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Oder sollten mit Menhiren, Dolmen, Obelisken tatsächlich erd- und kosmische Strahlungen aufgefangen werden? Und wie sollten unsere primitiven Vorfahren darauf gekommen sein? Es gibt Orte auf dieser Erde deren besondere Kraft sich sensiblen Menschen mitteilt, oder wie der französische Schriftsteller Maurice Barrès schrieb: “Stätten, wo der Geist weht”: (Es soll aber nicht verschwiegen bleiben, dass Barrès ein rassistischer Nationalist war, dessen Sorte sich nur allzu gern jeglichem altertümelndem Mystizismus hingibt.)

Dennoch: Ist es nicht so, dass wir uns an manchen Orten wohl und innerlich bestärkt und an anderen instinktiv unwohl fühlen? Ist es nicht denkbar, dass die Menschen einer früheren Zeit, in der die Erde noch nicht so überbaut und sie selbst von keiner Reizüberflutung abgelenkt waren, dass sie damals solche Orte stärker empfanden? Man sagt uns, die Erde sei von energetischen Linien überzogen, einem ganzen Netz davon. Es seien Erdströme, hervorgerufen durch die Erdbewegung, Magnetismus und unterirdische Gewässer. Forschungen haben ergeben, dass sich viele megalithische Monumente, Pyramiden, Tempel und Kathedralen gerade über solchen energetischen Knotenpunkten befinden. Menhire könnten aufgestellt worden sein, um diese Kräfte zu nutzen. Steine können Strahlungen speichern und abgeben, das ließ sich an einem sonnengewärmten Stein leicht erfahren. Sonne ist Lebenskraft, Fruchtbarkeit. Steine können Kraft speichern und Dolmen Konstruktionen oder Steinkreise darüber hinaus wie Verstärker wirken. Das Aufrichten ‚steinerner Balken’ schafft zusätzlich noch die Verbindung zwischen Himmel und Erde, ein mächtiges Instrument und ein Zweck, eine Notwendigkeit, die den schier unvorstellbaren Aufwand erklären würde, der hier betrieben worden ist. Nur eine tief empfundene Dringlichkeit, keine frivolen Eitelkeiten, könnten die Erfindungen ausgelöst haben, die zur Errichtung dieser Giganten nötig waren. Manche wollen die Dolmen mit ihren drei oder vier Säulen, der Deckplatte und der Höhle darunter als kosmische Musikinstrumente sehen. Die Deckplatte wäre demnach die Klangplatte eines gigantischen Xylophons und die Höhle darunter der Resonanzboden. Steine, die unter Spannung stehen, kann man mit einem Fingernagel klingen lassen. Und Musik besitzt eine eigene Magie, die in Kirchen und Tempeln immer schon eingesetzt worden ist. Das ist ein uralter Instinkt. Eine solche Auslegung der Megalith-Monumente ist verführerisch. Sie würde vieles erklären und praktisch keine Ungereimtheiten übriglassen, wie alle anderen Erklärversuche. Ein Menhir, der die Musik des Universums empfängt und weitergibt – welch wunderbare Vorstellung!

Stelen, Fingersteine, Säulen, Obelisken – sie alle erscheinen uns geheimnisvoll und ein wenig bedrohlich, je älter sie sind und je weniger wir über die Erbauer wissen. Vollends unheimlich wird es, wenn die Natur selbst solche Formen geschaffen hat. Fingerförmige Felsen haben seit dem Mittelalter oft die Kulisse für Schauergeschichten über Teufel und Hexen abgegeben. So gibt es im Crau, einer steinigen Gegend der Provence, einen einzeln stehenden, steilen Felsen, auf dem nächtlichen Reisenden der Teufel Matagon zu erscheinen pflegte. Er wollte nichts weiter als einen ehrlichen Handel abschließen. Unterschrieb man ein Papier, auf dem man ihn als Fürsten der Welt anerkannte, so wollte er dafür den neuen Untertanen mit Reichtümern überhäufen. Die Sache war durchaus freiwillig, es ist also gar nicht einzusehen, warum dem armen Matagon ein solch übler Ruf anhaftet. Es war doch bloß Wahlkampf.

In einigen nordischen Kulturen glaubte man, dass die Seelen von Toten gern solche Steine aufsuchten. Angenehmer ist die Vorstellung, dass Elfen in oder unter solchen Steinen wohnen. Das mit den Feen, den Fairies, sidhe (sprich:schii) oder Tuatha Dé Danann stammt von den Kelten. Nachdem sie von den Milesiern, dem fünften Einwanderervolk Irlands besiegt worden waren, gingen die sidhe unter die Erde, wo sie sich wunderbare Reiche mit künstlicher Sonne geschaffen haben. Über der Erde gibt es Orte, die den sidhe heilig sind und die der Mensch besser nicht profaniert, Steinkreise, Dolmen zum Beispiel. Dort können besondere Menschen auch mit ihnen Kontakt knüpfen. Aber Vorsicht: Sie haben ihre Vertreibung durch Menschen weder vergessen noch vergeben und spielen ihnen gern einen Schabernack. Man kann sie mit Musik besänftigen, die sie lieben oder mit einer Schale Milch auf dem Fensterbrett. Auf keinen Fall darf man ihre Wege und Häuser überbauen oder ihre Steingärten zerstören, um Ackerfurchen zu ziehen. Erstaunlicherweise halten sich, wenn auch verschämt, noch heute in England, Schottland, Irland und Island viele, selbst junge Leute an diese alten Regeln. Man weiß ja nie. Island besaß sogar einen staatlich besoldeten Beamten für das Troll- und Feen-Wesen, der in Zweifelsfällen zu Rat gezogen wurde.

Als die Kelten Frankreich und die britannischen Inseln besiedelten war die Zeit des Megalithikums noch nicht so weit entfernt. Man kann annehmen, dass sie um deren Bedeutung und Verwendung wussten. Die alten Steinsetzungen wurden jungen Religion einverleibt, wie das oft war. Die Kelten verzierten viele Menhire mit ihren Zeichen, mit dem keltischen Kreuz, den verschlungenen Knotenmustern, Göttersymbolen und mythischen Tieren, Ogam- oder Ogham-Inschriften und stellten auch eigene Steinsäulen auf. (Ogam ist eine aus Strichen bestehende Symbolschrift der Kelten gewesen. Nach einer Annahme wurde sie durch lybische Missionare nach Irland gebracht und die keltische Bevölkerung hat sie gelernt, weil die Mönche ihre Bekehrungsbotschaft in dieser Schrift auf die uralten Menhire einritzte. Da wollten die Kelten unbedingt wissen, was das für Zauberzeichen waren...)

Der bekannteste keltisch-mythische Stein ist der Lia Fál, der irische Königsstein. Diese Steinsäule soll die Eigenschaft haben, laut aufzuschreien, wenn ein rechtmäßiger Herrscher sie berührt. Sie taucht in der Artussaga auf als Prüfstein für die Würdigkeit eines der Teilnehmer an der Tafelrunde.

Die alten Fingersteine und Skulpturen werden heute noch als Orte voller übernatürlicher Energien empfunden, und tatsächlich, wenn man es fertigbringt, an einem solchen Stein allein oder in der Runde Gleichgesinnte eine Nacht zu verbringen, dann wird man Empfindungen erleben, die sich mit unseren heutigen Vorstellungen und unserem spöttisch-überheblichen Weltbild schwer vertragen. Fühlt man sich beschützt oder bedroht, das hängt wohl vom eigenen Gewissen ab. Die grauen Riesen sind alt und schweigsam, aber sie haben eine unleugbare Präsenz, die eine Auseinandersetzung mit sich selbst herausfordert. Die schweigsamen Steine wurden aufgestellt, um Botschaften zu übermitteln. Stellt man den Lärm der Zivilisation für ein paar Stunden ab, werden sie zu uns sprechen in der universellen Sprache des Instinkts? Die Geschichten über Mutproben, bei denen Menschen für immer verändert wurden, werden ihre Wurzeln schon haben. Oder findet das alles nur in unseren Köpfen statt?

An der australischen Westküste, im Nirgendwo 245 km nördlich von Perth, gibt es ein einzigartiges Naturschauspiel, für die Aborigines heilig, von den eingewanderten Engländern respektlos ‘pinnacles’, Spitztürmchen, getauft. Man sieht dort auf einer Fläche von mehreren Quadratkilometern 150.000 Kalksteinspitzen aus dem Quarzsand ragen, alles blass gelb, die ganze Szenerie. Die Spitzen sind bizarr gezackt und variieren in der Größe von einigen Zentimetern bis zu vier Metern Höhe. Läuft man zwischen ihnen entlang im weichen Sand, fühlen wir uns wie auf einem futuristischen Planeten. Als die Mannschaft eines holländischen Handelsschiffs an dieser Küste an Land ging vor etwa dreihundert Jahren, da hielten sie die Steinformation für Ruinen einer antiken Stadt. Tatsächlich sind es Wurzelzwischenräume. Auf wesentlich höherem Niveau stand vor etwa 30 000 Jahren ein Wald. Der Wald starb ab, aber die Wurzeln dieses sterbenden Waldes blieben solange im Boden erhalten, dass sich die Erde rundumher zu Kalkstein verfestigte. Dann endlich verrotteten die Wurzeln. Der Humus und die lockeren Böden wurden durch Wind und Wasser abgetragen, bis nur die Zwischenräume zwischen den ehemaligen Wurzeln stehen blieben. Das ist das Geheimnis der pinnacles. Die Ureinwohner dagegen glaubten, dass es sich um versteinerte Krieger aus der Traumzeit handelte, ein Teil ihrer mündlich tradierten Geschichte.

Man sieht also, dass aufrecht stehende Steine, ob natürlich oder menschengemacht, einen hohen Aufmerksamkeitswert haben.

Alle Kinder sind von wohl Hünengräbern und Schatzsuchen fasziniert. Auch ein gewisser Johann Joachim Winckelmann aus Stendal ist als kleiner Junge unter den gigantischen Steinen herumgekrochen und hat seine Altersgenossen dazu angestiftet, nach Urnen zu buddeln. Aus ihm wurde dann ein Begründer der modernen Archäologie.

Nun leiden wir Deutschen ja darunter, dass unsere Vorfahren so wenig vorzeigbar sind. Die Ägypter haben Pyramiden gebaut, die Griechen herrliche Skulpturen aus Marmor geschaffen und die Demokratie erfunden, die Mayas bilderübersäte Observatorien hinterlassen – von unseren germanischen Vorvätern lässt sich leider nur sagen, dass sie großartige Raufbolde und ausdauernde Säufer waren. Alles, was sie uns gegeben haben sind ein paar grobschlächtige Hinkelsteine. Da kann es nicht verwundern, dass die Nationalsozialisten eben die Härte und Anspruchslosigkeit als beste germanische Eigenschaften betonten. Was anderes war ja nicht da.

Zur Ehrenrettung unserer Ahnen schritt kürzlich der Oberkustos des Museums für Vor- und Frühgeschichte in Berlin, Dr. Klaus Goldmann. Er stellte die Theorie auf, dass den Germanen in Sachen Nachruhm ihr Reichtum zum Verhängnis wurde, ihr Reichtum an Holz nämlich. Und außerdem scheint sich da schon in römischer Zeit ein Dreckfuhler eingeschlichen zu haben: Ein Übersetzungsfehler machte aus reichem Kulturland einen düsteren Sumpf:

Germanien – ein unpräziser Begriff, aber Sie wissen, was ungefähr gemeint ist – war noch in römischer Zeit mit einem solchen Waldreichtum gesegnet, dass Reisende aus fernen, bereits abgeholzten Ländern davon schwärmten. Insbesondere werden die hochgewachsenen, geraden Stämme erwähnt. Die bei Ausgrabungen aus Torf und Mooren gefundenen außerordentlich gerade gewachsenen Stämme, oft von exakt gleichem Durchmesser lassen sogar an erfolgreiche Forstwirtschaft denken. Bis ins Mittelalter hinein wurde fast ausschließlich mit Holz gebaut, Gegenstände und Verzierungen in Holz geschnitzt und mit Pflanzenfarben bemalt.

Vorstellbar ist also, dass, wie Dr. Goldmann schreibt, in Alteuropa durchaus ein geordnetes Staatensystem mit verfeinerter Kultur existiert hat. Nur sind aufgrund der Vergänglichkeit des Materials Holz kaum noch Spuren davon zu finden. Mit den wenigen gehobenen Schätzen scheint man auch unsachgemäß umgesprungen zu sein. Vieles wurde aus Unwissenheit zerstört. So sind aus Mooren bei Nydam, Dänemark, hölzerne Schilde geborgen worden. Da sie schmutzig waren, wurden sie als erstes mit einem Wasserschlauch abgespritzt. Viel zu spät fiel einem Archäologen auf, dass, was da heruntertropfte, nicht nur Schlamm, sondern auch Farben waren. Die prachtvolle Malerei war fortgespült worden. Jetzt weiß man es besser und es sind neue Funde zu erhoffen.

Weil also unsere Vorfahren kaum Stein genutzt haben, sieht es heute so aus, als seien sie unkultivierte Barbaren gewesen. Dazu kam die Arroganz der römischen Eroberer, die naturgemäß ihre Feinde nicht im besten Licht erscheinen ließen in ihren Berichten. Kolonialherren rechtfertigen ja immer ihr Tun durch kulturelle und nicht durch militärische Überlegenheit. Auch die römischen Missionare ließen es im Nachhinein so aussehen, als habe die Zivilisation erst mit ihrem Kommen angefangen.

965 n.Chr. bereiste der jüdischer Händler Ibrahim Ibn Jakub im Auftrag des Kalifen Hakan II. von Cordoba die nördlichen Länder Mitteleuropas, insbesondere Mecklenburg, Sachsen und Böhmen. Er schrieb einen ausführlichen Reisebericht, der leider nur in Abschriften überliefert ist, weil die Bibliothek von Cordoba einem christlichen Autodafé zum Opfer gefallen ist. Ibrahim Ibn Jakub beschreibt diese Länder als reich an Getreide, Fleisch, Honig und Fischen. Hirse, Gerste und Weizen soll zweimal jährlich geerntet und bis nach Byzanz exportiert worden sein. Ebenso sollen die Germanen mit Reitpferden gehandelt haben, die man schließlich nicht gut in dichten , sumpfigen Wäldern züchten kann.

Ein späterer Kopist/Übersetzer hat dann den Sinn des Textes fast ins Gegenteil verkehrt: Das Missverständnis bezieht sich auf das arabische Wort ham’a, das anscheinend in dieser späteren Übertragung einfach mit ‘Morast’ übersetzt wurde. Das passt aber nicht zu den reichen Getreideernten. Man hätte es mit Lehm und Ton übersetzen müssen, was mehr Sinn macht. Laut Dr. Goldmanns Forschungen war das betreffende Gebiet nämlich trocken gelegtes, fruchtbares Land. Dann gibt es da noch das Wort giyad, Plural von gaida, was man sowohl als sumpfiges Dickicht, als auch als trocken gelegtes Land nehmen kann. Viel von dem trocken gelegten Land wäre demnach später wieder versumpft und überwuchert worden, nach Entvölkerung weiter Landstriche durch Krieg und Epidemien.

Deshalb also glauben einige moderne Altertumsforscher, dass Germanien nicht das finster-trübe Barbarenland gewesen ist, das Tacitus beschrieben hat, sondern durchaus eine Hochkultur mit Schrift und Kunst, nur leider einer sehr vergänglichen.

Auch die Wikinger waren wohl nicht die Vorzeit-Hooligans, als die sie neuerdings gern dargestellt werden. Weder das, noch ein Heldenvolk oder gar weitgereiste Diplomaten. Die Wahrheit liegt wie immer dazwischen. ‘Die Wikinger’ als Volk hat es nie gegeben. Altnordisch vikingr heißt einfach ‘Seeräuber’ und bezeichnet daher nur einen Teil der ausgedehnten und differenzierten skandinavischen Bevölkerung, einen ziemlich großen Teil – zugegeben – sonst hätten sich ihre Raubzüge nicht so eingeprägt. Aber schließlich machen auch heute eine Handvoll brauner Dorfterroristen mehr Schlagzeilen als der viel größere friedliche Rest der Bevölkerung. Ein englischer Wissenschaftler hat den Wandel der Wikinger vom Seeräuber zum Eroberer treffend so beschrieben:

“To viking war eine saisonale Beschäftigung. Im Winter ließ es sich nicht gut reisen und kriegführen, ob zur See oder auf dem Land. Also ging man heim mit seinem Erwerb zu Eltern, Frau und Kindern, reparierte das Dach, kratzte dem Hausschwein den Rücken, zeugte ein neues Baby und wartete den nächsten Ruf zu den Waffen ab. Aber im Ausland zu überwintern .... gab dem vikingen eine neue Wendung: Wenn einen Winter, warum nicht zwei, wenn zwei, warum nicht drei? Die Winter waren wärmer im Süden, die See gefror niemals, das Land war gut und wartete darauf, eingenommen zu werden. Warum überhaupt nach Hause zurückkehren?”

Abgesehen von schönen Schmiedearbeiten und Schmuck, haben die Wikinger vor allem eines hinterlassen, das bei den Neoromantikern heute hoch im Kurs steht: Runensteine, roh zugerichtete Findlinge einfach, in die Runenzeichen eingemeißelt sind. Ich rechne sie wegen ihrer Wirkung ebenfalls zu den ominösen Fingersteinen. Zu Beginn des ersten Jahrtausends waren magische und religiöse Inschriften häufig. Eine andere Gruppe dagegen stellt Rechtsdokumente dar. Interessanterweise handelte es sich dabei meist um Gedenksteine an gefallene Männer. Sie wurden überwiegend von den hinterbliebenen Ehefrauen in Auftrag gegeben, weniger aus Pietät, als um sofort die Erbfolge klarzustellen und die Witwen abzusichern. In späterer Zeit und je weiter weg von der Heimat sie gefunden wurden, hatten die Runen dann oft nur noch Graffiti-Charakter: ‘Hägnar war hier!’

In Schweden gibt es 3000 erhaltene Runeninschriften, in Norwegen etwa sechzig, in Grönland fünfundsiebzig und im kleinen Dänemark immerhin 200. Und obwohl Dänemark so reich an Runensteinen ist, hat es einen 87 Jahre dauernden Vorgang zwischen Preußen und Dänemark gegeben wegen eines einzigen Runensteins, noch dazu einem, der, wie sich herausstellte, doch nur der Graffiti-Sorte angehörte...

Man muss sich vorstellen: seit der Renaissance war das Interesse an der Antike wiedererwacht, an der Philosophie, der Medizin, der Magie, vor allem aber an ihrer Kunst. Seither war gierig und systemlos gesammelt, aber auch vieles zerstört worden. 1762 erschien Winckelmanns ‘Geschichte der Kunst des Altertums’, das erste systematische und umfassende Werk über die Entwicklung der antiken Kunst, ein Bestseller der so packend geschrieben war, dass er die gebildete Welt mit Begeisterung für antike Schätze erfüllte und praktisch die Klassik einleitete.

Der Hohenzollernprinz Friedrich Carl Nikolaus von Preußen war so ein Antikensammler, ein wenig wahllos zwar und ohne Respekt, dafür aber von großer Begeisterung. Zu seinen Souvenirs aus aller Welt zählten ein Boot und ein Anker unbekannter Herkunft, 2 nordische Streitäxte, Schildbuckel, Türbeschläge sowie ein Mumiensarg aus Theben, den er 1883 der Ägyptischen Abteilung des Neuen Museums zu Berlin schenkte. Die Mumie hatte er allerdings zuvor im Billardzimmer seines Jagdschlosses Dreilinden “unter den erläuternden Bemerkungen” anwesender Fachleute auswickeln lassen. Und im Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 hatte er eben einen wikingischen Runenstein mitgehen heißen, um ihn später bei seinem Jagdschloss Dreilinden aufstellen zu lassen. Der Königliche Oberstabsarzt Friedel, berichtete darüber in einem Brief an seinen Bruder:

“Lieber Ernst! ... Der Runenstein stammt vom Ochsenwege dicht bei Rothenkrug nahe Apenrade, woselbst er herrenlos dastand und von Prinz Friedrich Carl mitgenommen wurde.” (Der ‘Ochsenweg’, das war jene engste Stelle zwischen Ost und Nordsee, an der die Wikinger ihre Drachenboote zwecks Weiterreise über Land gezogen hatten.)

Seltsamerweise war es ausgerechnet im Jahr 1864, angeblich kurz vor der Entführung des Steins, dass in Dänemark über ihn geschrieben wurde. Plötzlich war er ein “kleines nationales Heiligtum”. Die Inschrift lautete “hairulfr” und kein Mensch wusste damit etwas anzufangen. In Deutschland wurde die ‚Erwerbung‘ bekannt durch Theodor Fontanes Dreilinden-Kapitel aus ’Neues aus der Mark Brandenburg’.

Zunächst wurde der Stein noch einige Male erwähnt, unter anderem auf den Dreilindener Menu- und Tischkarten als nordgermanisches Heldendenkmal. Dann geriet das Ding in Vergessenheit. In den 1930ern tauchte es wieder auf. Das Interesse an Heldendenkmälern war schließlich immens gestiegen. Eine Rückgabe an Dänemark wurde von einigen Wissenschaftlern vorgeschlagen aber dazu kam es nicht. Runenforscher und SS stritten sich nun um das gute Stück. Da man aber vordringlichere Probleme hatte, blieb es, wo es war. Nach Kriegsende war das Schloss Dreilinden zunächst von US-Militärs kassiert und für Deutsche verboten. Erst 1951 konnte Ernst Reuter den “Hairulfr”-Stein in einem feierlichen Akt dem dänischen Botschafter übergeben. Der versicherte, ganz Dänemark freue sich über die Rückgabe, die ein Beweis des guten Willens zu herzlichen, nachbarschaftlichen Beziehungen sei.

“Hairulf-R”, so weiß man heute, heißt ‘Heerwolf’. Und der war entweder ein gefallener Seeräuber oder ein Runenmeister, der wissen lassen wollte, dass er hier vorbei gekommen ist.

3. Jade und Türkis – zwei Edelsteine der Frühgeschichte

Aus der chinesischen T‘ang-Dynastie (618 – 907 v.Ch.) ist eine grausame Geschichte überliefert:

3000 Schönheiten aus dem ganzen Reich zierten den Hof des Kaisers Ming. Einer davon gelang es, alle anderen auszustechen und den Kaiser an sich zu fesseln. Sie soll sehr schön gewesen sein, Yang-kuei-fei, Jade-gekrönte-Yang; schwarze Mandelaugen, der Mund eine Rosenknospe, eine Haut wie Pfirsich und Reispapier; ihre Gestalt war schlank und biegsam wie ein Schilfrohr im Wind und sie bewegte sich in so feinen Trippelschritten, dass sie über den Boden zu schweben schien.

Hinter dem zarten Äußeren muss sich ein harter Kern verborgen haben. Willensstark, intelligent und skrupellos brachte sie den Kaiser dazu, ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen und der Hofstaat tanzte wie Puppen an den Fäden ihrer kleinen Finger. Sie war die wirkliche Macht hinter dem Himmelsthron. Eine Zeitlang bewunderte man sie derart, dass die Geburt eines Mädchens als gleichwertig der eines männlichen Nachkommen galt.

Was Yang-kuei-fei trug, wurde sofort Mode im gesamten Reich. Ihr Geschmack war berühmt und kostspielig. Besonders liebte sie Jade und sie veranlasste Kaiser Ming unsägliche Summen dafür auszugeben. Außerdem betrieb sie einen über die Maßen frechen und offenen Nepotismus, so dass bald jede einträgliche Stelle mit einem ihrer vormals armen Verwandten besetzt war.

So gewaltig wurde ihre Arroganz und Verschwendungssucht, so drückend die Steuern, dass es schließlich zu einem Volksaufstand kam. Der Kaiser und sein Hofstaat sahen sich gezwungen, mitten im bitteren Winter über die Berge nach Sezuan zu fliehen.

Die Soldaten, die hungrig waren und lange keinen Sold bekommen hatten, machten Yang-kuei-fei für ihre Lage verantwortlich. Sie stellten dem Kaiser ein Ultimatum: Entweder Yang würde auf der Stelle hingerichtet, oder aber sie würden den Kaiser und seine Anhänger im Stich lassen, allein in den Bergen. Bei aller Liebe war dem Kaiser doch der eigene Pelz näher und, nachdem er sich mit einem wunderschönen Liebesgedicht bei Yang-kuei-fei entschuldigt hatte, überließ er sie den Söldnern.

Sie erhielt, wie es Sitte war, einen Seidenschal, an dem sie sich selbst aufzuhängen hatte. Da hing sie nun, an einem kahlen Pflaumenbaum, Heer und Kaiser zogen weiter. All ihr kostbarer Jadeschmuck fiel herab und lag dort im Gras und auf den nackten Felsen. Doch so verhasst war Jade-gekrönte Yang, dass niemand die Schmuckstücke auflas. Wahrscheinlich liegen sie heute noch an der Stelle.

Das Verhältnis der Chinesen zu Jade ist mit der Freude anderer Völker an Schmuck-, Edelsteinen und schönen Dingen nicht zu vergleichen. Für sie besitzt Jade eine Qualität, die man nur als mystisch bezeichnen kann und sie haben eine gerade unheimliche Fähigkeit wahre Jade von ähnlichen Grünsteinen zu unterscheiden. Es ist der Stein des Himmels und mit keinem anderen zu vergleichen. Noch in den 70er Jahren bekam ein Drittel aller neugeborenen Mädchen das Wort Jade als Teil ihres Namens beigefügt: Rote Jade, Jadeschnee..., für Junge suchte man Namen, die Prestige und Macht ausdrückten: Pi (Jadescheibe, die in alten Zeiten hohen Rang ausdrückte), Kuei (Jadeszepter) oder Pu (rohe Jade von hohem Wert). Die chinesischen Schriftzeichen für König und Jade sind sich ähnlich. Sie unterscheiden sich nur durch einen einzigen Punkt. Und das war ganz sicher beabsichtigt. (In alten Zeiten war der König – oder was man bei uns etwa parallel darunter verstand – die höchste Person im Staat; der Begriff Emperor/Kaiser entstand erst später).

Jade war rar im alten China. Als True jade, ‘wahre Jade’ , gilt nur Nephrit, der hauptsächlich in Khotan, der Provinz Sinkiang (Chinesisch Turkestan) gefunden wurde und zwar am White Jade River und im Green Jade River, wo er heute noch abgebaut wird.

Das Verlangen nach dem Besitz von Jade war überwältigend. Frühe chinesische Herrscher richteten ihre Eroberungszüge danach aus, dem Reich soviel Jade-produzierende Gebiete wie möglich hinzuzufügen. Mehrmals sind chinesische Generäle an Burma gescheitert. So groß war die Angst der Generäle vor dem Zorn des Himmelsohns Chien-Kung, dass sie den burmesischen Prinzen hohe Bestechungsgelder zahlten, um Jade heimbringen zu können, die sie dem Kaiser dann als ‚Tribut‘ präsentierten.

Allerdings kommt aus Burma ‘nur’ Jadeit, auch Jadeitit. Der Unterschied zur ‘wahren Jade’ ist wohl nur einem Chinesen verständlich, denn beide sind Silikate mit unterschiedlichen Beimischungen von Magnesium, Eisen, Kalzium und Natrium.

Nephrit, wahre Jade, ist das zäheste Mineral, das wir kennen. Es gehört zur selben Gesteinsgruppe wie Asbest. So hart ist dieser Stein, dass er mit keinem Hammer auf einem Amboss zu zerschlagen ist. Es heißt, dass der Inhaber eines Mineralienkontors bei Bonn um 1910 einen sehr großen Nephrit Block aus China in seinen Besitz bekam. Er wollte ihn natürlich gern in kleinere, besser verkäufliche Stücke zerschlagen und – als die Hammer und Amboss-Methode scheiterte – legte er ihn unter einen Dampfhammer. Der Nephrit blieb unbeschädigt, der Dampfhammer war verbogen!

In China machte man vor 2000 Jahren folgendes Experiment: Ein Nephrit Stück wurde drei mal vierundzwanzig Stunden in einem Kalkofen gebrannt – und kam wie Phoenix aus der Asche heraus, ohne etwas von Glanz und Farbe verloren zu haben. Durch das Glühen wurde er allerdings spröde, so dass er jetzt wenigstens leichter zerteilt werden konnte. Soweit – so gut. Wie aber um alles in der Welt konnte man dieses unglaublich widerstandfähige Material in der Vorzeit bearbeiten? Mit einem unwahrscheinlich hohen Werkzeugverbrauch, feinstem Schleifsand und Kupfersägen, in geduldigster Kleinarbeit, bei der sich Fortschritte nur millimeterweise zeigten. Ein chinesischer Jademeister rechnete für die Fertigstellung eines einziges faustgroßen Stücks ein halbes Jahr.

Kultgegenstände aus Nephrit hat es mindestens schon seit der Jungsteinzeit gegeben. Sorgfältig geschliffene und geglättete Dolche und Äxte aus Grünstein sind aus Gräbern in Sachsen, Südeuropa, Dalmatien, Mähren, Ungarn, Schlesien, Österreich und der Schweiz geborgen worden. Gefunden wurde er in Europa aber nur sehr selten, in südlichen Geröllen und als Adern in der Schweiz. Alles weist also auf einen Fernhandel aus Asien hin. Das hat man sich anders vorzustellen, als Handel heute. Es dauerte vielleicht einige Jahrhunderte, bis so ein Gegenstand von Hand zu Hand ging und immer weiter gen Norden wanderte, getauscht, geraubt, geplündert wurde, bis er schließlich als Prunkaxt am Gürtel eines Sachsenhäuptlings hing.

Eine regelrechte Nephrit Kultur ist sonst nur aus Neuseeland bekannt, wo Grünstein in großer Menge vorkam, aber wegen der unendlichen Mühseligkeit seiner Bearbeitung nur zu besonderen Zwecken verwendet wurde, beispielsweise zur Ahnenverehrung. Äxte aus Nephrit waren Häuptlingsprivileg.

Im Altertum rechnete man auch grünen Jaspis zu den Grünsteinen. Jaspis, ein Silicium Oxid das wesentlich leichter in die gewünschte Form zu bringen ist. Heute werden Fälschungen angeboten aus gefärbtem Marmor, Serpentin, Aventurin, Chrysopras, Rhodonit oder einfach aus Glas. Man ist also gut beraten, wenn man ein wirklich teures Stück erwirbt, sich auf der Kaufquittung versichern zu lassen, dass es sich um echte Jade handelt, so dass man den Kaufpreis reklamieren kann, wenn es sich als Fälschung herausstellt. Bei Groschenartikeln, wie man sie in vielen Steinläden und auf Flohmärkten findet, lohnt sich dieser Aufwand sicher nicht.

In der Antike war ‘Grünstein’ sehr beliebt. Er wurde von den Ägyptern, den Griechen und später den Römern abgebaut. Plinius der Ältere, General und Naturforscher, beschreibt ihn in seinen Steinbüchern so:

“Im Morgenland soll man den Jaspis, welcher dem Smaragd ähnlich ist, und der mitten querdurch mit einer weißen Linie gezeichnet ist, auch Monogrammos heißt, oder wenn er mehrere solcher Linien enthält und dann ‘der Vielbeschriebene’ heißt, als Amulett tragen.”

Die Stämme Israels lernten ihn wahrscheinlich in der ägyptischen Gefangenschaft kennen. Anschließend trug der Hohepriester der Juden in seinem Brustschild einen als ‘Jaspis’ bezeichneten Stein, der wahrscheinlich Nephrit war. Für das wichtige Ritual der Knabenbeschneidung wurden Messer aus Nephrit verwendet. In Persien wurde dieses Mineral als yeschem bezeichnet – Sprachforscher machen daraus den ‘hebräischen Jaspis’. Im alten Assyrien galt der Nephrit als geburtsfördernder Stein. Eine Keilschrift von Ischtars Höllenfahrt erwähnt einen Gebärgürtel aus Nephrit. Man kann sich allerdings auf die Übersetzungen nicht unbedingt verlassen, weil es im Altertum mit den Bezeichnungen und Einordnungen für Steine und Minerale bunt durcheinander ging. Die Wertschätzung für milchig-grüne Steine war allerdings bei allen Völkern der Frühzeit hoch, viel höher als die für alle Edelsteine, die im Westen heute Frauenherzen und Kapital in Bewegung setzen.

Laut singhalesischer Überlieferung soll sich Gautama, als er zum Buddha wurde, auf einen Thron aus durchscheinendem grünem Stein gesetzt haben. Der Thron stand im Himalaya-Gebirge und soll bis in den Himmel gereicht haben. Ob es sich dabei um Nephrit gehandelt hat?

Einzig Chinesen wussten offenbar schon immer genau den feinen Unterschied festzustellen. Der chinesische Philosoph Kvan Chung (7.Jh vor unserer Zeitrechnung) erklärte die überragende Bedeutung dieses Steins so: “In seiner glänzenden Glätte erkennt man das Sinnbild des Wohlwollens (der Götter), in seinem leuchtenden Schliff ist das Wissen verkörpert, in seiner unbiegsamen Festigkeit die Gerechtigkeit.” Sein chinesischer Name ist auch yu , ‚Edelstein der Edelsteine‘ oder ‚hohe Wahrheit‘.

Diese Steine sind so einzigartig, weil aus märchenhaften und zauberischen Vorzeiten stammen. Eine Schöpfungsgeschichte:

In der frühesten Zeit kämpften zwei mächtige Anführerinnen um die Herrschaft über das Reich der Mitte. Nach langem Streit besiegte endlich die Gute die Schlechte. Aber leider wurde bei dem heftigen Kampf eine der vier Säulen des Himmels beschädigt, so dass ein Teil des Firmaments einstürzte. Die neue Herrscherin war darüber traurig und sehr bestürzt und bat ihre Untertanen ihr aus allen Teilen des Landes Steine von höchster Qualität zu bringen, aber was man ihr brachte war nicht schön genug. Da verbrachte sie viele Tage damit, sie so zu verfeinern, dass sie der Farbe und Beschaffenheit des Himmels gleich kamen. Als endlich die Reparatur beendet war, freute sich das Volk daran und feierte das große Werk. Es waren aber einige von den Steinen übrig geblieben. Die verstreute die Herrscherin über das ganze Reich, damit sie von späteren Generationen gefunden und zu Kunstwerken von angemessener Schönheit verarbeitet werden konnten. Seither ist eine Bezeichnung für Jade auch ‘Stein des Himmels’.

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