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Täter-Opfer- Vereinbarung

79. Racheverzicht

Als Alternative zur Fehde konnte das Opfer einer Straftat mit dem Täter einen Vergleich abschließen. Dabei wurde vereinbart, dass der Täter eine bestimmte Geldsumme zu zahlen hatte. Im Gegenzug verzichtete das Opfer auf Rachemaßnahmen.

Edictum Rothari (Edikt des langobardischen Königs Rothar, 643), Ziff. 143: Si homo occisus fuerit liber aut servus et pro humicidio ipso conpositio facta fuerit et pro ampotandam inimicitia sacramenta prestita (…).

Ein freier oder unfreier Mensch war erschlagen worden, und wegen dieses Totschlags wurde eine Ausgleichszahlung vereinbart, und um jedwede Feindschaft auszuschließen, wurde die Vereinbarung beschworen (…).

80. Bußkataloge in den Leges

Derartige Vereinbarungen lagen im Interesse der Gemeinschaft, da damit Gewalttätigkeiten und somit Unfriede vermieden wurden. Die Herrscher der germanischen Völkerschaften waren zwar nicht in der Lage, solche Vereinbarungen zu erzwingen. Es lässt sich jedoch beobachten, dass sie versuchten, Anreize für eine derartige Konfliktbeilegung zu schaffen. Vor diesem Hintergrund sind die Regelungen in den Leges zu sehen, die für zahlreiche Rechtsverletzungen bestimmte Zahlungsverpflichtungen benannten. Ein beliebiges Beispiel:

Pactus Alamannorum (Vertrag der Alemannen, Anfang 7. Jh.), Ziff. XI:

1) Si quis alteri pedem truncaverit, solvat solidos XL.

4) Si quis alteri articulum policem truncaverit, solvat solidos VI.

8) Si alius articulus trunccatus fuerit, solvat solidos III.

1) Wenn jemand einem anderen einen Fuß abhackt, zahle er 40 Schillinge.

4) Wenn jemand einem anderen die große Zehe abhaut, zahle er 6 Schillinge.

8) Wenn eine andere Zehe abgehauen wird, zahle man 3 Schillinge.

Solche Regelungen stellten klar, welchen Betrag das Opfer vom Täter dafür verlangen konnte, dass es auf sein Racherecht verzichtete. Dadurch wurde Streitigkeiten über die Frage vorgebeugt, welches die angemessene Summe für eine konkrete Verletzung sei. Die Fixierung der Beträge erhöhte somit die Chance, dass zwischen Täter und Opfer eine Vereinbarung geschlossen und keine Rache geübt wurde. Aus dieser Zielsetzung erklärt sich auch der Umstand, dass die Regelungen äußerst detailliert waren. Sie sollten möglichst viele Verletzungshandlungen erfassen. Die vorgeschlagenen Beträge entsprachen weitgehend den Zahlungen, die üblicherweise für das entsprechende Delikt ausgehandelt wurden. Bei der Berechnung fanden unter anderem die Bedeutung des verletzten Rechtsguts sowie die gesellschaftliche Stellung des Opfers Berücksichtigung.

Wurde eine hochstehende Person verletzt, war ein höherer Betrag vorgesehen, als wenn dieselbe Verletzung einer unfreien Person zugefügt wurde. Die Kataloge sind somit auch ein Abbild der damaligen Gesellschaftsstruktur. Manche Leges sahen denn auch als Ausgleichszahlung nicht fixe Beträge, sondern eine Quote des sog. Wergelds (von lat. „vir“: Mann) vor. Damit bildete der gesellschaftliche Wert des Opfers den Maßstab für die Bestimmung der Zahlungshöhe. Dem lag die Vorstellung zugrunde, dass dieser Wert in Geld bestimmbar sei.

Die Tatumstände fanden in den Katalogen dagegen meist keine Berücksichtigung. Bei den Regelungen wurde auf den Erfolg einer Tat abgestellt. Nur selten waren geringere Summen für die Situation vorgesehen, dass es durch Zufall zu einer Rechtsverletzung gekommen war.

Der Akt der Rechtsaufzeichnung wurde jedoch teilweise auch dazu verwendet, um die bisher üblichen Beträge zu erhöhen. Die Veränderungen sollten Vergleichsvereinbarungen für die Opfer attraktiv machen und somit dazu beitragen, Fehdehandlungen und damit den Unfrieden in der Gemeinschaft einzuschränken:

Edictum Rothari (Edikt des langobardischen Königs Rothar, 643), Ziff. 74: In omnis istas plagas aut feritas superius scriptas, quae inter hominis liberos evenerint, ideo maiorem conpositionem posuimus, quam antiqui nostri, ut faida (quod est inimicitia) post accepta suprascripta conpositione postponatur et amplius non requiratur (…).

Bei all den vorerwähnten Hieb- und Stichwunden haben Wir, falls sie unter Freien sich ereignen, deshalb höhere Bußen angesetzt als unsere Vorfahren, damit die Fehde (d. h. Feindschaft) nach Empfang der vorerwähnten Buße aufgegeben und nicht mehr geltend gemacht werde (…).

Dass die in den Leges vorgeschlagenen Summen tatsächlich hoch waren, belegen Texte, in denen zum Vergleich Sachwerte genannt wurden (danach entsprachen zwei Schillinge beispielsweise dem Wert eines Ochsen; somit hatte die im alemannischen Recht für einen Fußverlust vorgesehene Zahlung von 40 Schillingen einen Gegenwert von 20 Ochsen). Infolgedessen war der Abschluss eines Vergleichs für das Opfer finanziell attraktiv. Allerdings bestand damit auch die Gefahr, dass der Täter nicht in der Lage war, die Gegenleistung zu erbringen. Außerdem widersprach ein Racheverzicht, insbesondere bei Tötungen, damaligen Ehrvorstellungen. Es ist daher davon auszugehen, dass trotz aller Anreize häufig keine Vereinbarung zwischen Täter und Opfer abgeschlossen wurde. Außerdem ist bekannt, dass selbst dann, wenn es zu einer Vereinbarung gekommen war, diese nicht selten später seitens des Opfers gebrochen und trotzdem Fehde geübt wurde.

Begriffliches: In den Stammesrechten wird für den Betrag, welchen der Täter zu zahlen hatte, häufig das lateinische Wort „compositio“ (bzw. conpositio: Ausgleichung) verwendet. Infolgedessen spricht man auch vom Kompositionensystem. Die umfangreichen Regelungen in den Leges zu dieser Thematik werden auch als Bußkataloge bezeichnet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den „Bußen“ nicht um Geldstrafen im heutigen Sinn handelt. Die Zahlungen wurden nicht von Gerichten festgelegt, sondern zwischen Täter und Opfer vereinbart. Außerdem floss das Geld nicht in öffentliche Kassen, sondern an das Opfer.

3.2.4.2.Hoheitliche Verfolgung

81. Leib-, Lebens- und Geldstrafen

Für einzelne Handlungen sahen die Stammesrechte den Tod bzw. die Verstümmelung des Täters vor oder verpflichteten diesen zur Zahlung einer Geldsumme an die königliche Kasse.

Lex Burgundionum (Gesetz der Burgunder, 6. Jh.) Ziff. 4, 1:

Quicumque mancipium alienum sollicitaverit, caballum quoque, equam, bovem aut vaccam (…) furto auferre praesumpserit, occidatur.

Ein Freier (…), der einen fremden Knecht entführt, sowie ein Freier, der ein Pferd, eine Stute, ein Rind oder eine Kuh stiehlt, wird getötet.

Androhungen von Leib-, Lebens- oder Geldstrafen finden sich in den Leges vor allem bei Angriffen auf den Herrscher bzw. die Gemeinschaft, bei besonders schwerwiegenden Taten (wie etwa im zitierten Beispiel bei der Entziehung von Personen oder Gegenständen, denen in einer Agrargesellschaft ein hoher Wert zukam) sowie bei Delikten von unfreien Personen.

82. Gerichtsverfahren

Die Leib-, Lebens- und Geldstrafen wurden von Gerichten verhängt. Infolge der zunehmend hoheitlichen Ordnung des Gerichtswesens (s. Rn. 76) können sie daher im Unterschied zu den privaten Reaktionen als hoheitliche Strafen bezeichnet werden. Allerdings kam es bei Verletzungen, für die in den Leges eine derartige Bestrafung vorgesehen war, keinesfalls immer zu einem Gerichtsverfahren. Nicht selten nahmen auch bei derartigen Delikten die Opfer selbst die Verfolgung in die Hand.

Bei gerichtlichen Verfahren, in denen es um die Verhängung einer Leib-, Lebens- oder Geldstrafe ging, fand eine amtliche Ermittlung statt. Dabei konnte auch die Folter eingesetzt werden. Jedoch handelte es sich nicht immer, wenn ein Gericht tätig wurde, um einen derartigen Kriminalprozess. Es gab daneben auch gerichtliche Verfahren, die dazu dienen sollten, eine Täter-Opfer-Vereinbarung (s. Rn. 79) vorzubereiten. Dabei beschränkte sich die Kompetenz des Gerichts darauf, einen Ausgleich vorzuschlagen. Ob eine entsprechende Vereinbarung geschlossen wurde, hing von Opfer und Täter ab. Das Gericht hatte keine Macht, die Übernahme seines Vorschlags zu erzwingen.

Anhang

83. Hinweise zu Quellentexten

Leges (Stammesrechte): Von den Rechtsaufzeichnungen germanischer Völkerschaften sind insbesondere die im Folgenden genannten Texte bekannt, wobei zu berücksichtigen ist, dass es bei einigen Völkerschaften mehrfach zu Aufzeichnungen kam und eine genaue Datierung der Aufzeichnung oft nicht möglich ist: Westgoten: Codex Euricianus (um 475); Lex Visigothorum (654); Burgunder: Lex Burgundionum (6. Jh.); Franken: Lex Salica (um 510); Lex Ribuaria (7. Jh.); Lex Francorum Chamavorum (802/803); Langobarden: Edictum Rothari (643); Alemannen: Pactus Alamannorum (Anfang 7. Jh.); Lex Alamannorum (um 725); Bayern: Lex Baiuvariorum (8. Jh.). Eine Aufzeichnung der Rechte der Sachsen (Lex Saxonum), Thüringer (Lex Thuringorum) und Friesen (Lex Frisionum) erfolgte auf Veranlassung von Karl dem Großen 802/803.

Die Leges sind in unterschiedlichen, teilweise inhaltlich voneinander abweichenden Handschriften überliefert. Anerkannte Editionen der lateinischen Texte (sowie auch von Urkunden) enthält die Reihe „Monumenta Germaniae Historica“. Von etlichen Stammesrechten existieren deutsche Übersetzungen. Sie finden sich vor allem in der Schriftenreihe mit dem Obertitel „Germanenrechte“, die von der Akademie für Deutsches Recht (s. Rn. 362) begründet wurde. Auch die Bände, die während der Zeit des Nationalsozialismus entstanden sind, können als Übersetzungshilfen verwendet werden. Gewisse Vorsicht ist allerdings bei Begriffen angebracht, mit denen damals versucht wurde, eine Verbindung zwischen dem nationalsozialistischen Recht und den Stammesrechten herzustellen (z. B. Sippe, Treue). Von einzelnen Leges gibt es auch jüngere Ausgaben mit deutschen Übersetzungen (z. B. C. Schott [Hg.], Lex Alamannorum, Das Gesetz der Alemannen, Augsburg 1993; R. Deutinger [Hg.], Lex Baiuvariorum, Regensburg 2017).

Historische Werke: Von Fehden und Gerichtsverfahren erzählt insbesondere das Werk von GREGOR VON TOURS, „Decem libri historiarum“ (Zehn Bücher Geschichten; verfasst gegen Ende des 6. Jh.; mit deutscher Übersetzung hg. von W. Giesebrecht/R. Buchner, 2 Bde., Darmstadt 1970–1974). Bekannt ist insbesondere die darin enthaltene Schilderung der Fehde des Sichar (Buch VII, 47; Buch IX, 19). Für die Zeit vor den Rechtsaufzeichnungen wird häufig auf die Schrift „Germania“ des römischen Autors PUBLIUS CORNELIUS TACITUS verwiesen (verfasst um 100 n. Chr.). Heute gilt dieser Text jedoch nicht mehr als authentisches Dokument für das frühe Recht der germanischen Völkerschaften.

4.Landfrieden, Rechtsbücher und Stadtrechte (10.–15. Jahrhundert)

84. Heiliges Römisches Reich

Nach verschiedenen Teilungen des Fränkischen Reichs (s. Rn. 64) unter den Nachfolgern Karl des Großen bildete sich in den östlichen Gebieten ab dem 10. Jahrhundert allmählich wieder die Vorstellung eines einheitlichen Reichs aus. Dabei wurde eine Verbindung zum antiken römischen Kaisertum hergestellt. So lautete der offizielle Herrschertitel „Kaiser der Römer“ (Imperator Romanorum) und der Herrschaftsbereich erhielt seit dem 11. Jahrhundert in Urkunden die Bezeichnung „Römisches Reich“ (Imperium Romanum). Im Hintergrund stand eine Idealvorstellung des antiken Römischen Reichs, die einen Anspruch auf Weltherrschaft umfasste. Außerdem wurde der Kaiser als Beschützer des Christentums und der Kirche gesehen. Die Herrscher ließen sich vielfach in der Tradition Karls des Großen vom Papst zum Kaiser krönen (erstmals Otto I. im Jahr 962) und seit dem 12. Jahrhundert war vielfach die Rede vom „Heiligen Reich“ (Sacrum Imperium). Ein solches Reichsverständnis legte den Grundstein für einen jahrhundertelangen Streit zwischen Kaiser und Papst um die Vorrangstellung.

Sinnbild für den Konflikt zwischen Kaiser und Papst waren die verschiedenen Ausgestaltungen der sog. Zwei-Schwerter-Lehre. Das Schwert galt als Symbol sowohl für Macht als auch für Gerichtsbarkeit. Anknüpfend an eine unklare Bibelstelle (Lukas 22,38) wurde angenommen, dass Gott zwei Schwerter übergeben habe. Umstritten war, wer die Schwerter erhalten habe. Eine Lesart nahm an, Gott habe dem Papst und dem Kaiser je ein Schwert überlassen. Diese Auslegung war geeignet, eine Gleichrangigkeit von Kaiser und Papst zu begründen. Demgegenüber wurde von kirchlicher Seite die Meinung vertreten, dass Gott beide Schwerter dem Papst übergeben habe, der eines dem König weiterreichte. Diese Interpretation sprach dem Papst eine Vorrangstellung zu.

Das Reich besaß keine klare Verfassungsstruktur. Es zerfiel in eine Vielzahl von Gebieten, die unter der Herrschaft von Personen standen, welche unterschiedliche Positionen hatten (z. B. Fürsten, Herzöge, Grafen). Für das Rechtsverhältnis zwischen den einzelnen Machthabern spielte das Lehenssystem eine zentrale Rolle.

4.1.Quellen
4.1.1.Grundzüge

85. Besonderheiten

Die Quellen weisen zwischen dem 10. Jahrhundert und dem Ende des 15. Jahrhunderts im Vergleich zu früheren und späteren Zeiten Unterschiede auf, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, diese Zeitspanne des Mittelalters als einen eigenen Abschnitt der Rechtsgeschichte anzusehen. Dessen zentrale Merkmale sind Mündlichkeit, Friedensvereinbarungen und Vielschichtigkeit.

Rechtsgewohnheiten

86. Mündliche Rechtskultur

Der größte Teil des Rechts war nicht schriftlich niedergelegt. Die mittelalterlichen Rechtsgewohnheiten sind heute nur insoweit mittelbar bekannt, als Aufzeichnungen erfolgten. Dies geschah vermehrt ab dem 12. Jahrhundert. Eine wichtige Quellengruppe bilden Niederschriften durch Privatpersonen. Diese Rechtsaufzeichnungen (sog. Rechtsbücher) wurden nicht von Herrschern veranlasst und hatten auch nicht den Charakter von Rechtsetzungen. Vielmehr wollten sie die Kenntnis bestehender Regeln vermitteln. Daher wurden sie teilweise auch als „Spiegel“ – im Sinn eines Widerspiegelns des Rechts – bezeichnet:

Sachsenspiegel (s. Rn. 98, um 1230), Reimvorrede:

Dit recht hebbe ek selve nicht irdacht,/ it hebbet van aldere an unsik gebracht/ Unse guden vorevaren. (…).

„Spegel der Sassen“/ Scal dit buk sin genant, went Sassen recht is hir an bekant,/ Alse an eneme spegele de vrowen/ er antlite scowen.

Dieses Recht habe ich mir nicht selbst ausgedacht. Es ist uns vielmehr seit alters von unseren rechtschaffenen Vorfahren überliefert worden. (…) „Spiegel der Sachsen“ sei deshalb dieses Buch genannt, weil mit ihm das Recht der Sachsen allgemein bekannt wird, wie durch einen Spiegel den Frauen das Antlitz, das sie erblicken. (…)

Eine weitere wichtige Informationsquelle über mittelalterliche Rechtsgewohnheiten bilden Aufzeichnungen von Auskünften, die rechtserfahrene Personen über bestehende Rechtssätze erteilten. Diese Auskünfte bezogen sich jeweils auf eine konkrete Anfrage, die einem Gremium (z. B. einem Gericht) vorgelegt worden war.

Begriffliches: Diese Auskünfte wurden auch als „Weisungen“ bezeichnet. Deswegen hat diese Quellengruppe die Kennzeichnung als Weistümer erhalten. Daneben waren aber auch andere Ausdrücke gebräuchlich. In der Schweiz etwa wurde der Begriff Offnung – im Sinn einer Eröffnung des Rechts – verwendet.

Rechtsetzungen

87. Vereinbarungen

Im Reich und in den Territorien gab es nur wenige Rechtsetzungen. Diese hatten, anders als Gesetzgebungen im modernen Sinn, die Gestalt von Vereinbarungen, die eine Gruppe von Personen abschloss. Grund dafür war der Umstand, dass keine Person oder Institution die Autorität zum alleinigen Erlass von Gesetzen besaß. Vielmehr beruhte die Verbindlichkeit von Rechtsetzungen auf der Zustimmung der an diesem Vorgang Beteiligten, die meist mit einem Eid bekräftigt wurden. Damit waren grundsätzlich auch allein diejenigen, die zugestimmt hatten, zur Einhaltung verpflichtet.

Friedenswahrung

88. Einschränkung der Fehde

Rechtsetzungen erfolgten im weltlichen Bereich vor allem mit dem Ziel, Fehden einzuschränken und damit den Frieden in der Gemeinschaft zu wahren. In dieser Hinsicht wurden im Vergleich zu den Stammesrechten neue Wege eingeschlagen. Insbesondere ergingen partielle Fehdeverbote. Die Verbote waren regelmäßig zeitlich befristet und mussten daher immer wieder erneuert werden. Das hing nicht zuletzt mit der beschränkten Bindungswirkung von Rechtsetzungen zusammen. Die Friedensvereinbarungen fanden im Jahr 1495 einen Abschluss durch den Erlass des „Ewigen Landfriedens“. Dieses Jahr kann daher unter dem Gesichtspunkt der Quellen als Endpunkt eines rechtshistorischen Abschnitts angesehen werden.

Vielschichtigkeit

89. Weltliche und kirchliche Rechtsordnung

Kennzeichnend für den Zeitraum zwischen dem 10. und 15. Jahrhundert ist zudem eine Vielschichtigkeit des Rechts. Zum einen stand das kirchliche Recht neben dem weltlichen Recht. Von kirchlichen Institutionen wurden Regelungen zu zahlreichen Themen im Bereich des Zivil- und Strafrechts getroffen, die auch Gegenstand weltlicher Rechtsetzungen waren und dort teilweise andere inhaltliche Gestaltungen erfuhren. Es gab somit zwei konkurrierende Rechtsordnungen.

90. Rechtsschichten

Zum anderen wies das weltliche Recht zahlreiche Schichten auf. Neben dem Reichsrecht existierte eine Vielzahl von Regelungen, die nur für bestimmte Personen bzw. in bestimmten Gebieten galten (sog. Partikularrecht). Insbesondere hatten zahlreiche Personenverbindungen eine eigene Rechtsordnung. Bedeutsame Arten solcher Verbindungen waren Städte, Grundherrschaften und Lehensbeziehungen. Dementsprechend stellten Stadtrechte, Hofrechte und Lehensrechte wichtige Gruppen von Rechtsordnungen (sog. Rechtskreise) dar. Zu dem Reichsrecht und den Partikularrechten kamen Lehren der Rechtswissenschaft, die zum Teil eine praktische Bedeutung erlangten.

4.1.2.Weltliches Recht
4.1.2.1.Heiliges Römisches Reich
Rechtsetzungen

91. Reichslandfrieden

Auf Reichsebene erfolgten Rechtsetzungen durch den Kaiser unter Mitwirkung derjenigen weltlichen und geistlichen Fürsten, die ihm zu Rat und Hilfe verpflichtet waren. Die Gelegenheit dazu boten Zusammenkünfte auf sog. Hoftagen. Zentrales Thema der Rechtsetzungen bildete seit Beginn des 12. Jahrhunderts die Friedenswahrung.

Mainzer Reichslandfriede (1235), Einleitung:

Fridericus secundus divina favente clemencia Romanorum imperator semper augustus (…) circa regimen subiectorum consilia nostra duplici vinculo pacis et iusticie roboranda providimus (…). (…) de consilio et assensu dilectorum principum ecclesiasticorum et secularium in sollempni curia celebrata Moguncie constitutiones (…) presentibus eisdem principibus, nobilibus plurimis et aliis fidelibus imperii, fecimus promulgari.

Friedrich II., durch das Walten von Gottes Gnaden Römischer Kaiser und allzeit Erhabener (…). Wir wollen Vorsorge treffen, dass Unsere Entschlüsse über die Regierung Unserer Untertanen durch das doppelte Band des Friedens und der Gerechtigkeit bestimmt werden (…). Daher haben Wir auf Anraten und mit Zustimmung der geliebten geistlichen und weltlichen Fürsten auf der zu Mainz abgehaltenen feierlichen Versammlung einige Erlasse (…) in Gegenwart dieser Fürsten, vieler Edlen und anderer Getreuen des Reichs verkünden lassen.

92. Verfassungsrecht

Abgesehen von den Reichslandfrieden verwendeten die Kaiser das Instrument der Rechtsetzung selten. Auch die Reichsverfassung wurde nicht vollständig, sondern nur fragmentarisch geregelt. Wichtige Themen bildeten die königlichen Hoheitsrechte (Regalien) sowie die Königswahl. Letztere erfuhr unter anderem durch die „Goldene Bulle“ (benannt nach dem goldenen Siegel, das an der Urkunde angebracht war) 1356 eine detaillierte Ausgestaltung. Dabei wurde unter anderem festgelegt, welche Fürsten zur Wahl des Königs berufen waren (sog. Kurfürsten) und welche Rechte diesen zukamen.

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9783846352236
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