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Verinnerlicht

Wie lange trägt eine Mutter ihr Baby oder viel mehr ihre Babys unter dem Herzen? Wohl mindestens 9 Monate und ein Leben lang im Herzen. Ich durfte nie dieses Gefühl erleben, wie es ist, schwanger zu sein. Ich konnte nie erleben, wie die Haut des eigenen Babys sich auf der meinen anfühlt. Diese Wärme, dieses Einzigartige. So konnte ich auch nicht erleben, wie es riecht und wie es lächelt, wenn man sich über es beugt und Grimassen zur Belustigung zieht. Umso mehr schätze ich die erste Sekunde, als ich meine Zwillinge sah und sie sich sofort, mit ihren 2 Jahren, in mein Herz hineinschossen.

Mein Mann und ich kamen mit süßen 20 Jahren zusammen. Liebe auf den ersten Blick? Das war uns egal, wir wussten sofort, wir harmonieren, wir bleiben zusammen. Weshalb er nicht lange zögerte und mich aus meinem Elternhaus hinauszog. Er kommt aus einer Bankiersfamilie, also Schotter hatte der gute Mann gehabt. Umgehen konnte er auch mit Geld, weshalb er von Anfang an alles verwaltete und ich in den Tag hineinleben durfte.

Zeit zum Lieben hatten wir genug und das taten wir auch. Nur unser sehnlichster Wunsch ein Kind zu bekommen, blieb uns leider verwehrt.

Und als meine jüngere Schwester bereits ihre erste Tochter geboren hatte, musste ich ihr Kind in den Armen halten und Glückwünsche vorspielen, damit die Harmonie nicht zerstört wird.

Während mein Mann ein unglaubliches Durchhaltevermögen besitzt, war bei mir längst der Geduldsfaden gerissen. So ließ die Gewissheit nicht lange auf sich warten und wir erfuhren den Grund dafür, dass es bisweilen nicht mit unserem Kinderwunsch geklappt hatte. Doch selbst mit diesem Wissen gaben wir unseren Traum vom Kind nicht auf. Mein Mann und ich besaßen ein großes Haus, zwei Autos und eine sorgenfreie Zukunft. Und ganz ehrlich, mit einem Hund wollte und konnte ich mich nicht zufriedengeben, weshalb wir uns gemeinsam für eine Adoption entschieden.

Es dauerte einige Zeit, zwar nicht so lange wie der Zeitraum bis zu dieser Entscheidung, aber es dauerte. Heute sage ich, das Warten hat sich gelohnt. Denn mein Wunsch gleich zwei Kinder zu adoptieren, wurde mir erfüllt.

Ich werde unser erstes Treffen für immer verinnerlicht haben und werde mich somit immer erinnern, wie sie zu zweit zu uns watschelten und die Hände nach uns griffen. Diese Blicke, dieses Vertrauen von der allerersten Sekunde, es war einmalig. Von da an, sollte uns vier niemand mehr trennen. Ab jetzt, sollte meine Liebe, zu diesen drei Männern, bei jeder Gier und Eifersucht erhaben sein. Denn von nun an, hatte ich alles, was ich mir wünschte, weshalb wir die Adoption sofort vornahmen und weiter positiv in die Zukunft schauten, bis das Schicksal unser perfektes Leben beeinflusste.

Sanft gleiten die Hände eines Mannes über den zarten Arm einer Frau, während ihr leises Stöhnen wie Musik in seinen Ohren scheint. Sonnenstrahlen suchen sich ihren Weg durch die Spalten des heruntergefahrenen Rollladens und finden Halt an zwei nackten Körpern, die sich voller Ekstase, in einem Bett auf und ab bewegen. Sie spürt voller Lust ihr Herz höherschlagen, während er sich tief in ihren blauen Augen verliert. Es spielt sich ein leidenschaftliches Liebesspiel ab, in dem beide wissen, was dem anderen Spaß bereitet. Und so hält das Vergnügen lange an, bis Veronika plötzlich langsam ihre Augen öffnet.

Leise, aber dennoch erregt atmend, blinzelt sie an die Decke über ihr, während ihr weiches Bett sie kuschelig umgibt. Die Stimmen ihrer Familie sind bereits hinter der geschlossenen Tür zu hören. Doch nichts auf der Welt könnte sie jetzt motivieren aufzustehen. Vielmehr zieht der Gedanke an ihren Traum sie mehr und mehr wieder in ihre Bettwäsche zurück, in der sie offensichtlich nicht Brandon zu finden versucht.

»Veronika Schatz, bist du wach?«, ertönt es nahe an der geschlossenen Tür, die gleich darauf von ihrem Lebensgefährten, in Polizeiuniform, geöffnet wird.

Mit dem Luftzug, der sich durch das Zimmer zieht, dringt auch das Lachen von Clara hinein.

»Jetzt bin ich wach, mein Lieber.«

Lustlos zieht Veronika die Decke weg, um anschließend in ihre Hausschlappen hineinzuschlüpfen.

»Komm Schatz, ich habe ein reichliches Frühstück auf den Tisch gestellt. Der Kaffee ist noch warm.«

Dankend haucht Veronika ihm nur ihren Atem ins Gesicht, obwohl er einen Kuss erwartet hat.

»Lass mich mal bitte erst die Zähne putzen, okay?«

»Ja klar, Schatz.«

»Morgen Mama«, erklingt die Stimme von Median durch das Loft, während er mit Clara gerade am Tresen der Küche sitzt, der mit frischen Brötchen und Wurst verziert ist.

»Morgen«, grüßt die Mutter zurück, läuft dabei zur Milchglastür, damit sie im Bad ihre morgendliche Körperpflege durchführen kann.

In diesem Moment öffnet sich die Lifttür und Fabian kommt mit der Post hereinspaziert.

»Oh, oh, oh«, zappelt Clara vom Drehstuhl runter, eilt dabei hastig zu Fabian, der gerade seine Schuhe auszieht.

»Ist Post für mich dabei, für mich?«

»So ein Päckchen? Könnte einen Film beinhalten, ja?«

»Ja klar, oh, darauf warte ich schon mein Leben lang.«

Grinsend zieht sich Brandon die Schuhe auf der Couch sitzend an, blickt dabei zu seiner Tochter, die ganz hibbelig Fabian das Paket aus der Hand reißt, um mit diesem in ihrem Zimmer zu verschwinden.

»Und dann haben wir nur noch die Zeitung und die Werbung.«

»Leg sie auf den Wohnzimmertisch, Fabian. Vielleicht will deine Mutter noch vorher einen Blick in die Zeitung werfen.«

Sofort wird der Auftrag von Brandons Stiefsohn ausgeführt.

»Hab ich richtig gehört? Keine weiteren Briefe?«, will Veronika wissen, die aufgehübscht und mit lässiger Kleidung zum Frühstück eilt, um sich dort eine dampfende Tasse Kaffee einzuschenken.

Kopfschüttelnd begibt sich Fabian zu seiner Mutter, um die bereits benutzten Tellern und Gläsern vom Tisch zu räumen.

»Jetzt bekomme ich aber einen Kuss, Veronika. Nicht wahr?«, bettelt der Mann im Haus, getrieben voller Vorfreude, während er die paar Schritte zu Veronika im Stechschritt zurücklegt.

Lachend dreht Veronika ihren Kopf zu ihm, wünscht ihm nach seinem Guten-Morgen-Kuss auch einen schönen Arbeitstag.

»Dir auch viel Spaß heute und viel Vergnügen in der Schule, Jungs.«

»Danke Brandon«, erwidert Median und schluckt dabei sein letztes Stück Brötchen den Rachen runter.

»Bis heute Abend, Papa. Wünsche mir auch viel Spaß in der Schule«, ruft Clara aus ihrem Zimmer, woraufhin Brandon freudestrahlend sein Loft verlässt.

Seufzend blickt Veronika nochmal in die Runde, um, dann voller Stolz, in die Augen ihrer Kinder diese gewisse Zufriedenheit zu sehen. Eine innere Ruhe, die ihre Knirpse so förmlich und wohlerzogen verkörpern und auch ausstrahlen.

»Alles gut, Mama?«

»Alles bestens, meine Lieben.«

Nach diesem Gespräch verbringt die kleine Familie Stein ihre morgendliche Routine, während Clara sich in ihrem kleinen Reich mit Balkon, alleine verweilt. Vor ihrem Flachbildfernseher sitzend, ist sie in das Innenheft ihrer zugesandten DVD vertieft. Als sie auf der letzten Seite angelangt ist, blickt sie schlagartig zu ihrer geschlossenen Kinderzimmertür.

»Veronika? Median?«, brüllt sie plötzlich voller Argwohn in Richtung Tür, steckt danach das Heft wieder in die DVD-Verpackung, um eilig aufzustehen.

»Fabian?«, versucht sie nochmal eine Antwort zu bekommen, marschiert daraufhin zur Tür und öffnet sie nichtsahnend. Ihr Blick schweift durch das menschenleere Loft, um dann an der großen Wanduhr sekundenlang kleben zu bleiben.

»Oh nein, was ein Miststück!«

Nach kurzer Bedenkzeit realisiert Clara, dass sie erstens nicht mitgenommen wurde und sie zweitens bereits jetzt schon viel zu spät zur Schule kommt.

Hastig eilt sie zur Garderobe, um sich für die herbstlichen Wetterverhältnisse zu rüsten, ruft gleichzeitig ihren Vater an, der erstaunt abnimmt und meint, ob sie neuerdings während des Unterrichts telefonieren dürften.

»Ha, du – Papa – ich bin noch zu Hause. Deine Freundin hat mich nicht aus dem Zimmer gerufen und ist alleine mit den Zwillingen losgefahren. Was mache ich denn jetzt? Ich bin schon zu spät.«

»Ruf dir ein Taxi und lass dir eine Ausrede beim Lehrer einfallen.«

»Du musst ja Geld zum Ausgeben haben. Ich hoffe, die bekommt was von dir zu hören.«

»Beeil dich Schatz.«

»Really? Du bist ja witzig«, kommentiert Clara den letzten Satz ihres Vaters sarkastisch, dibbelt dabei hin und her, während sie aufgebracht auf den Aufzug wartet.

Zur gleichen Zeit hält Veronika, allein im Auto sitzend, in einer Parklücke an. Sie zögert kurz, entscheidet sich aber dann doch dafür, ihr Handy ans Ohr zu legen, um den Anruf ihres Liebsten anzunehmen.

»Hallo Brandon. Bist du nicht auf der Arbeit?«

»Hallo Veronika Schatz. Ich bin ein bisschen verwirrt. Sag mal Schatz, hast du nicht was vergessen?«

»Vergessen? Ich? Nicht, dass ich wüsste. Man vergisst doch so einfach nichts.«

»Könntest Clara noch schnell abholen und in die Schule fahren?«

»Oh Brandon. Tatsächlich, ob du es mir nun glaubst oder nicht, eben fällt es mir ein. Ich muss Clara doch vergessen haben.«

»Also könntest du sie schnell abholen?«

»Oh, tut mir leid. Ich stehe gerade in der Innenstadt im Stau. Sie muss sich dann eben schnell ein Taxi bestellen. Soll aber bitte dem Taxifahrer sagen, dass er die Schnellstraße zur Schule benutzen soll. Die dürfte noch frei sein, hab ich gehört.«

»Danke Veronika«, schnauft er enttäuscht durch das Handy, während Veronika nur boshaft lächelt.

»Bis heute Abend mein Brandon Schatz.«

Zufrieden legt Veronika ihr Handy zu ihrem Handspiegel in die Tasche, um anschließend aus dem Auto zu steigen. Voller Genugtuung stellt Veronika sich vor, wie Clara wohl völlig belämmert mit dem Taxi zur Schule fährt. Deshalb läuft sie grinsend zum Aufzug und drückt beim Eintreten den zweiten Knopf, der den Titel ›zur Wohlfühloase‹ trägt.

Schöne, angenehme Musik schwingt durch die Räumlichkeiten, während der lange Flur ausgeleuchtet mit leicht gedimmten Licht den Weg zur Erholung weist. Diese Stille, nur untermalt mit beruhigenden Klängen, verwandelt den Stress in sorgenfreie Gedanken und innere Ruhe.

Kurze Zeit später darf Veronika zugesehen werden, wie sie mit einer Gesichtsmaske versehen, ihren Körper massieren lässt.

»Fühlen Sie sich wohl? Entspannen Sie nett?«, fragt eine Masseurin, die trotz ihrer goldenen Jahre, noch Blümchen in ihre Haare geflochten hat, fürsorglich.

»Jah«, antwortet Veronika in Gedanken und genießt schweigend die außerordentlich liebevolle, aber doch starke Rückenmassage.

»Das ist gut. Wer sich entspannen kann, hat eine ausgeglichene Seele. Das ist wirklich gut.«

»Jah«, verliert sich Veronika in dieser tiefgründigen Stimme, umgeben von purpurnen Trennwänden, die nicht nur für Intimität, sondern auch für Gelassenheit sorgen sollen.

»Nehmen Sie später noch an einer unserer anderen Erholungsmethoden teil? Darf ich Ihnen eine empfehlen?«

»Dürfen Sie nicht.«

»Eine sehr stille Seele, verstehe.«

Die Masseurin stoppt ihren Redeschwall und massiert stillschweigend ihre Kundin weiter. Dabei spürt sie aber eine gewisse Verhärtung am Rücken, die sie beim Einmassieren, nicht unkommentiert lassen kann.

»Sie haben einen schweren Verlust in ihrer Vergangenheit erleben müssen. Träumen Sie ab und an noch von diesem Menschen?«

Auf eine Antwort wartend, umkreist sie die Stelle weiterhin professionell und findet darauf weitere, unangenehme Knoten unter der Haut, die Veronika im Alltag wohl nicht zu belasten scheinen.

»Sie tragen eine schwere Last mit sich. Kann es sein, dass diese Last Sie weiterhin prägt? Dass dieser Mensch weiterhin Ihr Verhalten beeinflusst?«

Kurz öffnet Veronika mit dem Gesicht in der Kopfhöhle steckend genervt ihre Augen, denkt und sagt aber darauf nichts.

»Verhärtungen im Leben sind undankbar und nicht mehr leicht zu lösen. Sie müssen mit positiver Energie umschmeichelt werden, damit Sie sich von der Vergangenheit lösen können.«

»Liest du gerade wirklich aus meinen Verspannungen? Lass das bitte, ich habe für eine Massage bezahlt, nicht für eine Beratung mit extra Tiefenpsychologie.«

»Ich bitte um Entschuldigung.«

»Massiere einfach weiter, dann bin ich glücklich.«

»Natürlich, mein Kind.«

Die Minuten vergehen. Die Stunden verweilen. Und während es so aussieht, als würde die Mutter einen relaxten Vormittag genießen, scheint ihre Kinder der Schulschluss am Nachmittag glücklich zu machen. Hecktisch geht es auf dem Schulhof umher, nachdem die Schulklingel lautstark durch das Gebäude schallt. Gemeinsam aus einem Klassenzimmer entflohen, eilen Median und Fabian mit ihren Rucksäcken versehen durch die überfüllten Flure.

»Fabian. Median«, hören die Zwillinge plötzlich Clara rufen, die weiter vorne an der Ausgangstür steht und bereits auf ihre Stiefgeschwister wartet.

»Ich habe euch in den Pausen gesucht. Wo wart ihr denn?«

»Wir waren, ähm«, antwortet Median verwundert.

»Ist egal, vielmehr interessiert mich, warum ihr heute Morgen nicht auf mich gewartet habt. Hä?«

»Wieso hätten wir denn warten sollen? Wir hatten zur ersten Stunde«, verteidigt Fabian seine Familie.

»Ich nicht oder was?«

»Laut Mama hättest du zur dritten Stunde Schule gehabt.«

»Really? Das hat sie behauptet?«

Fassungslos mit dem Kopf schüttelnd glaubt Clara Fabians Aussage, der daraufhin erstaunt anfragt, ob es denn nicht der Wahrheit entsprochen hätte. Doch Clara wird plötzlich von Freundinnen auf die Seite gezogen, weshalb die 13-Jährige ihm keine Antwort mehr liefern möchte.

Sofort scheint sie sich nur noch für kleinen Weiberkram zu interessieren und kichert lautstark in ihrer Truppe, worauf die Jungs nicht länger warten und hinausmarschieren.

»Glaubst du, Mama hat uns angelogen?«, fragt Median, der zwischen seinen Schulkameraden bereits das schwarz lackierte Auto vor der Schule sichtet.

»Und wenn schon, ist Mama und Claras Problem. Ich will mich da nicht einmischen und du solltest es auch nicht machen.«

»Ja ist gut.«

»Wo ist denn Clara?«, ruft eine frisch aufgehübschte Veronika mit einem strahlenden Teint versehen aus der heruntergekurbelten Seitenscheibe.

»Ähm«, fragt sich Median nach einem kurzen Blick zurück, bevor er nun mit seinem Bruder ins Auto steigt.

»Dann hat das süße Fräulein Pech gehabt. Zumindest warten wir ja auch schon seit 10 Minuten auf sie.«

»10 Minuten?«, fragt Median völlig perlpex.

»Mein Lieber, ich stehe hier schon seit 10 Minuten, ob du es glaubst oder nicht. Wir fahren nun los.«

Den Motor gestartet, das Lenkrad eingestellt und schon braust Veronika mit ihren Kindern vom Parkplatz. Sie hinterlässt dabei eine schockierte Clara, die keine Minute mehr gebraucht hätte, um mit ins Auto steigen zu können.

»Ist deine Stiefmutter wirklich eben losgefahren, Clara?«, fragt die gleichaltrige Svetlana, welche die Verwunderung in ihren Augen lesen kann.

»Sie ist offiziell nicht meine Stiefmutter. Dieses Miststück.«

»O-ha. Also Clara, ich würde mir das nicht gefallen lassen. Aber jetzt komm schnell, sonst verpasst du auch noch den Bus, der fährt gleich.«

Zitternd spürt Clara die Aggressivität, die sich innerlich in ihr breitmacht, schluckt allerdings vorerst ihre Wut hinunter. Denn nun gilt es erst mal für Fräulein Corag, den Heimweg mit dem Bus einzuschlagen, um irgendwie nach Hause zu kommen.

Schweigend darf Clara auf der Heimfahrt im Bus beobachtet werden, wie sie schon fast traurig gestimmt und irgendwo in ihrem Wesen gedemütigt, vor sich hindämmert. Bis Svetlana das kleine Elend darauf aufmerksam macht, den Knopf zu drücken, damit der Schulbus an der nächsten Haltestelle stoppt.

Zum Unglück aller und vor allen Dingen ihrer, fängt es auch noch an zu tröpfeln, weshalb Clara die letzten Meter bis zu ihrem Wohnhaus, durch den unangenehmen Nieselregen laufen muss.

Im Flur des Gebäudes das Trockene gefunden, öffnet sie die Lifttür, um anschließend ihren Hausschlüssel in die Verriegelung zu stecken, damit sie den vierten Knopf betätigen kann. Und kaum sind die Türen aufgegangen, blickt sie in die Gesichter der Zwillinge, die trocken und wohlbehütet, seelenruhig ihre Hausaufgaben am Wohnzimmertisch erledigen.

Die Kleidung völlig durchnässt, entledigt sich Clara schweigend nur ihrer Schuhe, um anschließend durch das Loft zu lümmeln. Sie wirft dabei einen verstohlenen Blick zu Veronika, die ebenfalls in kuscheliger Kleidung an ihrem Tresen in der Küche sitzt und wie gewohnt in der Klatschzeitung herumblättert.

»Danke für alles«, flüstert Clara leise, aber gerade noch laut genug, damit Veronika darüber hinweghören könnte, wenn sie es wollte. Den Tränen nah sucht Clara in ihrem Kinderzimmer Schutz. Schmeißt sich daraufhin, völlig frustriert, aus ihren nassen Klamotten, um dann die Wärme in nun trockener Kleidung einzufangen. Zitternd setzt sich Clara an die Kante ihres Bettes, schaut dabei nachdenklich auf ein Freundschaftsbuch, das sie vom Nachttisch aus anlächelt.

Für einen Augenblick wird sie von ihren Gefühlen übermannt. Kurz fließen ihr mehrere Tränen die Wangen hinunter und der Schmerz ergreift ihr Herz.

Die Lippen zittern, der Puls rast wild. Tiefe Trauer überkommt sie, die Sehnsucht nach der Vergangenheit breitet sich unaufhaltsam in ihr aus. Tränen wegwischend öffnet sie das Freundschaftsbuch von Median Stein, blättert dabei ein paar Freunde weiter, um auf ihrer Seite stehen zu bleiben. Und während hinter ihr der Regen gegen die Balkontür tröpfelt, füllt sie die letzte Zeile aus, die sie noch offen gelassen hat.

›Ich wünsche mir für dich, dass deine Eltern, sowie meine Eltern wieder zusammenkommen.‹

Weinend schlägt Clara das Buch zu und legt es wieder behutsam auf den Nachttisch zurück. Minuten voller trauriger Gedanken vergehen, bis sie ihre neue Errungenschaft vor dem Fernseher erblickt und sich entscheidet, die DVD vom Rekorder abspielen zu lassen.

Sie macht es sich auf dem Boden gemütlich, indem sie sich ihre Bettdecke nah vor den Fernseher zieht, um darin eingemummelt eine Realverfilmung eines Kinderklassikers anzuschauen.

Gut unterhalten von Bild und Ton, verliert sich der Teenager in dieser Geschichte, verdrückt dabei unzählige Tränen und wird mehr als einmal, von einer Gänsehaut überrascht. Dabei blinzelt sie zum x-ten Mal auf das Cover, welches schön anzuschauen, neben ihr liegt. Und mit dieser angenehmen Ablenkung, vergehen auch wohltuende zwei Stunden, an denen dieser unschöne Tag nicht an erster Stelle steht.

Noch während der Abspann läuft, setzt sich Clara lächelnd auf, wird aber jäh durchs Anklopfen an ihre Tür aufgeschreckt.

»Ja?«, krächzt sie mit einem Frosch im Hals, schluckt diesen aber in der nächsten Sekunde hinunter, um dann, aus vollem Halse, ein ordentliches Ja zustande zu bringen.

»Clara meine Liebe, alles gut bei dir?«, tastet sich Veronika scheinheilig in das Reich ihrer Stieftochter.

»Wieso fragst du das? Und überhaupt, seit wann redest du denn wieder mit mir?«

Nachdem Veronika die Kinderzimmertür geschlossen hat, kniet sie sich, mit traurig herunterhängenden Mundwinkeln, zu ihr hinunter.

»Clara, das hat mich schwer getroffen, deine Aussage gestern.«

»Na und, du hast mich auch schwer getroffen mit deiner Aktion heute. Und das gleich zweimal.«

»Liebes, entweder wir spielen zusammen oder wir spielen gegeneinander.«

»Dann fang du erst mal an fair zu spielen«, antwortet Clara betrübt, folgt dabei Veronikas Blick, der zum Cover des Spielfilms führt.

»Ein schöner Film. Ich kenne alle Märchenklassiker. Mein Vater hat einen Narren daran gefressen.«

»Warum erzählst du mir das? Willst du plötzlich meine Freundin sein?«

»Bitte?«, poltert Veronika geschockt von Claras aggressiver Stimmlage dagegen und verlangt daraufhin einen angemessenen Ton ihr gegenüber. Doch die kleine Göre scheint wohl nicht einmal daran zu denken, verschränkt ihre Arme und schaut sie nur herausfordernd an.

»Nun gut, meine Liebe«, erhebt sich Veronika, grinst dabei frech und zuckt ebenfalls mit den Schultern.

»Ich muss dir gestehen, früher, als ich so alt war wie du und mir all diese Filme ansah, wollte meine langweilige Schwester immer die Prinzessinnen sein. Ich hingegen, meine Liebe, hatte schon immer ein Faible für die dunklen Charaktere gehabt. Früher wäre ich gerne das Biest auf diesem Cover gewesen. Heute, heute bin ich das Biest und die Schöne!«

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9783742706041
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