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Ferdinand Wolf saß in seinem Büro am Computer und wollte möglichst viele Informationen über die Organtransplantationsthematik aus dem Internet erfahren. Befürworter und Kritiker wurden nicht müde, Mythen, Irrtümer und Tatsachen aufzuzeigen. Die Ablehnungsrate war in den meisten Ländern in Europa weit über 50%. Er fand eine Europakarte, in der in jedem Staat die Anzahl der Spender pro Million Einwohner eingetragen wurde. In Rumänien gab es demnach 6,6, in Deutschland 10,9, in der Schweiz 14,4, in Österreich 24,6 und so weiter, Spitzenreiter war Spanien mit 35,1 Spender pro Million Einwohner. Woran lag diese extreme Diskrepanz? Waren die Spanier tatsächlich so viel menschenfreundlicher? Stimmten diese Zahlen? Offensichtlich gab es einen Zusammenhang zu den gesetzlichen Bestimmungen. In Spanien wird dies aber heftig bestritten. Angeblich gäbe es keinen einzigen Fall auf der Welt, wo die Zahl der Spender allein durch eine Gesetzesänderung zugenommen habe. In Spanien ist zwar laut Gesetz theoretisch jeder Bürger Spender, sofern er zu Lebzeiten nicht explizit das Gegenteil ausgedrückt hat. In der Praxis werde jedoch immer die Familie des Verstorbenen gefragt und auch in Spanien lehnen zwischen 15 bis 20% der Angehörigen Explantationen ab. Somit würde eine Spende nicht automatisch vorgenommen. Man erklärte dort den Erfolg durch die gute Organisation der spanischen Spitäler. Interessant. Die Menschen zu sensibilisieren wäre sehr wichtig, reiche allein jedoch nicht. In den Spitälern brauche es auch gut ausgebildetes Fachpersonal, das Organtransplantationen koordinieren könne.

Das spanische Modell wurde 1989 eingeführt. Nach nur drei Jahren stand Spanien an der Weltspitze, wo es sich noch immer befindet. Das waren spektakuläre Zahlen, deshalb empfahl die WHO das spanische Modell zur Erhöhung der Organspenden.

Wolf fragte sich, wie es zu erklären sei, dass demzufolge die Koordination der Organtransplantationen in der Schweiz und in Deutschland nur ein Drittel des Erfolges zuwege brachten wie die Spanier. Offenbar war auch der Führungskader des Pharmaunternehmens Qandiga Pharmaceutical diesbezüglich eher skeptisch und zog es vor, seine Lobbyisten einzusetzen, um Einfluss auf die von Sommer erwähnten Gesetzesänderungen des Transplantationsgesetzes auszuüben. Aber würden sie dafür ein zehnjähriges Kind bedrohen? Die überdimensionale Spritze auf den jubelnden Felix gerichtet, nicht gerade subtil für eine Drohung eines Pharmakonzerns. Seltsame Vorgehensweise. Irgendetwas hatte Sommer verschwiegen. Wolf würde ihn damit konfrontieren und ihm auf den Zahn fühlen.

Es war klar, dass Organtransplantationen für die Pharmabranche ein unglaubliches Geschäft waren. Wolf überflog die weltweit steigende Zahl der Transplantationen trotz der Engpässe. Warum gab es so viele Kritiker und warum waren nicht mehr Menschen bereit Spender zu werden?

„Schnell und einfach den Organspendeausweis online ausfüllen und Leben retten. Organe spenden betrifft jeden Menschen. Informieren Sie sich jetzt.“ So oder so ähnlich waren die Slogans der Organisationen, die mit der europäischen Vermittlungsstelle Eurotransplant kooperierten. Diese führte Wartelisten, worauf zig Tausende Patientinnen und Patienten mit lebensbedrohlichen Krankheiten standen. Sie waren darauf angewiesen, dass jemand gefunden wurde, dessen Organ ihnen übertragen werden konnte. Derzeit konnten Niere, Herz, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm nach dem Tod gespendet werden. Nach dem Tod, was war dagegen einzuwenden?

Wolf hatte keinen Organspendeausweis und hatte sich darüber noch wenig Gedanken gemacht. Er war in seinem Beruf schon so vielen gefährlichen Situationen ausgesetzt, dass er mit der Gefahr zu leben gelernt hatte. Er hatte alles unternommen, um am Leben zu bleiben, alles was in seinem Einflussbereich lag. Wenn einmal seine Organe versagten, dann war es eben so weit. So seine Einstellung. Wie würde er denken, wenn es um Julia ging? Er nahm sich vor, sie bei ihrem nächsten Treffen nach ihrer Meinung zu fragen.

Wie hatte Sommer das Gesetz zitiert? Erst wenn der endgültige, nicht behebbare Ausfall des Gehirns diagnostiziert wurde, werden Organe entnommen. Für einen Laien bedeutet der Ausfall des Gehirns den Tod, war das denn so?

Wolf sah im Gesetz nach, das auf der Webseite der Gesundheitsbehörde ausschnittweise veröffentlicht wurde: „Der endgültige, nicht behebbare Ausfall des gesamten Gehirns, also des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms, umgangssprachlich "Hirntod", ist ein sicheres inneres Todeszeichen. In dieser Situation kann die Herz- und Kreislauffunktion des beziehungsweise der Verstorbenen nur noch durch Beatmung und Medikamente künstlich aufrechterhalten werden.“ Wolf suchte weiter und fand eine Publikation „Organwahn, Heilung durch Fremdorgane? Ein fataler Irrtum“. Der Autor wollte damit Fakten und Hintergründe, die der Öffentlichkeit verschwiegen werden, offenlegen. So zumindest sein Statement zu seinem Werk. Er beschrieb darin, dass der Begriff „Hirntod“ erst 1952 mit der Erfindung der Herz-Lungen-Maschine entstand. Bis dahin war ein Mensch tot, wenn sein Herz stillstand. Er nannte die unterschiedlichen Hirntodkriterien, die in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder neu festgelegt wurden. Offenbar aber nicht wie anzunehmen wäre, im Sinne des Spenders, um sicher zu gehen, dass nicht etwa zu früh dessen Organe am lebendigen Leibe entnommen würden, sondern vielmehr nach dem Motto: So tot wie gesetzlich nötig und so lebendig wie möglich. Zum Zeitpunkt, an dem der Hirntod diagnostiziert werden dürfe, lebten noch mindestens 95% des Menschen. Der Autor führte aus, mit welchen Methoden Voruntersuchungen durchgeführt wurden, um mögliche Reaktionen des Spenders, die auf Leben schlossen, hervorzurufen. Von Kratz- und Kneiftechniken über die Einführung von Sonden, Nadeln, Spaten usw. in alle Körperöffnungen, Eingießen von Eiswasser in die Gehörgänge, Verursachen von starken Schmerzen zum Erzeugen von Reflexen. Wolf erinnerte diese Beschreibung an Foltermethoden, über die er bei seinen militärischen Einsätzen erfahren hatte, zum Glück nie an seinem eigenen Körper. Hier aber ging es um die Beschreibung, wie offenbar die Schulmedizin die ethisch respektvolle Bewahrung der Würde in der Praxis handhabte. Laut aktueller Gesetzeslage galten angeblich insgesamt siebzehn mögliche Bewegungen beim Mann und vierzehn bei der Frau als mit dem Status einer Leiche vereinbar. Bewegungen wie Kontraktion der Beckenmuskulatur, Spreizen der Finger, Beugebewegungen der unteren Extremitäten, Wälzbewegungen des Oberkörpers, Beugung im Ellenbogengelenk, Hochziehen der Schultern und so weiter. Außerdem wird demnach zur Kenntnis genommen, dass Hirntote selbständig ihre Körpertemperatur regulierten, Infektionen und Verletzungen bekämpften, wie zum Beispiel durch Fieber. Was Wolf aber wirklich überraschte, dass offenbar Hirntote mit Blutdruckanstieg auf Schmerzreize reagierten. Das bedeutete, dass sie bei der Entnahme Schmerz empfinden konnten, denn Hirntote wurden nicht anästhesiert. Sie konnten diesem Schmerz jedoch nichts entgegnen, weder physisch noch rechtlich.

Es war an der Zeit sich einer anderen Informationsquelle zu bedienen, die Wolf seit einigen Jahren zur Verfügung stand. Er brauchte mehr Informationen über Qandiga Pharmaceutical aber auch über Ralf Sommer.

Geheime Aufnahmen

Im Konferenzraum des Vorstandes von Qandiga Pharmaceutical wurden heute die Umsätze des aktuellen Quartals der Sparten Krebs-, Immunpräparate und Transplantation analysiert. Wie auch andere Pharmaunternehmen war Qandiga Pharmaceutical einer Patent-Klippe ausgesetzt. Der Verlust des Patentschutzes führte in der Regel zu einem hohen Preisdruck durch billigere Nachahmerprodukte der Konkurrenz und somit zu einem Umsatz- und Margenrückgang. Das Management war in den letzten Jahren gefordert, signifikante Restrukturierungen zu implementieren, um dem zu erwartenden Margendruck durch geringere Kostenstrukturen entgegenzuwirken. Ebenso war es unabdingbar, Fortschritte in der Produktentwicklung vorzuweisen. In der Krebsforschung war die Produktpipeline prall gefüllt und absolut vielversprechend. Mit dem neuen Antikörper-Medikament der Qandiga Pharmaceutical konnten bei bestimmten Lungenkrebspatienten klare Behandlungserfolge erzielt werden. Auch wenn jüngste Forschungsergebnisse nicht die ursprünglich gewünschten Heilungsfortschritte bestätigten, war Optimismus definitiv begründet. Unabhängig vom Ausgang der letzten Studien, war die Tatsache als Erfolg zu verbuchen, dass es unter dem Einsatz des neuen Medikaments gelang, eine Verlängerung der Lebenszeit zu erzielen, auch wenn der Fortschritt der Krankheit nicht gestoppt werden konnte. Die Lebenszeit und somit die Behandlungszeit waren für die Umsätze von Qandiga Pharmaceutical schlussendlich ausschlaggebend.

Für steigende Nachfrage nach Immunpräparaten sorgte die wachsende Angst vor dem sich schnell ausbreitenden Estrellavirus. Alle Medien berichteten darüber und verwiesen unermüdlich darauf, dass es keinen Grund zur Panik gäbe. Gut für die Pharmabranche, dass genau das Gegenteil bewirkt wurde, gewollt oder ungewollt.

Dr. Gustav Brohm war für die Transplantation Division verantwortlich. Hier waren weder Blockbuster in der Pipeline, noch würden Pandemien seine Umsätze in die Höhe treiben. Die Knappheit der Spenderorgane und die steigende Nachfrage ließen zwar die Preise steigen, aber zu große Engpässe waren nun mal geschäftsschädigend. Das spanische Modell in ganz Europa würde die Umsätze verdreifachen. Alle Menschen per Gesetz zu Spendern zu machen wäre eine wahrliche Revolution. In China war die Wartezeit auf eine Niere zwei Tage, in Europa und in den USA über drei Jahre. Nun, wir hatten eben keine Ressourcen wie zum Tode verurteilte Gefangene oder Falung Gong Chinesen. Unglaublich, dass die Welt dabei stillschweigend zusah. Dies war allgemein bekannt und die Spitäler in China machten mit der kurzen Wartezeit sogar Werbung. Okay, solche Verhältnisse wollte nicht einmal Brohm herbeisehnen, aber eine Gesetzesänderung in Richtung spanisches Modell war doch wohl nicht zu viel verlangt.

Dr. Tanja Weberstein hatte vor zwei Jahren die Immunization and Infectious Diseases Division übernommen. Brohm hatte zuvor die Verantwortung dafür inne. Unter seiner Leitung konnten die Umsätze immens gesteigert werden. Er konnte damals die Politik dafür gewinnen, eine generelle Impfpflicht für alle Schüler einzuführen. In den Medien wurde SARS zur Gefahr für die Nation hochstilisiert. Wie heute beim Estrellavirus wurde permanent über neue Erkrankungen oder zumindest über neue Verdachtsfälle berichtet, dass regelrecht Panik entstand. Brohm hatte seine Lobbyisten so gezielt platziert, dass Politiker sich in ihrer Hilflosigkeit regelrecht in Aktionismus treiben ließen. Brohm fungierte unglaublich geschickt als Strippenzieher und machte Lieferungen des neuen Qandiga-Antiviralpräparats Qandiflu unnötig knapp. Er platzierte mediale Meldungen über zu geringe Produktionskapazitäten und bereits leergekaufte Lager. Und dann plötzlich wurden die Käufe staatlich verordnet. Es war das reinste Schlaraffenland. Qandiga Pharmaceutical „litt“ unter staatlich verordnetem Geldsegen. Dann war es für die Politik ein Leichtes, Impfpflichten einzuführen. Ob es einen Zusammenhang zu SARS gab, war irrelevant. Gut platzierte Parteifinanzierungen ebneten den Weg. Er erinnerte sich, wie er diesem Sommer dessen komplette PR-Kampagne finanziert hatte! Plötzlich berichteten alle Medien über den aufgehenden Stern am Polithimmel. Ausgerechnet über diesen Schwachkopf! Nun ja, Wort hatte er gehalten, die Impfpflicht wurde eingeführt. Durch seine Stimme konnte endlich die Mehrheit im Parlament zur Gesetzesänderung erreicht werden. Und diese Weberstein weiß davon natürlich gar nichts und berichtet jetzt kühn über IHRE Erfolge. Das war bitter für Brohm. Ihm wurde die Transplantation Division übertragen in der Erwartung ähnliche Erfolge auch hier zu erzielen. Das ging nur über eine weitere Gesetzesänderung, daher hatte Brohm die Gangart geändert und Druck gemacht. Denn er musste spätestens im nächsten Jahr die gewünschten Erfolge nachweisen. Sonst könnte er sich seinen Aufstieg zum Vorstandsvorsitzenden abschminken. Denn nächstes Jahr würde der Posten frei werden, das war intern bereits kommuniziert.

Die Weberstein würden sie ja wohl nicht nehmen, so modern war Qandiga Pharmaceutical zum Glück noch nicht, Frauenquote hin oder her. Aber was war mit Bahrat Shan? Krebs war nun mal die Cash Cow bei Qandiga Pharmaceutical. Aber war Qandiga Pharmaceutical tatsächlich bereit für einen indischen CEO? Nur weil Vasant Narasimhan bei Novartis alles umkrempelte. Nein, nein, nein! Er musste mehr Druck machen. Brohm hatte keine Wahl.

Nachdem Wolf vor fünf Jahren im Bootshaus eingezogen war, arbeitete er an seinem ersten privaten Auftrag. Er hatte beschlossen, keine Militäraufträge und keine Regierungsaufträge mehr anzunehmen. Er befand sich sozusagen im vorzeitigen Ruhestand. Er setzte gerade sein neues Abhörequipment zusammen, welches er aus seiner Quelle in Israel erhalten hatte. Es war exakt das Equipment, welches beim Mossad zum Einsatz kam. Er hatte vor, das Mikrofon in der Größe eines Mikrochips in einer Hotelsuite zu platzieren, in der am nächsten Tag ein Meeting einer Betreiberin eines Escort Services mit einem Pornofilmproduzenten geplant war. Dieser wollte der Unternehmerin ein weiteres Betätigungsfeld offerieren, Reality TV mit lokalen Promis, ohne deren Einwilligung. Nicht zur Veröffentlichung, eher zum Verkauf an den Meistbietenden. Natürlich hätten diese Art von Geschäften den Escort Service sehr bald ruiniert. Deswegen drohte der Pornoproduzent mit Gewaltanwendung gegen die Escort Mädchen. Wolfs Plan war, das Gespräch mit ausdrücklichen Drohungen aufzuzeichnen und ihn damit in Schach zu halten. Schlussendlich half dann doch nur Gewaltanwendung. Seitdem geht der Pornoproduzent am Stock. Die zertrümmerte Kniescheibe würde ihm wohl bis ans Lebensende Schmerzen bereiten. Manche Menschen verstanden eben nur eine Sprache. Wolf beherrschte mehrere.

Seltsam war, dass das Equipment im Hilton bestens funktionierte. Wolf hatte das Nebenzimmer gemietet, da das Mikrofon keine sehr große Reichweite hatte. Nur im Bootshaus gab es Übertragungsstörungen. Irgendetwas störte die Übertragung, wie eine Art Rückkopplung. Nach Erhalt des Equipments hatte es auch im Bootshaus einwandfrei funktioniert. Das war zwei Monate vor dem Einsatz in Sachen Escort Service. Das ließ Wolf keine Ruhe, er testete das Equipment in seiner Wohnung im ersten Stock in seinem Büro im Erdgeschoss und in der Garage. Die Störung war im gesamten Gebäude, jedoch in anderen Gebäuden: alles bestens. Er prüfte jeden Winkel mit einem Detektor, der Mikrofone orten konnte. Nichts. Er konnte sich keinen Reim darauf machen.

Dann kam der Techniker der Steel Security Corporation nochmals ins Haus, da die neue Alarmanlage ein Update verpasst bekam und während der Techniker im Hause war, gab es keine Störung bei Wolfs Abhörequipment. Es musste etwas mit der Alarmanlage zu tun haben. Wolf beobachtete den Monteur bei seiner Arbeit und verwickelte ihn in ein Gespräch. Dabei fingerte er an einem Öffnungssensor der Alarmanlage herum, und stellte sich scheinbar so ungeschickt an, dass er den Befestigungsmechanismus, der an einem Fenster angebracht war, abgebrochen hatte. Er entschuldigte sich und bat den Monteur diesen auf seine Kosten zu ersetzen. Den abgebrochenen Sensor, ein kleines weißes Kunststoffteil, ein mal drei Zentimeter groß und fünf Millimeter tief, behielt er zurück und steckte es unauffällig in die Hosentasche. Anschließend als der Techniker wieder weg war, zerlegte er das Ding in alle Einzelteile. Er konnte nichts entdecken. Aber es war klar, die Störung kam von der Alarmanlage. Sobald der Techniker das System nach dem Update wieder aktiviert hatte, war die Störung wieder da. Er musste der Steel Security Corporation auf den Zahn fühlen. Was wollten die von ihm?

Ferdinand Wolf recherchierte über den Besitzer Jakob Beringer und seinen Werdegang, seine Finanzen, Kooperationen der Steel Security Corporation. Offenbar gab es eine Zusammenarbeit mit der lokalen Polizei. Aber das dürfte wohl keinen Zusammenhang haben. Er befürchtete eher, dass ein ehemaliger Auftraggeber, eine ausländische Regierung dahinterstecken könnte. Dieses Abhörsystem, welches er mit seinem Mikrofon-Detektor nicht orten konnte, war eine Nummer zu groß für die lokale Polizei. Außer, dass das Unternehmen offenbar sehr erfolgreich war, und Beringer es zu ansehnlichem Wohlstand brachte, konnte er nichts feststellen. Er beschloss, Beringer einen Besuch abzustatten.

Wolf wollte keinen offiziellen Termin vereinbaren, er observierte Beringer im Unternehmen und zu Hause. Beobachtete die Frequenz des Wachpersonals, welches zu Geschäftszeiten das Firmengrundstück mit den silbernen Vans der Steel Security Corporation mit blauen Längsstreifen, auf denen das Firmenlogo angebracht war, in unregelmäßigen Abständen verließen und wieder retour kamen. Offenbar kamen auch immer wieder unterschiedlichste Lieferanten aufs Firmengelände und betraten das Gebäude durch einen Lieferanteneingang auf der Rückseite. Wolf lieh einen weißen Van mit falschem Ausweis und zahlte bar, fuhr damit aufs Firmengelände, betrat mit falschem Bart, Baseballkappe und blauem Overall das Gebäude. Unbemerkt schlich er ins Büro von Beringer. Dessen Sekretärin ließ er von einem Kurier zum Empfang rufen, der darauf bestand, ein Paket nur ihr persönlich für Herrn Beringer zu überreichen und sich die Übergabe quittieren zu lassen. So saß Wolf Beringer gegenüber und zielte mit seiner Glock auf dessen Herz. Beringer war überraschend ruhig geblieben und sagte nichts. Wolf legte das Kunststoffgehäuse mitsamt Inhalt auf dessen Schreibtisch und sagte: „Jemand nutzt ihr Alarmsystem, um mich abzuhören. Ich nehme stark an, Sie wissen darüber Bescheid. Überlegen Sie gut, was Sie jetzt antworten. Ich muss wissen, wer dahintersteckt. Keiner hat mich das Gebäude betreten gesehen.“ Er drehte einen Schalldämpfer auf den Lauf. „Keiner wird mich gehen sehen. Wenn ich keine plausible Antwort erhalte, werden Sie diesen Tag nicht überleben.“ Er taxierte Beringer. „Behalten Sie die Hände auf dem Tisch und antworten Sie!“.

Beringer saß wie versteinert an seinem Schreibtisch und sah dem Mann gegenüber ins Gesicht. Nein, er sah in den Lauf dessen Waffe. Wie konnte der so einfach hier hereinspazieren? Wie konnte der ihn in seinem eigenen Büro am helllichten Tag mit einer Waffe bedrohen? Das war irgendwie surreal. Keine gute Werbung für die Steel Security Corporation.

Wie konnte er herausgefunden haben, dass er ihn abhörte? Wie war es möglich, dass er die ShuBro-Mikrofone orten konnte? Niemand konnte das. Bluffte der Typ? Würde er ihn tatsächlich erschießen? Was sollte er tun?

Ralf Sommer musste Isabella über das Foto informieren. Nachdem sie ihre Tochter Anna als Säugling verloren hatten, konnten sie beide nur sehr langsam wieder zueinander finden. Der Schmerz saß zu tief. Plötzlicher Kindstod. Über drei Jahre glaubte Sommer nicht mehr daran, dass sie jemals wieder nur annähernd eine „normale“ Beziehung führen würden. Unzählige Therapien für Isabella und Beratungstermine für sie beide ließen sie über sich ergehen. Es gab Zeiten, da zweifelte Sommer, dass sie jemals wieder gemeinsam lachen würden. Monatelang besprachen sie nur belanglose Themen zum Tagesablauf. Er hatte das Gefühl, nicht nur seine Tochter wäre gestorben, sondern auch seine Frau. Rückblickend wusste er nicht, wie er das hatte überstehen können. Vielleicht wollte er einfach keine Scheidung. Er stand in der Öffentlichkeit, wie konnte er da eine kranke Frau verlassen. War er wirklich so? Nein, das war es nicht. So gefühlskalt war er nicht. Er liebte sie, und er wollte sie wieder zurückhaben. Anna konnte er nicht wieder haben, aber Isabella schon. Er wollte alles tun, sie wieder zu bekommen. Er wollte wieder mit Isabella lachen.

Dann kam Felix zur Welt. Und so bekamen sie noch eine Chance. Isabella wollte alles richtig machen, dieses Mal. Sie gab der Schulmedizin die Schuld an Annas Tod. Sie würde Felix nicht impfen lassen. Was wusste er denn darüber? Er glaubte nicht daran. Aber warum sollte er Isabella widersprechen. Jetzt, wo er sie wieder hatte. Jetzt, wo sie wieder lachen konnten. Sie drei.

Dass er dann Jahre später, dem Gesetz zur Impfpflicht gegen Masern für alle Schüler zustimmte, war für Isabella ein harter Schlag ins Gesicht. Sie drohte mit Scheidung und erklärte, dass sie Felix nur über ihre Leiche impfen ließe. Dieser schmierige Brohm besorgte ihm einen Arzt, der die Impfung bestätigte. Scheiß Kompromiss. Er wusste, Isabella hatte ihm das nie verziehen. Aber immerhin konnte Felix ungeimpft zur Schule gehen. Sommer betete darum, dass Felix nie die Masern bekam. Ja, das tat er tatsächlich, seit über dreißig Jahren hatte er wieder gebetet. Aber Isabella war davon überzeugt, dass Impfungen ihre Anna getötet hatten. Was sollte er da machen? Und dieser Brohm hatte ihn in der Hand. Ohne dessen Unterstützung, ohne dessen Draht zu den Medien, wäre er nie in den Parteivorsitz gekommen. Sommer wusste das, da machte er sich nichts vor. Er war eben Politiker, da musste man sich arrangieren. Das musste schlussendlich auch Isabella einsehen.

Wie sollte er jetzt Isabella das Foto mit der überdimensionalen Spritze über dem vor Freude strahlenden Felix erklären. Konnte es sein, dass Brohm so weit gehen würde? Warum schickte er ihm so ein Foto? Die Wahrheit über ihren Deal würde auch Qandiga Pharmaceutical in Erklärungsnot bringen. Alfred hatte Recht, Flucht nach vorn, war die beste Strategie. Die parteiinterne Erklärung über die Bedrohung seiner Familie und der Personenschutz höchster Sicherheitsstufe für die gesamte Familie könnte er auch medienwirksam im Wahlkampf einsetzen. Im schlimmsten Fall auch gegen Brohm. Wolf sollte weitere Mittel und Wege finden, diesen Drecksack unter Kontrolle zu bringen. Sommer wollte gar nicht wissen, zu welchen Mitteln der wohl greifen würde. Er kam ihm nicht gewalttägig vor, aber in seinem Blick war etwas Eiskaltes. Der Typ war ihm unheimlich.

Beringer entschied sich, Wolf reinen Wein einzuschenken. Er versprach, die Alarmanlage beziehungsweise die Sensoren mit Shu-Bro Mikrofonen sofort austauschen zu lassen und bot eine äußerst großzügige Entschädigungssumme an, unter der Bedingung der Geheimhaltung der entdeckten „Zusatzfunktion“ des Alarmsystems Exclusive 500 der Steel Security Corporation. Wolf aber hatte einen anderen Vorschlag. Er verpflichtete sich zur Geheimhaltung unter der Bedingung, selbst von Zeit zu Zeit auf Beringers Informationsbeschaffungssystem zurückgreifen zu dürfen. In seiner Branche schien das durchaus nützlich zu sein. So entstand eine Kooperation zwischen Wolf Solutions und der Steel Security Corporation. In den folgenden Jahren kam es mehrmals vor, dass auch Beringer Wolfs Dienste in Anspruch nahm.

So auch an diesem frühen Morgen. Beringer besuchte Wolf in dessen Büro im Bootshaus. Er übergab ihm die Aufnahmen auf einem USB-Stick, um die ihn Wolf gebeten hatte. Bei diesem Treffen ging es Beringer aber nicht nur um die Übergabe der Aufnahmen. Er berichtete Wolf von seinem Problem mit Winter, einem langjährigen Mitarbeiter der Steel Security Corporation, der in den Besitz von früheren Aufzeichnungen gekommen war. Seltsamerweise handelte es sich um Aufzeichnungen von Gesprächen der gleichen Person, für die sich offenbar auch Wolf interessierte. Aufzeichnungen von einem der Vorstände von Qandiga Pharmaceutical, Dr. Gustav Brohm. Beringer wusste nicht, um wie viele Aufzeichnungen es sich handelte, die Winter hatte. Winter hatte Beringer damit konfrontiert. Er verlangte, ihn an seinen Nebenverdiensten zu beteiligen, andernfalls würde er ihn auffliegen lassen. Beringer hatte Beweise für seine Unterstellungen gefordert, und erhielt eine Sequenz eines Gesprächs von Dr. Brohm bei einer Vorstandssitzung, in der die damals viel diskutierte Gesetzesänderung zur Impfpflicht an Schulen besprochen wurde. Die Aufnahme war mehrere Jahre alt. Brohm behauptete in dieser Sitzung, dass er aus verlässlichen Quellen erfahren hatte, dass es zu diesem Gesetz kommen würde, und was das für den Umsatz ihrer Impfpräparate bedeuten würde. Beringer konnte sich genau daran erinnern, dass er diese Sequenz selbst abgehört hatte, und dann den Kauf einer größeren Position Qandiga Pharmaceutical Aktien in Auftrag gegeben hatte. Sehr bald sollte Brohm Recht behalten und Beringer konnte einen schönen Aktiengewinn einfahren.

Woher hatte Winter diese Aufnahmen? Und wie viele hatte er noch? Wie viel wusste er? Beringer bat Winter um Bedenkzeit. Möglicherweise konnte Wolf ihm helfen. Immerhin hatte er ihn um Informationen über die gleiche Person gebeten. Das konnte doch unmöglich ein Zufall sein.

Ralf Sommer hatte sich zu Isabella im Wohnzimmer auf die Couch gesetzt und begann so: „Schatz, wir müssen reden.“ Er hatte ihr schon gestern über den von der Partei beauftragten Personenschutz höchster Sicherheitsstufe für die gesamte Familie berichtet. Bis jetzt hatte er allerdings das Foto verschwiegen, er hatte es gestern nicht fertiggebracht, sie damit zu konfrontieren. Jetzt zog er es aus seinem Sakko und legte es vor ihr auf den Tisch. Sie beugte sich nach vorn und fixierte es regelrecht, dann ließ sie ihr Gesicht in beide Hände fallen. So verharrte sie über eine Minute. Sommer kam es wie eine Ewigkeit vor. Er wusste nicht, wie er weiterreden sollte. Er wollte erst ihre Reaktion abwarten.

Isabella sah auf und dann ihm direkt in die Augen: „Ich wusste, dass das irgendwann passieren würde. Schuld daran ist dieses Gesetz und die damit verbundene unglaubliche Ungerechtigkeit, dass durch diese Impfpflicht allen Kindern ernsthafter Schaden zufügt wird. Wie konntest du das nur unterstützen? Und sieh!“ Sie zeigte auf das Foto mit der drohenden schwarzen, dicken Spritze. „Sieh, was du damit angerichtet hast!“ Sie nahm das Foto und hielt es ihm vors Gesicht. „Da gibt es nur einen Ausweg. Du musst das Gesetz rückgängig machen. Diese Impfpflicht ist Wahnsinn! Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass Felix geimpft wird! Nie und nimmer! Jetzt bist du im Wahlkampf. Du kannst das neu thematisieren. Du weißt, die Partei wird dich dabei unterstützen. Sie waren nie dafür und haben dich sogar deswegen parteiintern kritisiert. Egal was du im Gegenzug dafür aushandeln konntest. Was war das nochmal, die Erhöhung der Wohnbauförderung und eine Verbesserung des Mieterschutzes? Was für ein Armutszeugnis!“ Sie stand auf und lief aufgeregt im Zimmer hin und her.

Ralf Sommer war überrascht. Er hätte nicht gedacht, dass sie so gefasst reagieren würde. Er war auf Schreikrämpfe vorbereitet, auf Wutausbrüche. Er hatte sich auf wüste Beschimpfungen und Tränen vorbereitet.

Ihre Argumente waren nachvollziehbar. Aus ihrer Sicht zumindest. Sie wusste ja nicht, was er mit Brohm vereinbart hatte. Sie konnte ja nicht wissen, dass dieser Brohm die Mittel hatte, ihn genauso, wie er ihn damals medial gepuscht hatte, jetzt wieder vernichten konnte. Und jetzt wollte der auch noch das Organspendegesetz manipulieren. Wie konnte er sich nur jemals darauf einlassen? Jetzt war er in den Fängen dieses Ungeheuers. Wie kam er da nur wieder heraus?

„Isa, du weißt genau, dass das im Wahlkampf ganz und gar nicht geht. Ich kann im Wahlkampf in diesem Punkt keine 180-Gradwende vertreten. Außerdem würde das auch nichts nützen. Wenn herauskommt, dass Felix trotz des Gesetzes nicht geimpft ist, bin ich geliefert. Keiner würde mich wählen, wenn ich ein Gesetz vertrete und mich selbst nicht daranhalte. Wenn, dann geht das erst nach der Wahl. Aber zuerst muss ich sie gewinnen.“

Isabella wusste, dass er Recht hatte. Er musste die Wahl gewinnen, um das Gesetz rückgängig zu machen. „Was schlägst du vor? Der Wahlkampf hat erst begonnen. Sollen wir uns bis zur Wahl hier verbarrikadieren? Der Personenschutz kann die Sicherheit von Felix nicht garantieren. Du kannst seine Sicherheit nicht garantieren! Aber du hast ihn erst in diese Gefahr gebracht! Ist dir das überhaupt klar?“ Ralf Sommer konnte nichts entgegnen. Sie hatte Recht. Er hatte Felix in Gefahr gebracht und der Personenschutz war nur Scharade. Was war er nur für ein Vater?

Brohm saß in seinem Büro. Er war schon seit sechs Uhr früh hier. Er konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Wie sollte er damit fertig werden? Dieser Kerl hatte doch tatsächlich die Frechheit, ihn zu beschuldigen, er habe Politiker bestochen. Er wusste über sehr viele Details Bescheid. Aber hatte er auch Beweise? Brauchte er die? Das was er ihm sagte, reichte im Grunde schon aus. Wenn das publik wurde, war’s das mit seinen Plänen zum Vorstandsvorsitzenden. Scheiße, Scheiße, Scheiße! Wie konnte das passieren? Er musste handeln, schnell. Bevor es zu spät war.

Wolf hörte das gesamte Material von Beringer ab. Er hatte sich einige Gespräche auf sein Mobiltelefon geladen und diese beim Joggen und später auf seiner Terrasse sitzend abgehört. Brohm war offenbar früher für die Immunpräparate im Konzern verantwortlich. Es war klar, dass er von der damals eingeführten Impfpflicht für alle Schüler sehr profitierte. Und seinen Telefonaten zufolge, setzte er seine Kontakte bei diversen Medien dazu ein, dass Ralf Sommer damals einen Heiligenschein aufgesetzt bekam. Hatte er ihn tatsächlich gekauft? Dieser Zusammenhang gab dem Foto mit der überdimensionalen Spritze eine ganz andere Bedeutung. Aber woher kam das Foto? Brohm würde wohl nicht so dumm sein, ein solches Foto an Sommer zu schicken. Es kompromittierte beide. War dieser Winter, von dem ihm Beringer erzählt hatte, das fehlende Glied? Erpresste der nicht nur Beringer sondern auch Sommer?

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