinen Brüdern, die aussahen, als müssten sie sich nach einer Partie Twister wieder entknoten. Florian drehte sich zu Lucy und wollte sie wieder packen. Er machte einen weiteren Schritt nach vor. Lucy sah ihn kommen, stand jedoch still und wartete bis zum letzten Moment, ehe sie ihm einfach aus dem Weg trat. Florian konnte nicht mehr rechtzeitig anhalten und stürzte nun ebenfalls über seine Brüder. Lucy schüttelte den Kopf.

„Was ist nur in euch gefahren?“ Wieder antworteten ihr die Brüder nicht. Mühsam standen sie nacheinander auf. Immer noch starrten sie den Engel an, bevor sie im nächsten Moment sie einfach in einem Lichtblitz verschwanden.

Ally hatte sich in der Zwischenzeit aufgerichtet und kam nun mit wackeligen Schritten auf den Engel zu.

„Ist es vorbei?“, fragte sie leise. Der Engel drehte sich zu ihr um. Lucy lächelte breit.

„Ich denke schon!“ Ally schaute von dem nur mehr leicht rauchenden Auto zu der Stelle, wo eben noch die Brüder gestanden hatten.

„Was war das gerade?“

„Das, Ally, waren Dämonen!“ Lucy hatte freundliche, helle Augen und wirkte sehr fröhlich.

„Dämonen?“ flüsterte Ally verwundert. „Aber was wollen denn Dämonen von mir?“ Auf diese Frage hatte Lucy keine Antwort.

„Es ist für die Brüder absolut ungewöhnlich, dass sie überhaupt jemanden angreifen“, meinte sie. Da es auf ihre drängendste Frage keine Antwort gab, wollte Ally das nächste höchst Merkwürdige wissen.

„Warum ist keine Polizei oder so aufgetaucht?“

„Sie hätten nur gestört und ohnehin nicht helfen können“, erklärte Lucy und wandte sich dann den zerstörten Autos zu. Wieder hob sie die Hände. Ein Wind kam auf. Magie lag in der Luft. Der Rauch verzog sich. Die zersprungenen Scheiben setzten sich von alleine wieder zusammen. Das Auto, gerade noch ein Wrack, sah plötzlich wieder aus wie vorher. Überhaupt sah es nach wenigen Minuten auf der Straße so aus, als wäre nie etwas geschehen.

„Siehst du? So gut wie neu!“ meinte Lucy zufrieden. „Ich heiße übrigens Lucy“, fügte sie hinzu. Das hatte Ally zwar bereits mitbekommen, aber auch sie stellte sich vor.

„Bist du ein Engel?“, platzte es dann aus ihr heraus. Sofort war es ihr unangenehm. „Es tut mir leid, ich wollte ...“

Aber Lucy winkte ab. „Schon gut! Ja, ich bin ein Engel.“ Ally war nun etwas mulmig zumute. Heute war ein ungewöhnlicher Tag. Zuerst wurde ihr mitgeteilt, dass sie eine Göttin war und Unterricht besuchen musste, dann hatte sie höchst unpassende Gefühle für einen Priester. Und jetzt wurde sie auch noch von Dämonen angegriffen.

Lucy schien zu merken, dass sie etwas bedrückte. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich werde mit Tina und Christine darüber reden. Es werden dich keine Dämonen mehr angreifen. Du bis vollkommen sicher. Wir werden dich beschützen.“

Ally lächelte dankbar. „Es ist nicht nur das“, sagte sie leise. „Der ganze Tag war schon unglaublich!“

„Ich weiß, was du meinst. Als ich gestorben bin und mir gesagt wurde, dass diese Welt existiert und ich ein Engel sein kann, hat es mich umgehauen.“

„Du bist gestorben?“

„Ja.“ Lucy schaute etwas verträumt. „Kaum zu glauben, dass das schon zweihundert Jahre her ist.“

Als Lucy Allys verdutzten Blick sah, musste sie lächeln. „Die meisten Engel sind Menschen, die gestorben sind und dann als Engel weiterleben“, erkläre sie ihr.

„Also gibt es doch ein ewiges Leben?“

Lucy schüttelte den Kopf. „Man muss ein gutes und anständiges Leben geführt haben, dann kann man ein Engel werden. Ansonsten wird man einfach wiedergeboren.“ Für Ally ergab das viel Sinn. Im Vergleich zur Erde war Myan sehr klein. Wo sollten denn sonst die ganzen Leute hin?

Trotz der vielen Fragen, welche in Allys Kopf herumgeisterten, wusste die junge Frau nicht, was sie als nächstes sagen sollte. Sie hatte, wie so oft, ein beklemmendes Gefühl, dass jedes weitere Wort nicht passend wäre. Also schwieg sie. Sie schaute sich um. Es war noch relativ früh, und dennoch fühlte sie sich so unglaublich müde.

„Ich bringe dich nach Hause“, sagte Lucy schließlich.

Ally aber winkte ab. „Ich wohne doch gleich hier!“ Mit der Hand wies sie auf ein zweiflügeliges Haustor mit Drahtglasscheiben wenige Meter weiter.

„Das weiß ich doch!“ Lucy lächelte. „Aber ich muss doch einen Schutzzauber über deine Wohnung legen.“

Zusammen betraten sie das Haus. Allys Wohnung lag im ersten Stock. Den Weg dorthin legten sie schweigend zurück. Der Flur lag dunkel vor ihnen. Die wenigen Lampen spendeten nur spärliches Licht. Die meisten Sandsteinstufen waren teilweise ausgebrochen, und auch an den Wänden bröckelte der Verputz ab.

Erst als die Tür zu Allys Wohnung hinter ihnen ins Schloss fiel, ergriff Lucy wieder das Wort: „Du wohnst nicht gerade in einem hübschen Haus.“ Sie schaute sich in der kleinen Wohnung um, welche nur aus einer großen Küche, einem winzigen Kabinett und einem noch kleineren Bad besand. „Aber hier ist es richtig nett!“

Ally dankte ihr schüchtern und führte Lucy in die Wohnküche. Die Möbel passten allesamt nicht zusammen. Aber Ally fühlte sich in diesem kreativen Chaos, wie sie es nannte, sehr wohl. Sie war neugierig. Bis auf das Beamen oder … wie hieß das noch gleich ... das Taylen hatte sie noch kaum Magie gesehen, und sie war gespannt, wie Lucy ihre Wohnung sicherer machen wollte. Zuerst schaute Lucy sich um. Sie warf sogar einen Blick in das Bad und das Schlafzimmer.

„Das ist einfach“, erklärte Lucy ihr. „Deine Wohnung ist nicht groß!“

Ally stand immer noch in der Mitte ihres Wohnzimmers. Lucy kam wieder zu ihr.

„Gib mir deine Hand!“ Unsicher streckte Ally die Hand aus. Lucy ergriff sie und fragte: „Gibt es irgendwelche Zeichen oder Symbole, welche dir besonders gut gefallen?“ Ally wusste nicht, was die Frage zu bedeuten hatte, und natürlich fiel ihr in genau diesem Moment nichts ein. Daher schüttelte sie den Kopf.

„Na gut, wenn das so ist … was hältst du von einem Stern?“

„Okay!“, sagte Ally leise. Lucy hielt ihre Hand und schloss einen Augenblick die Augen. Es dauerte nur wenige Sekunden. Wärme pulsierte in ihrer Hand. Ein paar Lichtfunken tanzten um die Hände herum. Lucy sagte beschwörend: „Nocram ora est“. Die Lichtpunkte bündelten sich über Lucys Hand und bildeten einen kleinen goldenen Stern. Lucy ließ Allys Hand los und nahm den Stern mit beiden Händen. Es sah aus, als würde sie den Stern in einer Glaskugel tragen. Sie ging zur Eingangstür und drückte den Stern auf die rechte obere Ecke der Tür. Dort leuchtete er einen Moment auf und heftete sich dann an die Tür. Es sah aus, als hätte jemand einen goldenen Sticker in die Ecke geklebt.

Ally war Lucy in den kleinen Flur gefolgt. „Was ist das?“, wollte sie schließlich wissen.

„Ein Schutzzauber“, erklärte ihr Lucy. „Es werden nur mehr jene Menschen und andere Wesen deine Wohnung betreten können, welchen du den Zutritt erlaubst.“

„Und woher weiß der Stern das?“ Ally betrachtete den kleinen goldenen Stern skeptisch. „Nicht der Stern, der Zauber kann jede Form haben.“

„Na gut, und woher weiß der Zauber das?“

„Er kann es fühlen.“ Mit dieser Antwort konnte Ally nicht wirklich etwas anfangen. Lucy lächelte, als sie Allys fragendes Gesicht sah. „Jeder und alles um uns herum sendet Wellen aus. Man kann sie nicht sehen, aber diese Wellen beinhalten alles, was es über dich zu wissen gibt“, erläuterte sie.

„Und der Zauber kann das lesen?“ Während Ally so darüber nachdachte, kam ihr ein unguter Gedanke. „Können auch andere Menschen diese Wellen lesen?“

Lucy schüttelte den Kopf. „Nur Götter und Engel können die Wellen lesen. Manche können die Wellen spüren oder sehen, aber nicht entziffern. Sie nennen es dann Aura.“

Ally dachte über das Gehörte nach. Irgendwann würde sie auch lernen, wie sie diese Wellen lesen konnte.

„Du bist jetzt vollkommen sicher!“, erklärte Lucy. „Ich muss jetzt weiter. Es gibt noch andere Dämonen, welchen ich in den Hintern treten muss!“ Sie lächelte und verschwand in einem hellen Lichtblitz.

„Wiedersehen!“ Ally bezweifelte, dass Lucy die Verabschiedung gehört hatte. Sie schaute sich in ihrer kleinen leeren und dunklen Wohnung um. Sie hatte das Licht gar nicht eingeschaltet. Mit einem Mal fühlte sie sich ganz alleine und trotz des Schutzzaubers überhaupt nicht sicher. Sie hatte noch nie Angst davor gehabt, dass jemand in ihre Wohnung einbrechen könnte. Aber die Dämonen verursachten in ihr doch ein mulmiges Gefühl.

Ally atmete tief durch und ging in die Wohnküche zurück. Während sie den Fernseher einschaltete, nahm sie sich fest vor, diesen Abend so zu verbringen wie jeden anderen auch. Selbst wenn sie wusste, dass sie die Erlebnisse nicht loslassen würden. Heute war der letzte Tag ihres alten Lebens. Morgen würde ein neues beginnen.

Kapitel 5

Die Zeit war bereits weit fortgeschritten, als Ally am nächsten Morgen die Augen aufschlug. Im ersten Moment dachte sie, dass sie zu spät nach Myan kommen würde, aber dann fiel ihr die Zeitverschiebung wieder ein. Sie starrte an die Decke und dachte an die Geschehnisse vom Vortag. Sie konnten doch nicht wirklich sie gemeint haben? Ally konnte nun wirklich keine Göttin sein. Sie war doch einfach nur ein Niemand. Ganz allein. Und sie hatte keinen Platz in dieser Welt. Aber Myan? Vielleicht war ihr Platz auf diesem fremden Planeten? Sie versuchte positiv zu denken, aber das Gefühl, dass alles in einer großen Enttäuschung enden würde, drängte sich auf. Nun gab es noch mehr Leute, die sie enttäuschen konnte. Und wenn sie jetzt einen Fehler machte, dann könnte dies auch Auswirkungen auf die gesamte Menschheit haben. Vielleicht nicht jetzt sofort, aber dann, wenn sie ihre Kräfte erst einmal beherrschte. Auf der einen Seite konnte sie es gar nicht erwarten, damit anzufangen. Auf der anderen Seite fürchtete sie sich vor der Zukunft und den möglichen Konsequenzen.

Ein Blick auf ihr Handy sagte ihr, dass es jetzt neun Uhr war. Dafür, dass sie ziemlich früh ins Bett gegangen war, hatte sie doch lange geschlafen. Aber Ally hatte stundenlang nicht einschlafen können. Zu viele Gedanken waren ihr durch den Kopf gegangen. Warum hatten diese Dämonen sie angegriffen? Warum sollte ausgerechnet sie eine Göttin sein? Warum empfand sie die Gefühle, nach denen sie sich so lange gesehnt hatte, ausgerechnet für einen Priester? Warum hatte das Leben so ein schlechtes Timing? Es konnte ja nicht eines nach dem anderen kommen, nein, es musste ja unbedingt alles auf einmal sein.

Ally überlegte, was sie die nächsten vier Stunden machen sollte, bevor sie sich mit Tina treffen würde, um etwas über Magie zu lernen. Aufstehen oder im Bett bleiben? Beides reizte sie nur wenig. Nach einigen Minuten entschied sie sich, aufzustehen und eine Zeitung zu holen. Sie wollte wissen, was auf der Welt los war und ob sie vielleicht erkennen konnte, wo die Götter und Engel ihre Hände im Spiel hatten. Ally war neugierig. Also schwang sie ihre Beine aus dem Bett und setzte sich auf. Es war kühl in der Wohnung, und Ally trug nur ein kurzes seidenes Nachthemd. Ursprünglich wollte sie ihr sexy Negligé für besondere Momente aufheben, aber dann erkannte sie, dass das Leben zu kurz war und sie nicht einmal wusste, ob es überhaupt irgendwann einen Mann in ihrem Leben geben würde, welchem sie diese Gewänder zeigen wollte. Rasch schlüpfte sie in Jeans und T-Shirt und ging ins Bad.

Wenig später verließ Ally ihre Wohnung. Der Weg zur nächstgelegenen Trafik führte wieder an der Kirche vorbei. Wie jedes Mal, wenn Ally die Wohnung verließ, hatte sie auch jetzt ihre Kopfhörer auf. Beim Gehen und von der Musik begleitet konnte sie gut nachdenken. Sie überlegte gerade, wie ihre Zukunft aussehen würde, als sie plötzlich jemand ansprach. Erschrocken sah sie auf. Vor ihr stand Herr Baily. Ally hatte nicht erwartet, ihn so schnell wiederzusehen.

„Guten Morgen!“, sagte sie leise und zog sich dabei die Ohrstöpsel aus den Ohren.

„Ich wollte Sie nicht erschrecken.“ Er lächelte sie an. Ally kam nicht umhin zu bemerken, dass er ein schönes Lächeln hatte.

„Haben Sie nicht!“ winkte Ally ab und lächelte ebenfalls. Sie wurde noch um einiges nervöser als sonst, wenn sie mit jemandem sprach.

„Wie geht es Ihnen?“, fragte er höflich. Ally schluckte. Für sie war es neu, dass jemand sie auf der Straße ansprach. Mit dem letzten Priester hatte sie kaum ein Wort gewechselt.

„Gut und Ihnen?“ Ally mochten keinen Smalltalk. Diese Gespräche fühlten sich immer so gezwungen an. Aber sie redete auch sonst nicht wirklich gern.

„Auch gut!“

In Ally kämpften im Moment zwei Gefühle. Das eine waren die Fluchtgedanken, welche sie immer hatte, wenn sie mit jemandem redete und nicht mehr wusste, was sie als nächstes sagen sollte. Das andere war das komplett entgegengesetzte Gefühl: Sie würde gern bleiben. So etwas war ihr noch nie passiert.

Letztendlich entschied sie sich für die Flucht. Sie verabschiedete sich, wünschte noch einen schönen Tag und ging weiter.

Christopher sah der ungewöhnlichen Frau hinterher. Sie schien sehr nervös. In ihrer Gegenwart hatte er plötzlich Gefühle, welche er seit Jahren nicht gehabt hatte. Diese Gefühle lagen weit vor seiner Priesterweihe. Im Grunde waren diese Gefühle nicht unbedingt schlecht, nur hatte er eben auch dieses Verlangen, seine Hand auszustrecken und ihre Wange zu berühren. Christopher versuchte, diese Gefühle abzuschütteln. Dann drehte er sich um und machte sich auf den Weg in den Pfarrhof. Heute Nachmittag fand ein Vorbereitungskurs für die Erstkommunion statt. Frau Konrad würde ihm dabei zur Hand gehen. Es war spannend für ihn, in die neue Gemeinde zu kommen. Seine Weihe lag erst ein Jahr zurück. Bisher hatte er seine Tage in einem Kloster nicht weit von hier verbracht, aber dann war der zuständige Priester im hohen Alter friedlich entschlafen, und er wurde dazu auserwählt, seinen Platz einzunehmen.

Im Pfarrhof angekommen, stellte Christopher fest, dass die Kinder noch nicht hier waren. Frau Konrad stand jedoch bereits in dem großen Raum im Erdgeschoss. Sie stellte weiße Kerzen und bunte Blätter aus Wachs bereit. Frau Konrad hatte ihm gestern bereits gesagt, dass sie geplant hatte, heute Kerzen zu verzieren.

Als er eintrat, sah sie auf und begrüßte ihn. „Guten Tag!“ grüßte er zurück. Frau Konrad lächelte beruhigend und fragte: „Nervös?“

„Ein wenig. Ich mache das zum ersten Mal!“

„Die Kinder sind alle reizend. Kein Grund, nervös zu sein.“

Eigentlich hatte Christopher gerade gar nicht mehr daran gedacht, dass er etwas aufgeregt war. Er hatte nur an die junge Frau gedacht, die ihm gerade über den Weg gelaufen war.

„Auf dem Weg hierher habe ich Frau Sullivan getroffen“, meinte er beiläufig. Christopher befürchtete, seine Gefühle würden auf seiner Stirn geschrieben stehen.

„Sie ist ein nettes Mädchen, aber etwas schüchtern“, erwiderte Frau Konrad, während sie Scheren und Messer bereitlegte.

„Ja“, sagte er schlicht und versuchte, nicht daran zu denken, dass ihm auch andere Beschreibungen zu ihr einfallen würden, etwa sinnlich und sexy. In den letzten Jahren, in denen er im Zuge seiner Ausbildung viele Jahre in Rom und anderen Teilen der Erde verbrachte und viele Leute kennenlernte, hatte er nie auf diese Art an eine Frau gedacht. Aber jetzt bekam er diese Gedanken einfach nicht aus seinem Kopf. Jetzt musste er sich aber auf seine Aufgabe konzentrieren und daher fragte er nach den Kindern und was bisher gemacht worden war. Bevor Frau Konrad anfing, ihm davon zu berichten, glaubte er, bei ihr einen wissenden Blick zu bemerken, den er jedoch nicht recht zuordnen konnte.

Nun wusste Ally wieder, warum sie so ungern die Zeitung las oder Nachrichten im Fernsehen ansah. Da sie aber warten musste, bis sie sich nach Myan aufmachen konnte, wollte sie irgendwie die Zeit totschlagen. Doch es stand wieder einmal nichts Gutes in der Zeitung: nur traurige Meldungen oder düstere Prognosen, die das Bild des heutigen Tages prägten. Und natürlich der Promiklatsch, welcher Ally aber auch nicht sonderlich interessierte. Sie war zwar eine leidenschaftliche Kinogeherin bzw. Filmeguckerin, aber es war ihr egal, was die Schauspieler in ihrer Freizeit machten. Von den meisten Schauspielern wusste sie nicht einmal die Namen.

Seufzend blätterte Alyssa um. Sie saß in ihrer Wohnung am Küchentisch. Vor ihr stand ein leerer Kaffeebecher. ‚Wie kann jemand nur so etwas tun?’, fragte sie sich zum wiederholten Male, während sie einen ausführlichen Artikel über die Entführung einiger Geistlicher aus verschiedenen Religionen verstreut über den gesamten Erdball las. Die Religion war die einzige Verbindung. Es wurde vermutet, dass es sich um denselben Täter handelte. Aber ansonsten gab es keine Spuren. Sie waren einfach weg. Im einen Moment hielten sie eine Predigt, alles schien normal – und eine Stunde später waren sie einfach weg. Keine Zeugen. Keine Spuren.

Ally konnte nicht verstehen, warum jemand oder eher eine Gruppe von Menschen Priester entführen sollte. Was versprachen sie sich davon?

Obwohl ... Ally wusste ganz genau, was sie mit einem bestimmten Priester machen würde. Ihr wurde ganz heiß bei dem Gedanken, Christopher zu küssen. Seine Hände auf ihrem Körper zu spüren. Natürlich war das lächerlich. Er war ein Priester und mit Sicherheit nicht an ihr interessiert. Aber Gedanken waren harmlos. Nur hatte sie ein Verlangen danach, ihren Gedanken Taten folgen zu lassen. Trotz der Tatasche, dass sie ganz alleine in der Wohnung war, grinste sie peinlich berührt und versuchte, die Gedanken abzuschütteln. Bis jetzt war sie immer zu schüchtern und ängstlich gewesen, um einen Mann näher an sich heranzulassen. Warum fühlte es sich jetzt so anders an? Sie hatte Herr Baliy erst zweimal gesehen und nur wenige Worte mit ihm gewechselt. Allmählich glaubte Ally, dass das Schicksal es nicht gerade gut mit ihr meinte. Angesichts ihrer bisherigen Leistungen konnte Ally darauf vertrauen, dass sie diese Göttersache ganz fürchterlich in den Sand setzen würde. Sollte sie jemals den Mut dazu aufbringen, dann würde sie Sharon oder Shila davon erzählen.

Und dann waren da auch noch die Dämonen, welche sie gestern umbringen wollten. Lucy hatte nichts dazu gesagt, was sie von Ally wollten. Nur dass es untypisch für diese drei Männer war. Das half ihr aber nicht weiter. Der neue Schutzzauber an ihrer Wohnungstür trug nicht dazu bei, ihr ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Was wollten sie von ihr? Möglicherweise war es ja eine Art Prestigesache, wenn Dämonen Götter tötetenn, und sie war ja immerhin noch neu im Geschäft.

Ally war überzeugt davon, dass etwas Schlimmes passieren würde. Diese ganze Göttinnensache musste irgendeinen Haken haben. Außerdem würde sie doch irgendwann auch gegen Dämonen kämpfen und Menschen helfen müssen. Dann wenn sie ihre Kräfte erst einmal beherrschen würde. Das nahm Ally zumindest an. Ob die Götter bei diesen Entführungen der Geistlichen etwas unternahmen? Es musste etwas Großes dahinterstecken. Schließlich passierten die Entführungen auf der ganzen Welt.

Ally hatte ihre Zeitung inzwischen zu Ende gelesen. Sie hatte sich nur schwer auf die Artikel konzentrieren können, da ihre Gedanken ganz durcheinander waren. Zudem war sie furchtbar nervös, was sie heute wohl erwarten würde. Heute würde klar werden, dass alles nur ein Missverständnis war. Inzwischen hatte Ally ziemliche Bauchschmerzen. Wenn ihre Ängste sehr groß waren, dann musste sie sich manchmal auch übergeben. So grenzte es an ein Wunder, dass sie den Schulabschluss überhaupt geschafft hatte.

Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es an der Zeit war aufzubrechen. Ally schloss ihre Wohnungstür ab. Dann nahm sie ihre Handtasche und den Tayler zur Hand. Mit zitternden Fingern wählte sie „Hauptquartier“ auf dem kleinen Apparat aus. Sie drückte den grünen Knopf. Wieder erfasste sie ein Gefühl der Leichtigkeit, und helles Licht umgab sie. Ally verlor den Boden unter den Füßen. Als das Licht sich wieder verzogen hatte, stand sie neben dem großen runden gelben Schild und schaute die breite Treppe zum großen Eingangstor hoch.

Na dann los!’ Ally atmete tief durch und schritt die Stufen hinauf. Zusammen mit einigen anderen betrat sie die Eingangshalle. Es schienen noch mehr Leute als gestern hier zu sein. Heute saß ein junger Mann mit kurzen blonden Haaren hinter der Rezeption.

Sie folgte der Treppe im Inneren nach oben und wandte sich dann nach links. Die Räume waren alle beschriftet. Auch der Flur war weiß gehalten und gefliest. Am Ende des Ganges war ein Fenster. Vor Raum 1.05 blieb Ally stehen und atmete tief durch. Sie hob die Hand und wollte klopfen. Da wurde die Tür aufgerissen und Tina stand vor ihr. Heute trug sie weiße Jeans und ein weißes T-Shirt mit einem hellblauen Muster. Ihre roten Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden.

„Hi Ally!“, sagte sie und lächelte.

Ally zuckte zusammen. „Hallo“, stammelte sie. Tina trat zur Seite und ließ sie einen kleinen Raum mit zwei Fenstern betreten. An den Wänden standen ein paar Tische, welche zur Seite gerückt waren. Die dazugehörigen Stühle waren übereinander gestapelt und ebenfalls an die Wand gerückt. Der Raum wirkte wie ein Klassenzimmer, nur dass vorne die Tafel fehlte. Die hintere Wand zierte ein großes Graffiti von einer roten Rose. Ansonsten war auch hier alles weiß. Ally stellte ihre Tasche auf einen der Sesselstapel direkt neben der Tür.

„Wie geht’s dir?“, fragte Tina und schloss die Tür hinter sich.

„Gut“, erwiderte Ally schlicht.

„Sehr gut, es war gestern wirklich viel auf einmal.“ Tina stellte sich in die Mitte des Raumes. „Wir fangen heute klein an“, erklärte sie dann. „Zuerst musst du die Magie in dir entdecken und anwenden. Da du bisher noch nie Magie benutzt hast, musst du die Sperre in dir überwinden. Wenn du Fragen hast, dann unterbrich mich einfach.“ Tina hob ihre rechte Hand und ließ sie langsam wieder sinken. Ihre Hand leuchtete wie eine Glühbirne. „Jeder sendet immer magische Wellen aus. Dieser einfache Zauber macht die Wellen sichtbar!“ Davon hatte Ally bereits gehört. Sie starrte das Licht verwundert an. „Das ist unglaublich.“

Tina ließ das Leuchten wieder verschwinden. „Das ist noch gar nichts“, lächelte sie. Eine kurze angedeutete Bewegung mit der Hand, und schon kam Bewegung in die wenigen Möbel. Die Tische hoben sich ruckelnd vom Boden ab und hielten in wenigen Metern Höhe. Einer der Tische hatte eine Schublade an der Vorderseite. Langsam öffnete sich die Lade, und ein kleiner roter Vogel flog zwitschernd hervor. Der kleine Vogel zog ein paar Kreise um die Deckenleuchte und ließ sich schließlich auf Tinas Schulter nieder. Die Möbel sanken wieder auf den Boden zurück.

„Kann ich das auch?“ Ally war beeindruckt, auch wenn alles wie ein Zaubertrick auf sie wirkte.

Tina nickte. „Jetzt bist du an der Reihe. Stell dich bequem hin und hebe deine Hand.“ Ally tat wie ihr geheißen. „Konzentriere dich auf deine Hand. Versuche, die Umgebung der Hand zu fühlen. Wie die Luft um deine Hände spielt.“ Tina tat es Ally gleich. „Überall um dich herum sind magische Wellen. Immer – zu jeder Zeit. Versuche, etwas zu fühlen, was nicht da ist. Stell dir dabei eine Kerze vor. Du fühlst die Wärme. Wie Luft kann man auch Wärme nicht sehen, nur fühlen. Bei magischen Wellen ist es genauso. Magie ist nichts anderes als die Manipulation dieser Wellen, damit der aussendende Gegenstand tut, was man möchte. Nun ist deine Hand dabei die Kerzenflamme, und die magischen Wellen sind die Wärme. Konzentriere dich auf diese Wärme und stell dir vor, sie würde leuchten wie eine Glühbirne.“ Tinas Hand fing wie auf Kommando an zu leuchten.

„Wie genau macht man dieses Leuchten sichtbar?“, wollte Ally daher wissen. Sie war in diesen Visualisierungen schon immer eher bescheiden gewesen. Ally konnte sich zwar alles vorstellen, aber nicht sehen. Nicht einmal vor ihrem inneren Auge.

„Du musst es wollen und an dich glauben, dass du es kannst. In der Magie hängt viel an Gefühlen und am Willen.“ Ally hatte noch nie wirklich Selbstvertrauen gehabt. Wie sollte sie also an sich glauben? Aber dennoch versuchte sie, diese Anregungen umzusetzen. Ihre Hand wurde auch tatsächlich ein wenig warm, aber Ally glaubte nicht, dass das etwas zu bedeuten hatte.

„Das ist ja mein Problem! Ich glaube nicht, dass ich das kann!“, sagte Ally leise. Es fiel ihr nicht leicht, das zuzugeben. „Gibt es keinen Zauber, welcher die Sperre einfach löst? Ich habe schon oft versucht, irgendetwas per Gedankenkraft zu bewegen, aber es hat sich noch nie etwas getan.“ Alyssa war verzweifelt. Und sie kam sich dumm vor, weil ihre Hand einfach nicht leuchten wollte. ‚Nun leuchte schon!’ Aber auch dieser gedankliche Befehl brachte ihre Finger nicht zum Glühen.

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