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Rita Hajak

Mord am alten Friedhof

Hauptkommissar Steffen Lauenberg ermittelt ...

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Zitat

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Impressum neobooks

Zitat

Der Kriminalschriftsteller ist eine Spinne, die die

Fliege bereits hat,

bevor sie das Netz um sie herum webt.

(Sir Arthur Conan Doyle)

Kapitel 1

Donnerstag, 6. April 2018

Es war kurz vor 23 Uhr.

Ein Mann trat aus der Gaststätte und begab sich auf den Heimweg. Die Kapuzengestalt, die sich lautlos von der Hauswand löste und ihm folgte, bemerkte er nicht. Die Luft war feucht und die Straßen wie leer gefegt, was bei diesem Wetter nicht verwunderlich war. Nebelschwaden zogen durch den kalten Aprilabend. Er stellte den Kragen seiner Jacke hoch und zog die Schultern zusammen. Erstaunt schaute er in den Nachthimmel, als winzige Schneeflocken auf ihn herab rieselten. Mit zügigen Schritten und einem Siegerlächeln stakste er die Kastellstraße entlang. Minuten später bog er in die Platterstraße ab. Der Weg nach Hause war nicht weit. In manchen Häusern, auf der anderen Straßenseite, schien hinter den Gardinen gedämpftes Licht, was gemütlich wirkte. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil es später geworden war, als er es seiner Frau versprochen hatte. Aber dieser eine Tag in der Woche gehörte ihm.

In Höhe des alten Friedhofs, hörte er gedämpfte Schritte hinter sich, die schnell näherkamen. Bevor er die Zeit fand sich umzudrehen, spürte er einen kräftigen Schlag auf den Kopf, der ihn zu Boden streckte. Jemand zerrte ihn in die Büsche. Benommen hob er die Hand, setzte zum Sprechen an, und versuchte aufzustehen. Eine Faust landete mit voller Wucht in seinem Gesicht. Schmerzerfüllt schrie er auf und kippte um. Warmes lief ihm über die Wangen. Es schmeckte nach Blut. Er hatte Angst; fürchtete um sein Leben. Erneute Schläge hämmerten gegen seinen Kopf und Fußtritte trafen ihn überall. Er konnte nicht sehen, wer da wie besessen auf ihn eindrosch und fand nicht die Kraft aufzustehen. Ihm schwanden die Sinne. Sein letzter Gedanke galt seiner Frau. Den Schuss, der dann fiel, hörte er nicht mehr.

Das blaue Licht des Bordells Die Rote Meile in Biebrich leuchtete. Tobias parkte seinen Wagen und trat lächelnd durch die rote Tür, auf der Eros stand. Die blonde Lola erwartete ihn. Das Mädchen zeigte nach oben und ging voraus. Um ihren Körper schmiegte sich ein durchsichtiges Gewand, unter dem sie einen Tangaslip und halterlose Strümpfe trug. Er schaute ihr wohlwollend hinterher. Wie erwartet, erstrahlte ihr Zimmer in warmem Licht und wirkte, obwohl es dürftig eingerichtet war, einladend und gemütlich.

»Du kommst spät. Dir scheint es mit mir gefallen zu haben«, stellte sie mit einem verführerischen Lächeln fest. »Oder irre ich mich?«

»Stimmt. Ich bin gerne wiedergekommen. Gestern war es aus einem anderen Grund. Da hatte ich Bedürfnisse. Heute mag ich reden«, sagte der junge Mann und schaute in ihre rehbraunen Augen. Er fand, dass sie ein hübsches Mädchen war, mit guten Manieren, viel zu schade für dieses Gewerbe.

Sie tat erstaunt. »Worüber willst du mit mir reden? Die Sprache, die ich spreche, kommt ohne Worte aus.« Sie drückte ihn sanft auf das Bett, mit der roten Decke aus Satin, und kniete sich hinter ihm nieder. Er spürte ihre vollen Brüste, die sie an seinen Rücken drückte, was einen wohltuenden Schauer in ihm auslöste.

»Ich habe heute nicht viel Zeit, ich reise morgen ab. Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden. Meine geschäftlichen Belange habe ich erledigt. Du hast es mir angetan, Lola. Was machst du, außer auf diese Weise Geld zu verdienen? Du siehst nicht aus, als wäre es dein Beruf.«

Sie lachte. »Wir reden später darüber. Jetzt entspanne dich. Schade, dass du nicht wiederkommst. Ich mag dich. Gehst du weit weg. Er nickte. »Nach Köln. Das sind ein paar Kilometer, die zwischen uns liegen. Aber wer sagt, dass ich nicht wiederkomme? Ich stehe kurz vor dem Umzug nach Taunusstein. Habe dort eine hübsche Wohnung gefunden.« Ihre Hände glitten von hinten über seine Schultern, wanderten den Brustkorb entlang, auf dem sich kein Haar befand, und schlüpften beherzt in seine Hose. Er konnte nicht vermeiden, dass sich seine Männlichkeit regte.

Sie küsste die kleine Narbe an seiner Schläfe. »Das hört sich gut an. Komm, leg dich hin, mache es dir bequem«, forderte sie ihn mit ihrer erotischen Stimme auf. Ihre langen, schlanken Beine schoben sich auf seinen Schoß. Geschwind zerrte sie ihm die Hose herunter. Er ließ es geschehen und übergab sich ihren geschickten Händen.

Später fragte er: »Was machst du, außer hier zu sein?«

Ihre Gesichtszüge änderten sich schlagartig. »Das ist eine lange Geschichte. Ich mache es kurz«, sagte sie abweisend. »Meine Mutter starb, ich stand mitten im Studium und musste für meinen Unterhalt sorgen. Die Wohnung war zu teuer. Eine Freundin hat mich hierzu überredet, und ich habe es als Alternative angenommen. Es ist mir weiß Gott nicht leicht gefallen. Mit dem Studium bin ich in einem halben Jahr fertig. Dann verlasse ich dieses Etablissement. Jetzt habe ich dir genug erklärt.« Sie lachte.

Er nickte. »Eine Frage noch. Was studierst du?«

»Jura!«

»Kompliment. Du bist ein tolles Mädchen. Ich wünsche dir viel Glück. Verrätst du mir deinen richtigen Namen und die Haarfarbe, die du unter der Perücke versteckst?«

Sie streifte mit einer lässigen Bewegung die blonde Mähne vom Kopf und sagte: »Nadine und du?«

»Hellbraun und genauso lang wie das Perückenhaar. Steht dir ehrlich gesagt viel besser«, meinte er und grinste. Ich heiße Tobias.«

»Wäre schön, wenn wir uns wiedersehen«, sagte sie.

»Das lässt sich einrichten.«

»Fein, schau vorbei, wenn du in der Nähe bist. Sofern ich noch hier bin.« Sie zog ihren roten Lackmantel über und begleitete ihn die Treppe hinunter zum Ausgang. Dort steckte sie ihm ein Kärtchen mit ihrer Handynummer zu.

Tobias lächelte erfreut und trat durch das Tor hinaus auf die Straße.

Kapitel 2

Freitag, 7. April 2018

Lauenbergs Handy piepste. Verschlafen griff er danach und schaltete es aus. 6:50 Uhr. Zeit aufzustehen. Er streckte sich, sprang mit einem Satz aus dem Bett, und huschte ins Bad. Die kühle Dusche tankte seinen Körper mit Energie auf. Danach kleidete er sich an und warf einen Blick aus dem Fenster. Grau, triste und einen feinen Schneeteppich auf der Straße, konnte er erkennen. Auch das noch, dachte er. Ohne Frühstück verließ er das Haus. Er wollte vermeiden in einem möglichen Verkehrschaos stecken zu bleiben.

Hauptkommissar Steffen Lauenberg kam gleichzeitig mit seiner Kollegin auf dem Parkplatz des Polizeipräsidiums an.

»Guten Morgen, Frau Schneider«, grüßte er. »Sind Sie problemlos durchgekommen? Sie wohnen doch in Bad Camberg?«

Sie nickte. »Guten Morgen, Kollege, ich bin rechtzeitig losgefahren. Zehn Minuten hat es länger gedauert, als sonst.«

Gemeinsam betraten sie das Gebäude.

Im Büro goss sich Lauenberg einen Kaffee ein, den die Sekretärin bereitgestellt hatte. Geduldig wartete er bis Silke Schneider ihren Mantel ausgezogen und an ihrem Schreibtisch Platz genommen hatte.

»Ekliges Wetter. Ich hoffe, der Frühling setzt sich bald durch«, sagte er und reichte ihr eine Tasse Kaffee, was sie erstaunt aufblicken ließ. Das tat er das erste Mal, seit er vor einer Woche ins K11 gekommen war.

»Was haben Sie gegen das Wetter? Es ist April, der weiß nicht, was er will«, ulkte Silke. »Da gibt es schöne Tage, Regen oder Schnee. Was ist los? Sie schauen mich so komisch an.«

Er atmete tief durch. »Wenn ich daran denke, dass heute ihr letzter Tag ist, macht mich das traurig. Sie sind eine tolle Kollegin.«

»Oh, vielen Dank, ein schönes Kompliment. Aber wie ich Ihnen bereits erzählt habe, mache ich das meiner Tochter zuliebe. Sie steht vor dem Abitur, braucht ein bisschen Unterstützung. Es sind nur sechs Wochen, dann bin ich wieder zurück. Außer unserem Chef, Andreas Hauser und Frau Dr. Eichhorn, sind alle alten Kollegen weg; mich vermisst ohnehin keiner.«

»Ich schon. Wäre schön gewesen, Sie an meiner Seite zu wissen.«

Silke klopfte ihm auf die Schulter. »Das höre ich gerne. Ich hoffe, Sie bleiben länger, als Ihre Vorgänger.«

Gerd Schröder, der neue Kriminalassistent, ein netter Typ und Computerspezialist, platzte herein. »Was machen Sie für Gesichter? Egal, vertagen Sie Ihren Kummer. Es gibt einen Toten«, sagte er und reichte Lauenberg einen Zettel mit knappen Informationen.

»Geht klar, machen wir unsere Arbeit«, sagte er. »Wenn alles passt, bleibe ich bis zu meiner Pension«, versprach Lauenberg lächelnd. »Wann kommt der Ersatz für Sie, Kollegin?«

»So viel ich weiß, am Montag. Da wären Sie am Wochenende mit Gerd alleine.«

»Das ist kein Problem. Ich habe am Sonntag zwar frei, bin jedoch in Bereitschaft.«

»Wo geht es hin, am frühen Morgen?«, fragte Silke.

Lauenberg schaute auf das Blatt Papier in seiner Hand. »Zum alten Friedhof, nördlich der Stadt.« Er verzog das Gesicht.

Silke schlüpfte in ihren Mantel und sagte: »Keine Angst. Das ist inzwischen ein Freizeit- und Erholungspark.«

»Das beruhigt mich.«

Sie nickte. »Also, fahren wir.«

Nebelnässe schlug sich auf dem Asphalt nieder. Der Schnee vom gestrigen Abend, war bis auf wenige Flecken, weggetaut. Das Team der Spurensicherung, sowie die Rechtsmedizinerin, waren vor Ort.

»Wie üblich, seid ihr die Ersten am Tatort, trotz der Wetterlage«, bemerkte Silke.

Lauenberg trat zu dem Toten, der im Gebüsch lag. Er wandte sich um. »Wissen Sie, wer er ist?«, fragte er Andreas Hauser, den Leiter der Spurensicherung.

»Wie der aussieht, erkennt ihn niemand«, meinte Silke erschüttert.

»Lauenberg zog Gummihandschuhe über und beugte sich zu dem Toten herab. »Er ist schlimm zugerichtet«, stellte er fest.

»Jemand hat ihm mit voller Wucht das Gesicht zertrümmert und anschließend mit einem Kopfschuss getötet«, sagte Hauser. Er reichte Lauenberg eine Plastikhülle mit dem Ausweis des Opfers.

»Michael Steiner, 51 Jahre, wohnhaft in der Comeniusstraße«, las er.

»Das ist in der Nähe«, sagte Silke.

Andreas nickte. »Die nächste Straße links. Ich habe noch was für euch.« Er schwenkte eine Plastikhülle, in der sich eine Spielkarte befand. »Hatte er in seiner Jackentasche.«

»Herzbube. Was bedeutet das?« Lauenberg schaute Silke und Andreas Hauser verwundert an.

»Ein Zeichen?«, vermutete Silke ein.

»Er hatte einen Kassenzettel vom Römerkastell in seiner Geldbörse. Die Gaststätte befindet sich ebenfalls in der Nähe. Mehr kann ich euch im Moment nicht sagen.« Andreas wandte sich ab.

»Frau Dr. Eichhorn, seit wann ist das Opfer tot?«, fragte Lauenberg.

Sie schaute ihn lächelnd an. »Vorsichtig ausgedrückt: seit gestern Abend zwischen 23 Uhr und Mitternacht. Er war nach einem kräftigen Schlag, mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf, wehrlos. Möglicherweise ein Stein. Der Täter muss das Opfer hierher geschleift, mit Fußtritten attackiert, und dann erschossen haben. Ich vermute, dass er bereits bewusstlos gewesen war, als der Schuss fiel. Das Projektil ist wieder ausgetreten. Genaueres, wie gehabt, nach der Obduktion.«

»Was halten Sie davon, Frau Schneider?« Lauenberg schaute sie fragend an.

»Schwer zu sagen. Sieht wie eine Hinrichtung aus. Wir brauchen mehr Information. Wir suchen seine Adresse auf. Wenn es Angehörige gibt, müssen wir sie informieren. Diesen Teil unserer Arbeit hasse ich.«

Lauenberg nickte. »Wem sagen Sie das.«

Minuten später standen sie vor einem gepflegten Gebäude mit mehreren Etagen. Auf ihr Klingeln ertönte umgehend der Summer. An der Wohnungstür, im Erdgeschoss, stand eine gut aussehende Frau um die vierzig, salopp gekleidet, mit dunkelblond gewelltem Haar. Zwischen ihren ringgeschmückten Fingern hielt sie eine Zigarette.

»Entschuldigen Sie, ich dachte, es wäre mein Mann. Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie beunruhigt.

Silke schaute Lauenberg an, zog ihren Ausweis und stellte sich und ihren Kollegen vor.

»Geht es um Michael? Haben Sie was herausgefunden? Hat er was angestellt?« Ihre Augen blickten besorgt auf Silke und wanderten zu Lauenberg. »Aber wieso Mordkommission?«

»Dürfen wir hereinkommen?«, fragte Silke.

Die Frau nickte und ging aufrecht voran ins Wohnzimmer, das extravagant eingerichtet war. Der riesige Flachbildschirm, umrahmt von Regalen mit wertvollen Kleinigkeiten und jede Menge Bücher, nahm die halbe Wand ein. An der Seitenwand stand ein moderner Kaminofen, dem eine angenehme Wärme entströmte. »Nehmen Sie Platz, bitte.« Ihre Hände strichen unruhig den Stoff ihrer Hose glatt, nachdem sie die Zigarette im Ascher ausgedrückt hatte.

Silke setzte sich vorsichtig auf die weiße Ledercouch, bevor sie sagte: »Frau Steiner, was sollten wir herausgefunden haben?«

»Kommen Sie nicht wegen der Vermisstenanzeige? Ich hatte sie in der Nacht aufgegeben.« Die Frau blickte unsicher von einem zum anderen.

»Nein, nicht aus diesem Grund. Aber wir haben Ihren Mann gefunden. Er wurde niedergeschlagen. Er ist … «

Die Frau sprang auf. »Ist er schwer verletzt?« Zitternd riss sie die Augen auf.

Silke trat vor sie hin. »Er ist tot, erschossen.«

Die Frau schwankte. Silke hatte es kommen sehen und stützte sie. Lauenberg war ebenfalls aufgestanden.

»Tot?«, flüsterte die Frau, als begreife sie nicht, was das bedeutete.

Sekunden später fing sie an zu weinen.

»Können wir jemand verständigen?« Lauenberg schaute sie besorgt an.

Sie schüttelte fassungslos den Kopf und beruhigte sich allmählich. »Ich rufe meine Schwester an. Sie wohnt in der Nähe.« Sie nahm ihr Handy und drückte die Kurzwahltaste. In kurzen abgehakten Worten bat sie ihre Schwester um ihr sofortiges Kommen.

»Wie ist das passiert und wann?«, fragte sie Silke verzweifelt.

»Wir wissen nichts Genaues. Ein Mann mit Hund hat ihn heute Morgen beim Spaziergang in der Nähe des alten Friedhofs gefunden. Vermutlich ist es gestern Abend gegen 23 Uhr geschehen. Die Spurensicherung muss erst alle Ergebnisse auswerten«, gab Silke Auskunft.

»Dann ist es auf dem Heimweg passiert«, schluchzte Frau Steiner.

»Gibt es noch andere Verwandten oder haben Sie Kinder?«, fragte Silke.

»Nein.«

»Wo war ihr Mann beschäftigt, Frau Steiner?«

»Bei Alfa Elektro«, stotterte sie.

»Hatte Ihr Mann Feinde?«

Sie tupfte sich die Tränen von den Wangen und schüttelte den Kopf. »Nicht das ich wüsste. Er war zu jedem freundlich und hilfsbereit. Wer sollte etwas gegen ihn gehabt haben?«

Es klingelte an der Haustür. Silke und Lauenberg erhoben sich. Frau Steiner öffnete und fiel ihrer Schwester um den Hals. Die Kommissare verabschiedeten sich, nachdem Silke der Schwester die Sachlage geschildert hatte.

»Fahren wir zuerst zu dieser Firma. Wir müssen die Firmenleitung über Steiners Tod informieren«, meinte Silke, als sie in den Wagen stiegen. »Finden Sie nicht, dass die Frau keine echte Trauer zeigt? Wirkt wie einstudiert.«

Lauenberg zuckte mit den Schultern. »Jeder Mensch reagiert anders. Fahren wir in die Firma des Toten.«

Unterwegs meinte Silke: »Sie werden mit der neuen Kollegin gut auskommen. Ich kenne sie von einem Einsatz. Sie ist umgänglich, aber wenn sie von einer Sache überzeugt ist, gibt es kein Pardon«, lachte sie.

»Wir werden sehen«, antwortete Lauenberg. Er schaute Silke kurz an und richtete seinen Blick auf die Straße, indem er dachte: Sie sieht gut aus. Halblange mittelblonde Haare, gute Figur, ebenmäßiges Gesicht. Tolle Frau!

»Haben Sie Familie oder ist Ihnen das zu persönlich?«, wollte die Kollegin wissen.

»Da gibt es nicht viel zu sagen. Ich lebe seit einem Jahr von meiner Frau getrennt.«

Silke nickte. »Macht Ihnen das zu schaffen?«

»Ich liebe sie noch immer.«

»Verstehe.«

»Und Sie?«, fragte er.

Silke hatte das Gefühl, es interessiere ihn nicht wirklich, dennoch antwortete sie: »Ich bin seit vielen Jahren geschieden und lebe seit knapp drei Jahren mit einem Kollegen vom LKA zusammen. Udo Berger. Vielleicht laufen Sie sich mal über den Weg.«

»Ich werde mir den Namen merken«, versprach Lauenberg. Als sie ins Büro zurückkamen, wartete Polizeirat Dr. Manderbach auf sie. In knappen Worten unterrichtete Lauenberg ihn über den neusten Fall.

»Haben Sie was in der Firma des Toten ermittelt?«,

fragte Dr. Manderbach.

»Nichts, was uns weiterbrächte«, antwortete der Kommissar.

»Der Chef, ein Herr Brinkmann, war noch nicht anwesend. Einige Mitarbeiter haben das Opfer als einen zuverlässigen, kompetenten Kollegen bezeichnet. Ich werde dort nochmals vorsprechen.«

Dr. Manderbach nickte. »Tun Sie das.«

Silke und Lauenberg standen auf und verabschiedeten sich.

»Ich gehe noch in die Cafeteria, mir ein Streuselstückchen holen. Mögen Sie auch eins.«

»Da sage ich nicht nein«, grinste Lauenberg. »Ach, wissen Sie was? Ich komme mit und wir trinken einen Kaffee zusammen.«

»Ich bin begeistert. Unser letzter gemeinsamer Tag«, antwortete

Silke erfreut.

Kapitel 3

Samstag, 8. April 2018

Am nächsten Morgen schaute Lauenberg ungeduldig zu Andreas Hauser und trat ans Fenster. »Was haben Sie herausgefunden?«

Hauser hob beschwichtigend die Hand. »Geduld, wir warten, bis der Chef da ist.«

Wie auf Kommando ging die Tür auf und Dr. Manderbach trat ein. »Guten Morgen. Ich habe die Unterlagen von Frau Dr. Eichhorn mitgebracht, die ich zuerst vorlese. Also: Der Tote ist mit einem Stein niedergeschlagen worden. Das erklärt die große Wunde am Kopf. Danach wurde er in die Büsche geschleift, was die Spuren an seiner Hüfte bestätigen. Auf Oberkörper, Magen und Unterleib befinden sich mehrere Hämatome, die von Schlägen und Tritten herrühren. Die Todesursache jedoch war der aufgesetzte Nahschuss. Zu diesem Zeitpunkt war das Opfer bereits bewusstlos. Der Einschuss erfolgte in der Mitte des Hinterkopfs und trat am unteren Rand des rechten Auges aus«, beendete Dr. Manderbach den Bericht. »Jetzt sind Sie dran, Hauser.«

Der Leiter der KTU räusperte sich. »Wir haben Abdrücke von Turnschuhen oder anderen Schuhen mit grobem Profil, der Größe 44, rund um den Tatort gefunden. Die Blutanalyse hat ergeben, dass es das Blut des Toten ist. Auf der Spielkarte waren keine Fingerabdrücke zu finden. Schmauchspuren am Opfer konnten wir feststellen. Es muss noch ausgewertet werden, um was für eine Schusswaffe es sich handelt. Das Projektil haben wir erst heute Morgen, tief im Erdboden, in der Nähe der Mauer, gefunden. Mehr haben wir im Moment nicht. Weitere Spuren konnten wir wegen der leichten Schneedecke nicht lokalisieren.«

»Danke, Herr Hauser, viel ist das nicht und ich hoffe, wir kommen schnellstens mit unseren Ermittlungen voran«, sagte Dr. Manderbach.

»Wie hieß die Kneipe auf dem Kassenbeleg, Herr Hauser?«, wollte Lauenberg wissen.

»Zum Römerkastell, in der Adlerstraße. Ist wenige Minuten vom Tatort entfernt!«, kam die Antwort.

»Schauen Sie bitte im PC nach, ob die geöffnet haben«, sagte Lauenberg zu Gerd, der an seiner Bürotür stand.

»Mach ich, Chef.«

Lauenberg schüttelte unmerklich den Kopf. Er mochte diese Anrede nicht.

Gerd nickte durch die Glasscheibe und hob den Daumen.

»Wollen Sie mitfahren, wir schauen uns den Laden mal an.« Lauenberg griff nach seiner Jacke.

Gerd war sofort bereit.

Schweigend fuhren sie durch die Straßen, bis Gerd sagte: »Da ist es.«

Die Tür zur Gaststätte stand offen und sie traten ein. Eine Frau, mittleren Alters und rundlicher Figur, stand hinter dem Tresen und spülte Gläser. Gäste waren keine anwesend. Lauenberg zeigte seinen Dienstausweis, nannte seinen und Gerds Namen.

»Wie kann ich Ihnen helfen?« Die Wirtin schaute sie freundlich an.

»Kalt hier«, stellte Lauenberg fest.

»Morgens muss gelüftet werden«, sagte die Frau. »Aber ich schließe die Tür.«

Lauenberg bedankte sich. »Ich gehe davon aus, dass sie die Chefin sind?«

»So ist es. Sabine Steger.«

»Frau Steger, vorgestern Abend trafen sich bei Ihnen Männer zum Kartenspiel.«

Die Wirtin nickte. »Wie an jedem Donnerstag.«

»Kennen Sie die Männer?«, fragte er.

»Das wäre zu viel gesagt. Ich kenne ihre Vornamen und ihre Gesichter. Die meisten kommen jeden Abend auf ein Bierchen, plaudern und sind eine Stunde später wieder weg. Es sei denn sie spielen Skat. Den Michael und seine Frau kenne ich länger. Hin und wieder kommen sie zum Essen, wenn ich einen Schnitzeltag habe.«

»Sie meinen Michael Steiner?« Lauenberg schaute sie fragend an.

Die Wirtin lachte. »Den ewigen Gewinner der Skatrunde. Ein sympathischer Mann.«

»Gab es am Donnerstag oder an anderen Tagen Streit untereinander?«, wollte Gerd wissen.

»Die sticheln ein wenig, wenn der Michael gewinnt. Für die Männer ist er ein heldenhafter Falschspieler. Sie meinen es nicht ernst, wollen mit Freibier getröstet werden. Das funktioniert«, erklärte die Wirtin.

»Spielt er falsch?«, fragte Lauenberg und schaute sich um. Die Kneipe war gemütlich eingerichtet und machte einen sauberen Eindruck.

»Gott bewahre, Michael ist ein hervorragender Spieler. Für ihn lege ich meine Hand ins Feuer. Ich glaube, er hatte früher erfolgreich an Turnieren teilgenommen. Er hat es nicht nötig falsch zu spielen«, sagte die Wirtin. »Sie haben mir nicht gesagt, worum es geht.«

Lauenberg räusperte sich. »Herr Steiner ist tot. Ermordet.«

»Nein!«, rief die Frau entsetzt und schlug die Hände vors Gesicht. »Das kann nicht sein. Er ist vorgestern Abend munter und vergnügt nach Hause gegangen.«

»Wann war das?«

»Kurz vor 23 Uhr.«

»Das wissen Sie so genau?«

Frau Steger nickte, mit Tränen in den Augen. »Nachdem er gegangen war, hörte ich mir die Nachrichten im Radio an.«

»Ist Ihnen irgendwas Außergewöhnliches aufgefallen?«

Die Frau schüttelte den Kopf. »Ein Mann betrat kurz zuvor das Lokal, trank eine Cola und ging wieder.«

»Kannten Sie ihn.«

»Noch nie hier gesehen.«

»Wie sah er aus?«

Die Wirtin rollte mit den Augen. »Sie können Fragen stellen. Er war jung, Mitte zwanzig, groß, schlank, hatte kurzes dunkelblondes Haar. Er hätte noch etwas vor, hörte ich ihn sagen.«

»Würden Sie ihn wieder erkennen?«

»Ich denke schon, Herr Hauptkommissar.«

»Wann hat er die Gaststätte verlassen?«, fragte Gerd.

»Das weiß ich nicht genau. Auf jeden Fall vor Michael.«

»Wann können wir mit den Männern sprechen?«

»Jeden Tag, ab 18 Uhr. Sie sind pünktlich wie die Maurer.«

»Betreiben Sie die Gaststätte alleine?«

»Als mein Mann vor zwei Jahren starb, blieb mir nichts anderes übrig. Abends habe ich für drei Stunden eine Bedienung und einen Koch in der Küche gibt es auch«, sagte sie.

»Sind die beiden ebenfalls heute Abend zu sprechen?«, fragte Lauenberg.

»Jawohl«, bestätigte die Wirtin.

»Vielen Dank, wir schauen noch mal vorbei.« Lauenberg nickte ihr freundlich zu.

»Was denken Sie?«, fragte Gerd, als sie draußen waren.

»Es ist nicht auszuschließen, dass der Fremde etwas damit zu tun hat, obwohl nicht jeder fremde Gast ein Schlitzohr sein muss. Ich hoffe, einer der Männer kann ihn näher beschreiben«, seufzte Lauenberg. Sein Handy klingelte. Es war Frau Hofer, die Sekretärin. »Was gibt’s?«

»Frau Dr. Eichhorn hat angerufen. Sie hat was entdeckt. Fahren Sie bitte auf dem Rückweg in der Rechtsmedizin vorbei.«

»Danke, Frau Hofer, machen wir. Wäre wünschenswert, wenn sie etwas gefunden hätte, was uns weiter helfen könnte«, sagte Lauenberg.

Gerd nickte.

Die Ärztin winkte ihnen zu, als sie ankamen. »Schön, dass Sie es so schnell einrichten konnten.«

»Was haben Sie entdeckt, Frau Doktor?« Lauenberg war ungeduldig. Ihm ging es nie schnell genug.

»Gemach, gemach«, sagte sie. »Kommen Sie mit.« Die Ärztin machte es spannend.

Sie betraten den Untersuchungsraum und sahen auf dem Tisch den Leichnam des Opfers liegen.

Lauenberg konnte sich nicht mehr zurückhalten. »Nun raus mit der Sprache«, Frau Dr. Eichhorn.«

»Ich weiß, Geduld ist nicht Ihre Stärke, das habe ich in der kurzen Zeit schon mitbekommen«. Sie trat an den Tisch und nahm die rechte Hand des Toten. »Schauen Sie hier. In der Innenfläche ist ein kleiner Schatten zu sehen, dem ich anfangs keine Bedeutung beigemessen hatte. Doch bei genauerer Untersuchung stellte ich fest, dass es ein winziger Blutstropfen war.«

»Und?« Lauenberg schaute sie erwartungsvoll an.

»Es ist nicht sein Blut, stimmt’s?«, mischte sich Gerd ein.

»Treffer. Es könnte somit das Blut des Täters sein.« Die Ärztin lächelte.

»Ein wertvoller Hinweis den Täter zu überführen. Wir müssen ihn nur finden. Wir lassen es mal durch die Datenbank laufen.«

»Hatte ich bereits veranlasst. Leider kein Ergebnis«, sagte sie.

»Danke, Frau Doktor.« Lauenberg reichte ihr die Hand.

Im Flur, auf dem Weg in ihr Büro, kam ihnen Dr. Manderbach entgegen.

»Frau Dr. Eichhorn hat noch was entdeckt. Fremdes Blut in der Handinnenfläche des Toten«, begann Lauenberg das Gespräch. »Anhand dieser DNA können wir den Täter entlarven. Bedauerlicherweise ist in der Datenbank nichts gelistet.«

»Das ist schade«, gab Dr. Manderbach zu. »Gibt es Verdächtige?«

Lauenberg nickte. »Ein junger Mann, der sich in der Gaststätte kurzzeitig aufgehalten hat. Keiner kannte ihn. Ich werde heute Abend die Männer befragen, ob jemand den Mann beschreiben kann, in der Hoffnung, es lässt sich ein Phantombild erstellen. Außerdem entnehme ich den Männern eine Speichelprobe.«

»Gute Idee, damit wären wir einen Schritt weiter.« Dr. Manderbach verabschiedete sich.

»Mittagspause. Ich gehe in die Kantine«, sagte Lauenberg.

»Wer kommt mit?«

»Ich gerne.« Gerd war bereit.

»Und Sie, Frau Hofer?«

»Danke, nett von Ihnen, aber ich treffe mich mit meiner Freundin.«

Gerd und Lauenberg verließen grinsend das Büro. Auf dem Weg zur Kantine sagte Gerd: »Das sah nicht nach zufälligem Mord aus. Der war geplant. Was könnte der Grund sein?«

»Möglich, dass der Tote doch falsch spielte und einer darüber sehr wütend geworden war. Ich fahre heute Abend auf dem Heimweg noch mal in der Kneipe vorbei, um die Männer zu befragen. Wenn die was wissen, finde ich das heraus. Für ein Freibier tun die fast alles«, meinte Lauenberg.

»Einen Versuch ist es wert«, pflichtete Gerd bei.

Gegen 18 Uhr traf Lauenberg in der Gaststätte ein. Er hatte Glück. Die Männer vom Donnerstagabend waren anwesend. Der alte Hans saß mit wachen Augen am Tresen. Zu den Spielern gehörte er nicht. Lauenberg stellte sich vor. Hans wirkte betroffen und wurde gesprächig. Mit erstaunlicher Präzession konnte er den Fremden beschreiben. Paul, ein Mitspieler, versicherte, sich ebenfalls an das Gesicht des Mannes zu erinnern. Lauenberg bat sie, am Montag aufs Präsidium zu kommen, um ein Phantombild zu erstellen. Er hoffte, dass sie den entscheidenden Hinweis geben konnten. Die anderen zwei Männer waren inzwischen eingetroffen. Er spendierte jedem ein Bier und alle waren sofort mit der Speichelprobe einverstanden, die Lauenberg gleich vor Ort entnahm. »Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen, was uns weiterhelfen könnte?«, fragte er die Anwesenden. »Wie lief denn der Abend ab? Gab es Streit?«

»Streit gab es nie. Es war wie immer. Michael Steiner gewann jedes Spiel«, berichtete Paul. »Das ist leider jetzt vorbei. Wir haben die Hoffnung nie aufgegeben, das erhöhte die Spannung.« Der Mann schüttelte den Kopf. »Er wird uns fehlen«, sagte er und berichtete weiter: »Ein Fremder kam herein und trank eine Cola. Bevor er das Lokal verließ, versprach er, bei nächster Gelegenheit, auf ein Spiel, vorbeizukommen. Michael Steiner hatte ihm die Hand gereicht und ihm versichert, dass er sich freue. Minuten später, nachdem der Mann gegangen war, verabschiedete sich auch Steiner. Da kommen einem doch keine Gedanken, dass der Fremde ein Mörder sein könnte«, sagte er.

»Schon gut. Wir wissen nicht, ob er der Täter ist. Aber wir müssen ihn überprüfen. Wenn Ihnen noch was einfällt, geben Sie bitte Bescheid.«

Die Tür öffnete sich und eine junge Frau trat herein.

»Das ist Frau Vogt, meine Bedienung«, sagte die Wirtin zu Lauenberg.

Sie konnte mit ihren Auskünften nicht weiterhelfen, da sie an jenem Abend, bereits um 21 Uhr nach Hause gegangen war. Auch der Koch hatte von nichts eine Ahnung. »Ich bin in der Küche und bekomme vom Gastraum nicht viel mit«, sagte er.

Lauenberg bedankte sich, legte seine Visitenkarte auf den Tresen, und begab sich auf den Weg nach Hause.

Dass er den Abend alleine verbringen musste, störte ihn weniger. Mit der Psychotherapeutin, Lena von Feldern, war er seit drei Monaten befreundet. Es war eine lockere Beziehung. Er wollte abwarten und nichts übereilen. Mit ihr konnte er über seine Arbeit reden; sie war verschwiegen wie ein Grab. Einzelne Details gab er nicht preis und sie akzeptierte das, sowie er ihre Arbeit. Sie wollten sich heute treffen, doch Lena hatte wegen eines Termins abgesagt. Er dachte an seine Frau; er vermisste sie. Sie hatte ihn verlassen, wegen seiner Arbeit. Zu gefährlich, nie pünktlich zu Hause und wenn, war er müde. Das hielt sie nicht aus. Er konnte sie verstehen.

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9783742721235
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