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2.2.2.2.Verträge

45. Formalismus der Frühzeit

Zu Beginn der Republik gab es nur eine kleine Anzahl von Rechtsgeschäften, die für eine Übertragung von Rechten oder für Leistungsversprechen zur Verfügung standen. Diese Geschäftsarten waren nur römischen Bürgern zugänglich und von einem strengen Formalismus geprägt. Für einen wirksamen Abschluss mussten bestimmte Worte oder symbolische Handlungen verwendet werden. Ein Beispiel dafür bildet die Stipulation. Dabei handelte es sich um ein mündliches Versprechen unter Anwesenden, bei dem bestimmte Begriffe gebraucht werden mussten. In inhaltlicher Hinsicht bestand dagegen Gestaltungsfreiheit. Voraussetzung war lediglich eine genaue Beschreibung der zu erbringenden Leistung.

46. Vertragstypen

Rechtsfortbildungen führten dazu, dass der Spielraum bei der Ausgestaltung von Rechtsgeschäften vergrößert wurde. Eine wichtige Rolle spielte in dem Zusammenhang das Edikt des Prätors (s. Rn. 34). Die Edikte erkannten im Laufe der Zeit auch einzelne Ansprüche an, die sich allein auf formlose Vereinbarungen stützten. Damit wurde es möglich, Verpflichtungen vor Gericht geltend zu machen, die auf einem Konsens der Parteien beruhten, welcher nicht in Form der Stipulation erklärt worden war. Allerdings beschränkte sich die Anerkennung solcher Verpflichtungen auf bestimmte Vertragsinhalte. Nur für Kaufverträge, Miet-, Pacht-, Dienst- und Werkverträge, Gesellschaftsverträge sowie Aufträge galt der Konsens der Parteien als ausreichend für eine wirksame Verpflichtung (sog. Konsensualkontrakte). Für andere Vertragsinhalte waren demgegenüber weiterhin zusätzliche Voraussetzungen für die Entstehung eines einklagbaren Anspruchs notwendig, wie etwa die Übergabe einer Sache oder die Stipulationsform. Die Aufzählung zulässiger Vertragsarten im Edikt vermittelt somit das Bild einer Beschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten auf bestimmte Vertragstypen (Typengebundenheit, auch genannt: numerus clausus [abgeschlossene Zahl] von Vertragsarten).

47. Formlose Vereinbarungen

Weitere Rechtsfortbildungen erfolgten durch die Rechtswissenschaft. Juristen sahen formlose Vereinbarungen auch dann als wirksam an, wenn Leistungspflichten vereinbart wurden, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma) standen. Für formlose Vereinbarungen, die weder zum Kreis der anerkannten Konsensualverträge gehörten noch gegenseitige Leistungsverpflichtungen festlegten (sog. „nackte“ Vereinbarungen), blieb es jedoch dabei, dass sie nicht eingeklagt werden konnten:

Corpus iuris civilis, Digesten 2, 14, 7, 4 (Ulpian im 4. Buch zum Edikt): Sed cum nulla subest causa, propter conventionem hic constat non posse constitui obligationem: igitur nuda pactio obligationem non parit, sed parit exceptionem.

Wenn aber keine zweckbestimmte Leistung vorliegt, steht fest, dass dann durch ein bloßes Übereinkommen ein Schuldverhältnis nicht begründet werden kann. Eine bloße formlose Abrede [wörtlich: nackte Vereinbarung] bringt also kein Schuldverhältnis [obligatio] hervor, sondern nur eine Einrede.

Immerhin sprachen Juristen „nackten“ Vereinbarungen eine gewisse Wirkung zu, indem sie eine Verwendung als Einrede (Gegenrecht gegen einen Anspruch) zuließen. Damit war es beispielsweise möglich, gegen einen Zahlungsanspruch geltend zu machen, dass formlos ein Verzicht vereinbart worden sei.

48. Einschränkungen von Gestaltungsmöglichkeiten

In der späten Kaiserzeit (s. Rn. 24) ergingen etliche Konstitutionen, welche die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten nicht unerheblich beschränkten. So wurden beispielsweise zu Beginn des 4. Jahrhunderts n. Chr. für zahlreiche Waren und Dienstleistungen Höchstpreise festgelegt. Außerdem erhielten etwa Grundstücksverkäufer die Möglichkeit, den Vertrag für unwirksam erklären zu lassen, sofern der Kaufpreis weniger als die Hälfte des Verkehrswerts betrug.

2.2.2.3.Eigentum

49. Verfügungsfreiheit

Eigentümer hatten in der Regel freie Verfügungsmöglichkeiten über ihre Sachen. Anerkannt war etwa die Möglichkeit, anderen Personen gesicherte Nutzungsmöglichkeiten in Gestalt von beschränkten dinglichen Rechten zu verschaffen. Bestellt werden konnten beispielsweise Dienstbarkeiten (Berechtigungen zur Nutzung von Grundstücken in bestimmter Hinsicht, sog. Servituten) oder unbefristete, vererbliche Nutzungsmöglichkeiten für Grundstücke, die im staatlichen Eigentum standen (Emphyteuse: Erbpacht).

50. Grenzen bei Grundstücken

Insbesondere bei Grundstücken wurden der freien Verfügung allerdings immer wieder Grenzen gesetzt. Einschränkungen dienten nicht selten dazu, private Interessen insbesondere der Nachbarn zu schützen (so etwa beim Verbot übermäßiger Immissionen). Darüber hinaus wurden sie auch aus öffentlichen Interessen angeordnet (so standen beispielsweise Sicherheitsgründe hinter der Festlegung von Mindestabständen zwischen Häusern oder von maximalen Gebäudehöhen). Begrenzungen der Verfügungsfreiheit im öffentlichen Interesse nahmen in der späten Kaiserzeit erheblich zu.

2.2.2.4.Letztwillige Verfügungen

51. Testamente

Schon im Zwölftafelgesetz (s. Rn. 28) war die Möglichkeit anerkannt, durch ein Testament die Erbfolge entsprechend dem eigenen Willen zu gestalten. Voraussetzung war allein die Einhaltung bestimmter Formen (vgl. testatio mentis: Bezeugung des Willens).

Die Formanforderungen unterlagen einem Wandel. In früher Zeit mussten Testamente vermutlich vor der Volksversammlung errichtet werden. Später wurde das Vermögen zum Schein an eine Person verkauft, welcher in einer verschlossenen Schrift Anweisungen für die Verteilung nach dem Tod des Verkäufers gegeben wurden. In der Kaiserzeit genügte dann eine schriftliche Niederlegung des letzten Willens. Dabei musste die Urkunde vor sieben Zeugen unterschrieben und von diesen besiegelt werden. Der Inhalt der Verfügung konnte vor den Zeugen geheim gehalten werden. Bei geheimen Verfügungen musste sich der Erblasser nicht verpflichtet fühlen, die Zeugen im Testament zu bedenken. Diese Gestaltungsmöglichkeit kann somit als Schutz der Verfügungsfreiheit gesehen werden.

52. Einschränkungen der Testierfreiheit

Die Testierfreiheit hatte zur Folge, dass ein Familienoberhaupt sein Vermögen testamentarisch auf Personen übertragen konnte, die nicht zur Familie gehörten. Derartige Verfügungen wurden allerdings zunehmend begrenzt. So musste ein Vater, der seine männlichen Nachkommen enterben wollte, dies ausdrücklich im Testament erklären. Wurde ein Sohn einfach übergangen, hatte das die Unwirksamkeit des gesamten Testaments zur Folge. In der Kaiserzeit kam eine inhaltliche Schranke hinzu. Nahe Angehörige, die im Testament nicht ausreichend berücksichtigt worden waren, erhielten das Recht, die letztwillige Verfügung anzufechten. Damit wurde die Testierfreiheit durch familiäre Pflichten eingeschränkt:

Corpus iuris civilis, Institutionen 2, 18:

Quia plerumque parentes sine causa liberos suos vel exheredant vel omittunt, inductum est, ut de inofficioso testamento agere possint liberi, qui queruntur aut inique se exheredatos aut inique praeteritos, hoc colore, quasi non sanae mentis fuerunt, cum testamentum ordinarent. Sed hoc dicitur, non quasi vere furiosus sit, sed recte quidem fecit testamentum, non autem ex officio pietatis. (…)

Weil Eltern ihre Kinder bisweilen grundlos enterben oder übergehen, ist eingeführt worden, dass Kinder, die geltend machen, sie seien zu Unrecht enterbt oder zu Unrecht übergangen worden, wegen pflichtwidrigen Testaments klagen können, und zwar mit dem Argument, die Eltern seien anscheinend nicht bei klarem Verstand gewesen, als sie das Testament errichteten. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass der Erblasser tatsächlich geisteskrank war. Vielmehr hat er sein Testament zwar rechtmäßig errichtet, aber nicht seiner Pflicht gegenüber der Familie entsprochen.

Als pflichtwidrig und damit unwirksam galt ein Testament, wenn nächste Angehörige (insbesondere Kinder) enterbt worden waren, ohne dass dafür ein Grund bestanden hatte (z. B. eine schwere Verfehlung oder ein sittenwidriges Verhalten seitens der enterbten Person). Erblasser konnten derartige Anfechtungen verhindern, indem sie ihre nächsten Angehörigen mit Vermögenswerten bedachten, die mindestens ein Viertel des gesetzlichen Erbteils ausmachen mussten.

2.2.3.Gerichtswesen
2.2.3.1.Ordentliche Gerichte
Zivilgerichtsbarkeit

53. Verfahren vor dem Prätor

Die Gerichtsorganisation stand in enger Verbindung mit der Gestalt der Gerichtsverfahren. Der Zivilprozess war zur Zeit der Republik (s. Rn. 22) in zwei Phasen unterteilt. Für die erste Phase waren die Prätoren zuständig. Dabei handelte es sich um hohe Beamte, die im Rang unmittelbar hinter den Konsuln standen. Neben militärischen und politischen Verpflichtungen hatten sie auch Aufgaben im Bereich der Rechtspflege. Bei Zivilprozessen kam ihnen die „iuris dictio“ (wörtlich: das Aussprechen von Recht) zu. Darunter ist nicht „Rechtsprechung“ im Sinn von Urteilsfällung zu verstehen. Die Prätoren trafen nur Vorentscheidungen, denen allerdings zentrale Bedeutung zukam. Sie prüften, ob die Voraussetzungen für einen Prozess gegeben waren. Dazu gehörte vor allem die Abklärung, ob für das Vorbringen des Klägers eine geeignete Formel bestand, d. h. ob ein anerkannter Anspruch geltend gemacht wurde (s. Rn. 34). In diesem Verfahrensstadium wurden die Sachverhaltsangaben des Klägers als zutreffend unterstellt.

Mit steigender Arbeitslast wurde die Zahl der Prätoren vergrößert und deren Aufgabe differenziert. Der Stadtprätor erhielt die Zuständigkeit für Streitigkeiten zwischen römischen Bürgern, der Fremdenprätor für Verfahren, an denen Fremde beteiligt waren. Daneben wurden einzelne Rechtsprechungsbefugnisse auf andere Magistrate ausgelagert. Das betraf etwa die sog. Ädile, zu deren Aufgaben die Marktaufsicht gehörte. Diese Zuständigkeit wurde auf die Beurteilung von Streitigkeiten ausgehnt, die mit dem Marktgeschehen im Zusammenhang standen (z. B. Klagen wegen Mängeln gekaufter Sachen). In den Provinzen lag die Gerichtsbarkeit bei den Statthaltern. Alle Magistrate, die Aufgaben im Bereich der Rechtsprechung wahrnahmen, erließen eigene Edikte.

54. Verfahren vor Gerichten

Kam der Prätor zu dem Ergebnis, dass der geltend gemachte Anspruch einklagbar sei, ging der Prozess in eine zweite Phase. In dieser wurde geprüft, ob die Sachverhaltsdarstellung des Klägers tatsächlich der Wahrheit entsprach und somit die Voraussetzungen für den Anspruch gegeben waren. Das Thema für die Prüfung und damit für Beweiserhebungen gab die Formel des Prätors vor:

Gaius, Institutionen, 4, 47 (Prozessformel aus dem Edikt des Prätors): Si paret Aulum Agerium apud Numerium Negidium mensam argenteam deposuisse eamque dolo malo Numerii Negidii Aulo Agerio redditam non esse, quanti ea res erit, tantam pecuniam, iudex, Numerium Negidium Auolo Agerio condemnato; si non paret, absolvito, (…).

Wenn es sich erweist, dass Aulus Agerius [Blankett für den Kläger] bei Numerius Negidius [Blankett für den Beklagten] einen silbernen Tisch in Verwahrung gegeben hat und dieser Tisch aufgrund von Arglist des Beklagten dem Kläger nicht zurückgegeben worden ist, dann sollst du, Richter, den Beklagten dazu verurteilen, dem Kläger so viel Geld zu zahlen, wie die Sache wert ist. Wenn es sich nicht erweist, sollst du ihn freisprechen.

Nach der Sachverhaltsermittlung wurde das Urteil gefällt. Zuständig dafür waren Gerichte. Diese setzten sich aus Privatpersonen zusammen, die für den jeweiligen Prozess aus einer Richterliste zusammengestellt wurden.

Bei Zivilprozessen urteilte in der Regel ein Einzelrichter, der vom Prätor bestimmt wurde. In Fällen von besonderem Interesse waren bis zu elf oder sogar über 100 Personen als Richter beteiligt. Letzteres war etwa der Fall bei der Anfechtung von Testamenten wegen Pflichtwidrigkeit (s. Rn. 52).

Strafgerichtsbarkeit

55. Spezielle Zuständigkeiten

Für die Verfolgung von Straftaten wurden zunächst nur fallweise Gerichte eingesetzt. Ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. gab es dann ständige Gerichtshöfe, die jeweils für die Aburteilung bestimmter Straftaten zuständig waren (z. B. je ein Gerichtshof für Hochverrat, für Hinterziehung von Staatseigentum, für Mord, für Fälschungen von Testamenten und Münzen). Bei Strafprozessen leitete der Prätor die Gerichtsverhandlung.

2.2.3.2.Außerordentliche Gerichte

56. Kaiserliche Gerichte

Die Gerichtsverfassung erfuhr seit dem Prinzipat (s. Rn. 23) grundlegende Veränderungen. Neben die bisherigen Gerichte und Prozessregeln trat eine zweite, außerordentliche Form der Gerichtsbarkeit. Diese nahm eine Kompetenz zur Entscheidung sämtlicher Arten von Zivil- und Strafprozessen in Anspruch. Bei außerordentlichen Gerichten war eine Person als Richter tätig. In die Zuständigkeit des Richters fielen die Durchführung des Verfahrens sowie die Urteilsfällung. Die Richter wurden vom Kaiser bestimmt. Teilweise übernahmen die Kaiser selbst das Richteramt.

Die außerordentliche Gerichtsbarkeit hatte auch Auswirkungen auf die Gestaltung des Verfahrensrechts. Bei Zivilprozessen entfiel die bisherige Zweiteilung. Außerdem bestand keine Bindung mehr an Formeln. Etwa im 3. Jahrhundert n. Chr. verdrängte die außerordentliche Gerichtsbarkeit in Rom vollständig das Formularverfahren.

2.2.4.Verfolgung von Straftaten

57. Überlieferung

Über das Strafrecht sowie das Strafprozessrecht gibt es deutlich weniger Informationen als über das Zivilrecht bzw. das Zivilprozessrecht. Dies hängt damit zusammen, dass die römischen Juristen das Strafrecht nur selten zum Gegenstand ihrer Ausführungen machten und zudem nur wenige Gesetzestexte überliefert sind.

2.2.4.1.Verfolgung durch Privatpersonen

58. Frühzeit

Aus dem Zwölftafelgesetz (s. Rn. 28) ergibt sich nur ein fragmentarisches Bild der Reaktion auf Straftaten.

Zwölftafelgesetz, Tafel 8:

2. Si membrum rupsit, ni cum eo pacit, talio esto.

3. Manu fustive si os fregit libero, CCC (…) poenam subito.

2. Wenn jemand einem anderen ein Glied verstümmelt, soll der Täter das Gleiche erleiden, wenn er sich nicht mit dem Verletzten gütlich einigt.

3. Wer mit der Hand oder dem Stock einem Freien einen Knochen gebrochen hat, muss 300 [As, römische Währung] als Buße zahlen (…).

Die Verfolgung einer Straftat galt wohl grundsätzlich als Sache des Verletzten. So ist Ziffer 2 des Zitats zu entnehmen, dass das Opfer entweder Gleiches mit Gleichem vergelten oder sich mit dem Täter über eine andere Art der Sanktion einigen konnte. Im Zwölftafelgesetz wurden vor allem Bußzahlungen festgelegt, die der Täter an den Verletzten zu leisten hatte (s. Ziff. 3). Die Beträge gingen über den Ersatz des Schadens hinaus und stellten damit (Privat-)Strafen dar.

59. Deliktsrecht

Auch als später grundsätzlich zwischen Zivil- und Strafrecht unterschieden wurde, blieb bei bestimmten Delikten eine Verbindung von Schadenersatz und Bestrafung erhalten. Persönlichkeitsverletzungen (z. B. Körperverletzungen, Beleidigungen) sowie Eigentumsverletzungen (z. B. Diebstahl, Raub, Sachbeschädigung inklusive der Tötung von Sklaven) wurden zwar dem Privatrecht zugeordnet. Als Rechtsfolgen waren jedoch Geldzahlungen vorgesehen, die über den Ersatz des Schadens hinausgingen und damit zugleich Strafcharakter hatten. Ein Beispiel dafür bieten die Regeln für die Tötung von Sklaven und Tieren:

Corpus iuris civilis, Digesten 9, 2, 2, 2 (Gaius im 7. Buch zum Provinzialedikt):

Lege Aquilia capite primo cavetur: „ut qui servum servamve alienum alienamve quadrupedem vel pecudem iniuria occiderit, quanti id in eo anno plurimi fuit, tantum aes dare domino damnas esto“.

Im ersten Kapitel der Lex Aquilia wird bestimmt: „Wenn jemand einen fremden Sklaven oder eine fremde Sklavin oder ein fremdes vierfüßiges Herdentier widerrechtlich tötet, soll er verpflichtet sein, dem Eigentümer so viel Kupfergeld zu geben, wie die Sache in diesem Jahr maximal wert gewesen ist“.

Indem für die Ersatzverpflichtung auf den Maximalwert innerhalb des letzten Jahres abgestellt wurde, konnte der Betrag weit über den Wert hinausgehen, den der Sklave oder das Tier zum Zeitpunkt der Tötung gehabt hatte. Dies war beispielsweise dann der Fall, wenn ein Sklave im Jahr vor der Tötung einen Unfall erlitten hatte, dessen Folgen seine Arbeitsfähigkeit und damit seinen Marktpreis beeinträchtigten.

Bei der Lex Aquilia, welche die Rechtsfolgen von Sachbeschädigungen festlegte, handelte es sich um ein Plebiszit (s. Rn. 29) aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. Es war von einem Volkstribun namens Aquilius beantragt worden. Die Regelungen wurden auch im 6. Jahrhundert n. Chr. noch als geltendes Recht angesehen. Dies belegt der Umstand, dass rechtswissenschaftliche Erläuterungen zu diesem Gesetz in das Corpus iuris civilis aufgenommen wurden.

2.2.4.2.Staatliche Verfolgung

60. Frühzeit

Schon im Zwölftafelgesetz wird sichtbar, dass die Reaktion auf Straftaten nicht ausschließlich in der Hand der Opfer lag. Schwere Taten, die sich gegen die Gemeinschaft richteten (z. B. Hochverrat), wurden von staatlicher Seite verfolgt. Dabei fand ein Gerichtsverfahren vor der Volksversammlung statt. Außerdem gab es Grenzen für die Tötung von Tätern durch die Opfer von Straftaten. Wenn kein Geständnis vorlag und die Tat nicht offensichtlich war, durfte eine solche Tötung in der Regel nur erfolgen, sofern ein Gericht die Schuld des Täters festgestellt hatte.

61. Veränderungen

Etwa ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. galt die Verfolgung von Straftaten allein als Aufgabe des Staates. Darauf weisen die Errichtung von ständigen Gerichtshöfen (s. Rn. 55) sowie der Erlass von Gesetzen hin, die strafrechtliche Bestimmungen enthielten. Als Rechtsfolgen sahen diese Normen vor allem Todesstrafen, Verbannungen und Geldstrafen vor.

Die Strafverfahren waren öffentlich und wurden durch eine Anklage eingeleitet. Zur Klageerhebung war jeder römische Bürger und damit insbesondere auch der Verletzte befugt. Der Kläger wurde zur Prozesspartei und musste Beweise für seine Anschuldigung erbringen. Verurteilte das Gericht den Angeklagten, bekam der Kläger eine Belohnung. Erfolgte ein Freispruch, konnte gegen den Kläger ein Verfahren wegen falscher Anschuldigung eingeleitet werden. Den Angeklagten wurden etliche Verteidigungsrechte zuerkannt. Dazu gehörten lange Redezeiten sowie die Befugnis, Anwälte hinzuzuziehen.

Die außerordentlichen Gerichte (s. Rn. 56) waren allerdings bei der Gestaltung des Verfahrens frei und auch nicht an die bestehenden Straftatbestände gebunden. So verhängten außerordentliche Gerichte denn auch neue Strafarten, wie etwa Deportation, Zwangsarbeit oder körperliche Züchtigung. Zudem setzten sie vermehrt die Folter bei der Befragung von Angeschuldigten und Zeugen ein. Von den ordentlichen Gerichten war die Folter nur gegenüber Sklaven angewendet worden.

Anhang

62. Hinweise zu Quellentexten

Rechtsetzungen: Corpus iuris civilis: Grundlegend für heutige Ausgaben wurde die lateinische Textfassung, die im 19. Jahrhundert von Th. Mommsen und P. Krüger erstellt wurde. Eine moderne deutsche Übersetzung erscheint in Teilen (hg. von O. Behrends/R. Knütel/B. Kupisch/H. H. Seiler, Heidelberg seit 1990). Für diejenigen Teile, die in dieser Edition noch nicht bearbeitet worden sind, kann auf eine ältere deutsche Übersetzung aus dem 19. Jahrhundert zurückgegriffen werden (Corpus iuris civilis in 7 Bänden, hg. von K. E. Otto/B. Schilling/K. F. F. Sintenis, 1831; ND Aalen 1984/1985). Institutionen des Gaius: Es gibt verschiedene Ausgaben des lateinischen Textes mit deutscher Übersetzung (z. B. U. Manthe [Hg.], Institutiones. Die Institutionen des Gaius, 2. Aufl., Darmstadt 2010). Zwölftafelgesetz: Seit dem 16. Jahrhundert wurde immer wieder versucht, die Gestalt des Zwölftafelgesetzes zu rekonstruieren. Heutigen Ausgaben liegen Rekonstruktionen des 19. Jahrhunderts zugrunde (mehrere Ausgaben, z. B. R. Düll [Hg.], Das Zwölftafelgesetz, 7. Aufl., Zürich 1995).

Historische Werke: In Darstellungen römischer Historiker finden sich nicht selten Bemerkungen zum Recht. Ein Beispiel dafür ist etwa das Werk „Ab urbe condita“ (Von der Stadtgründung), verfasst von TITUS LIVIUS im 1. Jahrhundert v. Chr. Einblicke in die Rechtspraxis vermitteln Schriften von MARCUS TULLIUS CICERO, insbesondere seine Reden, die er im Rahmen vor Gerichtsverfahren gehalten hat. Auch Dichter erwähnen in ihren Werken gelegentlich Rechtsstreitigkeiten, wie etwa PLAUTUS in seinen Komödien. Die darin enthaltenen juristischen Informationen sind allerdings kritisch zu hinterfragen.

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