Читать книгу: «Das Monster im 5. Stock», страница 4

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7. Überredungskunst

»Das ist die schlechteste Haxe, die ich je gegessen habe«, murrte Adrian. Wieder saßen sie sich in der Küche gegenüber. Adrian mit dem Rücken zum Fenster und Wastl mit dem Rücken zur Wohnlandschaft. Die Katze war immer noch nicht aufgetaucht, aber ab und zu hörten sie ihr Miauen. Gerade erklang es über ihren Köpfen.

»Und die Katze ist in den Wänden. Großartig.« Adrian säbelte ein Stück Fleisch herunter. Sehr elegant dafür, wie zäh es war. Sebastian wusste auch nicht, was er falsch gemacht hatte.

»Aber es war ihr Rezept«, sagte er. »Bei Mama hat es immer ganz anders geschmeckt.«

»Du hast das noch nie gekocht?«

»Nah, sie hat drauf bestanden, dass sie es macht. Also, bis sie zu krank war, aber dann gab’s Essen auf Rädern.«

Falls Adrian irgendetwas dazu fragen wollte, gab er sich die Blöße nicht. Er steckte die Gabel in den Mund und brummte leise. »Fleisch kann man ruhig würzen, weißt du?«

»Ja, ich wusst nur nicht, wie viel Gewürz man braucht.« Verdammte Axt, er war schon wieder obdachlos. Warum hatte er es nicht geschafft, diesem feinen Pinkel ein perfektes Essen zu zaubern? Alles wäre so viel leichter gewesen, wenn es Adrian geschmeckt hätte. Wastl hätte ihn bestimmt überreden können, das Angebot auf zwei Tage auszuweiten.

»Nichtsdestotrotz.« Adrian betrachtete den verkochten Kohl, der traurig über den Tellerrand hing. »Es schmeckt. Glückwunsch, das hätte ich nicht erwartet. Ich meine, schau mal. Die Knödel sind keine Knödel, sondern Pfützen.«

»Aber es schmeckt?« Wastl richtete sich auf. »Wirklich?«

Adrian nickte nachdenklich. »Wie machst du das? Es ist ungewürzt und verkocht, aber es schmeckt.«

»Ist halt mit Liebe gekocht.« Wastl grinste.

Offenbar teilte Adrian seinen Sinn für Humor nicht, denn er hob eine Augenbraue. Oh. Das Blut schoss in Wastls Ohren.

»Ah, wegen heut Morgen, da … da hab ich nicht kapiert, wie das gemeint war.« Kapierte er immer noch nicht. »Das war ein ganz blödes Missverständnis. Ich hoff, es stört dich nicht zu sehr.«

Adrians düstere Augen lugten hinter den Haarsträhnen hervor. Himmelherrgott, war der Mann attraktiv. Wastl gab sich Mühe, nicht nervös auf seinem Hocker herumzurutschen. Krampfhaft versuchte er, die glänzende Soße auf Adrians Lippen zu ignorieren.

»Du bist also schwul, Sebastian«, sagte sein Gastgeber. Oh, allein die Art, wie er »Sebastian« sagte. Wie er jede einzelne Silbe betonte. Hatte je ein anderer Mensch diese Silben so betont? »Oder hast du das nur getan, weil du dachtest, ich lasse dich hier wohnen, wenn du mich küsst?«

»Nah, wieso solltest du das denn tun?« Wastl legte den Kopf schief. »Du kannst sicher ganz andere haben als mich. So … schickere.«

»Schicker?« Etwas passierte mit Adrians Gesicht, aber Wastl verstand nicht, was. Bitterkeit stülpte sich darüber und der Mund verzog sich spöttisch. Die eine Stelle, die vernarbte, ging nicht ganz mit und eine winzige Hautfalte entstand. »Meinst du mit schicker, dass die eine eigene Wohnung haben?«

»Ja, so in etwa.« Wastl lachte. »Grad ist fast jeder schicker als ich, oder?«

»Ja.« Adrian stand auf. Er trug einen Anzug. Als er die Tür geöffnet hatte, wäre Wastl fast hintenüber gefallen. Einen Anzug, der richtig gut saß. Der sich an die breiten Schultern und die schmalen Hüften schmiegte wie eine zweite, sehr teure Haut.

»Also kann ich hier wohnen?«

»Bis morgen.« Adrian tupfte sich den Mund mit einer Serviette ab und wandte sich dem Fenster zu. Auch nicht schlecht. Er sah so düster und geheimnisvoll aus, wie er dastand und melancholisch auf die Straße fünf Stockwerke weiter unten schaute. Und sein Arsch war noch schöner als Wastl es sich in seinen kühnsten Träumen …

Hör auf damit, du notgeiler Lustmolch!, schalt er sich. Der Mann lässt dich hier wohnen und das ist sehr nett von ihm. Na ja … nett.

»Bei all den leeren Zimmern merkst du doch gar nicht, wenn noch jemand hier wohnt«, murrte Wastl. »Ich … ich bin echt unauffällig.«

»Wenn du nicht gerade die Küche zerlegst, meinst du.« Adrian sah weiter auf die Straße.

Wastl stellte sich neben ihn. »Du hast mich auf dem falschen Fuß kennengelernt. Ich …« Zu spät fiel ihm die Prothese ein. Hatte er was Unsensibles gesagt? Wär ja nicht das erste Mal. »Ich bin echt der beste Mitbewohner, ich schwör’s.«

»Hast du Beweise dafür?« Adrians scharfgeschnittenes Profil ließ keine Gefühlsregung erkennen.

»Meine Mama könnt’s bezeugen, aber die ist … also …« Wastl schluckte. Sein Hals wurde eng und nur, um nicht schon wieder zu heulen, deutete er auf die leere Stelle zwischen zwei Stromkästen. Eine Straßenlaterne beschien das sauber geputzte Pflaster. »Da unten werd ich leben, wenn du mich rauswirfst. Vielleicht schaust du ja ab und zu mal aus dem Fenster und siehst mich frieren. Auf alten Zeitungen werd ich da sitzen und mich mit Mülltüten zudecken und …« Bei dem Gedanken kamen ihm erst recht die Tränen. »Na, vielleicht schenkt mir ja mal ein Fußgänger eine Semmel.« Er schniefte unauffällig.

»Hör auf zu heulen, das ist ja erbärmlich.« Adrian sah ihn warnend an.

»Versuch ich doch. Ich bin halt emotional.«

»Eine Heulsuse bist du.« Das attraktive Gesicht verzog sich und Wastl erinnerte sich, dass dieser Adrian ein blödes Arschloch war.

»Ich bin im Reinen mit meiner Männlichkeit.« Wastl verschränkte die Arme. »Wer nie mal weint, der freut sich auch nie richtig, du Gefühlskrüppel.«

Bei dem Wort »Krüppel« zuckte ein Muskel in Adrians Gesicht. Oh nein! Wastl wollte sich entschuldigen, doch Adrian sprach, bevor er den Mund öffnen konnte.

»Was für eine billige Ausrede, um sich nie zusammenzureißen.«

»Aber es stimmt.« Wastl hätte die Arme nochmal verschränkt, doch das waren sie ja schon. Also hob er das Kinn, bis es auf Höhe von Adrians Adamsapfel war. »Wann warst du denn zuletzt richtig glücklich?«

»Als du heute Morgen abgehauen bist«, sagte Adrian. Die sehnsuchtsvolle Note machte seine Stimme weich. »Das war schön.«

»Gar nicht wahr«, behauptete Wastl. »Bestimmt kam dir die Wohnung viel zu groß vor, als ich weg war.«

»Die Ruhe war einfach herrlich. Wie das Gefühl, an einem klaren Morgen in den Bergen zu stehen und die Landschaft zu überblicken.«

»Du hast ja keine Ahnung«, brummte Wastl. »In den Bergen kann’s saulaut sein. Wenn die Kühe morgens auf die Weide kommen, fliegen dir die Ohren ab.«

»Wie lange führen wir diese sinnlose Unterhaltung noch?« Adrian sah auf seine mattgoldene Uhr. »Eigentlich habe ich etwas Besseres zu tun.«

»Was denn?«

»Lesen.«

»Du hast doch schon die ganze Zeit gelesen, als ich gekocht hab. Ist der Schinken so gut?«

»Hervorragend. Allein, wie der Autor mit Adjektiven spielt, ist ein Genuss.«

»Echt? Kann ich das auch mal lesen?«

»Nein.«

»Komm schon. Wie heißt das Buch? Vielleicht kenn ich das ja.«

»Kein Brot und keine Spiele

Wastl kannte es nicht und langsam wurde diese Unterhaltung auch ihm zu dumm. Draußen war es kalt und er hätte gern gewusst, ob er morgen wieder obdachlos sein würde oder nicht.

»Schau, Adrian. Ich will doch nur ein paar Tage bleiben. Und wenn du magst, red ich nicht mal mit dir. Du wirst nicht mal merken, dass ich da bin. Irgendwann muss ich ja eine richtige Wohnung finden. Ich hab morgen wieder zwei Besichtigungen. Ich tu wirklich was, du wirst sehen.«

»Bei deinen miserablen Überredungskünsten wird es Jahre dauern, bis du eine Wohnung findest.« Wie arrogant konnte der Kerl bitte schauen? »Hör auf zu betteln.«

»Was soll ich denn sonst machen, verdammt? Du … du hast doch alle Karten in der Hand, du …«

»Biete mir etwas, das ich nicht habe«, sagte Adrian. »Zeig mir, dass ich mit dir besser dran bin als ohne dich. So überzeugt man jemanden.«

Was für ein Vollarsch. Wastl straffte sich. »Bist du doch auch. Kocht irgendwer wie ich?«

»Nein, Gott sei Dank.«

»Aber es schmeckt dir.« Hoch pokern, Wastl. »Besser als alles, was du in letzter Zeit gegessen hast, oder?«

Adrian schwieg.

»Richtig?« Ein winziges Triumphgefühl schlich sich in Wastls Herz.

»Es sollte mir nicht schmecken. Objektiv betrachtet war es furchtbar.«

»Aber … subjektiv betrachtet hat es dir gefallen.« Wastl räusperte sich. »Ich mach dir jeden Tag Frühstück, wenn du willst. Und ich koch das Abendessen. Und … wenn du magst, bin ich … also im Bett bin ich auch nicht schlecht.«

Eine Augenbraue hob sich und Wastls Herz versuchte, seinen Brustkorb zu durchbrechen. Verdammt, warum hatte er das jetzt gesagt?

»Witzig«, sagte Adrian. Eine Stimme wie Eiswasser. »Ich glaube, Frühstück und Abendessen reichen mir.«

»Oh, gut.« Wastl zuckte mit den Achseln. Das war überhaupt nicht witzig gemeint, du Trottel, dachte er. Warum nahm Adrian seine, zugegeben, sehr ungeschickten Annäherungsversuche nicht ernst? Lag es daran, dass er ihm zu jung war? War Adrian wieder so einer, der ihn wie einen kleinen Bengel behandelte? Egal. »Also kann ich bleiben?«

»Bis zum 20.« Adrian ging zu der Schiefertafel, die neben dem Herd hing und griff ein Stück Kreide. Sie kratzte über die schwarze Oberfläche.

»Was schreibst du da?«, fragte Wastl.

»Eine Liste deiner Schulden.« Adrian klang gleichmütig. »Die Fliese, der ruinierte Topf, meine Aufräumarbeiten nach dem Frühstück … Ich schätze, da kommt noch einiges hinzu.«

»Wird es nicht.« Wastl straffte sich. Ein ganz unbekanntes Glücksgefühl wärmte ihn von innen. Er hatte es geschafft! Fast ein Monat ohne die gruselige Existenzangst, ohne das Gefühl, dass das Eis unter seinen Füßen dünner und dünner wurde. Nur ein Aufschub, klar, aber ein Monat kam ihm vor wie die grünste Oase in der Wüste. »Danke Adrian. Vielen Dank. Du wirst es nicht bereuen.«

Adrian schwieg. »Doch, werde ich vermutlich. Sei’s drum.« Er zuckte mit den Achseln. »Ich ziehe mich zurück um zu lesen. Heute will ich nicht mehr angesprochen werden.«

»Öh, aber … wo soll ich denn schlafen? Und …«

»Such dir ein Zimmer raus. Das Gästebad gehört dir.« Adrians schöner Finger zeigte auf eine der grauen Türen. »Oh, und das Büro ist hinter der Tür, auf der ›Büro‹ steht, im nächsten Flur. Da setzt du keinen Fuß rein, verstanden?«

»Nein. Keinen Fuß«, wiederholte Wastl und zuckte innerlich zusammen. Er musste aufhören, Dinge über Füße zu sagen. »Vielen Dank.«

»Räum auf und lass mich in Ruhe.« Adrian schnappte sich sein Buch vom Sofa, verzog sich in den Flur und bog um die Ecke.

Wastl hörte eine Tür klappen und war allein. Allein in der gigantischen Wohnwüste, in der Möbelstücke aufragten wie Felsbrocken. Wie hielt Adrian es hier aus? Ob er oft Besuch bekam? Ein bisschen Gelächter und Bierflaschengeklirr würde die Wohnung viel netter machen. Oder ein paar Farben. Aber das hier war für die nächsten Wochen sein Zuhause und ein seltsames, kaltes Zuhause war so viel besser als gar keins.

Wastl hörte ein leises Miauen von irgendwoher und erinnerte sich, dass er Katzenfutter gekauft hatte. Er öffnete eine Dose, kippte sie in eine Schüssel, die hoffentlich nicht allzu teuer war und stellte sie auf den Küchenboden. Da, wo er Prinzessin Butterfliege zum letzten Mal gesehen hatte. Als er zum zweiten Mal hineingetreten war, platzierte er sie stattdessen neben dem Sofa. Er räumte die Küche auf, putzte sie blitzblank und merkte erst nach drei Strophen »Kaperfahrt«, dass er vor sich hin summte. Es half ein wenig gegen die Einsamkeit.

***

Die Schlafzimmer unterschieden sich hauptsächlich in ihrem Helligkeitsgrad. Eins war weiß, eins dunkelgrau und eins hellgrau eingerichtet. Er entschied sich für das hellgraue, weil es am kleinsten war. Es hatte eine bodenlange Fensterfront, die nicht auf die Stadt hinausging, sondern auf den Dachgarten. Es gab einen Dachgarten! Irgendwann, wenn Adrian mal nicht da war, würde er die Wohnung erkunden. Natürlich nicht das Büro, aber … alles andere. Wie Adrians Schlafzimmer wohl aussah? Es musste das gegenüber von seinem sein, da hinten, neben dem weiß gekachelten Pfad im Kies. Adrians Vorhänge waren zugezogen und nur ein leichter Lichtschein drang heraus. Ein schmaler Streifen, der durch den Kies schnitt wie eine Klinge.

Wastl schloss seine eigenen Vorhänge, löschte das Licht und legte sich auf sein Bett. Er hatte die Zähne geputzt und trug, in Ermangelung eines Pyjamas, T-Shirt und Boxershorts. Aber er konnte noch nicht schlafen. Der Tag rumorte in seinem Gehirn. Die Besichtigung, der bärtige Mistkerl, der alles verkauft hatte. Wie der ihn angemotzt hatte, als er die Katze mitgenommen hatte. Wastl hatte zurückgemotzt, und nicht zu knapp. Hoffentlich ging es Prinzessin Butterfliege gut, wo immer sie war.

Und dann war da Adrian, dessen Nachnamen Wastl immer noch nicht kannte. Auf dem Klingelschild stand leider nur ›Dachgeschoss‹. Adrian. Ein Arschloch vor dem Herrn, aber der erste Mensch hier, der ihm zumindest zeitweise ein Obdach gewährte. Und … Wastl konnte sich nicht erinnern, dass er je so stark auf einen anderen Mann reagiert hatte. Und er hatte stark reagiert. In der neunten Klasse war er fast gestorben, wenn Ferdi den Arm um ihn gelegt hatte. Meist, um Wastl zu Boden zu ringen, doch das war egal gewesen. Wastl hatte gern mit ihm gerungen. Oft hatte er sogar gewonnen, damit es Ferdi nicht zu langweilig wurde. Und danach, abends, hatte er all die gesammelten Gerüche und Laute wieder hervorgekramt und mit unter die Bettdecke genommen, wo er … Wastl schluckte. Seine Hände waren unter der Bettdecke. Und er war endlich wieder allein. Im Hostel hatte er sich den Raum mit drei anderen teilen müssen, aber nun …

»Endlich«, murmelte er und zog die Boxershorts herunter. Kaum spürte er seine Handflächen, wurde er auch schon hart. Er fühlte sich anschwellen, groß und prall werden, und war ein wenig stolz. Er war doch bestimmt genau so gut ausgestattet wie Adrian, oder? Die Erinnerung an Adrian in dem dünnen Pyjama reichte, um ihm das Blut endgültig zwischen die Schenkel zu treiben. Was wäre, wenn Adrian heute Morgen ganz anders reagiert hätte? Was, wenn … Wastl schluckte, weil sein ganzer Körper sich bei dem Gedanken lustvoll zusammenzog: Was wäre, wenn Adrian den Kuss erwidert hätte? Wie würde sich diese kleine Brandnarbe auf Wastls Lippen anfühlen? Hätte Adrian nach Marmelade geschmeckt? Hätte er Wastl gepackt, fest, und ihn über den Tisch zu sich hergezerrt? Hätte er ihn auf die Tischplatte gelegt? Ihm die Hose heruntergerissen, den Kopf zwischen Wastls Beinen vergraben und seinen Schwanz verschlungen? Den Schwanz, an dem Wastls Finger hektisch rieben? Er hatte keine Zeit, es richtig zu genießen, bevor er kam. Der Gedanke an Adrians Zunge, die an ihm auf und ab fuhr, an den Blick, den er ihm durch wirre Strähnen hindurch zuwerfen würde, reichte. Keuchend ergoss Wastl sich in seine Hand. Als das wilde Drängen zu einer abebbenden Glut wurde, hörte er sein schweres Atmen in dem fast leeren Raum.

Verdammt, dachte er. Hoffentlich hat Adrian nichts gehört. Er lauschte, vernahm aber nicht einmal ein leises Miauen.

Sperma lief zwischen seinen Fingern hervor und tropfte auf die Matratze. Mist. Er suchte nach Taschentüchern und fand sie in der Schublade des Nachtschranks. Doch das Bettzeug war besudelt. Das würde Adrian ihm ja wohl nicht auch in Rechnung stellen, oder? Das konnte man schließlich waschen. Nein, zu dieser blöden Liste auf der Schiefertafel würde nichts mehr hinzukommen, das schwor Wastl sich. Seine Lider wurden schwer. Befriedigt und warm gebettet konnte er endlich einschlafen.

***

Als er aufwachte, lag Prinzessin Butterfliege auf seinen Füßen. Sein Handywecker brummte und kaum, dass er ihn ausgeschaltet hatte, ging die Tür auf. Adrian stand dort, im Morgenmantel.

»Deine Katze hat auf das Sofa gekackt«, sagte er und schloss die Tür wieder.

Mist.

8. Ein miserabler Mitbewohner

Das Frühstück war versalzen, aber minimal besser als das gestern. Wahrscheinlich, weil Sebastian sich diesmal auf das Wesentliche konzentriert hatte: Brötchen, Butter, Marmelade, Wurst, Rührei. Was für ein provinzielles Mahl. Doch es schmeckte. Adrian gab sich dem ungewohnten Gefühl hin, keine Pappe im Mund zu haben, und schlug die Zeitung auf, um das Landei-Gesicht zu verbergen. Die Landei-Stimme hielt sich leider nicht an ihre Abmachung.

»Du tust der Katze nichts, während ich weg bin, oder?«

Adrian schwieg. Wofür hielt der Kerl ihn? Für einen Tierquäler?

»Mann, ich besorg gleich in der Mittagspause ein Katzenklo. Gestern bin ich nur nicht dazu gekommen. Und … und ich glaub dir nicht, dass das Sofa 5000 Euro kostet.«

»5200.«

»Ich lass es reinigen, dann sieht man gar nichts mehr.« Sebastian riss eins der warmen, steinharten Brötchen auf. Dampf schlug ihm entgegen. Sein sexy Stallburschenkalender-Gesicht verzog sich vor Glück. »Mmh, das ist der beste Geruch, den’s gibt.«

»Besser als Katzenscheiße am Morgen?«

»Greislicher Griesgram.« Fast hätte Adrian es nicht gehört, so leise flüsterte sein Mitbewohner.

»Wie hast du mich genannt?« Er senkte die Zeitung nur so weit, dass er Sebastians trotziges Gesicht sehen konnte.

»Äh … mein liebster Mitbewohner?«

»Vermieter. Ach nein, du zahlst ja keine Miete.«

»Ich kann Miete zahlen.«

»Das kannst du dir doch gar nicht leisten.«

»Pfff.« Sebastian butterte seine Semmel mit dem Enthusiasmus eines hyperaktiven Welpen. »Ist gut, ich bin ruhig.«

»Gut.«

Minuten herrlicher Ruhe verstrichen. Warum schmeckten diese Brötchen, die sich außen wie Beton und innen wie nasser Sand anfühlten, so gut? War das irgendein teuflisches Geheimrezept, das sie in den tiefsten Alpendörfern weitervererbten, zusammen mit Kröpfen und Klumpfüßen?

»Du, Adrian?«

Die herrliche Ruhe hatte vier Minuten und drei Sekunden gedauert. Immerhin.

»In zwei Tagen ist Wochenende. Muss ich dir da auch die ganze Zeit aus dem Weg gehen?«

»Ja.«

»Und was, wenn du Besuch bekommst? Soll ich dann sagen, ich bin dein Mitbewohner oder muss ich mich verstecken wie«, Sebastian überlegte sichtbar, »ein unehelicher Sohn?«

»Wenn du mein Sohn wärst, hättest du Manieren.«

»Wenn ich dein Sohn wäre, wäre ich auch eine muffelige Miesmuschel.« Bevor Adrian ihn daran erinnern konnte, wem diese Wohnung gehörte, sprach Sebastian schnell weiter. »Könnte ich dein Sohn sein? Ich meine … wie alt bist du?«

»Rate mal.«

»Fünfunddreißig?«

»Zweiunddreißig. Und jetzt bin ich beleidigt.« Adrian hob die Zeitung wieder, aber er schaffte es nicht, das Gespräch zu beenden. »Wie alt bist du? Achtzehn?«

»Nein!« Eine Untertasse klirrte. »Wieso denken immer alle … Ich bin dreiundzwanzig, verdammt! Ich bin ein Mann!«

Andererseits war diese Unterhaltung viel zu amüsant, um beendet zu werden. »Wenn du wirklich ein Mann wärst, müsstest du nicht darauf hinweisen.« Adrian lächelte sogar. »Und dass dich alle für jünger halten, könnte daran liegen, dass du zu impulsiv bist und bei jeder Gelegenheit flennst.«

»Das habe ich dir schon erklärt.« Schmollend mampfte Sebastian sein Brötchen. Er sah hinreißend aus. »Und es ist nicht fair. Im Büro sind sie auch alle so. Die tun, als wäre ich zwölf. Weißt du, wie sie mich nennen?«

»Himbeerburli?«

»Nein.«

»Häschen?«

»Na-hain.«

»Goldjunge? Spatz? Milchbart?«

»Nein, du Miesmuschel. Die nennen mich Blondchen.«

Fast hätte Adrian gelacht. Er rettete sich in ein Husten. Etwas Kaltes floss durch seinen Magen und es war nicht der frischgepresste Orangensaft mit Schalen- und Etikettresten, den Sebastian aufgetischt hatte. Was tat er hier? Warum saß dieser … dieser Junge immer noch an seinem Tisch und schwallte ihn zu?

»Die nennen dich Blondchen, weil du ein Blondchen bist«, sagte er. »Wenn du Respekt willst, musst du ihn dir verdienen.« Kühl musterte er Sebastian, dessen Ohren sich röteten.

»Ich hab Vroni gesagt, dass sie mich nicht mehr so nennen soll«, murrte er. »Richtig entschieden. Das hat gar nichts gebracht.«

»Das kann ich mir vorstellen.« Vroni hatte immer geschaut, mit wie viel sie durchkam. Adrian war am Anfang mit ihr aneinandergeraten. Aber nur einmal.

»Was soll ich denn tun?«

Jetzt wurde das auch noch zu einem Beratungsgespräch. Adrian erhob sich, faltete die Zeitung zusammen und nahm seine Kaffeetasse an sich. »Dein Schlüssel hängt am Schlüsselbrett neben der Tür. Räum auf, bevor du gehst. Ich lese in meinem Zimmer weiter, da du offensichtlich nicht verstehst, was ›mich in Ruhe lassen‹ bedeutet.«

»Aber …« Nun waren selbst Sebastians Wangen gerötet. Hatte Adrian eben gedacht, dass er hinreißend aussah? Er musste schleunigst fort von hier. »Was soll ich denn tun? Wegen Vroni und den anderen? Du klingst, als hättest du eine Idee.«

Adrian verbiss sich die Antwort. Schweigend zog er sich in sein Zimmer zurück und kam nicht eher daraus hervor, bis die Tür ins Schloss gefallen war. Dann streifte er seine Trainingsklamotten über und begann den Tag. Die Bleidecke des Alltags senkte sich über ihn. Er hatte gar nicht gemerkt, dass sie sich einen Moment lang gelüftet hatte.

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9783969872246
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