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Der Stadtverkehr war zähflüssig. Er war froh, als er endlich in die Garage fuhr. Seufzend murmelte er: »Wie schön, dass morgen Sonntag ist, und ich meinen ersten freien Tag habe.« Gerd konnte ihn jederzeit verständigen. Später rief er Lena an und plauderte eine Weile mit ihr.

Kapitel 4

Montag 10. April 2018

Am Montagmorgen brachte Lauenberg die Speichelproben eigenhändig ins Labor. Kurz darauf trafen Paul und der alte Hans ein. Auch die Wirtin war mitgekommen, da die beiden Männer nicht motorisiert waren. Anfangs konnten sie sich nicht über das Aussehen des Fremden einigen. Paul meinte, er hätte dunkle Haare, Hans versicherte, sie seien dunkelblond gewesen. Die Wirtin plädierte ebenfalls für dunkelblond. So ging das eine Weile, bis Lauenberg ärgerlich wurde. »Ich bitte Sie, meine Herrschaften, entweder Sie haben den Mann gesehen und können ihn beschreiben oder nicht.«

Endlich war eine Zeichnung erstellt; die Zeugen nickten zufrieden.

»Vielen Dank, Sie können gehen.« Lauenberg fand das Phantombild gelungen und bat Gerd, es an die Presse weiterzuleiten mit einem kleinen Text, den der Chef verfasst hatte.

Es klopfte. Dr. Manderbach trat mit einer jungen hübschen Frau ein. »Darf ich Ihnen Kommissarin, Ellen Kraft vorstellen?«

Lauenberg trat neugierig näher. »Freut mich, guten Einstieg. Kollegin Schneider hat Sie bereits angekündigt. Ich bin selbst erst seit gut einer Woche hier tätig.«

»Sie sind Hauptkommissar Lauenberg, nehme ich an?«

»So ist es und das ist ihr Schreibtisch. Frau Schneider, hat ihn für sie bestens aufgeräumt.«

Sie nickte und blickte auf die Phantomzeichnung. »Alle Achtung, die ist aber gelungen.«

»Das finde ich auch«, entgegnete Lauenberg. »Das ist Gerd Schröder, Kriminalassistent und Computer-Experte«, stellte er ihn vor, »er kann der Witwe einen Besuch abstatten und ihr die Zeichnung zeigen. Vielleicht kennt sie den Mann. Ich werde Sie derweil über den Fall und die bisherigen Ergebnisse instruieren.«

»Gute Idee«, stimmte Ellen Kraft zu. »Darf ich den Grund erfahren, warum die Kollegin Schneider Sonderurlaub macht?«

Lauenberg schaute sie nachdenklich an. Er wusste nicht, was er sagen sollte und entschied sich für die Wahrheit. »Ihre Tochter büffelt für die Abi-Prüfung und Frau Schneider, die alleinerziehend ist, steht ihr bei. Sie kommt bald zurück.«

»Aha«, war alles, was Ellen Kraft dazu erwiderte.

Lauenberg gefiel die Antwort nicht.

Das Telefon klingelte. Es war Andreas Hauser. »Die entnommenen Speichelproben sind in der Datei nicht gelistet und keine von ihnen sind mit diesem Bluttropfen identisch. Auch auf der Kleidung des Toten wurde nichts dergleichen gefunden. Das wollte ich nur sagen.«

»Danke, Herr Hauser, das habe ich auch nicht anders erwartet. Umso mehr Leute wir ausschließen können umso besser.«

»Was können wir tun?« Ellen Kraft schaute fragend.

»Wir warten auf Gerd. Mal sehen, was die Witwe zu dem Phantombild gesagt hat. Trinken wir derweil einen Kaffee.«

Als Gerd nach einer Stunde zurückkam, schauten sie ihm neugierig entgegen.

Er schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, sie kennt den Mann nicht. Wenn Sie mich fragen, sie sagt bei allem, was man fragt: Weiß ich nicht, kenne ich nicht. Irgendwie merkwürdig.«

»Danke, das ist mir auch aufgefallen«, stimmte ihm Lauenberg zu. »Kann sich alles noch ändern.«

»Wie gehen wir vor?«, fragte Gerd.

Lauenberg grinste. »Strategisch.«

Kapitel 5

Dienstag, 11. April 2018

Nadine, die sich abends in die blonde Lola verwandelte, saß in der Mensa und nahm eine kleine Mahlzeit zu sich. Das Phantombild auf der Titelseite einer Zeitung, die auf dem Nebentisch lag, erregte ihr Interesse. Das Gesicht kam ihr bekannt vor. Sie las die Überschrift: Wer kennt diesen Mann? Nadine brauchte nicht lange zu überlegen. Es handelte sich um einen ihrer Kunden. Ein liebenswerter Typ, der sich Tobias nannte. Hastig griff sie nach dem Tagesblatt und studierte den Bericht. »Das glaube ich nicht«, murmelte sie vor sich hin. Für Minuten saß sie still und rief sich die Begegnung mit ihm ins Gedächtnis. Dieser Mann wird zu einer Befragung gesucht, die zur Klärung eines Verbrechens dient. Nadine zögerte eine Weile, besann sich dann ihrer Pflicht. Sie nahm das Handy aus der Tasche und wählte die Nummer der Polizei, die unter dem Artikel stand.

Gerd war am Apparat. Als sie behauptete den Gesuchten zu kennen, bat er sie im Präsidium vorzusprechen.

»Ich mach mich gleich auf den Weg, es sind nur ein paar Minuten«, versprach Nadine.

Es regnete in Strömen und ein kalter Wind fegte über die Straßen, als sie die Uni verließ und zu ihrem Mini Cooper eilte, der auf dem Parkplatz stand. Sie schüttelte den Kopf, war betroffen und hoffte, dass Tobias nichts damit zu tun hatte. Nadine gestand sich ein, dass sie in ihn verliebt war. Sein Feingefühl und das private Interesse an ihr empfand sie als angenehm. Der Gedanke, den Beamten zu gestehen, dass sie nebenberuflich als Prostituierte arbeitete, gefiel ihr nicht.

Sie bog in den Konrad-Adenauer-Ring ein und stand kurz darauf vor dem Präsidium. Sie fuhr auf das Gelände und fand in der Nähe des Eingangs einen freien Parkplatz. Mit ihrem Schirm bewaffnet, rannte sie in das Gebäude. 2. Stock, dritte Tür links, neben dem Aufzug, hatte der Mann am Telefon gesagt. Nadine hatte feuchte Hände, als sie klopfte. Eine weibliche Stimme rief »herein«, das beruhigte sie.

Ellen Kraft stand auf, als die Frau das Büro betrat, nannte ihren Namen und reichte ihr die Hand.

»Guten Tag, Nadine Schäfermann. Ich hatte angerufen, wegen des Phantombildes in der Zeitung.«

»Mein Kollege hat mich informiert. Schön, dass Sie gekommen sind. Nehmen Sie Platz.« Ellen deutete auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch. »Erzählen Sie mir, was Sie wissen«, forderte sie die junge Frau auf.

»Ich tue das, wegen Tobias, dem ich kein Verbrechen zutraue.«

»Sie meinen, aus der Zeichnung erkennen Sie einen Bekannten von Ihnen?«

Nadine nickte. »Ich meine es nicht, ich weiß es. Sein Nachname ist mir nicht bekannt.«

»Woher kennen Sie den Mann?« Ellen schaute sie abwartend an.

»Es ist mir peinlich, darüber zu sprechen. Ich bin froh, dass ich das nicht vor einem Beamten beichten muss.«

»Sie können offen sprechen. Es hört uns niemand zu«, sagte Ellen beruhigend.

Die Frau holte tief Luft. »Ich arbeite neben meinem Studium in einem Bordell.« Nadine blickte Ellen an, die jedoch keinerlei Reaktion zeigte.

»Erzählen Sie der Reihe nach.«

»Sie dürfen sich darüber wundern, Frau Kommissarin«, sagte Nadine und erzählte, wie sie zu diesem Gewerbe gekommen war.

»Das ist nicht relevant und ganz alleine Ihre Sache«, meinte Ellen. »Sie handelten aus einer Not heraus. Sie sagten, dieser Tobias war zweimal bei Ihnen. Um wie viel Uhr war er am Donnerstag zu Ihnen gekommen?«

»Auf die Uhr habe ich nicht geschaut. Es muss gegen 23 Uhr gewesen sein. Ich gehe um diese Zeit nach Hause.«

»Warum haben Sie ihn nicht weggeschickt?«

Nadine schüttelte den Kopf. »Nicht ihn. Er war liebenswürdig und aufmerksam, wie kein anderer.«

»Es hilft uns nicht viel weiter, wenn Sie seinen Nachnamen nicht kennen«, sagte Ellen. »Gab es irgendetwas Auffälliges an ihm?«

»Nicht, dass ich wüsste. Er hatte geschäftlich in Wiesbaden zu tun und wollte danach zurück nach Köln fahren. Ich habe ihm meine Handynummer gegeben, in der Hoffnung, dass er sich mal meldet.«

»Er wohnt in Köln?«

Nadine nickte. »Er hat jedoch vor, nach Taunusstein umzuziehen.«

Ellen machte sich Notizen. »Danke, für Ihre Auskunft. Vielleicht hilft uns sein Vorname weiter. Falls nötig, kommen wir auf Sie zurück. Sollte er sich bei Ihnen melden, rufen Sie uns bitte an.«

»Wird er verdächtigt?«, fragte Nadine.

»Das können wir vor der Befragung nicht sagen.«

Nadine nickte, stand auf und verabschiedete sich. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Da fällt mir etwas ein. Vor dem Eingang des Etablissements gibt es eine Kamera. Wenn sie in Betrieb war, müsste er darauf zu erkennen sein.«

»Das ist ein Hinweis, dem wir nachgehen werden. Vielen Dank«, sagte die Kommissarin.

Lauenberg betrat das Büro, als Nadine herauskam. »War das die Zeugin, die sich gemeldet hatte?«

Ellen grinste. »Nadine Schäfermann, Prostituierte. Ich hoffe, die ist glaubwürdig.«

Lauenberg schaute ärgerlich. »Warum sollte sie es nicht sein? Im Bordell arbeiten Frauen und keine schlechten Menschen«, konterte er.

»Ich gebe mich geschlagen. Also: »Sie studiert Jura. Um sich nach dem Tod ihrer Mutter über Wasser zu halten, hat sie die Tätigkeit im Bordell angenommen, als Teilzeitjob.«

»Das hört sich doch nicht schlecht an«, sagte Lauenberg.

Ellen lachte. »Sie hat den Mann, der am Donnertagabend bei ihr war, als den, auf dem Phantombild erkannt. Am Hauseingang sei eine Kamera installiert. Die sollten wir uns ansehen.«

»Packen wir’s an. Gerd«, rief er durch die Glastür, »Frau Kraft und ich fahren in ›Die rote Meile‹ nach Biebrich.«

»In den Puff? Was wollen Sie da?« Gerd kam zu ihnen herüber.

»Wir überprüfen eine Zeugenaussage«, antwortete Ellen.

Lauenberg schüttelte den Kopf. »Sagen Sie nicht Puff, das hört sich anmaßend an.«

Gerd zuckte mit den Schultern und setzte sich zurück an seinen Schreibtisch. Lauenberg schaute Ellen an und beide grinsten.

»Er sagt, wie es ihm in den Sinn kommt. Eine ehrliche Haut«, sagte Ellen.

»Ganz Ihrer Meinung, Kollegin.«

Sie fuhren in die Mainzer Straße nach Biebrich und parkten vor dem Tor. Das Etablissement war umzäunt. Alles schien ruhig.

»Da ist die Kamera«, sagte Ellen und deutete zur Wand über der Eingangstür.

»Schauen wir, ob der Boss anwesend ist.« Lauenberg hielt der Kollegin galant die Tür auf. »Darf ich bitten.«

Ellen verzog das Gesicht.

Junge Frauen, spärlich bekleidet, saßen an der Bar und unterhielten sich. Erstaunt blickten sie auf.

Lauenberg zeigte seinen Ausweis. »Wir möchten mit dem Chef oder der Chefin sprechen.«

Hinter einem Vorhang schlüpfte eine Frau älteren Jahrgangs heraus und säuselte: »Was kann ich für Sie tun?«

»Es geht um die Videoüberwachung vor dem Haus. Wir benötigen die Aufnahmen vom Donnerstag, zwischen 22 und 23.30 Uhr«, sagte Lauenberg.

»Der Chef ist nicht da. Keine Ahnung, wo sich die Aufzeichnungen befinden. Ich kann Ihnen nicht weiterhelfen,

bin für die Mädels zuständig und nicht für die Technik«, entgegnete sie aufgebracht.

»Wenn Ihnen eine Hausdurchsuchung lieber ist, kann ich das gerne veranlassen.« Lauenberg zeigte seine Beamtenseite. Er wusste, das funktionierte.

»In Ordnung, ich schaue im Büro nach. Scheiß Bulle«, murmelte sie vor sich hin.

Lauenberg tat, als hätte er es nicht gehört. Die Frauen kicherten.

»Ich brauche frische Luft«, flüsterte Ellen ihm zu.

»Die bekommen Sie gleich«, sagte er leise.

Die Frau kam und reichte ihm das Band. »Bringen Sie es mir zurück. Ich kann keinen Ärger gebrauchen.«

»Danke, wir ziehen eine Kopie, dann bekommen Sie es wieder«, sagte Lauenberg.

Draußen atmete Ellen tief durch und sagte: »Hoffentlich werden wir fündig. Wir brauchen dringend einen Hinweis, um die Ermittlungen voranzutreiben.« Sie zog eine Zigarette aus der Packung und zündete sie rasch an.

Die Kollegin ereifert sich ganz schön, an ihrem ersten Arbeitstag, dachte Lauenberg, und rauchen tut sie auch noch. Langsam gingen sie zum Wagen. Nach einigen Zügen trat Ellen die Zigarette aus und stieg ein. Sie nahm ihren Lippenstift und schminkte sich ihre Lippen. Auf dem Präsidium brachten sie das Band in die KTU.

»Bitte, Herr Hauser, es ist dringend«, sagte Lauenberg.

»Schauen Sie, was Sie vom Donnerstag ab 22.30 Uhr bis Mitternacht und danach finden.«

»Ich bemühe mich und melde mich dann.«

»Wir sollten die Ehefrau des Toten noch einmal befragen«, schlug Lauenberg vor. Viel hat sie uns über ihren Mann nicht erzählt. Sein Tod muss mit seiner Spielerei zusammenhängen. Was meinen Sie, Frau Kraft?«

»Das weiß ich nicht. Fahren wir zu seiner Witwe und finden es heraus«, sagte sie. »Aber zuvor trinken wir noch einen Kaffee.«

»Sie haben vielleicht ein Tempo drauf«, murmelte Lauenberg.

»Ich habe es gehört«, meinte sie spitzfindig.

»Das hatte ich gehofft.« Lauenberg grinste.

Sie befanden sich im Aufbruch, als Andreas Hauser hereinkam. »Ich muss euch enttäuschen. Für ein Alibi reicht das nicht. Schaut euch das mal an. Ich habe es auf euren PC gezogen.«

»Gibt es nichts zu sehen?«, fragte Ellen.

»Nichts, was ihr sehen wolltet. Hier bitte«, sagte Andreas.

»Um 22 Uhr schaltet die Kamera aus. Minuten später wieder an und wieder aus. Scheint einen Defekt zu haben. Um fünf Minuten vor Mitternacht schaltet sie wieder ein und ein Mann kommt heraus. Das ist der vom Phantombild. Um 00.10 Uhr schaltet die Kamera endgültig ab. Wir sehen zwar, wann der Mann herauskommt, aber nicht, wann er hineingeht. Das ist kein Alibi.«

»Mist.« Lauenberg war unzufrieden. »Mal sehen, was wir von Frau Steiner erfahren.«

»Nehmen wir sie mal genauer unter die Lupe«, meinte Ellen. »Wir wissen nicht viel von ihr.«

Lauenberg zuckte mit den Schultern. »Wenn Sie das sagen.«

Frau Steiner bekam große Augen, als sie die Tür öffnete. »Ach, Sie sind das. Haben Sie den Täter gefunden?«

»Wenn das so schnell ginge, wären wir wahre Helden«, entgegnete Lauenberg. »Dürfen wir einen Moment hereinkommen? Das ist meine Kollegin, Frau Kraft.«

»Bitte!« Die Frau machte eine einladende Handbewegung und trat zur Seite.

Ellen schaute befremdlich und sagte, nachdem sie im Wohnzimmer Platz genommen hatten: »Frau Steiner, wir müssten etwas mehr über ihren Mann erfahren. Hatten Sie gemeinsame Freunde, die zu Besuch kamen? Freunde, die Sie seit vielen Jahren kannten? Arbeitskollegen oder was auch immer? Diese Informationen sind wichtig, um uns ein Bild der Situation machen zu können.«

Frau Steiner überlegte. »Wir haben hier kaum Freundschaften geknüpft. Manchmal, so alle zwei Monate, kamen Herr Gilde, ein Kollege aus der Vertriebsleitung, und seine Frau zum Essen. Er spielt auch gerne Skat und seine Frau betreibt ein Nagelstudio. Nette unauffällige Leute.«

»Und früher, als Sie Ihren Mann kennengelernt hatten. Gab es da keine Freundschaften?« Lauenberg seufzte. »Lassen Sie sich doch nicht jeden Satz aus der Nase ziehen, Frau Steiner.«

Die Frau schaute ihn betreten an. »Ich weiß nicht viel von früher. Mein Mann hatte mehrere Freunde. An deren Namen ich mich nicht erinnern kann; es ist über zwanzig Jahre her. Einer von ihnen verstarb kurz nach unserer Heirat. Soll Selbstmord begangen haben, sagte mein Mann. Angeblich wegen eines Krebsleiden. Er erwähnte allerdings auch, dass der Mann Spielschulden hatte. Sie haben oft zusammen Karten gespielt und haben gemeinsam an Turnieren teilgenommen. Ich habe ihn nur ein einziges Mal gesehen, bei unserer Hochzeit. Er war ein Hektiker. Das gefiel mir nicht. Kurz danach sind wir hierhergezogen.«

»Wissen Sie mehr über die Familie des Freundes?«, fragte Lauenberg.

Frau Steiner schüttelte den Kopf. »Er war verheiratet. Seine Frau kannte ich nicht.«

»Hatte er Kinder?«

Sie zuckte mit den Schultern.

»War die Kommunikation zwischen Ihnen und Ihrem Mann immer so rar?« Lauenberg konnte sich nicht zurückhalten. Diese Frage brannte ihm auf der Zunge.

Frau Steiner stand ruckartig auf. »Nun reicht es, Herr Hauptkommissar. Ich habe alles gesagt, was ich weiß.«

»Das ist in Ordnung«, ergriff Ellen das Wort. »Wenn wir näheres wissen, bekommen Sie Bescheid.« Sie schaute Lauenberg warnend an und hoffte, dass er keinen Kommentar dazu ablieferte.

Sie verabschiedeten sich.

»Warum setzen Sie die Frau unter Druck, da sagt sie kein Wort mehr«, schimpfte Ellen, als sie im Wagen saßen. Sie klappte den Spiegel herunter und schminkte sich die Lippen.

Lauenberg grinste. »Die Frau ist nervig und viel Unterhaltung mit Ihrem Mann scheint es nicht gegeben zu haben. Oder sie hält bewusst etwas zurück.«

»Möglich«, antwortete Ellen. »Wir fahren noch mal in die Firma des Toten. Wir sollten mit dem Chef sprechen und mit diesem Herrn Gilde.«

Lauenberg war einverstanden. »Bei Ihrem Eifer finden wir sicher etwas«, brachte er lächelnd hervor.

»Ich möchte meine Sache gutmachen.«

»Wie kommen Sie von der Vermisstenstelle zur Mordkommission, Frau Kraft?«

»Ich brauchte eine neue Herausforderung und es ist auch nur vorübergehend, bis Frau Schneider zurückkommt. Und Sie?«

»Ich war auch zuvor bei der Mordkommission, in Frankfurt/Main. Ich wohne hier in Wiesbaden und hatte das Glück, die freie Stelle zu bekommen. Der Weg war mir auf Dauer zu weit.«

»Aha«, sagte sie.

Das sagt sie ziemlich oft und gerne, dachte Lauenberg. Scheint eines ihrer Lieblingswörter zu sein.

Sie bogen in Biebrich ins Industriegebiet ab und parkten den Wagen auf dem Parkstreifen vor dem Bürogebäude der Firma Alfa Elektro. Sie gingen durch die Glastür und wandten sich an die Dame, die links in einer Büronische saß.

»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie.

Lauenberg zeigte seinen Ausweis. »Wir möchten mit dem Geschäftsführer sprechen. Es geht um einen ehemaligen Mitarbeiter.«

Sie nickte. »Erster Stock, dritte Tür links. Ich melde Sie an.«

Lauenberg und seine Kollegin gingen über die Treppe hinauf und blickten in einen längeren Gang. Eine der Türen öffnete sich. Ein Mann trat heraus. In sekundenschnelle scannte ihn Lauenberg ab. Gepflegtes Erscheinungsbild, etwa 50 Jahre alt, sicheres Auftreten.

»Kommen Sie bitte hier herein. Mein Name ist Brinkmann, Boris Brinkmann. Ich bin der Geschäftsführer. Nehmen Sie Platz. Kann ich Ihnen etwas anbieten? Wasser, Kaffee, Tee?«

»Kaffee wäre nicht schlecht«, sagte Lauenberg.

Ellen lächelte und sagte: »Gerne.«

Brinkmann drückte auf den Knopf der Sprechanlage und bat seine Sekretärin um drei Kaffee. »Was kann ich für Sie tun? Ich weiß, es geht um Herrn Steiner. Eine schreckliche Sache. Wir leben in einer gefährlichen Welt. Er war ein wertvoller Mitarbeiter«, bekundete er.

»Was hatte Herr Steiner für eine Position inne?«, fragte Ellen.

»Bereichsleiter Vertrieb. Ein guter Mann, der seine Arbeit ernst nahm und fachmännisch qualitativ erledigte«, betonte Brinkmann.

»Es gab also keine Vorkommnisse oder Schwierigkeiten mit Herrn Steiner?«, fragte Lauenberg während die Sekretärin den Kaffee brachte. Er bemerkte, dass sie kurz aufschaute, als der Name Steiner fiel.

»Danke, Frau Albrecht«, sagte Brinkmann und wendete sich Lauenberg zu. »Mir ist nie etwas zu Ohren gekommen. Sollte es unter den Mitarbeitern Unstimmigkeiten gegeben haben, so wurde das geschickt untereinander geregelt. Herr Steiner hatte mein vollstes Vertrauen.«

»Er soll mit einem Herrn Gilde befreundet gewesen sein. Können wir den Mann sprechen?«

»Ich weiß davon zwar nichts, aber wenn Sie das sagen. Er ist ebenfalls für den Vertrieb zuständig, wie auch Herr Steiner es war. Haben Sie noch Fragen an mich?« Er schien in Eile.

»Vielen Dank, vorerst nicht«, entgegnete Lauenberg.

»Ich gebe Herrn Gilde Bescheid.« Brinkmann hob den Hörer. »Den Gang vor, gleich die erste Tür.«

»Danke«, sagte Lauenberg und verließ mit Ellen das Chefzimmer.

Ellen klopfte an.

»Kommen Sie herein!«, rief er von drinnen. Er erhob sich, als sie eintraten. »Guten Tag. Sie sind von der Mordkommission und wollten mich sprechen? Nehmen Sie Platz.«

Ellen ergriff das Wort. »Nur ein paar Fragen, Herr Gilde. Frau Steiner erwähnte, dass zwischen Ihnen und ihrem Mann eine Freundschaft bestand. Wie gut kannten Sie Herrn Steiner tatsächlich?«

»Was heißt ›tatsächlich‹? Wir kannten uns, verstanden uns gut. Redeten über Gott und die Welt. Es war eher eine kollegiale Freundschaft. Wir spielten hin und wieder Skat oder trafen uns mit unseren Frauen bei ihm oder bei uns. Meistens jedoch auswärts.«

»Über persönliche Dinge wurde nicht gesprochen?«

»Nein.«

Ellen spürte sofort, dass Stefan Gilde, nicht näher darauf eingehen wollte. »Wie standen die Frauen zueinander?«

Gilde zögerte. »Nun, Frau Steiner ging gelegentlich zu meiner Frau ins Studio und ließ sich die Nägel modellieren. Privat trafen sie sich eher selten. Worüber die Damen redeten, ist mir nicht bekannt.«

»Sie hegten nicht den geringsten Verdacht, wer nicht gut auf Herrn Steiner zu sprechen gewesen sein könnte?«

»Bedaure, er kam mit jedem gut zurecht.«

»Vielen Dank, Herr Gilde«, sagte Lauenberg. »Sollten wir noch Fragen haben, melden wir uns.«

Ellen und Lauenberg standen auf und reichten dem Mann verabschiedend die Hand.

»Haben Sie bemerkt, wie feucht seine Hand war?«

Lauenberg nickte. »Entweder er war aufgeregt, weil wir Polizisten sind oder er hat was zu verbergen.«

»Wenn Letzteres zutrifft, werden wir es herausfinden«, meinte Ellen.

Im Büro angekommen, ging Ellen zu Gerd. »Forschen Sie mal in Ihrem PC. Wir brauchen nähere Angaben über Stefan Gilde. Ich habe in seiner Nähe ein komisches Gefühl.« Sie legte ihm einen Zettel mit Gildes persönlichen Daten auf den Schreibtisch.

»Wird erledigt«, sagte Gerd.

»Ich brauche einen Kaffee«, seufzte sie und setzte die Maschine in Gang. »Wer möchte noch?«

Lauenberg und Gerd hoben gleichzeitig die Hand.

»Jawohl, meine Herren, kommt sofort. Ehrlich gesagt, bin ich zum Scherzen gar nicht aufgelegt.« Nachdem der Kaffee durchgelaufen war, goss Ellen drei Kaffeebecher voll, brachte eine Tasse zu Gerd und die andere zu Lauenberg an den Schreibtisch. »Ausnahmsweise!«

Die Männer bedanken sich.

»Ich habe was über Gilde gefunden. Ob das interessant ist, weiß ich nicht«, betonte Gerd.

Ellen lehnte sich ans Fenster und sagte: »Lassen Sie hören.«

»Stefan Gilde war von 1985 bis 1990 bei der Bundeswehr. 2006 hat er im Schützenverein die Meisterschaft im Pistolenschießen errungen.«

»Aha«, sagte Ellen.

Lauenberg stand auf. »Für ihn war es also kein Problem an Waffen zu kommen oder eine zu besitzen. Was war das für eine Waffe, mit der unser Opfer erschossen wurde? Wissen wir das inzwischen.«

»Moment, ich habe die Akte hier liegen.« Ellen blätterte und fand schnell, was sie suchte. »Eine G 17 – Kaliber 9 mm Luger. Gilde muss deshalb nicht automatisch der Mörder sein, aber das sollten wir überprüfen«, sagte sie und schaute erst Lauenberg, dann Gerd an. »Ich werde noch einmal mit Frau Steiner sprechen, die ist mir zu glatt. Was meinen Sie?«

Lauenberg nickte. »In Ordnung, aber heute nicht mehr.«

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