Читать книгу: «Handbuch Gender und Religion», страница 9

Шрифт:

Rosalind Janssen

Genderarchäologie

Ihre Höhen und Tiefen1

Die Archäologie bietet einen Gegenpol zu den dokumentarischen und ikonographischen Aufzeichnungen einer rein männlichen Elite, indem sie Licht auf die schweigenden Massen – Frauen, Kinder, Fremde, die Nicht-Elite und Personen im Status von Bediensteten – werfen kann.2

1 Einleitung

Wie von den Genderarchäologinnen Lynn Meskell und Rosemary Joyce im obenstehenden Zitat gelobt, wird dieser Teilbereich der Archäologie für seinen Einfallsreichtum wertgeschätzt: Er stellt die patriarchale Ideologie infrage und gibt den Stimmlosen eine Stimme. Sein Vorteil ist, dass er nicht der »verflochtenen städtischen und männlichen Befangenheit«3 zum Opfer fällt, die Carol Myers kürzlich für die Mainstream-Archäologie identifiziert hat. In der Tat definieren Meskell und Joyce die Eigenheit der Genderarchäologie als eine Fähigkeit, »subversivere Tendenzen anzudeuten, die sich explizit der Hegemonie der textuellen Aufzeichnung entgegensetzen«.4 Nichtsdestotrotz nimmt der vorliegende Artikel eine differenziertere Haltung ein. Er bietet einen zentralen reflektierenden Abschnitt über die Wichtigkeit der Genderarchäologie für die Erforschung der religiösen Aktivitäten von Frauen im eisenzeitlichen Israel und die Bedeutung der Genderarchäologie für die Erforschung der Materialität dieser Religion. Im Folgenden werden Vorschläge gemacht, wie eine zukünftige Verknüpfung von Genderarchäologie und Religion bei der Beantwortung zweier großer Fragen helfen kann. Dies führt zu drei kurzen Fallstudien in Bezug auf die Religion des alten Israel, die gleichzeitig die potenziellen Schwierigkeiten der Genderarchäologie untersuchen und erklären, warum ihre Ergebnisse oft nicht schlüssig sind.

2 Genderarchäologie definieren

Das Ziel der Genderarchäologie ist »die Untersuchung der Rolle und der Bedeutungen von Gender in der Vergangenheit«.5 Das Endergebnis fassen Uroš Matić und Bo Jensen so zusammen, dass sie sich »ungeprüften androzentrischen Glaubensvorstellungen und Gendermythologien stellen und dafür Argumente und Beweise fordern«.6

Als solche stützt sich die Genderarchäologie auf drei theoretische Argumente. Das erste ist, dass sich Gender vom biologischen Geschlecht unterscheidet, weil es eine soziale Konstruktion ist.7 Zweitens wird Gender zunehmend auf seine Formung und Erfahrung als ein sozialer Prozess des »Gemacht- und Neuwerdens«8 hin untersucht und nicht als eine Art Endprodukt verstanden. Drittens wird Gender sowohl als Ideologie als auch als Praxis anerkannt. Während Ersteres Geschlechtersymbole und -rituale umfasst, geht es bei Letzterem um die Untersuchung der Frage, wie Frauen und Männer und zunehmend auch andere Geschlechter »in der archäologischen Aufzeichnung artikuliert werden«.9

3 Genderarchäologie historisieren

Wie im Falle der feministischen Bibelkritik entstand die Genderarchäologie aus der feministischen Bekämpfung des Patriarchats, auch wenn dies erst in den 1980er Jahren in gedruckter Form geschah.10 Aus einem Workshop 1979 in Norwegen ging ein bahnbrechender Sammelband hervor, der von Reidar Bertelsen, Arnvid Lillehammer und Jenny-Rita Næss herausgegeben wurde und den Fokus auf die prähistorische Gesellschaft legte.11 Sein bezeichnender Titel Were They All Men? spiegelt die Unsichtbarkeit von Frauen in früheren Arbeiten zur Archäologie wider. Ebenso grundlegend und auf ähnliche Weise auf das Prähistorische fokussiert ist der spätere Sammelband Engendering Archaeology, herausgegeben von den amerikanischen Archäologinnen Joan Gero und Margaret Conkey.12

In der Vergangenheit haben einige Archäologen die Genderarchäologie offen kritisiert. Am bemerkenswertesten ist Paul Bahn, der sich 1992 so darauf bezog:

Der jüngste Ausbruch – der eine große Ähnlichkeit mit der guten alten Zeit der Neuen Archäologie aufweist (in erster Linie ein Schläger für die Jungs) – ist die Genderarchäologie, die eigentlich eine feministische Archäologie ist (ein neuer Schläger für die Mädchen). […] Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht irgendwo eine Konferenz über »Genderarchäologie« von zahlreichen Archäologinnen (plus ein paar tapferen oder trendigen Männern, die nach politischer Korrektheit streben) abgehalten wird. Einige ihrer Ziele sind lobenswert, aber der fahrende Zug sollte nicht zu weit rollen, wie es die Neue Archäologie getan hat, bevor von schadenfrohen Zynikern auf die fehlenden Kleider der Kaiserinnen hingewiesen wurde.13

4 Genderarchäologie heute

Genderarchäologie wird unterdessen nicht mehr marginalisiert. Sie ist zu einem etablierten Fachgebiet mit anerkannten, angesehenen Wissenschaftler*innen und einer wachsenden Zahl einflussreicher Fachbücher geworden. Wie die Sammelbände von Roberta Gilchrist und in jüngerer Zeit auch Joyce zeigen, ist die Genderarchäologie längst über ihren Schwerpunkt auf die Vorgeschichte hinausgewachsen.14 Sie deckt nun alle Epochen vom Paläolithikum bis zur Industriearchäologie ab.

Eine wichtige Entwicklung besteht darin, dass sie sich auch mit dem beschäftigt, was Sue Hamilton und ihre Mitherausgeberinnen als »moderne Themen« beschrieben haben, nämlich Frauen in der Archäologie und Gender in der professionellen Archäologie.15 Bemerkenswert in dieser Hinsicht ist die 2014 erfolgte Ernennung der Prähistorikerin Hamilton zur ersten weiblichen Direktorin des UCL-Instituts für Archäologie.

Gegenwärtig zielt die sogenannte Women in Archaeology Taskforce des Wiki-Project Archaeology darauf ab, die Berichterstattung von Wikipedia über Archäologinnen sowie Themen im Zusammenhang mit Frauen in der Archäologie zu verbessern.16 Die häufig aktualisierten Wikipedia-Seiten über Dorothy Garrod, die 1939 auf den Disney-Lehrstuhl für Archäologie in Cambridge berufen wurde, und über die oben genannte Sue Hamilton liefern konkrete Beispiele für die Bedeutung ihres Projekts.17

Wie die feministische Bibelkritik der dritten Welle ist auch die Genderarchäologie über ihre ausschließliche Betonung der Rollen und des Status von Frauen hinausgegangen und hat sich in Sexualitätsarchäologien verzweigt. Dies zeigt ein wegweisender Band, der von Robert Schmidt und Barbara Voss herausgegeben wurde.18 Vor Kurzem hat Anna Marie Prentiss einen Sammelband herausgegeben, der sich queeren Archäologien widmet.19 Das Endergebnis ist, dass sich die Genderarchäologie nun, wie Elizabeth Brumfiel betont, »mit der Einbeziehung von Frauen, Männern und anderen Geschlechtern in einen einzigen Untersuchungsrahmen«20 befasst. Die daraus resultierende Fähigkeit zum geschlechtsübergreifenden Vergleich dient dazu, »das Ausmaß der Unterschiede zwischen den Genderkategorien zu erkennen«.21 Es handelt sich um eine Initiative, die jetzt im Women’s Classical Committee (WCC) für klassische Wissenschaftlerinnen fortgeführt wird.22

5 Der Faktor Gewalt

Genderarchäologie läuft auch insofern parallel zur feministischen Bibelkritik der dritten Welle, als verstärkt darauf geachtet wird, wie sich die Geschlechterverhältnisse vor allem auf das Alter, aber auch auf die Variablen Klasse, race und Ethnizität, Religion und Verwandtschaft auswirken.23 Zu diesen fünf Dimensionen kann nun auch als neue Kategorie die Gewalt hinzugefügt werden.24 Dies ist ein Ergebnis von Matić und Jensens Sammelband, der ersten Publikation, die sich mit der Schnittstelle zwischen den drei Themen Gewalt, Gender und Genderarchäologie befasst.25 Status- und Machtstrategien sind seit Langem ein spezielles Anliegen der Genderarchäologie.26 In einem besonders einleuchtenden Kapitel des Bandes von Matić und Jensen setzt sich die klassische Archäologin Susanne Moraw mit einer feministischen Kritik des pornografischen Blicks auseinander.27 Unter dem Titel Death and the Maiden dekonstruiert sie eine Reihe von spätantiken römischen Artefakten, die heiratsfähige Mädchen als Opfer von Gewalt darstellen. Moraw analysiert sie im Hinblick auf hierarchische Machtverhältnisse, weibliche Sexualisierung und einen idealen männlichen elitären Zuschauer. Sie kommt zum Schluss, dass die große Mehrheit »für ihre pornografische Wirkung einen männlichen Teilnehmer braucht«.28 Die »Darstellung von Frauen in einer Art und Weise, die sie sexualisiert und objektiviert, oft gewaltsam«,29 stellt wiederum »das Wesen der Geschlechterverhältnisse in einer patriarchalen Gesellschaft«30 dar. Solche Objekte entsprechen eindeutig Andrea Dworkins klassischer feministischer Definition von Pornografie und veranschaulichen, wie sich die Genderarchäologie in jüngerer Zeit mit dem Körper und der Konstruktion von Weiblichkeit befasst.31

6 Genderarchäologie und Religion

Der Fokus auf Religion ist ein relativ neuer Bereich für die Genderarchäologie, vielleicht weil man dazu tendierte, sie als Randdisziplin wahrzunehmen. Sarah Milledge Nelson weist darauf hin, dass man sich bei dieser Kombination in den 1990er Jahren »auf sehr dünnem Eis bewegte« und diese »fast tabu« war.32 Tatsächlich fehlte »Religion« im Index des Sammelbandes von Gero und Conkey, der für seine bahnbrechende Methodik anerkannt war.33

In ihrem informativen Literaturüberblick über die letzten vier Jahrzehnte hat Beth Alpert Nakhai kürzlich einen Einblick gegeben, wie Wissenschaftler*innen, die sich mit der religiösen Rolle der Frau im eisenzeitlichen Israel beschäftigen, erfolgreich Genderarchäologie und biblische Belege miteinander verbunden haben.34 Besonders ermutigend ist, dass sich seit der Jahrhundertwende immer mehr Männer einer Gruppe von ausnahmslos weiblichen Bibelwissenschaftlerinnen angeschlossen haben. Nakhai führt diesen bislang spürbaren Mangel an Aufmerksamkeit für Gender auf Archäologen zurück, die sich mit der Ausgrabung von urbanen Elitestätten beschäftigten sowie auf männliche Bibelwissenschaftler mit androzentrischen Ansichten und einer Hegemonie über die Hebräische Bibel.35

Ein entscheidendes Resultat dieses doppelten Engagements, das durch die Interpretation der Zeichnungen auf den in Kuntillet Adschrud ausgegrabenen, zerbrochenen Pithoi unterstützt wird, ist, dass die Verehrung der Ascherah nicht länger als marginal oder als exklusiver Bereich der Frauen angesehen wird.36 Stattdessen war sie ein normativer Teil des israelitischen Kultes, der »zwischen sozio-religiösen Gruppen in Israel und Juda praktiziert wurde, von ländlichen Haushalten bis hin zu elitären Stadtbewohner*innen«.37 Daraus ergibt sich ein Bild der geteilten religiösen Verantwortung von Frauen, Männern und Kindern, ähnlich wie es unten in Kapitel 9 in Bezug auf ihre Arbeitsplätze und ihre wirtschaftliche Produktion deutlich wird. In dieser Hinsicht füllt Kristine Henriksen Garroways jüngste Beschäftigung mit dem Thema der Kindheit im alten Israel eine auffällige Lücke auf diesem Gebiet.38 Ihr Schwerpunkt richtet sich auf eine Kombination von materieller Kultur und religiösem Text und steht in Einklang mit der weitaus früheren Entsprechung aus dem alten Ägypten.39

Genderarchäologie kann solide Beweise für die Materialität von Religion liefern, wenn sie in ihrem gängigsten Forschungsfeld, nämlich dem Totenkult, durchgeführt wird. Unten wird jedoch deutlich werden, dass ihr Erfolg von der sicheren Geschlechtszuordnung bei Bestattungen abhängt. Ausgrabungen in Gemeinschafts- und Haushaltsräumen in ländlichen Gegenden werden heute als potenziell erfolgversprechender angesehen. Die dabei gewonnenen architektonischen und artefaktischen Daten, die aus Arealen wie z. B. Schreinen stammen, können im Hinblick auf religiöse Rituale untersucht werden. Sie helfen, Licht auf das Wirken von Frauen bei Aktivitäten wie Opfern, Divinationen und Krankenheilungen zu werfen. Wie Nakhai in ihren Überlegungen zu der Frage, »was bei der Untersuchung von Figurinen schief gehen kann«,40 feststellt, gibt es jedoch nach wie vor erhebliche Schwierigkeiten.

Man könnte hier also festhalten, dass Genderarchäologie und Religion eine Affinität zueinander haben, die in ihrer Kombination ein bislang unerforschtes und untersuchungswürdiges Feld darstellt. Sie bietet das reiche Potenzial, einige der bisher ungelösten großen Fragen zu beantworten und damit frühere Annahmen zu entkräften. Zunächst steht die Frage von Geschlecht und Herrschaft in vergangenen Gesellschaften im Raum; wie unten in Kapitel 7 illustriert, könnten die Genderdisziplinen die Annahme infrage stellen, dass der Status von Frauen niedriger war als der von Männern. Offensichtlich war dies nie universell und hat zweifellos mehr über die Dominanz der männlichen Wissenschaft in beiden Forschungsfeldern, der Archäologie und der Religionsforschung, zu sagen. Zweitens besteht die Möglichkeit, die unkritische Vorstellung zu hinterfragen, wie sie von Conkey und Ruth Tringham angenommen wurde, dass alle antiken Göttinnen für den Bereich der Fruchtbarkeit zuständig waren.41 Zum Beispiel hat die neuere kritische Studie von Stephanie Buden, die sich auf spätzyprische Göttinnenfiguren bezieht, Sexualität ohne Fruchtbarkeit aufgedeckt.42

7 Biblische Frauen als Fachleute

Im oben zitierten Kapitel schließt Moraw bewusst Literatur aus ihrer Diskussion aus und stellt fest, dass »›Tod und Jungfrau in der spätantiken Literatur‹ eine eigene Analyse verdienen würden«.43 Im Gegensatz dazu hat unsere erste Fallstudie die subversiven Aufzeichnungen aus der Genderarchäologie mit hegemonialen schriftlichen Texten in enge Verbindung gebracht. Ausgehend von den Variablen Alter, Klasse, Ethnizität und Religion untersuchte ich Schifra und Pua, die resoluten Hebammen in Exodus 2, und positionierte sie innerhalb des geschlechtsspezifischen archäologischen Raums neu.44 In einem kulturübergreifenden Ansatz wurden sie als hebräische Aufseherinnen von Hebammen im zentralen königlichen Harem Ägyptens angesiedelt, wodurch viele der Probleme des biblischen Textes gelöst wurden, ohne seine ursprüngliche Mehrdeutigkeit zu verlieren. Darüber hinaus konnten durch geschlechtsspezifische Artefakte, insbesondere einen kürzlich aus einem ägyptischen Kontext ausgegrabenen Geburtsstein, noch mehr Erkenntnisse über ihre Funktion und Praxis als Hebammen gewonnen werden. Losgelöst von Meskells und Joyces »Individuen von unterwürfigem Status«,45 wurden Schifra und Pua als mächtige israelitische Prophetinnen neu definiert.

8 Geschlechtsspezifische Artefakte

Wie oben bereits erwähnt, befasst sich die Genderarchäologie insbesondere mit der materiellen Kultur in Form von Objekten, die mit Frauen in Verbindung gebracht werden. Dieser Abschnitt artikuliert die Möglichkeiten und Probleme, die mit einer solchen Materialität verbunden sind, und fokussiert auf bestattungsbezogene Informationen, die in Kombination mit Religion einen Schwerpunkt der Genderarchäologie bilden.

Meyers bestätigt, dass Artefakte nicht »gender noisy«46 sind, also genderbezogene Informationen nicht immer offensichtlich »herausschreien«, und ihr Schweigen »besonders akut in Bezug darauf, wer sie benutzt hat«47 sei. Bereits 1994 wies Tove Hjørungdal auf die androzentrische Praxis hin, jeweils Waffen und Schmuck »den Status von Metaphern par excellence von ›Männlichkeit‹ und ›Weiblichkeit‹ innerhalb der Archäologie«48 zuzuschreiben. Neulich hat Laura Whitehouse die männliche Kriegeridentität in Bezug auf die Anwesenheit von Waffen in angelsächsischen Frauen-, Drittgeschlechts- und Kindergräbern infrage gestellt.49 Schmuck als Grabbeigabe ist ebenso kein zuverlässiger Indikator für das Leben in der Vergangenheit.

Eine zweite Fallstudie bezieht sich auf israelische Ausgrabungen. Die bekannte biblische Archäologin Jodi Magness tappte 2002 in eine androzentrische Falle: Sie argumentierte gegen die Anwesenheit von Frauen auf dem Friedhof von Qumran, weil es dort keinen Schmuck und keine Kosmetika gab.50 Damals versuchte sie, Joan Taylors früheres Argument für die Marginalität der Frauen an diesem Ort, das auf ebenso unzuverlässigen geschlechtsspezifischen Grabausstattungen beruhte, wie einem Spinnwirtel und einem Kamm, zu widerlegen.51 Dennoch sollten solche Kritiken in Anbetracht der Behauptung von Timothy Lim und John Collins, dass »kein Thema im Zusammenhang mit den Schriftrollen vom Toten Meer umstrittener war als die Archäologie von Khirbet Qumran«52, entschärft werden. All dies ist eine hilfreiche Bestätigung der Behauptung von Marie Louise Stig Sørensen, dass Objekte niemals neutral sind, weil sie im Gegensatz zu Texten »in die Gesellschaft eingebettet«53 sind.

9 Die Genderisierung der Arbeitswelten

Ein zweiter Aspekt, der für die Genderarchäologie von besonderer Bedeutung ist, betrifft die wirtschaftliche Produktion und die Arbeitsteilung. Genderarchäolog*innen lehnen Annahmen ab, »die auf einer historisch bedingten Arbeits- und Aufgabenteilung beruhen, wie sie in sogenannten ›westlichen‹ Gesellschaften vorkommt«.54 Vielmehr wird Gender als ein Konstrukt hervorgehoben, dessen Fluidität durch die Hinterfragung eines rein binären, geschlechtsspezifischen Raumes betont wird. Somit bestätigt Nelson das Gendering von Arbeitsplätzen als problematisch: Nicht nur war die Arbeitsteilung nach Geschlecht selten absolut, sondern auch geschlechtsspezifische Arbeit war nicht unbedingt geschlechtsspezifisch getrennt.55 Daher ist zu erwarten, dass Männer, Frauen und Angehörige des dritten Geschlechts an denselben Orten unterschiedliche Arbeiten verrichteten, sei es drinnen oder draußen. Meyers vergleicht Agrarwirtschaften mit der heutigen Industriegesellschaft und kommt zum Schluss, dass die Arbeitsleistungen der Geschlechter gleichwertig geschätzt worden wären.56 Zu Recht hat sie »komplementäre geschlechtsspezifische Aufgaben«57 als Beweis hervorgehoben für »eine ausgewogenere Situation geschlechtsspezifischer Macht in den Haushalten, als dies in biblischen Texten impliziert wird«.58

Eine dritte Fallstudie führt uns in die Welt des Backens. Als Grundnahrungsmittel verschaffte die Brotproduktion den israelitischen Frauen Macht über den Haushalt.59 Meindert Dijkstra hat wenig hoffnungsvoll behauptet, dass im alten Israel »die Arbeitsteilung die Frauen […] gewöhnlich an das Haus und an die Aufgaben im Haus bindet«.60 Das archäologische Auffinden von Schleifsteinen und großen sowie kleinen Backöfen in Außenhöfen deutet jedoch darauf hin, dass die Brotherstellung eine gemeinschaftliche Tätigkeit war, bei der gemeinsame Einrichtungen genutzt wurden.61 Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang Delwen Samuels Untersuchung einer ähnlichen Zusammenarbeit der Haushalte im Arbeiterdorf in Amarna, Echnatons kurzlebiger ägyptischer Hauptstadt.62 Darüber hinaus können wir dies mit den Textbelegen abgleichen. Die Frau, die Abimelech in Richter 9:53 tötet, verwendet einen häuslichen Mühlstein, den sie vom offenen Dach eines Turms herunterfallen lässt, und liefert somit ähnliche Beweise für das zeitaufwändige gemeinsame Mahlen im öffentlichen Raum.

Die Anwesenheit von kleinen Öfen deutet auf die Kuchenherstellung hin. Die Materialität lässt sich wiederum mit den literarischen Zeugnissen aus Jeremia 7:16–20 und 44:17–25 in Verbindung bringen. Sie beziehen sich auf Frauen, die in Juda und Jerusalem im späten 7. und frühen 6. Jahrhundert v.u.Z. Kuchen buken. Von besonderer Bedeutung ist Jeremia 7:18, wo ein subversiver Hauskult beleuchtet wird, an dem alle Familienmitglieder beteiligt sind: »Die Kinder lesen Holz, die Väter zünden das Feuer an, und die Frauen kneten den Teig, dass sie der Himmelskönigin Kuchen backen.«63

Erst durch das Zusammenführen solch vielfältiger Quellen lassen sich Meyers’ »typische Muster geschlechtsspezifischer Aufgaben bestimmen«.64 Darüber hinaus ist es der Genderarchäologie zu verdanken, dass den Annahmen darüber, wie geschlechtsspezifische Beiträge in der Vergangenheit gemessen und bewertet wurden, heute größere Aufmerksamkeit geschenkt wird.

2 790,68 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
906 стр. 61 иллюстрация
ISBN:
9783846357149
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают