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4 Offensein

Gegenwärtigsein ist die Orientierung am Augenblick, so wie er sich zeigt von Moment zu Moment. Diese Haltung impliziert eine bedingungslose Offenheit für den Augenblick. Meditation wird auf diese Weise zu einer Art Hingabe, einem Dienst am Leben. Wir könnten es auch „Gottesdienst“ nennen.

Die Haltung des Dienens entspricht exakt der Haltung von Offensein. Wenn wir jemandem dienen, geht es nicht um unsere Bedürfnisse, um unsere Vorstellungen, um unser Wollen, sondern um die andere Person. Wir öffnen uns für ihre Bedürfnisse. Auch in der Meditation geht es nicht um unsere Bedürfnisse und Vorstellungen, sondern wir öffnen uns für das augenblickliche Sein. Im Christentum drückt sich diese Haltung in dem Satz aus: „Dein Wille geschehe.“

Eine so bedingungslose Offenheit und Hingabe braucht ein großes Vertrauen. Das Vertrauen in das gegenwärtige Leben und dessen Führung, auch wenn es sich für unser Ego falsch oder unangenehm anfühlen sollte. Vertrauen ist die Grundlage für Offenheit. Und umgekehrt führt bedingungslose Offenheit zu einem bedingungslosen Vertrauen.

Wir überlassen uns dem größeren Willen und öffnen uns dem gegenwärtigen Geschehen. „Dieser Augenblick, ob angenehm oder unangenehm, ob erwünscht oder unerwünscht, ist richtig.“

In der Meditation drückt sich die Haltung der Offenheit konkret darin aus, dass wir ein offenes Gewahrsein praktizieren und keine Konzentrationspraxis (= Objektmeditation). Bei einem offenen Gewahrsein halten wir die Aufmerksamkeit weit und alles darf in unserem Gewahrsein auftauchen, kommen und gehen. Wir grenzen nichts aus und praktizieren keine Konzentration durch Verengung unserer Aufmerksamkeit auf ein einziges Geschehen, wie zum Beispiel den Atem.

Um in dieser Offenheit fortwährend wach und konzentriert gegenwärtig zu bleiben, können wir das „Etikettieren“ als Konzentrationshilfe nutzen. Etikettieren bedeutet, das augenblickliche Erleben innerlich mit einem kurzen, knappen Etikett zu versehen. Auf diese Weise verankern wir uns in der Gegenwart, ohne unsere Aufmerksamkeit auf ein Objekt verengen zu müssen. Unsere Aufmerksamkeit bleibt beweglich und ungebunden.

Es gibt verschiedene Arten des Etikettierens, die jeweils andere Erkenntnisprozesse einladen.

Zum Beispiel: „Bewusstsein des Atmens, Bewusstsein des Denkens, Bewusstsein eines Schulterschmerzes …“ lenkt meine Aufmerksamkeit in jedem Geschehen auf die hintergründige Dimension des Bewusstseins, aus der jede Erfahrung hervortritt.

Oder wir sagen innerlich: „Atmen geschieht, Denken geschieht …“ So erkennen wir mit der Zeit, dass die Dinge aus sich selbst heraus entstehen. Letzteres führt uns in eine umfassende Hingabe.

Solange wir noch unkonzentriert und zerstreut sind, nutzen wir das Etikettieren. Wenn unsere Sammlung sich vertieft und wir unmittelbar im Augenblick sein können, lassen wir das Etikettieren und überlassen uns dem Lauschen …

• Wie erfährst du vollkommene Offenheit?

• Wie verändert dich die Gegenwart, wenn du dich vertrauensvoll überlässt?

5 Lauschen

Lauschen hat im Kontext der Meditation nichts mit dem Vorgang des Hörens zu tun, sondern meint eine Haltung, in der wir eine reine Form der Aufmerksamkeit praktizieren. Wir richten dabei unseren Fokus nicht mehr auf die Erfahrungsobjekte im Geist wie das Atmen, Spüren oder Denken, sondern wir sind ungerichtet aufmerksam – Aufmerksamkeit pur. Die Erfahrungsobjekte treten in den Hintergrund und das Aufmerksamsein selbst rückt in den Vordergrund unseres Erlebens. Die Wirkung ist ein intensives Empfinden von Dasein – ein formloses Feld von SEIN. Hier erfahren wir eine Präsenz, die frei von allen Erfahrungsobjekten ist.

Ein Hilfsmittel, um einen Zugang zum Lauschen zu bekommen, ist das systematische Sich-Konzentrieren auf die Zwischenräume von Erfahrungsobjekten. Wir lenken dabei bewusst den Fokus der Aufmerksamkeit auf die Leere zwischen den Objekten. Zum Beispiel achten wir auf die Pausen zwischen den Atemzügen oder auf die Lautlosigkeit zwischen den Geräuschen oder die Pausen zwischen Gedanken.

Wenn wir uns ganz auf Zwischenräume und die Leere darin konzentrieren, verweilen wir in einem Zustand von reiner Aufmerksamkeit und die Präsenz verdichtet sich. Je unmittelbarer es uns gelingt, zu lauschen, desto tiefer tauchen wir in ein ungerichtetes, formloses Aufmerksamsein ein und empfinden dabei eine zeitlose, unberührte Stille.

Dieser Vorgang wird auch das „Schauen ins nackte Sein“ oder das „Lauschen in die Stille“ genannt.

Die 4 Grundaspekte der Meditation ergänzen einander und gehen ineinander über:

Sein-Dürfen lässt uns entspannen und im Augenblick da sein. Wir werden mit der Zeit gegenwärtiger. Das Gegenwärtigsein führt uns automatisch zu einer Offenheit und in eine Hingabe an den Augenblick. Und beides: Gegenwärtigsein und Offenheit führen uns zu einer Sammlung im Augenblick, die es uns ermöglicht, das Aufmerksamsein selbst in den Vordergrund zu rücken. Je tiefer wir in das Lauschen eintauchen, desto intensiver erfahren wir eine zeitlose Stille, die der Urgrund aller Erscheinungen ist.

Wenn wir diese 4 Aspekte der Meditation verinnerlicht haben, können wir je nach momentaner Beschaffenheit unseres Geistes den einen oder anderen Aspekt in den Vordergrund stellen und uns auf diese Weise angemessen auf die augenblickliche innere Verfassung beziehen:

Zu Beginn der Meditation macht es Sinn, sich zunächst das „Sein-Dürfen“ bewusst zu machen. Wenn unsere Aufmerksamkeit erlahmt oder wir müde und zerstreut sind, ist es hilfreich, das Gegenwärtigsein zu vertiefen und das Etikettieren zu nutzen. Bei Widerständen tun wir gut daran, uns an das Offensein zu erinnern. Wenn sich unsere Sammlung vertieft und mühelos wird, können wir das Etikettieren lassen und in das reine Lauschen übergehen. Wenn wir zu viel erreichen wollen und sich dadurch Anstrengung oder Frustration einstellt, sollten wir zum „Sein genügt“ zurückkehren.

Lass zu den folgenden Grundhaltungen jeweils spontan aus dem Körper heraus eine Gebärde2 auftauchen und erforsche, wie sich das Erleben anfühlt, wenn du in diese Gebärde hineinschlüpfst:

• Einfach sein, sich sein lassen, angenommen sein

• Da sein, anwesend sein, wach sein

• Offen sein, sich hingeben, dienen

• Lauschen, ganz Lauschen sein

2 Eine Gebärde ist ein spontaner Körperausdruck, der ein bestimmtes Erleben körperlich-seelisch zugänglich macht. Wenn wir zum Beispiel an Demut denken, würden wir uns wahrscheinlich spontan verneigen. Eine Verneigung ist mehr als eine Geste. Wenn wir sie in Achtsamkeit vollziehen, vermittelt sich uns das Gesamtgefühl zu dieser Geste.

INSPIRATIONEN FÜR DIE PRAXIS DER STILLEN MEDITATION

6 Über die Kraft der Motivation

Jeder Reise geht etwas voraus, das uns motiviert, aufzubrechen. Ohne eine Inspiration, eine Vision oder eine Sehnsucht setzen wir uns nicht in Bewegung. Erst wenn die Motivation klar und tief ist, finden wir die Kraft, lange und beschwerliche Wege auf uns zu nehmen.

Auch die spirituelle Praxis ist ein Weg, eine Reise zu unserer innersten Natur. Ohne eine tiefe Motivation werden wir die Meditation gar nicht beginnen oder sie in der nächsten unangenehmen Situation wieder sein lassen. Auch eine innere Reise braucht eine klare Motivation, die uns hilft, in schwierigen Phasen des Weges dabeizubleiben.

Was motiviert uns also, den inneren Weg zu gehen? Welche innere Sehnsucht treibt uns? Das sind Fragen, die wir uns immer wieder vor jeder Meditation stellen können, um unsere Motivation frisch zu halten. Mit diesen Fragen nehmen wir Kontakt zu unserer Sehnsucht auf und aktualisieren den inneren Antrieb, der uns meditieren lässt.

Motivation ist eine Kraft. Sie ermöglicht es uns, unsere Aufmerksamkeit in einer gesammelten Weise zu richten. Wenn wir zu einer Sache stark motiviert sind, ist es sehr leicht, wirklich konzentriert und interessiert bei dieser Sache zu verweilen. Wenn wir jedoch etwas aus Pflichtgefühl oder einer Gewohnheit heraus tun, also ohne lebendige, innere Motivation, wird es sehr mühsam sein, diese Sache unabgelenkt und konzentriert zu verfolgen. Das bedeutet, die Qualität unserer Achtsamkeit für den Augenblick erhöht sich entscheidend, wenn unsere Motivation frisch und lebendig ist.

Die Motivation zur Meditation kann vielfältig sein und sie kann sich im Laufe der Jahre verändern. Es kann sein, dass wir aus einer inneren Not oder Unzufriedenheit heraus die Praxis der Meditation beginnen und uns dabei nach Qualitäten wie innerem Frieden oder innerer Fülle sehnen. Vielleicht haben wir bereits Momente von Frieden, Klarheit und innerer Weite in unserer Meditation erfahren und sehnen uns danach, diese inneren Zustände zu wiederholen und zu vertiefen. Möglicherweise verspüren wir innerlich einen Drang, den menschlichen Geist und das Leben selbst in seiner Natur tiefer und tiefer durchdringen zu wollen. Die Suche nach Wahrheit und Erkenntnis kann eine kraftvolle Motivation sein, die uns unabhängig von „guten“ oder „schlechten“ Momenten in der Meditation unbeirrt dranbleiben lässt. Schließlich kann es sein, dass wir die allumfassende Verbundenheit auf unserem inneren Weg erfahren haben und sich unsere Motivation nochmals grundlegend ändert. Meditation wird dann zum Dienst am großen Ganzen.

Welche Motivation auch immer uns bewegt, keine ist besser oder schlechter. Sie ist nur ein Ausdruck davon, wo wir uns auf unserem inneren Weg gerade befinden. Wenn wir unsere aktuelle Motivation ernst nehmen und sie in uns lebendig halten, wird sie uns die Kraft geben, die nächsten Schritte zu gehen.

Reflektiere zu Beginn der Meditation:

• Welche grundlegende Motivation bewegt dich? Wonach sehnst du dich im Tiefsten?

• Erforsche diese Motivation als eine innere Kraft.

7 Sitzen wie ein Berg

Nach der Klärung der Motivation beginnt der eigentliche Weg. Wir setzen Schritt für Schritt den Fuß auf den Boden und jeder Schritt bedeutet, sich neu einzulassen. Jeder Schritt, jeder Atemzug, jede gegenwärtige Erfahrung ist eine Begegnung. Das Leben in seiner gegenwärtigen Gestalt tritt uns entgegen.

Das braucht Entschlossenheit und ein Dranbleiben, ein fortwährendes, aber ständig neues Sicheinlassen. In der buddhistischen Tradition wird dies „Rechtes Bemühen“ genannt. Normalerweise verbinden wir mit „Bemühen“ sofort auch „Anstrengung“. Im Kontext der Meditation ist damit aber etwas anderes gemeint: die Sorgfalt und die innere Disziplin, uns auf den gegenwärtigen Moment ganz einzulassen.

„Sich einlassen“ ist ein Akt des Empfangens, nicht des Tuns. Wir öffnen uns und nehmen eine Haltung des Empfänglichseins ein. „Sich anstrengen“ dagegen beinhaltet ein Wollen und eine Handlung. „Empfangen“ ist aber eine Nichthandlung. Trotzdem braucht es auch im Empfangen eine stetige Sorgfalt, die immer neue Aufmerksamkeit für den gegenwärtigen Moment.

Stellen wir uns vor, wir erhalten ein Geschenk. Braucht es eine Anstrengung dafür, ein Geschenk in Empfang zu nehmen? Natürlich nicht. Aber es bedeutet einen großen Unterschied in der Wirkung, ob wir es wirklich mit Sorgfalt und Liebe auspacken und uns davon berühren lassen oder ob wir es achtlos weglegen. Erst durch die Sorgfalt einer wachen Aufmerksamkeit offenbart sich uns das Geschenk des augenblicklichen Lebens.

Die Entschlossenheit, uns ganz auf den gegenwärtigen Moment einzulassen und dabei gleichzeitig die äußere Form des Sitzens oder Gehens zu wahren, gibt unserer Meditation eine enorme Stabilität. Wir halten die äußere Form ein, ganz gleich, was geschieht, und wir öffnen uns bedingungslos dem gegenwärtigen Moment, egal, ob er sich angenehm oder unangenehm, erwünscht oder unerwünscht anfühlt. Äußerlich wie innerlich ist dabei unsere Haltung bedingungslos und damit unerschütterlich wie ein Fels.

„Sitzen wie ein Berg“ wird das im Zen genannt. Wobei uns hier die Assoziation eines Berges oder Felsens auch in die falsche Richtung führen kann. Ein Berg oder ein Felsen scheint etwas Starres oder Schweres zu sein, etwas Unbewegliches. In der Meditation ist unsere innere Haltung jedoch alles andere als starr. Im Gegenteil, sie ist geprägt von totaler Offenheit, von Empfänglichkeit, von einem völligen Sicheinlassen auf den Moment. Ganz anders als ein Berg verkörpern wir in der Meditation vollkommene Durchlässigkeit. Wir sitzen also eher wie Wasser oder wie der weite, offene Himmel. Wasser ist vollkommene Hingabe und der Himmel ist empfangend und bedingungslos offen, weil er alles aufnehmen und beherbergen kann.

• Sprich zu Beginn der Meditation die Worte in dich hinein: „den Augenblick empfangen“ und beobachte, wie diese Haltung deine Meditation verändert.

• Stell dir den weiten offenen Himmel vor, nimm eine Gebärde dazu ein und erforsche dein Erleben dazu.

• Wie wäre es, in der Grundhaltung des „Himmels“ zu meditieren?

• Wie erfährst du „Bedingungslosigkeit“?

8 Absichtslos sein

Achtsames Gewahrsein ist eine sensitive, bewusste Form der Aufmerksamkeit. Wir sind uns des augenblicklichen Geschehens bewusst und gehen in einen unmittelbaren Kontakt. Das ist nur möglich, wenn wir absichtslos sind.

Alltägliche Wahrnehmung ist in der Regel zielgerichtet, absichtsvoll und automatisiert. Hier entsteht kaum eine sinnliche Erfahrung mit den Dingen. Im Alltag benutzen wir die Dinge. Daher genügt es, wenn unser Geist die Dinge anhand oberflächlicher Merkmale erkennt, um sie entsprechend zweckgebunden gebrauchen zu können.

Wenn wir eine Tasse Tee anfassen, um daraus zu trinken, widmen wir uns nicht bewusst den Empfindungen, die die Tasse in unserer Hand auslöst. Unser Körper greift wie nebenbei zur Tasse und führt sie zum Mund, ohne bewussten Kontakt zu der sinnlichen Erfahrung bei diesem Vorgang.

Ganz anders verhält es sich, wenn wir absichtslos eine Tasse Tee ergreifen und sie mit unseren Fingern erkunden. Erst jetzt spüren wir beim Ergreifen der Tasse ihre Form, die Beschaffenheit der Oberfläche und die angenehme Wärme, die in unsere Finger hinein ausstrahlt. Finger und Tasse werden zu einer lebendigen Erfahrung des intensiven Spürens.

Je mehr es uns gelingt, nicht nur unserer Absicht und dem Gelingen einer Handlung Aufmerksamkeit zu widmen, sondern alle Facetten des Tuns mit unseren Sinnen zu erfahren, desto leichter wird es, uns von den Dingen berühren zu lassen. Unsere Aufmerksamkeit verschiebt sich dabei immer mehr von einer funktionalen Wahrnehmung zu einer sensitiven, lauschenden Achtsamkeit. Erst jetzt offenbaren sich uns die Dinge tiefer. Uns erschließt sich die wertfreie Natürlichkeit allen Seins. Begegnen wir den Dingen offen und sensitiv, tauchen wir in eine Unmittelbarkeit ein, die sinnlich und erfüllend zugleich ist.

Die Haltung der Absichtslosigkeit ist ein zentraler Schlüssel zu unmittelbarem Gegenwärtigsein. Sie ist gleichzeitig im Einklang mit unserer Grundrealität von Gewahrsein. Das Gewahrsein ist ungerichtet, vollkommen absichtslos. Alles darf im Gewahrsein in der ureigenen Weise erscheinen und wieder vergehen. Wollen wir das Gewahrsein immer mehr verwirklichen und daraus leben, ist die Haltung der Absichtslosigkeit eine Grundvoraussetzung.

Auch die äußere Form der Praxis verkörpert aus diesem Grund die Absichtslosigkeit. Wir gehen meditativ, um zu gehen, und nicht, um irgendwo anzukommen. Wir sitzen, um zu sitzen, und nicht, um am Schreibtisch etwas zu erledigen. Gehen, um zu gehen, sitzen, um zu sitzen, atmen, um zu atmen, spüren, um zu spüren … Können wir den Geschmack von Freiheit darin erkennen, der in dieser unbedingten Natürlichkeit liegt?

In der Absichtslosigkeit kann alles sein. Es darf alles geschehen, so wie es natürlicherweise geschehen will. Unsere Wahrnehmung ist frei, die Dinge zu sehen, wie sie tatsächlich sind – ohne Verzerrung durch unsere Vorstellungen, Ziele und Vorlieben. Erst so können wir eintauchen in ein unbedingtes, freies Gewahrsein.

• Wie sind dein Erleben und deine Aufmerksamkeit, wenn du gehst, um irgendwo hinzukommen, oder wenn du gehst, um zu gehen?

• Wie erfährst du ein Glas, wenn du trinkst, und wie, wenn du es absichtslos mit sensitiver, lauschender Wahrnehmung erkundest?

• Erinnere dich zu Beginn der Meditation an die unbedingte Absichtslosigkeit des Gewahrseins.

9 Unmittelbar sein

Gegenwärtigsein bedeutet, unmittelbar mit den Dingen in Kontakt zu sein. Unmittelbar atmen, unmittelbar die Empfindungen im Körper spüren und unmittelbar die Geräusche im Raum hören. Was verstehen wir konkret unter Unmittelbarkeit? Das Wesen der Unmittelbarkeit besteht darin, dass es zwischen Subjekt und Objekt keinen Abstand, keine Filter und letztlich auch keine Trennung gibt. Es ist nichts dazwischen.

In der Alltagswahrnehmung dagegen gibt es eine Menge Filter und Assoziationsketten in unserem Geist, die verhindern, dass eine direkte Berührung mit dem augenblicklichen Geschehen zustande kommt. Wenn wir zum Beispiel eine Vogelstimme hören, taucht in unserem Geist sofort eine Assoziation von einem Vogel auf. Oder wenn wir in ein vertrautes Gesicht sehen, werden bei der Betrachtung des Gesichtes sogleich bekannte Gefühle und Gedanken hinzugefügt. Je vertrauter uns ein Gegenstand oder eine Person ist, desto mehr automatische Verknüpfungen gibt es in unserem Geist und desto schwieriger ist es, wieder ganz neu und unverstellt wahrzunehmen.

Unmittelbarkeit ist aber ein unverstellter, unvoreingenommener Blick auf die Dinge. Es bedeutet, die vertrauten Bilder und Erinnerungen in unserem Kopf für einen Augenblick ganz beiseite zustellen und uns ganz frisch, mit neuen Augen, einzulassen und in Kontakt zu gehen. Kontakt wiederum bedeutet ein bewusstes „in Verbindung sein“.

Oft wird Achtsamkeit in der Meditation als ein Vorgang verstanden, bei dem es darum geht, die Dinge mit Abstand zu betrachten. Doch dieses Vorgehen verstärkt die Trennung von Subjekt und Objekt in unserem Geist, die das Ego unbewusst erzeugt. Da gibt es innen und außen, ich und die anderen. Alles bleibt für sich.

Einssein ist unmittelbarer Kontakt. Gegenwärtigsein in der Meditation ist die Praxis, immer unmittelbarer mit der gegenwärtigen Erfahrung in Fühlung zu kommen. Wie fühlt sich dieser eine Atemzug konkret an? Wie klingt es, wenn wir dem Gesang eines Vogels lauschen, als hätten wir noch nie zuvor einen Vogel singen hören? Wie erfahren wir eine Verspannung in der Schulter, wenn wir in diese ohne Abwehr und ohne Vorstellung von Zeit eintauchen?

Unmittelbarkeit lässt uns die Welt neu erfahren. Wenn wir die Filter in unserem Geist ablegen und unvoreingenommen in die gegenwärtige Erfahrung eintauchen, entdecken wir, dass es keine Erfahrung gibt, die nicht sinnlich und erfüllend ist. Sogar Schmerz verändert in der Unmittelbarkeit seinen Charakter und verliert seine Bedrohlichkeit. Wir entdecken, dass alles erfüllend sein kann und dass wir zutiefst mit allem verbunden sind.

• Betrachte einen bekannten Gegenstand (z. B. einen Stuhl) und beobachte, welche bekannten Verknüpfungen dabei auftauchen.

• Lege bewusst alle Vorstellungen und Erinnerungen beiseite. Erkunde diesen Gegenstand nochmals ganz unvoreingenommen. Wie ist die Erfahrung jetzt?

• Experimentiere in der Meditation: Wie ist es, Objekte mit innerem Abstand zu beobachten? Wenn du dagegen innerlich in einen unmittelbaren, unverstellten Kontakt mit der gegenwärtigen Erfahrung gehst, wie erfährst du dann Gegenwärtigsein?

10 Dem Leben vertrauen

Meditation heißt, dem Pfad der Gegenwart zu folgen. Wir lassen uns dabei nicht von einer spirituellen Lehre leiten oder einem/r Meditationslehrer/in, auch nicht von unseren Vorstellungen und Ansprüchen, sondern vom konkreten Leben, das sich uns von Moment zu Moment offenbart. Wir folgen Schritt für Schritt der Gegenwart. Der Weg entsteht im gegenwärtigen Augenblick vor unseren Augen.

Der innere Pfad, der uns leitet, bildet sich erst im Gehen. Er steht noch nicht fest und niemand kann den Weg vorhersagen. Nicht einmal wir selbst. Woher auch könnten wir wissen, welche Empfindung, welches Geräusch oder welcher Gedanke als Nächstes in uns auftauchen will?

Wenn wir im Nebel gehen und keine zwei Schritte weit sehen können, wie bewegen wir uns fort? Wir können immer nur den nächsten Schritt wagen, uns auf diesen einen nächsten Schritt einlassen, dem einen nächsten Schritt vertrauen. Wenn wir nicht wissen, welche Erfahrung in der Meditation als Nächstes in uns auftaucht und alle Vorstellungen beiseite lassen, können wir auch hier nur der nächsten Erfahrung, die in der Gegenwart auftaucht, vertrauen. Immer dem einen nächsten Schritt vertrauen, ihn zulassen, ihm folgen und uns führen lassen von der tatsächlichen Erfahrung, die jetzt entsteht und jetzt und jetzt …

Wir vertrauen darauf, dass durch das Zulassen des nächsten Schrittes … und wieder des nächsten … ein Weg entsteht, der uns leitet und uns immer weiter führt. So vertrauen wir uns einer inneren Führung an, die aus der Gegenwart entsteht und einen tiefen Kontakt mit uns selbst entstehen lässt. Schritt für Schritt kommen wir zu uns selbst und darüber hinaus zu unserer innersten spirituellen Wahrheit. Es ist, als ob wir dem Leben die Hand reichen und sagen: „Ich bin blind und kenne den Weg nicht. Bitte führe mich!“

Die innere Führung kann sich nur entfalten, wenn wir uns anvertrauen. Wie kann uns jemand führen, wenn wir glauben, dass wir es besser wissen, wohin der Weg geht? Das wird bestenfalls ein Kampf, aber bestimmt kein anmutiger Tanz. Tanzen ist die Kunst, sich hinzugeben und sich führen zu lassen. Wenn wir uns innerlich nicht anvertrauen und uns führen lassen, wird unsere Meditation zu einem inneren Machtkampf: „Jetzt soll es in mir ruhig werden. Jetzt sollen die Gedanken aufhören. Jetzt soll die Verspannung in der Schulter sich auflösen …“

Sich-führen-Lassen ist jedoch vollkommen anders. Es ist eine Haltung von Offenheit und Hingabe. Eine Hingabe an das Jetzt. Unser Tanzpartner in der Meditation ist das Leben selbst. Dabei meint der Begriff „Leben“ hier nichts Abstraktes, sondern etwas sehr Konkretes: Es geht nämlich um das jetzige Leben, um diesen Augenblick. Das Leben steht wie ein richtiger Tanzpartner ganz konkret vor uns und reicht uns die Hand.

Können wir diesem Atemzug, diesem Hören und diesem Gefühl, wie immer wir es gerade empfinden, die Hand reichen und uns führen lassen?

• Stell dir vor, du tanzt mit dem Leben und lässt dich vertrauensvoll führen. Schlüpf körperlich in diese Haltung hinein und erforsche das Erleben dabei.

• Wie erfährst du es, aus dieser Haltung heraus zu meditieren?

• Was hindert dich innerlich daran, dem gegenwärtigen Moment zu vertrauen?

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9783867813075
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