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Austritt aus der Loge … und dann?

Ehe ich in meine Initiation einwilligte, hatte ich ein wenig besorgt gefragt, ob es leicht wäre, die Loge wieder zu verlassen. Anstelle einer Antwort verwies man mich mit ausdrücklichem Wohlwollen auf Artikel 12 der Allgemeinen Regeln, der diese Frage behandelt: »Jeder Austritt muss dem Präsidenten der Loge vorgelegt werden. […] Der Austritt wird am Tag der Verlesung des Austrittsschreibens im Rahmen einer Festarbeit akzeptiert und wirksam. […] Der Austritt aus den blauen Johannisgraden zieht den Austritt aus den Hochgraden der Loge nach sich.«

Der Freimaurerei den Rücken zu kehren ist scheinbar kein Problem.

Genau deshalb können die Freimaurer übrigens auch behaupten, dass die Freimaurerei nicht sektiererisch ist. Etliche Brüder vertreten den Standpunkt, dass die Aufnahme in eine Freimaurerloge – im Unterschied zu einer Sekte – sehr schwierig, der Austritt hingegen laut Statuten eine reine Formalität sei.

Also brachte ich noch am selben Abend, sobald ich wieder zu Hause war, meine Entscheidung zu Papier. Ich begann mein Schreiben mit der üblichen rituellen Anrede: »Ehrwürdiger Meister10 und ihr alle, meine Schwestern und meine Brüder in all euren Graden …«

Dann fuhr ich fort: »Ich möchte heute […] mit dem nötigen Abstand, den ich brauchte, um über mein freimaurerisches Engagement nachzudenken […] ein grundlegendes Problem ansprechen. […] Ich bin mit meinem Vorgehen nicht auf einem falschen Weg. […] Es ist für mich richtig, wenn ich zur Freimaurerei auf Distanz gehe […]. Deshalb erkläre ich hiermit meinen Austritt aus der Loge und dem Internationalen Freimaurerorden für Männer und Frauen ›Le Droit Humain‹.«

Es war spät am Abend des 9. Oktober 2013. In dieser mitternächtlichen Finsternis war der Herbst an der Aude schon ein wenig frostig.

Am 15. November erhielt ich von meinem Meister vom Stuhl eine derart unterkühlte und lakonische Antwort, dass ich mich in meiner Entscheidung bestätigt fühlte: »Lieber Serge, die Loge hat deinen Austritt nach Verlesung deines Schreibens in der Festarbeit am 14. November dieses Jahres zur Kenntnis genommen.«

Es folgten eine Höflichkeitsfloskel und die Unterschrift, die das Ende eines stets loyalen freimaurerischen Engagements, das immerhin 24 Jahre gedauert hatte, bedeuteten. Wenn ein Austrittsgesuch eingereicht wird, sehen die Regeln ein Treffen zwischen dem austrittswilligen Freimaurer und einem oder mehreren Meistern vor. Um sicherzugehen, wie es heißt. Tatsächlich jedoch – das kann ich bezeugen – in der Absicht, ihn von seinem Entschluss abzubringen. Vor allem dann, wenn es sich um jemanden handelt, der schon seit vielen Jahren dabei oder gar Mitglied der Hochgrade ist. Das war auch in meinem Fall nicht anders. Doch die beiden Schwestern, die sich mit mir trafen – und die es im Übrigen wirklich gut meinten und meine Entscheidung ernsthaft bedauerten –, begriffen rasch, dass ich für die Organisation »verloren« war: Ich war gläubig geworden!

Nur diesem Glauben habe ich es zu verdanken, dass ich imstande war, meinem Aufstieg in den innersten Zirkel der Freimaurerei ein Ende zu setzen. Wie die meisten Freimaurer, die oft aufrichtige Menschen sind, war ich von der Philosophie der Gruppe, der ich meinen Eid geschworen hatte, derart »absorbiert«, dass ich die Tragweite dieses Initiationsprozesses nicht hatte einschätzen können.

Als ich im Februar 1989 den Freimaurern beigetreten war, hatte ich mich von der List des bösen Feindes täuschen lassen und ihm, ohne mir dessen überhaupt bewusst zu sein, die Schlüssel zu meiner Seele ausgehändigt. »Praktiken, die auf die Entfaltung okkulten Wissens oder okkulter Fähigkeiten abzielen, sind immer stillschweigende Pakte, Verträge mit dem Dämon.«11 Tatsächlich ist die Freimaurerei ein Werkzeug des Teufels und zieht einen Pakt mit dem Bösen nach sich, der oft unbewusst geschlossen wird. Ich sage dies nicht, um die zahlreichen Freimaurer an den Pranger zu stellen, denn auch sie sind in aller Regel unfreiwillige Opfer: »Heute benutzt er [der Teufel] die Freimaurerei, um unter dem Vorwand, sie der göttlichen Autorität zu entziehen, möglichst viele Seelen in seinen Netzen zu fangen. Dieser erbitterte Krieg gegen die Kirche, den man im 18. Jahrhundert im Namen der Aufklärung geführt hat und der heute im barbarischen Namen des Laizismus geführt wird, lässt sich nur mit dem Einfluss des Geistes der Bosheit erklären.«12

Wie wir im Verlauf dieses Buches sehen werden, ist das Vorgehen Luzifers durch die Freimaurerei so gefährlich, weil es nicht explizit zutage tritt. Wer sich um die Teilnahme am freimaurerischen Abenteuer bewirbt – und bereits der allgemeinen Entchristianisierung verfallen ist –, ahnt nichts von seiner tatsächlichen Wirksamkeit. Wie die meisten anderen hatte auch ich das »Licht« gesucht, ohne zu wissen, dass es in der Liebe Christi schon längst an meiner Seite war. 300 Jahre der »Entkatholisierung« Frankreichs – eine direkte Folge freimaurerischer Umtriebe – hatten mich, so wie viele meiner Logenbrüder und -schwestern, von der Kirche entfernt. Und in diesem spirituellen Vakuum, in dem ich mich befunden hatte, war ich aufrichtig davon überzeugt gewesen, dass die Freimaurerei sich für das »Glück der Menschheit« einsetzte. Wer würde sich daran nicht beteiligen wollen? Doch die freimaurerischen Worte waren raffinierte Tricks, hinter denen sich andere, weniger lobenswerte Ziele verbargen: Geschäftemacherei, politische Intrigen, das Knüpfen vorteilhafter Beziehungen – und vor allem Zugang zu den Mächtigen durch die Einführung durch Bekannte. Am Ende begriff ich, dass das »Glück« nach freimaurerischem Verständnis nichts mit dem »Heil« zu tun hat, das Jesus uns gelehrt und zu dem er uns den Weg gewiesen hat. Den Freimaurern ging es um eine andere Art von »Glück«. Ein »Glück«, das sie mit der sofortigen und uneingeschränkten Verwirklichung ihres persönlichen Vergnügens verwechselten: Das, was die Freimaurerei für echte Freiheit hält, ist in Wirklichkeit blanker Individualismus.

I. Im Schatten der Symbole
Sinn und Tragweite der freimaurerischen Symbole

Die freimaurerischen Symbole sind alles andere als harmlos. Sie öffnen, wie wir noch sehen werden, der Esoterik Tür und Tor. Sie führen den Eingeweihten in ein vollkommen anderes Denk- und Wertesystem hinein.

Vom ersten Tag seiner Initiation stürmt diese neue Welt auf den Adepten ein, der mit jedem Grad neue Symbole entdeckt. Die freimaurerischen Symbole sind materiell – Hammer, Meißel, Maßstab, Winkelmaß, Zirkel, Senkblei, Brecheisen, Schurze, freimaurerische Handschuhe und Schärpen usw. – oder immateriell – Rituale, Platzwechsel in der Loge, Sitzordnung der Freimaurer gemäß ihrem Grad, Sitzordnung der Beamten, Regeln, die es bei Wortmeldungen zu beachten gilt, rituelle Vorrechte der Beamten, Worte, die gesprochen, und Texte, die rezitiert werden, sowie Gesten bei den Zeremonien der Einweihung oder der Erhebung zu den verschiedenen Graden. Auch kosmogonische1 Darstellungen wie die Tierkreiszeichen, der Mond und die Sonne oder metaphysische Darstellungen können Symbole sein: in den blauen Logen etwa das Allsehende Auge oder der Flammenstern, in den Hochgraden das Synthem: ein schwarzer Kreis auf blauem Grund, darin ein weißes gleichseitiges Dreieck, innerhalb dessen sich ein goldener fünfzackiger Stern befindet (im IV. Grad des Geheimen Meisters), und Jupiter, symbolisiert durch einen goldenen Stern hinter dem Platz des Erhabenen Großmeisters2 (im XII. Grad des Großarchitekten).

Man muss wissen, dass das freimaurerische Symbol seiner Natur nach absolut nichts mit der christlichen Symbolik zu tun hat. Letztere dient allein dem Zweck, eine geoffenbarte Wahrheit darzustellen. Das freimaurerische Symbol dagegen soll ein Wissen bewusst machen, das der Eingeweihte unbewusst in sich trägt: »Die freimaurerischen Symbole sind also dazu da, uns die Wahrheiten zu veranschaulichen, die in uns sind. Sie sind ein getreues Abbild dessen, was in unserem Geist vorhanden ist.«3

Daher können die freimaurerischen Symbole auf mehreren Ebenen gedeutet werden: auf einer exoterischen, das heißt erkennbaren und allgemein verständlichen Ebene, und auf einer esoterischen Ebene, die nur im Initiationsgeheimnis zugänglich wird. Die erstgenannte Ebene appelliert somit an den gesunden Menschenverstand der »profanen« Vorstellungswelt. Die zweitgenannte dagegen verweist auf das, was verborgen, geheim und nur dem Eingeweihten zugänglich ist.

Der Schurz, den die Freimaurer tragen, gehört zum Beispiel zu den typischsten Symbolen der Initiationsgemeinschaft.4 Dieses Kleidungsstück – darin besteht seine übliche und profane Funktion – soll seinen Träger schützen. Das ist auch die objektive Bedeutung, die ihm die Freimaurerei beimisst. Darüber hinaus aber hat der Schurz in der Loge einen verborgenen, mehr esoterischen Sinn: Der Lehrling trägt einen Schurz, dessen dreieckige Klappe nach oben zeigt. Profan gesprochen dient dies, wie oben gesehen, dem Schutz des Solarplexus. Doch auf der Ebene der geheimen Symbolik entspricht dieser Teil des Körpers, wie ein besonders eingeweihter und sachkundiger Autor schreibt, »dem Nabelchakra, von dem die ›Gefühle‹ und ›Emotionen‹ abhängen, vor denen sich vor allem der Lehrling schützen muss, um zu jener Heiterkeit des Geistes zu gelangen, die ihn zu einem echten Eingeweihten machen wird«.5 Aus diesem Grund tragen der Geselle und der Meister die Klappe ihres Schurzes nach unten geklappt: Sie verfügen über ein Wissen der Eingeweihten, aufgrund dessen sie nicht länger befürchten müssen, dass ihre Suche von ihren Emotionen und Gefühlen beherrscht wird.

Nach seiner Initiationszeremonie, bei der man ihm sagt: »Hier6 ist alles Symbol« und: »Suche, und du wirst finden«7, hat der Freimaurer genau verstanden, dass außer der Symbolik in der Loge nichts existiert. Die »Wahrheit« selbst wird auf geheime8 Weise vom Symbol getragen, und gleichzeitig gewährt das Symbol Zugang zu dieser freimaurerischen Wahrheit.

Das Symbol spielt in dieser Geheimgesellschaft eine so wichtige Rolle, dass die Freimaurerei ohne ihre Symbole völlig substanzlos wäre: »Man muss sich einfach bewusst machen und als grundlegende Gegebenheit anerkennen, dass dieses symbolische Universum mit der Freimaurerei im Wesentlichen identisch ist, mehr noch, dass diese ohne es jedwede Besonderheit oder gar ihre ganze Bedeutung und ihren eigentlichen Daseinsgrund verlieren würde. Mit anderen Worten, ohne die Symbole und die Dynamik, die sie daraus schöpft, gäbe es die Freimaurerei nicht mehr.«9

Während meiner Zeit als Freimaurer, in der ich mich vom Grad des Lehrlings zu dem eines Großarchitekten hochgearbeitet und unter anderem die Ämter des Schaffners, des Zeremonienmeisters, des Zweiten Aufsehers und des Meisters vom Stuhl bekleidet habe, konnte ich beobachten, dass die Wirksamkeit der Symbole durchaus real ist: Das Symbol wirkt tatsächlich insgeheim auf den menschlichen Geist. Darüber werden wir im vorliegenden Buch noch Genaueres erfahren, wenn wir uns mit einer Symbolik befassen, die in Ritualen organisiert ist: in Ritualen, die einer regelrechten Magie Tür und Tor öffnen und sich sogar ganz unmissverständlich auf Luzifer beziehen. Besagte Symbolik soll, wie ich bezeugen kann – und darum geht es in diesem ersten Teil –, im Zuge ihrer fortschreitenden Aneignung durch den Eingeweihten eine Werteskala, eine Weltanschauung und ein gedankliches Bezugssystem bilden, das der freimaurerischen Doxa10 entspricht und allen Freimaurern gemeinsam ist. Zu demselben Ergebnis kommen übrigens auch die eben zitierten Autoren: »Die Freimaurerei ist ›ein allegorisch bemänteltes und durch Symbole veranschaulichtes moralisches System‹.«11

So steht etwa der schwarz-weiß gekachelte Boden – das sogenannte Musivische Pflaster, eines der wichtigsten Symbole des Freimaurertums – für die Überzeugung, dass die verschiedenen Religionen gleichwertig sind, dass Gott ein Konzentrat sowohl des Guten wie des Bösen ist und dass der Mensch sich seine eigenen Gesetze gibt.

Symbolik des Musivischen Pflasters und des Relativismus
Was bedeutet das Musivische Pflaster?

Das Musivische Pflaster zählt zu den machtvollsten Symbolen der freimaurerischen Doxa. Es bildet – und zwar für alle Grade – eine der Grundlagen, wenn nicht sogar das wesentliche Bezugssystem der freimaurerischen Initiation. Schon am Abend meiner Initiation war ich beeindruckt von diesem rechteckigen Schachbrett aus schwarzen und weißen Fliesen in der Mitte des Tempels, um das herum die drei »Säulen« der Loge angeordnet waren.

Manche Freimaurer haben während einiger meiner Vorträge darauf hingewiesen, dass es sich doch »nur« (sic) um ein Symbol handele. Ich kann an dieser Stelle nur wiederholen, was ich ihnen schon damals geantwortet habe: »Genau! Das Musivische Pflaster ist ein freimaurerisches Symbol. Nicht mehr und nicht weniger!«

Denn ein freimaurerisches Symbol ist niemals harmlos. Und vor allem bezieht sich dieses Symbol auf die unzugängliche freimaurerische »Wahrheit«.

Später lernte ich, dass die weißen und schwarzen Fliesen gleichwertig sind und eine duale Sicht des Universums und der Kräfte versinnbildlichen, aus denen es sich zusammensetzt: »Alles gleicht sich mit strenger Genauigkeit aus […]. Wir wissen das Vergnügen nur zu schätzen, wenn wir es dem Schmerz gegenüberstellen […]. Die Freude misst sich am Leid […]. Der Irrtum manifestiert die Wahrheit. Das Gute zieht uns in dem Maß an, wie das Böse uns abstößt. Das Schöne gefällt uns im gleichen Verhältnis, wie das Hässliche uns Schrecken einflößt. Das Licht nimmt man nur durch den Gegensatz zur Finsternis wahr.«12

Für die Freimaurerei sind diese dualen Kräfte nicht nur eine Verbindung, die unterschiedliche Potenziale minimiert, sondern sie stehen sich auf ewig gegenüber. Meine Erfahrung mit der Freimaurerei verleitete mich zu dem falschen Schluss, dass dieser Kampf den Lebensprozess in Gang setzen würde: »Das Leben geht aus einem permanenten Konflikt hervor. Der Gegensatz ist es, aus dem sich alles ergibt.«13

Übrigens nimmt die Freimaurerei grundsätzlich an, dass der Mensch keinen Zugang zu einer absoluten Wahrheit hat: »Man darf nämlich vermuten, dass sich uns die absolute Wahrheit […] a priori entzieht.«14 Sie leugnet sogar, dass die Wahrheit überhaupt absolut sein kann.15 Ein Geselle erklärte in einem seiner Werkstücke16: »Ich für meinen Teil glaube nicht an eine absolute Wahrheit. Die Relativität scheint mir der Wesenskern des Lebens zu sein.«17

Die Zeremonie der Aufnahme zum zwölften Hochgrad bestätigt diesen relativistischen Ansatz des Freimaurertums. Wenn der Geheime Meister die »Sprossen« vom vierten zum elften Grad »erklimmt«, um in den Grad des Großarchitekten erhoben zu werden, mahnt ihn das Ritual: »Sie müssen nun begreifen, dass Hiram18 den menschlichen Geist symbolisiert, der unablässig nach der Wahrheit strebt.«19

Genau daran wird man in den »Perfektionsgraden« immer und immer wieder erinnert: Es gibt keine absolute Wahrheit, die dem Menschen zugänglich wäre. Seine Suche vollzieht sich in der Stille und im Geheimen. Der Geheime Meister befindet sich an einem Ort der Meditation, am Grab des Meisters Hiram, er steht vor einer Tür, die er öffnen muss, das heißt, er muss die esoterischen Lehren dieses Grads verstanden und verinnerlicht haben, damit er die der höheren Grade begreifen kann und zu schätzen weiß.

Die Vorstellungen von Gott und der Ewigkeit sind relativ

Daher wird auch die Vorstellung von Gott selbst relativiert. Bei der Zeremonie des Übergangs vom XI. zum XII. Grad hatte ich selbst gehört, wie der Ehrwürdige Meister fragte:

– »Ist der Gott der Christen derselbe wie der, von dem die antiken Mythologien sprechen?«

– »Da Gott nicht erkannt werden kann, ist er zwangsläufig unter den verschiedenen Namen immer derselbe«20, hatte der Erste Aufseher daraufhin geantwortet.

Als Katholik, der ich inzwischen wieder geworden bin, kann ich nicht die geringsten Gemeinsamkeiten zwischen den ägyptischen, griechischen und römischen Göttern und dem Gott der Bibel feststellen. Und vor allem gibt es für mich nur einen einzigen Gott, der sich in Jesus Christus geoffenbart hat – und der hatte ganz sicher nichts mit antiker Mythologie zu tun!

Obendrein geht die freimaurerische Wahrheit paradoxerweise davon aus, dass die Seele ewig und zugleich nicht ewig ist. Artikel 3 der Verfassung von »Le Droit Humain«, den der Redner im Rahmen meiner Initiationszeremonie vorgelesen hatte, sagt ausdrücklich: »Die Mitglieder sind unabhängig von allen religiösen Einrichtungen, Organisationen und Glaubensrichtungen, einschließlich des Glaubens an ein Weiterleben oder Nichtweiterleben nach dem Tod. Darüber hinaus trachten sie vor allem danach, ein größtmögliches Maß an moralischer, intellektueller und geistiger Entwicklung für alle Menschen zu erzielen. Der Orden glaubt, dass dies eine Grundbedingung für das Glück ist.«21

Man sieht, wie ich Schritt für Schritt und unter dem ständigen Einfluss einer radikal relativistischen Doktrin – wenngleich in einer Großloge22, die sich selbst als deistisch bezeichnet – letztlich meinerseits dem Relativismus verfiel.

Für einen Profanen ist es unvorstellbar, wie beengend der Relativismus sein kann, sobald er als Doktrin daherkommt. Angeblich »befreit« er das Denken, doch in Wirklichkeit lässt er es erstarren, denn die Wahrheit zu relativieren heißt letzten Endes, an gar nichts mehr zu glauben: nicht einmal mehr an etwas, das sich unseren Augen und unserem Herzen so offensichtlich darbietet wie die Liebe Gottes, der für uns am Kreuz gestorben ist.

Das unüberwindliche Paradox einer relativen Wahrheit

Dennoch strebt der Weg des Eingeweihten der Einheit entgegen – einer Einheit jedoch, die außer Reichweite ist, wie die Erklärung des Redners bei der Zeremonie der Zulassung zum XXX. Grad beweist: »Die höchste Initiation hat Sie auf die Stufe der Dualität geführt, die überall auf diesem Areopag23 symbolisiert wird. Doch wehe, Ritter, alles auf dieser Welt endet hier. Auf dieser Stufe müssen Sie zwangsläufig handeln. Eine höhere Stufe können Sie sich lediglich vorstellen: die Stufe des Absoluten, wo sich die Dualität in Einheit auflöst […]. Ihr Handeln kann sich von der Vorstellung der Einheit lediglich inspirieren lassen.«24

Die Vorstellung von einer solchen höheren Ebene – der »freimaurerischen Dreiheit« – findet sich beispielsweise auch im Musivischen Pflaster wieder. In meinen Jahren als Mitglied der blauen Loge und vor allem als Lehrling bekam ich von den älteren Meistern des Öfteren zu hören, dass zwischen den weißen und den schwarzen Kacheln eine rote Linie verlaufe, die »dünner als eine Rasierklinge« sei.25 Genau genommen handelt es sich um eine Art »Synthese« der beiden dualen Pole, die der freimaurerischen Lehre zufolge für den Menschen ebenso unerreichbar ist wie die Wahrheit. Ich begriff die Bedeutung dieses unsichtbaren symbolischen Bildes erst später, als ich Geselle geworden und insbesondere, als ich zum Grad des Meisters aufgestiegen war und den Sinn der »freimaurerischen Dreiheit« verinnerlicht hatte, die im ersten Grad gelehrt wird.26

Vom Grad des Meisters an weiß sich der Eingeweihte dieser Dualität zu bedienen und nutzt sowohl das Gute als auch das Böse, sowohl die Finsternis als auch das Licht, um seinen Weg zu finden. Im Gegensatz zum Christen, der sich trotz seiner Unvollkommenheiten und trotz der Hindernisse des Lebens bemüht, dem Weg des Lichts und der Wahrheit Christi – dem Weg zum Guten – zu folgen, schreitet der Eingeweihte auf dem Weg des Guten und gleichzeitig des Bösen voran. Das bestätigt sich bei der Feier der Erhebung zum XXX. Grad, die die Hierarchie der symbolischen Hochgrade abschließt.

Im Grunde jedoch handelt es sich um eine polymorphe Einheit, wie sie unter anderem auch die (in der deistischen Freimaurerei verbreitete) Vorstellung vom »Großen Baumeister aller Welten« zum Ausdruck bringt, der als eine Art einheitliche und duale »Verschmelzung«, das heißt als das Gute und das Böse zugleich, aber auch als die Synthese oder Vereinigung des Guten und des Bösen verstanden wird. Der »Große Baumeister aller Welten« ist Liebe und Hass zugleich und die Synthese von Liebe und Hass und manifestiert sich als kosmische und energetische Kraft im Zeichen des einen und manchmal des anderen.

Letztlich richtet die ganz und gar vom Relativismus durchdrungene Freimaurerei ihre Eingeweihten auf eine »offene Gesamtheit« von Wahrheiten aus, die niemals in der Wahrheit schlechthin zu einem Abschluss gelangen können. Mit ihrem Bekenntnis zu einem »absoluten Relativismus« ist die Initiationslehre im Gegenteil in sich paradox.

In diesem Universum, wo es der Freiheit des Eingeweihten überlassen bleibt, den verborgenen Sinn der Symbole zu entdecken, sind dem Forschen des Wahrheitssuchenden keinerlei Grenzen gesetzt.

Als ich nach meiner Erhebung zum XII. Grad des Großarchitekten zum ersten Mal wieder einer Tempelarbeit beiwohnte, überraschte mich ein ritueller Dialog zwischen zwei Beamten, der meinem christlichen Glauben diametral zuwiderlief. Der Ehrwürdige Meister fragte:

»Wofür steht die Kreislinie?«27

Der Erste Aufseher antwortete:

– »Für den Bereich der menschlichen Erkenntnis.«

»Ist also der Bereich der menschlichen Erkenntnis begrenzt?«, fragte der Ehrwürdige Meister.

– »Nein, Ehrwürdiger Meister, dieser Bereich ist unbegrenzt«, erklärte der Erste Aufseher.

Plötzlich offenbarte sich mir ein ebenso eklatanter wie grundlegender Widerspruch. Ich hatte unlängst und in einem Rahmen, der mit der Freimaurerei rein gar nichts zu tun hatte, eine Arbeit über den 119. Psalm der Bibel verfasst. In diesem langen28 Loblied auf den Herrn wird genau das Gegenteil verkündet, denn in Vers 96 heißt es: »Ich sah, dass alles Vollkommene Grenzen hat, doch dein Gebot ist von unendlicher Weite.« Dieser Gegensatz zur katholischen Lehre bestätigte meinen Vorbehalt, den Weg der Hochgrade weiter zu verfolgen: Nein, der Geist des Menschen und seine Erkenntnis sind nicht unbegrenzt! Nur Gott ist unendlich. Unser Wissen ist eingeschränkt, begrenzt, unvollständig, und der Herr allein ist der Allmächtige. Dennoch liegt die Wahrheit nicht außerhalb der menschlichen Reichweite, weil Christus sie uns geoffenbart hat. Der Teufel, und nur er, kann sich erhoffen, uns vom Gegenteil zu überzeugen: »Die Bosheit Satans richtet sich mit derselben Erbitterung gegen das Buch wie gegen die Wahrheit, die darin niedergeschrieben ist.«29

Die angebliche Unbegrenztheit des »Bereichs der menschlichen Erkenntnisse« ist letztlich nichts anderes als die Leugnung der einen Wahrheit und damit indirekt auch der Offenbarung. Ein heimtückischer Leugnungsversuch, der obendrein in die Ausweglosigkeit führt!

Der Relativismus ist eine ebenso schwerwiegende wie essenzielle theologische Sackgasse. Allein schon das Bekenntnis zum Relativismus – das heißt zu der Überzeugung, dass es keine absolute Wahrheit gibt – ist theologischer Unsinn und geradezu sophistisch. Indem sie die Wahrheit so klar als relativ bezeichnet, verkündet die Freimaurerei selbst zumindest eine Wahrheit, die sie als absolut postuliert! Niemand kann kategorisch erklären, die Wahrheit sei nur relativ. Wie also sollte man den Relativismus absolut setzen? Was für ein unauflösliches Paradox!

Ich höre schon, wie gewisse freimaurerische Angehörige der Großlogen einwenden, dass die Freimaurerei das Absolute ja nicht leugne, sondern lediglich erkläre, dass es außerhalb der Reichweite des Menschen liege. Doch wenn die absolute Wahrheit außerhalb der Reichweite des Menschen läge, wie kann dann die Freimaurerei, die durch die Relativität und die Unzugänglichkeit der Wahrheit selbst unbestreitbar menschlich begrenzt ist, den Anspruch erheben, dass ihre Aussage von der Unzugänglichkeit der Wahrheit absolut wahr ist? Hätte sie demnach paradoxerweise Zugang zu einer Wahrheit, die doch unzugänglich, weil ihrer Lehre zufolge außerhalb der Reichweite des Menschen ist? Das wäre ein Widerspruch in sich!

Ich bezeuge schlicht und einfach, dass es keine freimaurerische Wahrheit, sondern lediglich einen dualistischen Okkultismus gibt. Der christliche Glaube dagegen führt mich dazu, das Gute zu wählen – und nur das Gute! Gott wird niemals von uns verlangen, dass wir uns abwechselnd im Licht und in der Finsternis verorten. Oder einem roten Faden folgen, der angeblich zwischen beiden verläuft.

Wenn der geheimnisvolle Ratschluss Gottes uns in der Gegenwart von Gut und Böse, von Licht und Finsternis belässt, dann zeigt und offenbart er uns damit, dass wir die Wahl haben, uns für das Gute und für sein Licht zu entscheiden: »Den Himmel und die Erde rufe ich heute als Zeugen gegen euch an. Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben, damit du lebst, du und deine Nachkommen. Liebe den HERRN, deinen Gott, hör auf seine Stimme und halte dich an ihm fest« (Dtn 30,19–20). Mein Glaube gebietet mir, nicht in dieser Zweideutigkeit zu verharren: »Gott ist treu, er bürgt dafür, dass unser Wort euch gegenüber nicht Ja und Nein zugleich ist. Denn Gottes Sohn Jesus Christus, der euch durch uns verkündet wurde – durch mich, Silvanus und Timotheus –, ist nicht als Ja und Nein zugleich gekommen; in ihm ist das Ja verwirklicht« (2 Kor 1,18–19). Seit mein Herz meinem Erlöser Jesus Christus gehört, ist für mich zwischen dem Guten und dem Bösen, zwischen den schwarzen und den weißen Fliesen des Musivischen Pflasters kein Kompromiss mehr möglich, und wäre er auch nur so dünn wie eine Rasierklinge. Damit, dass er am Kreuz gestorben ist, um uns von unseren Sünden zu erlösen, hat Jesus Satan endgültig besiegt. Und der Teufel rast vor Wut, weil Maria weder die Liebe Gottes noch den gepriesenen Triumph ihres Sohnes jemals in Zweifel gezogen hat: »Wir wollten sogar seine Mutter in Versuchung führen. Ihr Herz war zerrissen, aber auch von großem Frieden erfüllt, und sie hat alles vergeben. Sie liebte und litt: Ihre Vergebung war vollkommen; ihre Liebe war vollkommen; ihr Opfer war vollkommen. Das hat uns besiegt!«30

Hinter der relativistischen Lehre der Freimaurerei mit ihrer vermeintlichen Harmonie und Ausgewogenheit verbirgt sich, im Musivischen Pflaster implizit ausgedrückt, ein Teufelswerk. Denn ihre Botschaft steht im Widerspruch zu der Lehre Jesu. Im Übrigen hat Christus selbst uns vor den Gefahren des Relativismus gewarnt: »Eure Rede sei: Ja ja, nein nein; was darüber hinausgeht, stammt vom Bösen« (Mt 5,37).

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9783947931682
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