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11 Die Illusion von Kontrolle

Nicht selten findet sich die Vorstellung, dass man mit Achtsamkeit das Leben in den Griff bekommen könne: „Wenn ich nur genügend achtsam wäre, dann würden nicht so viele Gedanken in mir auftauchen. Wäre ich nur achtsamer gewesen, dann wäre mir dieser Fehler nicht passiert.“ Achtsamkeit wird hier mit Aufpassen und Kontrolle assoziiert. Das impliziert, dass Achtsamkeit es uns ermöglichen würde, das Leben fest im Griff zu haben und keine Fehler mehr zu machen.

Diese Idee von Achtsamkeit ist aus dem Ego geboren, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Leben berechenbar zu machen und zu kontrollieren. In einem begrenzten, alltagsbezogenen Sinne hat dies auch seine Berechtigung. Wir müssen lernen, uns im Leben zurechtzufinden und planvoll zu handeln. Unsere Fähigkeit der Achtsamkeit dazu zu nutzen, macht Sinn.

Diese Form der Achtsamkeit aber auf die Meditation zu übertragen, führt in die falsche Richtung. Achtsamkeit im Sinne von Gegenwärtigsein ist kein Instrument der Kontrolle und der Perfektionierung, sondern ganz im Gegenteil ein wirkungsvolles Instrument, um die Illusion der Kontrolle zu durchschauen. Je achtsamer wir die Dinge in der Unmittelbarkeit betrachten, desto deutlicher sehen wir, dass wir nichts im Griff haben.

Die Dinge geschehen aus einer ungeheuren Komplexität heraus. Bei genauerer Betrachtung ist es nicht möglich, zu sagen, woher ein Gedanke, ein Gefühl oder eine Empfindung auftaucht. Wie können wir etwas kontrollieren, das aus einer so großen Komplexität heraus entsteht, dass wir immer nur einen Bruchteil davon kennen?

Es gleicht dem Versuch, das Fallen der Blätter im Herbst zu kontrollieren. So wie wir nicht vorhersagen können, woher und wie stark der Wind weht und welche Blätter schon locker genug sind, um abzufallen, genauso vielfältig und unbekannt sind die Faktoren in unserem Geist, die dazu führen, dass innere Vorgänge wie Gedanken oder Empfindungen ausgelöst werden.

Achtsamkeit kann hier bestenfalls bedeuten, sich dieser inneren Vorgänge bewusst zu sein, aber nicht, sie zu kontrollieren. Und selbst diese Form der Bewusstheit muss angesichts der Komplexität der Geschehnisse in unserem Geist immer Stückwerk bleiben. Eine umfassende Achtsamkeit, die sich der Komplexität der Dinge zur Gänze bewusst ist, bleibt genauso ein Wunschgedanke wie die Idee der Kontrolle.

Das ist jedoch kein Problem und keine Katastrophe, wie unser Ego uns vielleicht suggeriert. Die Illusion von Kontrolle aufzudecken ist vielmehr ein Ziel der unmittelbaren Betrachtung der Dinge und führt uns mit der Zeit in eine tiefe Demut hinein. Wir erkennen, dass wir letztlich nichts im Griff haben und nicht wir die Dinge hervorbringen, sondern das schöpferische Leben selbst.

• Welche Kontrollvorstellungen schleichen sich immer wieder in deine Meditationspraxis ein?

• Wie kannst du bemerken, wenn der Versuch von Kontrolle deine Praxis unterschwellig bestimmt?

• Erinnere dich zu Beginn der Meditation, dass Gewahrsein nur „die Dinge bemerken“ bedeutet und keine Vorliebe hat, was geschehen soll.

• Beobachte unmittelbar in der Meditation, wie alles (Atmen, Spüren, Denken …) von selbst geschieht.


12 Sich an das Gewahrsein erinnern

In der Meditation geht es immer wieder darum, sich an das Gewahrsein zu erinnern. Gewahrsein ist die grundlegende Fähigkeit des Geistes, sich bewusst zu sein. Ohne das Gewahrsein gibt es keine Wahrnehmung, keinen bewussten Gedanken, keine Gefühle und Empfindungen. Erst mit der Fähigkeit des Gewahrseins tritt die Welt in Erscheinung.

Auch die Meditation und das Gegenwärtigsein sind ohne die Fähigkeit des Gewahrseins undenkbar. Wie könnten wir das Atmen oder das Hören beobachten ohne Gewahrsein? Wie könnten wir uns der Gedanken bewusst werden ohne Gewahrsein? Jede innere oder äußere Erscheinung kann nur im Spiegel des Gewahrseins erfahren werden.

Obwohl das Gewahrsein absolut grundlegend für unser Sein und unsere Meditation ist, bleibt das Gewahrsein selbst häufig unbewusst. Der Fokus unserer Aufmerksamkeit ist zu sehr auf die vielfältigen Erscheinungen in unserem Geist gerichtet, als dass wir das allgegenwärtige Gewahrsein bewusst erkennen würden. Wir schauen auf die wechselnden Dinge, die sich auf dem Spiegel des Gewahrseins abspielen und vergessen dabei den unbedingten Raum des Spiegels selbst.

Meditation heißt, sich immer wieder an den offenen und unbedingten Spiegel des Gewahrseins zu erinnern. Jede konkrete Erfahrung, ob angenehm oder unangenehm, ist zu jeder Zeit Teil des Gewahrseins. Daher können wir uns in jeder konkreten Erfahrung an das Gewahrsein erinnern. Im Buddhismus heißt es: „Jede Erfahrung ist gut genug, um vollständig aufzuwachen.“ Aufwachen bedeutet hier, sich der Realität des Gewahrseins bewusst zu werden und nicht sich im ewigen Auf und Ab der normalen Erfahrungen zu verlieren.

Was ändert sich, wenn wir uns des Gewahrseins bewusst sind? Ändern sich unsere Gedanken, unsere Empfindungen oder Wahrnehmungen? Ändern sich unsere äußeren Verantwortlichkeiten und Schwierigkeiten im Leben? Nichts von alledem geschieht. Alle inneren und äußeren Vorgänge geschehen weiterhin, aber wir werden innerlich gelassener dabei. Wir erkennen in aller Bewegtheit des Geistes die grundlegende Offenheit und unbedingte Freiheit, die wir im Innersten sind.

Ein Spiegel gibt allen Spiegelungen bedingungslos Raum … er greift nicht ein. In seiner Offenheit und Unbedingtheit verkörpert er eine absolute Stille. Genauso können wir in eine offene Weite und in unbedingte Stille eintauchen, wenn wir uns an das offene Gewahrsein erinnern. Nichts muss anders sein, als es ist. Alle inneren und äußeren Vorgänge können weiter in ihrer natürlichen Bewegung ablaufen. Und doch ist es jederzeit möglich, einen Raum der Freiheit und der Stille zu betreten. Er wartet immer auf uns. Wir brauchen uns nur an ihn zu erinnern.

• Stell dir einen stillen See vor, in dem sich die ganze Welt und der ganze Himmel spiegeln. Dann wechsle die Perspektive und erfahre dich selbst als spiegelnder See. Wie erfährst du dich dabei?

• Nimm die gegenwärtige Erfahrung wahr (z. B. Atmen, Hören …) und erinnere dich dann bewusst an das Gewahrsein, das diese Erfahrung widerspiegelt.

• Wechsle bewusst immer wieder den Fokus der Aufmerksamkeit: Schau einmal auf den Vordergrund der gegenwärtigen Erfahrung und dann wieder auf den Hintergrund des Gewahrseins.

13 Lauschen als Instrument

Um uns auf das Gewahrsein einzustimmen, steht uns noch ein anderes Instrument zur Verfügung: das Lauschen. Lauschen ist ein unmittelbares und ungerichtetes Aufmerksamsein, das die Kraft hat, uns mit dem Gewahrsein in Einklang zu bringen.

Wenn wir zum Beispiel einer Musik lauschen, die wir lieben, haben wir eine besonders sensitive, wache Aufmerksamkeit. Wir sind dann ganz präsent im Zuhören. Gegenwärtigsein, Konzentration, Interesse und wirkliches In-Verbindung-Sein mit der Musik, also alle Qualitäten, die wir in der Praxis der Meditation nähren wollen, entfalten sich hier auf eine sehr natürliche, mühelose Weise.

Die Kraft des Lauschens erfahren wir im unvoreingenommenen Zuhören. Dieses Zuhören ist ein Vorgang, bei dem wir uns für das öffnen, was der andere uns mitteilen will. Ohne Offenheit können wir nicht zuhören. Wir hören dann nur unsere eigenen Gedanken und Meinungen. Dabei ist Lauschen noch mehr als Zuhören. Lauschen ist ein Zuhören mit einer hohen Sensitivität und mit einer gesteigerten Aufmerksamkeit. Wenn wir einer Musik oder einer Erzählung lauschen, dann bekommen wir auch die feinsten Nuancen mit.

Den Unterschied zwischen Hören und Lauschen kennen wir alle: Wie erleben wir es, wenn wir den Regentropfen zuhören und wie, wenn wir ihnen lauschen? Wie erfahren wir es, wenn wir jemandem zuhören, und wie, wenn wir seinen oder ihren Worten lauschen?

Beim Lauschen entsteht eine Intensität im augenblicklichen Erleben, ein waches Lebendigsein. Unsere Selbstgespräche schweigen und wir sind unabgelenkt und ganz offen. Wir werden zu einem Gefäß, zu einem offenen Raum, in dem alles sein kann. Beim Lauschen entstehen die gleichen grundlegenden Qualitäten, die auch das Gewahrsein hat: Offenheit, Annahme, Präsenz, Verbundenheit. Daher ist das Lauschen ein wesentliches Instrument, uns an das Gewahrsein zu erinnern und uns mit ihm in Einklang zu bringen.

Wenn wir im Kontext von Meditation vom Lauschen sprechen, ist nicht nur das Hören wie im normalen Sprachgebrauch gemeint. Es bezieht sich auch nicht auf unsere anderen Sinne, sondern auf das Aufmerksamsein selbst. Normalerweise konzentrieren wir uns beim Lauschen immer auf ein sinnliches Objekt, zum Beispiel eine Musik. Hier aber meint Lauschen, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf nichts Bestimmtes richten, sondern sie ungerichtet und weit lassen. Reines Aufmerksamsein mit einer gesteigerten Sensitivität – offen, empfänglich und ungerichtet.

Durch die Offenheit und Bedingungslosigkeit dieses ungerichteten Lauschens bringen wir unseren Geist in die gleiche Verfassung wie beim Gewahrsein. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass zwischen dem Lauschen und dem Gewahrsein ein subtiler Unterschied besteht. Lauschen beinhaltet noch eine gewisse Aktivität, das Gewahrsein selbst nicht. Gewahrsein ist spontan und frei von jeder Aktivität. Lauschen geschieht nur manchmal, Gewahrsein jedoch immer. Ist es doch die Grundlage jeglicher Erfahrung. Trotzdem ist das Lauschen ein wirkungsvolles Instrument, uns auf das Gewahrsein einzustimmen und dieses mehr und mehr auf eine natürliche, anstrengungslose Weise ins Bewusstsein zu bringen.

• Wie ist deine Erfahrung, wenn du einer Musik lauschst? Welche Qualitäten stellen sich in deinem Geist ein?

• Wie ist deine Erfahrung, wenn du auf die Stille im Raum lauschst? Welche Qualitäten stellen sich dann in deinem Geist ein?

• Lass die Worte „empfänglich sein“ in dir klingen. Nimm eine Körperhaltung dazu ein und erforsche dein Erleben dabei.


14 Eintauchen ins Unermessliche

Gewahrsein ist offen und unbedingt. In der Praxis der Meditation erinnern wir uns immer wieder an diese grundlegende Offenheit und verkörpern diese mit unserem Dasein.

Die Qualität von Offensein beinhaltet Weite, Unbedingtheit, Freiheit und Durchlässigkeit. Offensein ist eine Ausdehnung ohne Grenzen, ein unbegrenzter Raum. Das ist durchaus ungewöhnlich, denn ein Raum ist meistens begrenzt. Ein unbegrenzter Raum dagegen ist unermesslich und für unseren Verstand nicht zu fassen. Unser Verstand braucht das Begrenzte, um etwas begreifen zu können.

Es gibt jedoch Momente, in denen wir das Unermessliche erahnen. Vielleicht schauen wir in den weiten Sternenhimmel oder blicken in einer besonderen Stimmung auf das Meer hinaus. Auch hier können wir das Unermessliche nicht sehen oder begreifen, aber wir werden trotzdem von der Qualität des Unermesslichen ergriffen und staunen. Staunen ist vielleicht die beste Möglichkeit, das Unermessliche zu berühren. In diesen Momenten ahnen wir etwas von dem Großen und Unbegreiflichen, was „Leben“ oder was „Gott“ ist.

Vielleicht aber berühren in diesen Momenten nicht wir das Unermessliche, sondern es ergreift uns. Eine tiefe, überraschende Begegnung mit der Unermesslichkeit des Lebens. Eine Erfahrung, die in unsere Welt einbricht, ohne dass wir sie mit unserem Verstand fassen können. In so einem Moment sind wir Offensein und Lauschen, und wir sind ergriffen von dem Unermesslichen, was Leben ist.

Das Offensein der Meditation ist die Verkörperung des Unermesslichen. Dabei ist diese Art von Offensein ganz anders als die, die wir normalerweise kennen. Wenn wir normalerweise von Offenheit sprechen, meinen wir meist das Gegenteil von Enge oder Verschlossenheit. Das Offensein des Gewahrseins ist dagegen unbedingt und unbegrenzt. Es ist sowohl offen für die Weite als auch für die Enge, sowohl für das Angenehme als auch für das Unangenehme, für das ganze jetzige Leben in all seinen Facetten und Widersprüchlichkeiten.

Ist die Weite des Himmels durch eine schwarze Gewitterwolke begrenzt? Ist das Meer durch den Horizont begrenzt? Ist unser Dasein durch seelische oder körperliche Beeinträchtigungen begrenzt? Oder durch Gedanken, Vorstellungen und Vorlieben? Für das bedingungslose Offensein muss nichts davon weg oder anders werden. Es umfasst alles.

Nur in dieser Unbedingtheit ist das Offensein des Gewahrseins frei, alles zu umfassen und selbst dem Unermesslichen Raum zu geben. So wird das Offensein für uns zu einem Tor, um in das Unermessliche einzutauchen und zu erkennen, dass auch wir ein Teil des Unermesslichen sind.

• Vergegenwärtige dir das Unermessliche des Himmels und nimm eine Körperhaltung für diese Erfahrung ein. Wie ist dein Erleben dabei?

• Erinnere dich daran, dass Offensein alles einschließt, das Angenehme wie das Unangenehme, das Erwünschte wie das Unerwünschte. Nichts muss weg und nichts muss anders sein, als es jetzt ist. Wie ist deine Meditation, wenn sie alles umfasst, was ist?


15 Sich mit Hindernissen anfreunden

Sich von Moment zu Moment der Gegenwart zuwenden, das ist die Praxis der Meditation. Was könnte natürlicher sein, als sich dem zu öffnen, was gerade da ist? Trotz dieses einfachen Geschehens tauchen immer wieder Hindernisse auf. Zu den klassischen Hindernissen in der Meditation zählen Schläfrigkeit, Ruhelosigkeit, Langeweile, Zweifel und auch Stolz.

Schläfrigkeit führt dazu, dass unsere Aufmerksamkeit für das gegenwärtige Erleben erlahmt und wir in Tagträume abrutschen. Ruhelosigkeit kann sehr quälend sein und hindert uns an der nötigen Sammlung und Stabilität unserer Achtsamkeit. Langeweile lässt unser Interesse und damit auch unsere Aufmerksamkeit stumpf werden. Zweifel führt dazu, dass wir bei unangenehmen Zuständen unserem inneren Widerstand folgen und unsere Meditation frühzeitig abbrechen. Der Stolz wiederum taucht typischerweise immer dann auf, wenn wir gerade eine „gute“ Phase ohne Widerstände in der Meditation erleben, und führt dazu, dass wir innerlich abheben und die schlichte Gegenwart aus dem Blick verlieren. Natürlich gibt es neben den klassischen Hindernissen auch noch andere Faktoren, die wir als schwierig oder hemmend erfahren können: äußere Unruhe oder Lärm, körperliche Schmerzen, starke Widerstände und anderes.

Doch auch wenn diese oder andere Faktoren unsere Meditation erschweren, bedeutet dies nicht, dass sie bekämpft werden müssten. Das eigentliche Hindernis für unser Offensein und unser Gegenwärtigsein besteht nicht in der Schläfrigkeit oder was wir auch sonst immer als Problem empfinden, sondern darin, dass wir uns gegen die Schläfrigkeit wehren.

Letztlich lässt sich alles, was wir als Hindernis für unsere Meditation erfahren, auf einen Widerstand und damit auf eingrenzende Vorstellungen in uns zurückführen. Jede Art von Vorstellung darüber, wie Meditation sein soll und welches Erleben dabei entstehen soll, wirkt als innere Grenze und bewirkt einen Widerstand gegen den Facettenreichtum der Seele.

Diese oft subtilen Vorstellungen und Widerstände zu erkennen und ihre leidhafte Wirkung auf uns zu untersuchen, ist ein wesentlicher Teil der Praxis. Nur so können wir mit der Zeit innere Grenzen und Widerstände klarer erkennen und gleichzeitig das Gewahrsein entdecken, das bedingungslos ist.

Aus diesem Grund ist die beste Haltung gegenüber scheinbaren Hindernissen in der Meditation, nicht zu versuchen, sie möglichst schnell auszuräumen, sondern sich gerade mit den schwierigen Momenten anzufreunden, ihnen wertfrei zu begegnen und dort mit größerer Aufmerksamkeit zu verweilen. Es sind genau diese Momente, in denen wir Selbstgrenzen entdecken können und in denen ein großes Potential für innere Freiheit steckt.

• Was empfindest du als typische Hindernisse in deiner Praxis? Wie kämpfst du dagegen an? Welche Art von Vorstellung führt dazu, dass du dies als störend empfindest? Wie wäre deine Meditation ohne diese Vorstellung?

• Oft sind auch die sogenannten Hindernisse (z. B. Schmerz) bereits ein Ergebnis von inneren Widerständen. Untersuche, wenn „schwierige“ Dinge in der Meditation auftauchen, ob es Widerstände gibt, die zu dem störenden Erleben führen.

• Wenn unangenehme oder störende Zustände in der Meditation auftauchen, erinnere dich an die unbedingte Annahme des Gewahrseins und sag dir innerlich: „Das darf sein.“


16 Und immer wieder das Denken

Fragen wir Meditierende, was sie am meisten davon abhält, in der Gegenwart zu sein, dann würden sie wohl sagen: das Denken. Denken scheint das Haupthindernis zu sein für ein Leben in der Gegenwart. Tatsächlich drehen sich viele Meditationsanleitungen darum, wie wir aus dem Denken aussteigen können. Dabei entsteht schnell der Eindruck, dass Denken ein Problem sei und wir uns vom Denken befreien müssten.

Aber unsere Gedanken sind nicht das Problem. Wenn wir nicht denken könnten, dann hätten wir tatsächlich ein Problem. Gedanken sind genauso natürliche Bewegungen unseres Geistes wie Atmen, Spüren oder Hören. Achtsamkeit bedeutet nicht, die natürlichen Bewegungen in unserem Geist zu unterdrücken. Auch innere Stille ist kein Zustand, in dem jede Regung in uns schweigt. Der Versuch, nicht zu denken, ist genauso unnatürlich, wie zu versuchen, nicht zu spüren oder nicht zu hören.

Die Gedankenbewegung wird oft mit den Wellen auf dem Meer verglichen. Niemand würde auf die Idee kommen, die Wellen des Meeres glatt streichen zu wollen. Das Auf und Ab der Wellen ist natürlich und nimmt der Weite und Tiefe des Meeres nichts. Auch würde niemand versuchen, die Wolken am Himmel zu vertreiben. Wolken sind natürliche Phänomene am Himmel, sie können nicht die grenzenlose Ausdehnung des Himmels einengen.

Auch das Denken nimmt dem Gewahrsein nichts. Lediglich das Verlorensein in Gedanken verstellt uns den Blick auf die Weite und Offenheit des Gewahrseins. Wenn es also überhaupt ein Problem für die Achtsamkeit gibt, dann sind es nicht die Gedanken, sondern das Verlorensein in unseren Gedanken. Wir sind uns dabei nicht mehr des Denkens bewusst, sondern wir lassen uns durch Gedanken in innere Geschichten hineinführen, die dann unsere ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen.

Meditation ist kein Zustand des Nicht-Denkens und die Praxis der Gegenwart ist kein Versuch, aus den Gedanken auszusteigen, sondern sich des Denkens bewusst zu sein. Diese Haltung ist vollkommen annehmend, gewaltlos und bedingungslos. Nur so bringen wir uns wieder in Einklang mit dem Gewahrsein, das alle Gedanken einschließt, aber gleichzeitig davon unberührt bleibt.

Auch wenn es uns in der Praxis der Meditation immer wieder gelingt, uns des Denkens bewusst zu sein, werden wir uns weiterhin in Gedanken verlieren. Auch dies ist ein natürlicher Vorgang in unserem Geist und wir tun gut daran, uns damit anzufreunden. Die Praxis des Gegenwärtigseins ist kein Kampf gegen unsere Tendenz, uns von Gedanken vereinnahmen zu lassen. Es ist vielmehr ein Hin- und Herpendeln zwischen dem Pol des Denkens und dem Pol der Bewusstheit. Einmal sind wir mehr in Gedanken zu Hause und ein andermal mehr im Gewahrsein.

Wenn wir in der Meditation bemerken, dass wir gerade in einem Tagtraum verloren waren, sind wir uns in diesem Augenblick dessen bereits bewusst und brauchen nichts zu kontrollieren oder zu korrigieren. Wir sind bereits erwacht. Es gibt dann keinen Grund mehr, uns über den Tagtraum zu ärgern. Der Moment des Bemerkens ist auch der Moment des Aufwachens.

• Wie ist deine innere Haltung zum Denken? Was ist wertvoll am Denken?

• Wie ist dein Erleben, wenn du ganz in Gedanken bist, und wie, wenn du dir deines Denkens bewusst bist? Wie erfährst du den Raum in dir, der sich des Denkens bewusst sein kann?

• Wenn du in einer Phase sehr stark von Gedanken vereinnahmt bist, erforsche, welche Gefühle sich unter dem Denken verbergen und lasse sie zu.

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