Читать книгу: «Wind über der Prärie», страница 14

Шрифт:

Seufzend richtete er sich auf und ging weiter, in Richtung ihres Blockhauses. Er hatte schon von Anfang an gespürt, dass seine Schwester niemals Hardy Retzner heiraten würde. Selbst, wenn ihm nicht dieses entsetzliche Schicksal widerfahren wäre, sie hätte ihn nicht genommen. Jetzt erst recht nicht mehr, nachdem sie diesen Sergeant getroffen hatte. Hugh musste lächeln. Etwas Eigenartiges, das er nicht beschreiben konnte, ging zwischen Julie und Ron McVeagh vor sich. Immer, wenn er die beiden miteinander sah, wusste er, dass sie zusammengehörten. Es schien ohne jeglichen Zweifel – sie liebten einander.

Hugh fasste seine Bücher fester und presste sie enger unter seinen Arm. Auch für ihn war es allmählich an der Zeit, die Wahrheit in den Mund zu nehmen. Allerdings wollte er das nicht tun, ehe er den Brief aus New York nicht in seinen Händen hielt – die Antwort auf seine Anfrage. Vorher wollte er seine Eltern nicht vor vollendete Tatsachen stellen und schockieren. Er atmete tief durch. Sie rechneten beide so fest damit, dass er in die Fußstapfen seines Vaters treten und Pfarrer werden würde, aber das konnte er nicht. Beim besten Willen, er brachte es nicht fertig. Das Predigen von Gutem und Schönem erschien ihm bisweilen so sinnlos! Nein, er wollte etwas lernen, wovon er wusste, dass er tatsächlich helfen konnte – handfest und mit erkennbaren Ergebnissen. Sollte sich für ihn die Möglichkeit auftun, würde er mit dem nächsten Zug, der wenige Meilen unterhalb von Fort Gibson hielt, in Richtung Osten abreisen. Nicht für immer – er würde zurückkehren, eines Tages, um sich hier nützlich zu machen, wo er mehr gebraucht wurde als dort, aber nicht, um Pfarrer zu sein.

Julie lachte und auf Ron McVeaghs gutaussehendem Gesicht bildete sich ein breites Grinsen. „Du bist eine ganz schön verrückte, junge Lady! So einen Unfug anzustellen!“

Sie kicherte und hob das nächste Fläschchen aus dem Karton, um es auf der Liste zu vermerken und dann in den Schrank zu stellen – genau, wie sie es von Hardy gelernt hatte.

„Was sollte ich denn tun? Entweder, ich hätte am Bach übernachtet oder ich bin eben vor dem Hengst hindurchgewatet! Das hat er noch nie getan! Ich glaube, er hat protestiert, weil wir so lange geritten sind!“

Der Sergeant schmunzelte. „Kaum zu glauben, wie weit sich die Siedler schon überall verteilt haben.“

„Wenn sich Washington und die Indianer erst einmal geeinigt haben, wird es noch viel schlimmer werden! Dann werden alle nur noch hierher wollen! Neues, freies Land! Es wird von Siedlern und Heimstättern, Gesetzlosen und Herumtreibern nur so wimmeln.“

„Das befürchte ich auch.“ Nachdenklich legte Ron den Kopf schief. Auf seiner Stirn bildeten sich kleine Fältchen. „Dann wird es genauso zugehen wie in Oregon damals, als der große Run anfing und tausende von Menschen das Land stürmten!“

„Hmm“, machte Julie und hob die Schultern. „Ich bin froh, dass wir uns nicht an so etwas beteiligt haben.“

Ron hob die Brauen. „Dafür habt ihr etwas anderes getan.“ Es klang scharf und er verbesserte sich hastig, als er ihr betroffenes Gesicht bemerkte. „Ich meine, es war ja in erster Linie die Schuld von diesem Halunken und nicht eure und...“

„Nein“, fiel Julie ihm ins Wort. „Es war auch teils unsere. Wir hätten nur auf einen Mann hören sollen, der sich erkundigt hat und der eine Ahnung hatte, aber wir wollten alle nur schnellstmöglich irgendwo ankommen.“

„Julie...“ Seine langen, schlanken Finger fassten sie an der Taille. Er richtete sich auf. Jetzt, da er direkt vor ihr stand, fiel ihr Größenunterschied umso deutlicher auf. Julie musste ihren Kopf weit in den Nacken legen, um ihn ansehen zu können. Er lächelte sanft zu ihr herab. Die Wärme und Güte, die dabei von ihm ausgingen, übermannten sie. Er vermochte Gefühle in ihr auszulösen, die sie nicht kontrollieren konnte und die sie noch nie zuvor für einen Menschen empfunden hatte. Würde jetzt ein Cherokee zur Tür hereinkommen – sie würde sich zwischen ihn und den Sergeant stellen.

„Oh, Ron!“ Hastig schlang sie ihre Arme um seinen muskulösen, sehnigen Körper und presste ihr Gesicht an sein Hemd. Sie fühlte, wie seine Lippen ihr einen Kuss aufs Haar drückten und schlagartig wurde ihr bewusst, wie ungehörig sie sich benahm. Ein Mädchen warf sich doch nicht einem Mann um den Hals! Was sollte er jetzt von ihr denken? Sie fuhr zurück.

Seine blauen Augen betrachteten sie zärtlich und voller Wärme. Er lächelte. Einen Augenblick schien er zu zögern, dann beugte er sich zu ihr hinab. Seine Lippen drückten sich sacht auf die ihren. Er wartete einen Moment ab, was geschehen würde.

Julie schloss die Augen. Abgesehen von Hardy war sie noch nie von einem Mann geküsst worden und das hier war völlig anders. Wie von alleine legten sich ihre Arme um seinen Hals und sie erwiderte seinen Kuss. Es war ein herrliches, ein unbeschreibliches Gefühl! Sie konnte es nicht länger leugnen und verdrängen – sie liebte ihn. Sie liebte Sergeant Ron McVeagh und sie empfand Dinge, wenn er in ihrer Nähe war und sie anlächelte oder berührte, von denen sie nicht einmal gewusst hatte, dass sie existierten.

Immer und immer wieder suchten sich ihre Lippen und Ron wurde mutiger, seine Küsse leidenschaftlicher und intensiver. Julies Arme, die sich fest um seinen Hals klammerten, ermutigten ihn. Er presste sie fest an sich. Unter dem dicken Stoff ihres Kleides konnte er ihre runden, festen Brüste spüren und es kostete ihn einige Überwindung, endlich von ihr abzulassen. Ihre großen, bernsteinfarbenen Augen betrachteten ihn und er fragte sich, was wohl in ihrem Kopf gerade vor sich ging.

„Ich...ich muss weitermachen, sonst werde ich nicht fertig. Und dann muss ich nach Hause, meine Eltern warten“, stieß sie atemlos hervor und senkte den Kopf, damit er nicht sehen konnte, wie sich ihre Wangen rot verfärbten.

Er lächelte. „Natürlich. Ich muss auch zurück zu den Männern.“

Er löste seine Arme und gab sie frei. Ihre Hände strichen kurz über seine Brust hinab, bevor sie sich abwandte und zur Verbindungstür trat.

„Vielleicht...nun ja, vielleicht sind meine Stiefel ja mittlerweile trocken.“

Er folgte ihr zum Hinterzimmer und lehnte sich in den Türrahmen. Seine blauen Augen glitten durch den kleinen Raum, der an die Praxis angrenzte. „Hier hat Doktor Retzner gelebt?“

„Ja.“ Julie trat an den kleinen Herd, rechts hinter der Tür und betastete ihre Reitstiefel. Sie zuckte die Schultern. „Ich fürchte, das Bad im halbgefrorenen Bach hat ihnen den Rest gegeben.“

Ihre Hände griffen nach ihrem Reitrock, den sie an einer Schnur darüber aufgehängt hatte. Auch er war noch nass und sie wandte sich lächelnd dem jungen Sergeant zu. „Macht nichts. Meine Eltern sehen es sowieso lieber, wenn ich mich wie eine richtige Dame kleide.“

Ron schmunzelte, während seine blauen Augen sie liebevoll betrachten. Niemand, glaubte Julie, kann so warm und gütig und herzlich zugleich auf einen herabsehen, wie er es vermag.

„Das...das da sind alles die Medizinbücher, in denen er immer gelesen hat“, sagte sie, nur um das Schweigen zu brechen und deutete auf den kleinen Tisch am anderen Ende des schmalen Zimmers, der sich unter der Last der dicken, schweren Bände bog. „Ich lese so oft wie möglich darin, aber es hilft am Ende meist doch nicht. Ich bin eben kein Arzt und ich verstehe vieles nicht.“

Außer einem Bett, einem Stuhl und einem Schrank befanden sich keine weiteren Möbelstücke in der winzigen Stube, die für Doktor Retzner leicht ausgereicht hatte.

„Wenn wieder ein Arzt mit einem Siedlertreck ankommt“, meinte Ron, „kann er gleich hier einziehen. Es ist schon alles da.“

„Nicht ganz“, warf Julie ein und deutete auf den Schrank. „Ich habe Hardys...ich meine, Doktor Retzners Sachen verschenkt. Seine Hosen und Hemden, die Jacken und Schuhe. Er braucht sie ja nicht mehr und...nun, ich bin sicher, dass er das so gewollt hätte. Es wäre ihm nicht recht gewesen, wenn seine Kleidung ungenutzt und sinnlos herumhängt. Es gibt genügend Männer hier, die sie gerne und dankbar genommen haben.“

Ron biss sich kurz auf die Lippen. Er hörte die Wehmut und den Schmerz über den Verlust aus ihrer Stimme heraus. „Ihr...ihr seid euch wohl sehr nahe gestanden?“

Julie schluckte. Ihr Blick glitt durch den vertrauten, spartanisch eingerichteten Raum. „Er hat mir sehr viel beigebracht. Er hat mir geholfen, als ich wirklich jemanden gebraucht habe und vor allem: Er hat mir gezeigt, wer ich bin und was ich möchte. Das werde ich ihm nie vergessen.“

Rons blaue Augen schauten sie lange und abschätzend an. Er hätte gerne weiter gefragt, doch er ließ es bleiben. Er spürte, dass sie dazu noch nicht bereit war, dass die Wunde noch zu groß war, noch zu frisch. Er lächelte sein eigenes, unvergleichliches Lächeln und streckte den Arm nach ihr aus.

„Komm. Es wird Zeit, dass du mit deiner Arbeit fertig wirst und ich muss zurück zu den Männern. Sie werden sich schon fragen, wo ich mich verlaufen habe!“

„Ja“, erwiderte Julie und nahm seine Hand. „Ich muss mich beeilen.“

Er zog sie an sich, um sie noch einmal lange und leidenschaftlich zu küssen, dann wandte er sich ab und griff nach seinem Hut, der auf dem Behandlungstisch lag.

„Bis morgen, Julie.“

„Gute Nacht, Ron.“

Er ging zur Tür, fasste die Klinke, hielt jedoch noch einmal inne. Er drehte sich zu ihr herum und stellte fest, dass sie ihm regungslos nachblickte.

Er lächelte sie an. Ein äußerst zufriedenes, sehr männliches Lächeln machte sich auf seinem gutaussehenden Gesicht breit und er riss die Türe auf, um hastig hinaus in die Kälte und Dämmerung zu treten. Der eisige Windhauch, der ihm entgegenschlug, brachte ihn in die Gegenwart zurück und ließ ihn unsanft auf die harte Erde zurückfallen. Es war gut, dass er ging. Jede weitere Minute hätte ihn Überwindung gekostet und den Wunsch, ihr näher zu sein, als er im Augenblick durfte, noch verstärkt. Langsam marschierte er die Straße zur Pension hinab. Seine langen, schlanken Beine in den blauen Hosen und den hohen Stiefeln griffen weit aus und ohne es zu wissen, lächelte er vor sich hin. Sie schien so ganz anders zu sein als all die Mädchen, denen er vorher begegnet war, so natürlich und ehrlich und voller Vertrauen in das Leben und ihr Glück. Gleichzeitig war sie gebildet und zurückhaltend und dennoch mit dem nötigen Selbstbewusstsein ausgestattet. Ein Mädchen, das sich ein Mann wie er nicht einmal gewagt hatte, zu erträumen. Ein Mädchen, das vielleicht akzeptieren konnte, wer er war und wie er es bevorzugte zu leben, die es vielleicht sogar genießen konnte. Es gab nichts, was er sich in diesem Moment sehnlicher wünschte.

Julie war noch immer nicht damit fertig die Medikamentenliste zu vervollständigen, als Hugh die Türe aufdrückte und ins warme Innere trat.

„Na?“, fragte er scheinheilig und grinste. „Waren noch viele Patienten hier?“

Julie schüttelte den Kopf. „Nein, heute Abend überhaupt niemand. Nur heute Vormittag musste ich Miklós die Hand verbinden, weil er sie sich im Stalltor eingeklemmt hat und dann war ich draußen bei den Stromsons.“

„Aha! Und – wie geht es Geertje?“

„Gut! Hervorragend! Sie achtet sehr auf sich und befolgt alle meine Anweisungen!“

„Das gefällt dir, was?“ Er lachte leise auf und sprang beiseite, als sie die leere Holzkiste nach ihm warf. Sie krachte gegen die Wand neben der Tür.

„Sei still! Sag mir lieber, was du willst!“

„Dich zum Abendessen holen! Vater ist ziemlich böse, weil du schon wieder zu spät kommst!“

„Dafür kann ich nichts!“, entrüstete Julie sich aufgebracht und zog die oberste Schublade des Schreibtisches auf, um die Liste darin zu verstauen. „Ich habe schließlich hier alleine das zu tun, was Hardy und ich vorher zu zweit geschafft haben.“

„Nicht ganz“, verbesserte Hugh sogleich. „Die schweren Fälle schickst du doch schon zum Arzt in Fort Gibson.“

„Ich kann auch nicht operieren oder irgendwelche komplizierten Sachen behandeln!“, fuhr Julie ihn ärgerlich an. „Sonst werde ich noch wegen Mordes verklagt!“

Hugh grinste verschmitzt. „Ich weiß, Schwesterherz. Du bist ungeheuer mit einem gewissen jungen Sergeant beschäftigt, der jeden Tag diese Praxis aufsuchen muss! Er scheint wirklich an einer sehr ernsten Krankheit zu leiden!“

Julie schnappte nach Luft. „Oh, du!“ Sie errötete und ärgerte sich noch mehr, denn sie wusste, dass sie sich damit verraten hatte.

„Du brauchst mich nicht anzuschwindeln! Ich habe Augen im Kopf!“, lachte ihr Bruder und lehnte sich gegen die Türe. „Und ganz unsensibel bin ich auch nicht!“

„Nein“, erwiderte Julie und schaute ihn fest an. „Da merkt man unsere Verwandtschaft, also: Was ist los mit dir? Du läufst seit Tagen herum, als sei etwas geschehen!“

Hugh schluckte. Er hätte wissen müssen, dass er vor ihr nichts verheimlichen konnte. Außerdem war er eigentlich ganz froh, sich jemandem mitteilen zu können. Sein Vorhaben, von dem bisher niemand etwas wusste, und sein Gewissen quälten ihn jeden Tag mehr.

„Ich...ich werde fortgehen von hier“, murmelte er undeutlich.

„Fortgehen?“, wiederholte seine kleine Schwester fassungslos. „Aber...wohin denn? Und wieso?“

„Julie!“ Eindringlich packte Hugh sie an den Oberarmen. „Wenn ich hierbleibe, wird aus mir nie etwas anderes werden als ein Lehrer, der diesen Beruf nicht studiert hat und Vaters Nachfolger!“

„Und das möchtest du nicht“, erkannte das siebzehnjährige Mädchen leise. Sie hatte es gespürt, die ganz Zeit über schon war ihr klar gewesen, dass ihn etwas Wichtiges, etwas Entscheidendes beschäftigte.

„Nein!“ Entschlossen schüttelte Hugh den Kopf. „Ich werde nach New York gehen – um Medizin zu studieren.“

„Medizin?“ Julies Augen begannen zu leuchten. „Wirklich, Hugh? Wirklich? Du möchtest Arzt werden?“

Er lächelte. „Ja, wirklich!“

Sie fiel ihm um den Hals. „Oh, das ist großartig! Wie stolz wäre Hardy darauf, das zu erfahren!“

Eine lange Pause entstand. Hugh presste sein Gesicht in ihr weiches, rotblondes Haar, das zu einem Zopf geflochten war.

„Ich habe ihn so oft dabei beobachtet, heimlich, wenn er die Patienten behandelt hat. Noch nie zuvor habe ich eine solch sinnvolle Aufgabe gesehen – anderen Menschen zu helfen.“

„Und keine verantwortungsvollere“, fügte Julie leise hinzu. Sie wusste, wovon sie sprach. Sie erlebte es beinahe täglich und fühlte sich dabei häufig so entsetzlich überfordert und alleingelassen.

„Ich werde sehr stolz auf dich sein“, erklärte sie und strahlte zu ihm hinauf.

„Tu’ mir einen Gefallen“, bat er. „Erzähl Vater und Mutter noch nichts. Bis Weihnachten werde ich auf jeden Fall noch da sein und danach...nun, das entscheidet sich, wenn ich den Brief bekomme! Hoffentlich bald!“

„Welchen Brief?“

„Die Bestätigung der Universität, dass ich mich dort einschreiben kann zum Beginn des nächsten Semesters. Ich kann nur hoffen, dass meine Qualifikationen ausreichend sind und dass sie meine Zeugnisse aus Deutschland anerkennen.“

Julie lächelte und fühlte doch gleichzeitig einen Stich in ihrem Herzen. Er würde fort gehen und sie wusste nicht, wann sie ihn wiedersehen würde. Das jedoch, was er tun wollte, war großartig. Sie wünschte nur, sie müsste nicht ertragen, ihn gehen zu lassen.

Veränderungen

Zwei lange, verschneite und kalte Wochen vergingen, in denen nicht viel geschah. Die Kinder trafen Vorbereitungen für ein kleines Weihnachtsfest in der Schule und auf dem freien Platz vor der Kirche stellte Friedrich mit der Hilfe von ein paar Männern einen Christbaum auf. Jede Frau in der Stadt trug dazu bei, dass er mit schönen Kugeln und bunten Sternen geschmückt werden konnte. Julie ließ den Vorhang zurückfallen und drehte sich zu Ron herum.

„Das wird eine sehr schöne Feier geben“, meinte sie und wartete darauf, dass er zu ihr trat und sie in den Arm nahm. „Das erste, das wir hier verbringen, in unserem eigenen Haus, in diesem neuen Land.“

Er lächelte warm und gütig, wie er es immer tat und streckte seine Hände nach ihr aus. Seine langen, schlanken Finger legten sich um ihre schmale Taille und zogen sie an seinen Körper. Julie schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Wie erwartet, beugte er sich zu ihr herab, um sie zu küssen. Jeden Abend kam er in der Praxis vorbei. Jeden Abend besuchte er sie und sie ertappte sich dabei, ständig auf die kleine Wanduhr hinter dem Schreibtisch zu blicken, wann er endlich erscheinen würde.

„Gestern ist Captain Harbach zurückgekommen“, sagte er auf einmal leise. „Ich...ich muss morgen ins Fort zurück, genau wie die anderen Männer.“

Julie erstarrte. Ihre bernsteinfarbenen Augen glitzerten verdächtig und sie musste sich auf die Lippen beißen.

„Zurück?“, fragte sie leise. „Zurück ins Fort?“

„Ja, es lässt sich nicht ändern.“ Rons Hände glitten ihren Rücken auf und ab. Er blickte ernst. „Aber es ist ja nicht weit. Ich verspreche dir, dass ich dich so oft besuche, wie ich nur abhauen kann!“

Julie versuchte ein Lächeln. Natürlich, er konnte doch nichts dafür. Seine Aufgabe war erledigt, zumindest sah es danach aus.

„Kommen...kommen neue Soldaten?“, fragte sie leise und spielte an einem der Knöpfe seines Hemds.

„Nein.“ Ron schüttelte den Kopf. „Captain Harbach hat von den Cherokees ein Friedensversprechen bekommen, jedenfalls ein vorläufiges – bis die Verhandlungen zwischen Washington und den Häuptlingen der Stämme wegen der Landnutzung abgeschlossen sind.“

Julie schlang ihre Arme um seinen Hals und er küsste sie.

„Es ist spät“, flüsterte er schließlich und drückte sie fest an sich.

„Ich weiß“, erwiderte sie ungeduldig, „aber ich will nicht, dass du schon gehst!“

Er lächelte sanft und drückte sein Gesicht in ihr weiches, duftendes Haar. „Weißt du, eigentlich wollte ich noch eine Karte zu Weihnachten nach Hause schreiben und ein paar Geschenke schicken.“

„Nach Hause?“, wiederholte Julie und hob den Blick. All ihre Liebe und Zuneigung spiegelten sich auf ihrem Gesicht und gleichzeitig auch die Angst, ihn zu verlieren.. „Wo ist das – Zuhause?“

„Im Wyoming Territorium“, antwortete Ron leise und ein weggetretenes Lächeln spielte um seine Lippen. „Im Südosten vom Wyoming Territorium, genauer gesagt, nördlich von Cheyenne.“

„Ist das eine Stadt? Ich habe noch nie davon gehört“, gab Julie nach kurzer Überlegung zu. „Ich habe nur auf der Landkarte gesehen, wo sich das Wyoming Territorium befindet und das ist sehr weit fort von hier.“

Ron schien ihr nicht zugehört zu haben. „Es ist wunderschön dort: Weite Prärien, kleine Wälder, Sand und Staub, viel Wind, aber ich liebe es. Es gibt keinen schöneren Anblick als den vom Hügel über unserer Ranch aus. Du würdest es verstehen, wenn du es kennen würdest.“

Julies kleine Hände streichelten seine Wangen. Wie sensibel und verletzbar er in diesem Augenblick wirkte. Zum ersten Mal schien er sich ihr ganz zu öffnen.

„Kannst...kannst du mich nicht mitnehmen, wenn du das nächste Mal hinfährst?“, fragte sie zaghaft. Ihre Worte schienen ihn aus den Träumen zu reißen, denn er wandte seinen starren Blick von der Wand ab und lächelte nachdenklich zu ihr hinab.

„Wenn ich das nächste Mal dorthin reise, dann, um für immer dort zu bleiben. Dann werde ich nicht länger in der Armee sein.“

Julie erblasste. Er wollte endgültig fort, zurück ins Wyoming Territorium, wo er Zuhause war! Das konnte er doch nicht machen! Er durfte sie nicht verlassen! Sie würde es nicht ertragen, dessen war Julie sich sicher. Tränen verwischten seinen gutaussehenden Anblick vor ihren Augen.

„Nicht weinen, Liebling“, raunte er erschrocken und presste sie an sich. „Ich möchte zwar zurück nach Hause, aber ich gehe nicht ohne dich von hier fort!“

Julie drückte ihre Lippen auf sein glatt rasiertes Kinn. Sie sog seinen Duft tief ein. Es schien ihr ein einzigartiger Geruch, den nur er besaß. Sie liebte es, wenn seine Finger ihren Rücken auf- und abstrichen. Die Berührung löste unbekannte, noch nie vorher dagewesene Gefühle in ihr aus. Es war wie ein Feuer, das tief in ihrem Inneren brannte und sie dazu zwang, sich immer noch fester an ihn zu pressen. Es war, als wüsste sie genau, dass nur er dieses brennende Sehnen in ihr zu erlösen vermochte.

Seine Lippen wanderten über ihre Schläfen, zu ihrem Hals hinunter. Plötzlich störte Julie das enge, hochgeschlossene Kleid, in dem sie steckte. Sie warf den Kopf zurück. Seine hellblauen Augen betrachteten sie eindringlich. Ein seltsamer Ausdruck lag auf seinem Gesicht, den sie noch nie zuvor bemerkt hatte. Julie spürte das schnelle, heftige Pochen seines Herzens durch sein Hemd. Sie wollte nicht länger auf irgendetwas warten, von dem sie nicht genau wusste, was es war. Sie wollte nur eines – ihm ganz nahe sein, so nah, wie noch niemals einem Menschen zuvor.

„Ich...“, brachte Ron leise, stockend hervor. „Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe.“

„Nein!“ Ihre Finger krallten sich in seine Unterarme. „Bitte...bitte nicht.“

Er zögerte. Sein Verstand riet ihm, sich so schnell wie möglich umzudrehen und zur Pension zurückzulaufen, doch etwas hielt ihn zurück. Vielleicht waren es ihre großen, flehenden Augen, die ihn voller Vertrauen und Verlangen anstarrten. Vielleicht war es auch das eigene Drängen in ihm und die Erregung. Mit einem Ruck riss er sie an sich. Er küsste sie, wie er noch nie zuvor eine Frau geküsst hatte und mit einer Leidenschaft, von der er selbst nicht gewusst hatte, dass er sie überhaupt besaß. Seine langen, muskulösen Arme hoben sie hoch.

„Mach’ die Lichter aus“, raunte er heiser. „Damit niemand weiß, dass du hier bist.“

Julie lächelte, ein wenig nervös. Sie ahnte, was er meinte, aber noch wusste sie es nicht sicher. Sie kannte die Theorie, aber sie wusste nichts von der Tatsächlichkeit, von den starken Gefühlen, die zwischen zwei Menschen entstehen konnten, die einander liebten. Sie tat einfach, worum er sie bat. Er trug sie von einer zur anderen der drei Petroleumlampen, deren Docht sie der Reihe nach herabdrehte. Sie standen einen langen Moment in der Finsternis, bis ihre Augen sich daran gewöhnt hatten. Behutsam brachte Ron sie ins andere Zimmer hinüber. Dort hatte Julie im Ofen Feuer gemacht und die obere Herdplatte beiseite geschoben, sodass der Schein der Flammen den Raum erleuchtete.

„Ich habe heute schon ein wenig in den Büchern gelesen“, erklärte sie und wusste selbst gar nicht, weshalb eigentlich.

Ron erwiderte nichts. Er lächelte nur und küsste sie, während er sie zum Bett hinüber trug und vorsichtig darauf ablegte. Die Matratze gab unter ihrem Gewicht nach. Julie schlang ihre Arme um seinen Hals, aufgeregt und neugierig zugleich. Längst hatte sie aufgehört, über irgendetwas nachzudenken. Er legte sich halb auf, halb neben sie. Das alles schien ganz selbstverständlich. Julie schluckte. Einen Moment erwachte ihr Gewissen, ihre streng konservative, gläubige Erziehung, die ihr jeden Wunsch nach weiteren Berührungen verbot. Doch das Brennen und Sehnen in ihr wurde immer stärker anstatt besser und sie fragte sich, wann es aufhören würde, was er noch tun musste, damit sie sich endlich befriedigt fühlen würde.

Seine Hände schoben sich unter ihren Körper, während seine Finger begannen, die Haken am Rücken ihres Kleides zu lösen. Er machte das mit bedachten, behutsamen Bewegungen, wie alles, was er anfasste. Julie fühlte kaum, wie sie aus dem Kleid herausschlüpfte, wie sie Ron das Hemd abstreifte. Da waren seine Lippen, die sie küssten, wild und stürmisch und seine Hände, die sie überall berührten. Julie schauderte und sie öffnete ihre Augen. Erst jetzt stellte sie ein wenig erschrocken fest, dass sie nackt war, völlig nackt, ebenso wie er. Eine Sekunde wollte sie aufspringen und sich dafür schämen, dass sie ohne einen Fetzen Stoff neben einem Mann lag, mit dem sie nicht verheiratet war, doch es gab im Grunde genommen nichts, wofür sie sich hätte schämen müssen, denn sie liebte ihn. Sie liebte ihn mehr, als irgendeinen Menschen sonst auf der Welt.

Ihre Blicke trafen sich, bevor er sie erneut küsste. Sie schlang ihre Arme um seinen Körper. Sein rechtes Knie schob sich zwischen ihre Schenkel, drückte sie auseinander. Nun gab es keinen Weg zurück und sie wollte auch gar nicht, dass er jetzt aufhörte. Sie wollte es genießen, denn sie wusste genau, dass es verboten war, was sie hier mit ihm tat. Sie war nicht mit ihm verheiratet. Sie schenkte ihm ihre Jungfräulichkeit, die Unberührtheit – das Wertvollste, was eine Frau besaß, wie ihre Mutter es auszudrücken pflegte. Aber das änderte nichts an den Emotionen, die er in ihr hervorrief, an der Sehnsucht und dem Verlangen, das sie in seiner Gegenwart empfand. Es war ihr alles gleichgültig, auch jegliche Konsequenz. Es ging nur noch darum, ihm so nahe zu sein, wie niemals einem Menschen zuvor in ihrem Leben.

Seine starken, muskulöse Arme hielten ihren Körper fest und pressten ihn an den seinen, Haut an Haut. Das Feuer im Ofen war fast heruntergebrannt.

„Ich muss nach Hause“, sagte Julie mit einem Mal und merkte, wie die Wolke schwand, von der sie eben noch getragen worden war. Die Kälte der Nacht kroch in ihr hoch. Sie drehte sich um und schaute Ron in die hellblauen Augen. Er lächelte zärtlich und betrachtete sie.

„Ich liebe dich, Julie.“

„Und ich liebe dich!“ Wie leicht diese Worte über ihre Lippen kamen und wie ehrlich sie doch auch gleichzeitig waren. „Aber das weißt du ja...“

Ron schmunzelte und strich ihr das zerzauste Haar aus der Stirn. „Ich glaube, es ist das Beste, wenn du mich heiratest, Julie!“

Ihr Lächeln verwandelte sich in ein Strahlen. „Das glaube ich allerdings auch!“

Er richtete sich auf, stützte sich auf den linken Ellenbogen und schaute nachdenklich auf sie herab. „Glaubst du denn, du kannst ein solches Leben führen?“

„Was führe ich jetzt für ein Leben, Ron?“ Sie lächelte. „Und wieviel anders wird es mit dir sein?“

„Ich werde im Frühjahr aus der Armee austreten und zurück auf die Ranch ziehen, auf der ich geboren wurde und aufgewachsen bin. Dieses Stück Land bedeutet mir sehr viel. Ich möchte derjenige sein, der es übernimmt!“

„Und du denkst, dafür bin ich nicht geschaffen?“

Seine Stirn legte sich in tiefe, zweifelnde Falten. „Es ist anders als hier und es ist wahrscheinlich das genaue Gegenteil von dem, was du aus deiner Heimat kennst. Es ist einsam und abgeschieden und unser Dasein wird von der täglichen, immer wiederkehrenden Arbeit geprägt sein, nichts weiter. Es wird zum Überleben reichen, aber nicht für sehr viel mehr. Ich möchte dir keine Illusionen machen. Wir werden einfache Rancher sein, nichts weiter, nichts anderes und auch nichts bedeutenderes.“

„Ron!“ Ihre kleine, zarte Hand strich ihm sacht über das Kinn und die Wange. „Wenn ich dieses Leben mit dir verbringen, mit dir teilen kann, dann ist es gut, so wie es sein wird. Das Wichtigste ist, dass du bei mir bist!“

Er lächelte und schlang seine Arme um sie. „Oh, Julie!“

Wie in Trance wanderte sie die Straße hinab. Ron war aus dem hinteren Fenster geklettert, damit niemand hatte sehen können, dass er erst zu so später Stunde die Arztpraxis verließ. Wie ein Dieb, dachte Julie und musste schmunzeln. In gewissem Sinne war er das ja auch. Er hatte ihr etwas gestohlen, das ihr niemand jemals wiedergeben konnte, doch das störte sie nicht, nicht im geringsten.

Durch die beiden Fenster neben der Tür fiel noch Licht und Julie ärgerte sich darüber. Sie wollte jetzt niemandem begegnen, schon gar nicht ihren Eltern. Womöglich konnten sie ihr ansehen, was sie getan hatte! Nach kurzem Zögern drückte sie die Haustür auf. Feuer brannte leise knisternd im Kamin und eine angenehme Wärme schlug ihr entgegen. Ihre bernsteinfarbenen Augen glitten hastig durch den Raum. Zu ihrer Erleichterung saß nur Hugh am Tisch, über einigen Büchern und hob jetzt kurz den Blick.

„Na?“, fragte er auf Deutsch und es klang ironisch. „Du bist ganz schön früh dran, findest du nicht?“

„Ja“, antwortete Julie zerstreut und lehnte sich gegen die Tür. „Ich meine...nein! Wo sind Vater und Mutter?“

„Sie sind zu Bett gegangen und schlafen hoffentlich schon. Sie könnten ein bisschen mehr davon wirklich vertragen.“ Prüfend zog Hugh die Brauen hoch. „Morgen wird ein anstrengender Tag für beide, denn die letzten Vorbereitungen für den Weihnachtsgottesdienst müssen getroffen werden.“

„Natürlich“, erwiderte Julie hastig und zog ihr Cape aus, um es an die Garderobe zu hängen. Sie bemühte sich, nicht nervös oder irgendwie anders zu wirken als sonst, doch ihr Herz schlug so laut, dass sie glaubte, ihr Bruder müsste es hören.

Hugh wollte seine Aufmerksamkeit schon wieder auf die Mathematikbücher richten, als seine Augen etwas erfassten. Ihm stockte der Atem und er hatte Mühe, nicht aufzuspringen und sie laut anzuschreien. Seine kleine Schwester schien eigenartig verwirrt und ihm kam mit einem Mal der entsetzlichste Gedanke. Sie war schon zu lange fort gewesen.

„Dein Kleid ist nicht richtig zu“, sagte er nach langer Überlegung leise und warf einen kurzen Blick zurück über seine Schultern, zur Schlafzimmertür seiner Eltern.

Julie erstarrte. Ihre Hände griffen hinter sich und versuchten, die Häkchen abzutasten, die es zusammenhielten, doch Hugh kam ihr zuvor. Seine Finger legten sich um ihre Oberarme, hielten sie fest.

„Julie!“ Beschwörend drehte er sie zu sich herum, schüttelte sie kurz. „Was ist geschehen? Hat er dir...etwas getan?“ Er ahnte die Wahrheit, doch er wollte es nicht glauben. Seine Schwester war ein anständiges Mädchen! Sie würde doch niemals vor der Ehe...oder doch? Der selige, verträumte Ausdruck auf ihrem Gesicht ließ ihn immer stärker zweifeln.

„Julie!“, stieß er noch einmal hervor und schüttelte sie erneut, diesmal heftiger. „Was ist passiert?“

Sie lächelte. „Ich werde ihn heiraten, Hugh. Und ich werde mit ihm auf seine Ranch ziehen.“

„Auf seine Ranch?“, wiederholte ihr großer Bruder verblüfft. „Wo soll das sein?“

Бесплатный фрагмент закончился.

382,08 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
1090 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783742769848
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают