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Audio-visuelle Quellen

SOTTOSOPRA (Gabriele Schärer, CH 2002)

Telearena »Homosexualität«, 12.04.1978, Schweizer Fernsehen, https://www.youtube.com/watch?v=otTIJFGLndY (aufgerufen am 04.01.2021).

1 Hubertine Auclert, die Gründerin des ersten Frauenstimmrechtsvereins Frankreichs führte »Feministin« (féministe) 1882 als Selbstbezeichnung für sich und ihre Mitstreiterinnen an. Durch den Internationalen Kongress für Frauenwerke und Frauenbestrebungen 1896 in Berlin wurde er auch im Deutschen gebräuchlich; vgl. Gerhard (2002), 134–135.

2 Vgl. die Definitionen bei Griffin (2017); Meyer-Wilmes (2008); Gerhard (2002).

3 Vgl. Mohanty (2003), 5.

4 Vgl. die systematische Übersicht bei Mann (2012), v–xii; Hawthorne (2007), 540–542; Gerhard (2002), 135.

5 Vgl. die Einteilung bei Juschka (2017); auch Hawthorne (2007), 539–540.

6 Für eine kritische Evaluation der Entstehungsgeschichte dieses Narrativs vgl. Lewellyn (2015), 31–64; Henry (2004), 57–72.

7 Bührig (1987), 9.

8 Llewellyn (2015), 37.

9 Dass die Wellen impizit als Erfolgsgeschichte erzählt werden, wird an Formulierungen ersichtlich wie: »Western feminist activity in the late twentieth and early twenty-first centuries marks both a self-reflexive turn and a mature phase in feminist activity as it seeks to address the previously hegemonic assumptions of the second wave.« Hawthorne (2007), 540, Hervorhebung DZB.

10 Vgl. Mann (2012), xvii–xviii; McClintock Fulkerson/Briggs (2012), 10.

11 Zum postkolonialen Feminismus vgl. Mohanty (2003); zum Eurozentrismusvorwurf im Kontext Hawthorne (2009); (2007), 539; zur Intersektionalität vgl. die Grundlagentexte in Kelly (2019).

12 Zu diesem Argument vgl. Llewellyn (2015), 4 und 42–46; Deo (2018), 7–9.

13 Vgl. Aune/Sharma/Vincett (2016), 4–6; Borutta (2014); Woodhead (2008).

14 Für neuer Studien in diesem Feld vgl. Aune/Sharma/Vincett (2016); Llewellyn (2015); Woodhead (2008) und (2001).

15 Vgl. Heller (2010).

16 Zu dieser Kritik vgl. Llewllyn (2015), 32 und 47. Tina Beattie fasst folgendermaßen zusammen: »While the study of religion and gender poses a vigorous challenge to religious studies in terms of its inherent and unacknowledged androcentrism, feminists have had little to say about the exclusion of religious belief itself, as an alternative epistemological locus to the scientific rationality of post-Enlightenment forms of knowledge. Thus while most feminist studies of religion today show a finely developed awareness of historicity and contextuality with regard to factors such as gender, race and class, religion is still too often decontextualized.« Beattie (2005), 68.

17 Vgl. Sölle (2014); Schüssler Fiorenza (2004); Daly (1980).

18 Vgl. Sigg-Suter/Straub/Wäffler-Boveland (2007); Schüngel-Straumann (2002); Strahm (1987), 27–44.

19 Zur folgenden Darstellung von Bührigs Leben und Werk vgl. Bertschinger (2020), 120–147.

20 Bührig (1987), 43.

21 Die beiden Frauen begannen, sich mit ihrem Ledigsein auseinanderzusetzen und suchten in der Bibel nach Bestätigung ihrer Existenz. Indem sie über die Rolle lediger, arbeitstätiger Frauen in der Gesellschaft nachdachten und diese Reflexionen auch in Schriften öffentlich zugänglich machten, gingen sie weit über den damals üblichen Lebensentwurf von Frauen hinaus, der sich in Ehe und Familie erschöpfte; vgl. Brodbeck (1998), 66; Zinsstag (2020), 82–102.

22 Zum Saffa-Kirchlein als Experimentierraum der feministischen, ökumenischen Theologie vgl. Brodbeck (1998), 51– 55; Bertschinger (2020), 127–135.

23 Zur Bedeutung der Tagungsstätte Boldern als Bildungsraum der Frauenbewegung vgl. Jud (1989).

24 Telearena »Homosexualität«, 12.04.1978, Schweizer Fernsehen, https://www.youtube.com/watch?v=otTIJFGLndY (aufgerufen am 04.01.2021).

25 Vgl. Bührig (1987), 67–69. Diese Entwicklung in Bührigs Leben spiegelt in gewissem Sinne die sehr langsame gesellschaftliche Liberalisierung in Bezug auf gleichgeschlechtliche Liebesbeziehungen in der Schweiz wider; vgl. Caprez/Nay (2008), 236–245, und spezifisch zu Bührig 252–257.

26 Bührig (1987), 69.

27 Bührig (1987), 215. Einblick in das Zusammenleben und -arbeiten von Bührig, Kähler und Arnold gibt der Film Sottosopra (Gabriele Schärer, CH 2002).

28 »Radikalisierung bedeutete für mich den Anfang der Desillusionierung. Ich fing an, die handfesten Interessen derer, die mächtig waren, zu durchschauen, aber auch meine eigene Einsamkeit in der Gesellschaft zu begreifen.« Bührig (1987), 161.

29 Dies macht Bührig im obigen Zitat zur Motivation ihrer Autobiografie klar, und zeigt sich auch bei einem Blick auf die erste Vollversammlung des ÖRK 1948 – damals bereits stand die »Frauenfrage« auf der Agenda, vgl. Scherzberg (1995), 11–20.

30 Vgl. Bertschinger (2020), 200–203.

Ann Jeffers

Ökofeminismus

Über die Ausbeutung von Frau und Natur1

Seit die französische Feministin Françoise d’Eaubonne 1974 den Begriff Ökofeminismus prägte2 und behauptete, dass »die Zerstörung des Planeten auf das Profitmotiv zurückzuführen ist, das der männlichen Macht innewohnt«,3 haben Feminist*innen diesen Begriff im Kontext der gemeinsamen Kämpfe von Frauen und Umweltgruppen verwendet. Obwohl das Konzept in den letzten vier Jahrzehnten auf globaler Ebene bedeutende Entwicklungen erfahren hat,4 lohnt es sich, eine Definition von Ökofeminismus zu wagen. Eaton umreißt ihn als »eine Konvergenz der ökologischen und feministischen Analysen und Bewegungen. Sie repräsentiert eine Vielfalt theoretischer, praktischer und kritischer Bemühungen, um die miteinander verknüpften Vorherrschaften über Frauen und Natur zu verstehen und ihnen zu widerstehen.«5 Ökofeminismus ist kein rein epistemologisches Anliegen; wie Ivone Gebara betont, ist dieser Begriff in der Praxis, die auf der Befreiungstheologie gründet, verwurzelt. Sie argumentiert, dass »die ökofeministische Frage durch die fehlende kommunale Müllabfuhr, die Vermehrung von Ratten, Kakerlaken und Moskitos und durch die Wunden auf der Haut von Kindern entsteht. Das ist wahr, denn in der Regel sind es Frauen, die sich mit Fragen des täglichen Überlebens auseinandersetzen müssen.«6 Der Ökofeminismus steht somit an der Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis, von politischen, sozioökonomischen, wissenschaftlichen, anthropologischen, kosmologischen und geschlechtsspezifischen Fragen sowie der Systeme, die die Denkmuster der Hierarchie, des herrschenden Anthropozentrismus und der Ausbeutung der natürlichen Welt und der Frauen aufrechterhalten. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, zwei grundlegende Richtungen7 der Bewegung zu identifizieren: Die eine definiert Frau und Natur in einer essenzialistischen Verbundenheit.8 Diese Verknüpfung von Frau und Natur ist jedoch nicht unproblematisch, wie Feminist*innen betont haben. Die parallele Unterdrückung besteht eher aufgrund einer patriarchalen Weltanschauung und der von ihr hervorgebrachten Systeme, als aufgrund einer wesentlichen Gemeinsamkeit zwischen Frau und Natur. Daher ist der zweite Zweig der Bewegung in wirtschaftlichen und sozialpolitischen Kämpfen verwurzelt.

1 Theorie und Praxis

Es ist viel über die philosophischen Grundlagen des Ökofeminismus geschrieben worden. Die von Platon verkündete Vorstellung von der dualistischen Natur der Welt ist ein relevanter Ausgangspunkt für die weiteren Betrachtungen: Die Reise der Seele von der irdischen Realität zurück in den göttlichen Bereich wird geschlechtsspezifisch gedacht:9 Die gereinigte Seele, die zu ihrem Heimatstern zurückkehrt, ist männlich. Diejenigen dagegen, die ein schlechtes Leben führen, werden als Frauen oder Tiere wiedergeboren. Diese Weltanschauung hat die westlichen Ansichten über die dualistische und hierarchische Verbindung von Frau mit der natürlichen Welt beeinflusst. Die Moderne hat diese Dichotomien10 verstärkt. Erst die postmodernen Ansätze haben die großen Erzählungen des Patriarchats und des Kapitalismus benannt und dekonstruiert.11 Befreiungstheologische und feministisch-theologische Ansätze, die aus dieser Neubewertung hervorgegangen sind, haben dazu beigetragen, dem Ökofeminismus einen Rahmen zu geben, der es ermöglicht, den Zusammenhang zwischen der Unterdrückung von Frauen und der Schädigung der Natur zu analysieren. Solche dichotomen Vorstellungen gehören zwar zu einem westlichen Denkprozess, sie haben aber, vom Christentum getragen, durch die Kolonialherrschaft exponentielle Macht erhalten.

Obwohl es eine große Bandbreite an Ansätzen und Positionen gibt, ist es hilfreich, die gemeinsame Ausgangslage des Ökofeminismus zu erfassen sowie die Frage zu beantworten, was allen ökofeministischen Perspektiven gemeinsam ist. Ökofeminist*innen haben die Notwendigkeit erkannt, die anthropozentrische Hülle unserer Theologie und Philosophie abzuwerfen – natürlich je nach religiöser Tradition unterschiedlich. Dieser neue Rahmen bringt Denker*innen dazu, sich selbst als Teil eines komplexen »Existenznetzes« zu verstehen, ein Gedanke, der vom norwegischen Philosophen Arne Naess12 eingeführt, aber seither auf die feministische Theorie13 und unser breiteres ökologisches Bewusstsein angewandt und erweitert wurde.14

Obwohl es eine reiche Vielfalt von Ökofeminismen gibt, möchte ich mich hier auf ihre Verbindung mit Religion konzentrieren und versuchen herauszufinden, wie Ökofeminismus in verschiedenen religiösen Bewegungen und Perspektiven gestaltet wird.

2 Eine christliche Perspektive auf Ökofeminismus in religiösen Traditionen

Obwohl der Ökofeminismus in vielen religiösen Traditionen einen Beitrag leistet, haben vor allem christliche Ökofeminist*innen sowohl in der Theorie als auch in der Praxis einen bedeutenden Einfluss ausgeübt. Primavesi,15 Radford Ruether16 und Gebara standen im Vordergrund des ökofeministischen Denkens in religiösen Traditionen, insbesondere im Christentum. Radford Ruethers Analyse konzentriert sich auf die Mechanismen von Ungleichheit und Unterdrückung, die auf kulturellsymbolischer und sozio-ökonomischer Ebene existieren und sich in der Art und Weise widerspiegeln, wie die Umwelt und der Status von Frauen berücksichtigt und behandelt wurden. Verinnerlichte Dichotomien findet man im Christentum in den fortdauernden Assoziationen Frau/Körper und Mann/Geist. Auch Verbindungen zwischen Ökologie, Feminismus sowie ihrer jeweiligen Aneignung und Beherrschung durch patriarchale Systeme werden erforscht. Die Autorin betont die Rolle von Religion in diesem Wechselspiel, sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht, als eine Kraft der Herrschaft und der Befreiung.17 Sie versucht, Quellen zu finden, die die frauenähnlichen Eigenschaften der Natur aufzeigen und die Missachtung der Natur durch die westliche koloniale Denkweise bekämpfen.18

Ivone Gebara, eine katholische Theologin aus Brasilien, nähert sich diesen Fragen im Christentum aus einer trinitarischen Perspektive: Sie schlägt eine Rekonstruktion der Trinität im Licht der ökofeministischen Theologie vor, um darzulegen, dass ein trinitarisches Modell wertvoller sein kann als das traditionelle westliche Verständnis. Sie vertritt ein Weltbild, das auf einer ganzheitlichen Kosmologie beruht, die sich um hierarchiefreie Beziehungen dreht, nicht nur zwischen Menschen, sondern der gesamten Schöpfung. Ihre Beschreibung der Trinität als Ausdruck der Interrelationalität aller Dinge öffnet das Konzept für eine ganzheitlichere, weniger anthropozentrische Spiritualität.

Die Tragweite dieses Modells ist insofern erheblich, als es das Konzept des Menschen in Bezug auf die gesamte Schöpfung nicht als eine binäre Beziehung, sondern neu als ein integriertes Ganzes auffasst, in dem alles Leben auf einer nichthierarchischen, nicht-patriarchalen Grundlage bewertet wird. Sie sagt: »Alle Menschen bilden die großartige und vielfältige menschliche Symphonie, in der wiederum Vielfalt und Einheit konstitutiver Ausdruck des einzigen Lebensprozesses sind, der uns alle trägt.«19

Ferner, wenn wir die Rolle dieser inneren Vielfalt als Teil unserer eigenen trinitarischen Struktur ernst nehmen, dann werde es unmöglich, irgendeine Vorstellung von Hierarchie, von Über- und Unterlegenheit unter den menschlichen Kulturen zu rechtfertigen. Gebara beschreibt diese Beziehung als wesentlich kosmisch, eine Gemeinschaft, die schlicht und grundsätzlich aufeinander angewiesen ist. Darauf aufbauend hat Gebaras Aufruf zur Theologie praktische Auswirkungen: Diese aktualisierte Auffassung der Trinität mache es unmöglich, solch negative Facetten der menschlichen Natur wie »Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung, Gewalt und Sexismus«20 zu verkörpern.

Durch dieses neue Paradigma seien wir in der Lage, einen veränderten Sinn für Staatsbürgerschaft zu entwickeln, ohne unsere nationalen Zugehörigkeiten, die integraler Bestandteil unseres individuellen Charakters und unserer Erfahrung seien, verleugnen zu müssen.21 Darüber hinaus seien unsere persönlichen Identitäten untrennbar mit den Identitäten aller, die leben und gelebt haben, mit den Identitäten unserer Zeitgenoss*innen und unserer Vorfahr*innen verbunden. Die eigene persönliche Realität und Autonomie seien von den anderen abhängig. Deshalb sei unser eigenes Selbstverständnis trinitarisch, eine geheimnisvolle Vielfalt, und deshalb müssten wir eine Anthropologie in Betracht ziehen, in der wir alle als Erdbewohner*innen und kosmische Bürger*innen gesehen werden.22

In eine etwas anderen Richtung als Gebara gehen die einflussreichen Schriften des Passionisten Thomas Berry, dessen Fokus auf den kosmischen Christus und seine Immanenz einen Großteil des christlichen Ökofeminismus geprägt hat. Für ihn sind Geburt und Auferstehung Jesu beide mit dem System der Erderneuerung verbunden: Das Leben Christi wurde in den Lebenszyklus der Natur eingewoben.23

3 Ökofeminismus in der Bibel

Lynn White veröffentlichte einen Artikel, in dem er den Missbrauch der Bibel durch das Christentum mit dem Ziel in Verbindung bringt, eine ausbeuterische Sicht der Erde und ihres komplexen Ökosystems, das ausgeplündert und kommerziell ausgenutzt werden soll, zu legitimieren.24 Trotz dieser Argumentation gibt es vieles in der Bibel, das Ökofeminist*innen anspricht:25 Die Vision einer Verbundenheit zwischen dem menschlichen und dem natürlichen Weltbereich kommt in der Weisheitstradition der gesamten Bibel kraftvoll zum Ausdruck. Die Betonung der Schöpfung statt der Erlösung, verbunden mit einer Wiederentdeckung des Weiblichen in den Weisheitstraditionen26 sowie die Zentralität der Konzepte von Schöpfungsverantwortung (stewardship) und Bund, die Idee des Sabbats und des Erlassjahrs können viel zu einer ökofeministischen integrierten Denkweise beitragen.27 Ein Großteil der feministischen Hermeneutik kann dazu genutzt werden, die Bibel neu zu lesen, insbesondere durch eine Hermeneutik des Misstrauens und des Widerstands.28 Eaton liefert zum Beispiel ein close reading der dargelegten Öko-Prinzipien. Das Earth-Bible project, ein internationales Projekt, das eine ökologische Lesart der Bibel propagiert, hebt die Bedeutung der »ethischen Verantwortung« hervor und erinnert uns gleichzeitig an »die Verortung von Bedeutung im spezifischen Kontext des Lesenden«.29

Die Themen von Männern und Frauen als gleichberechtigte Partner*innen bei der Mitgestaltung und Erhaltung eines nachhaltigen Lebensraums, der nicht von Gewalt, sondern von Sensibilität für das Land und alles Leben, das es bewohnt, und von mitfühlender Verantwortung regiert wird, sind Teil einer Neuinterpretation von Genesis 1–3, einem zentralen Text für ein neues ökofeministisches Paradigma. Ein Beispiel für die Lektüre der Geschichte von Eva aus einer ökofeministischen Perspektive liefert Merchant: »Eva war diejenige, die die etablierte Ordnung der Dinge in Frage stellte und Veränderungen herbeiführte… Als prototypische Wissenschaftlerin konnte Eva den Schlüssel zur Wiederherstellung von Eden durch eine neue Wissenschaft in Händen halten.«30

Die Green Sisters of Genesis Farm ist ein Beispiel aus der christlichen Tradition für das »Ausleben der ökozentrischen Ethik«.31 Das Leben der »Grünen Schwestern« verknüpft die römisch-katholische Befreiungstheologie mit ökofeministischen philosophischen Werten und zielt darauf ab, die Aufhebung der Dichotomien zwischen Körper und Seele, zwischen der Erde und ihren nichtmenschlichen lebenden Bewohner*innen und der Menschheit zu verkörpern,32 um »die neue Erde« zu verwirklichen.33

4 Ökofeminismus im globalen Zeitalter

Mit der Globalisierung wird es notwendig, über westliche Denkmuster hinauszugehen, und dementsprechend gilt es darzulegen, wie sich Ökofeminist*innen im Rahmen der Weltreligionen Erkenntnisse erarbeiten.34

Obwohl die jüdische Tradition35 die Hebräische Bibel mit dem Christentum teilt, entwickelt sie ökofeministische Erkenntnisse auch im Talmud durch die drei Konzepte »bal tashit (nicht zerstören), shomrei adamah (die Erde hüten) und tikkun olam (die Welt reparieren)«.36

In ähnlicher Weise kann eine hermeneutics of retrieval, eine Hermeneutik der »Wiederherstellung«, die danach strebt, heilige Texte von patriarchalen Fehlübersetzungen und falschen Interpretationen zu befreien, auf den Koran angewandt werden, um eine ökofeministische Theologie37 zu gestalten. Diese basiert auf einem Schöpfungskonzept, das die Verantwortung des Menschen für die Bewahrung der Erde, die gegenseitige Abhängigkeit von allem von Gottes Souveränität und ein Konzept des Bundes hervorhebt. Nawal H. Ammar setzt befreiungstheologische Ansätze ein, um im Rahmen des Korans an transformativen Praktiken zu arbeiten, darunter die Achtung der Vielfalt und die Mitwirkung aller Lebewesen, der Schutz ihrer Rechte und die Aufrechterhaltung der Harmonie in allen Gemeinschaften, unabhängig vom Geschlecht.

Eine weitere thematische Kontinuität lässt sich in Bezug auf den Buddhismus herstellen. Joanna Macy schreibt in vergleichbarer Weise wie Gebara. Macy stellt insbesondere Folgendes fest: Sobald man die Geschichte der Welt als eine Erweiterung der eigenen erlebt habe, würde man lernen, dass wir in gewisser Weise unsere Welt sind, die über sich selbst reflektiert. Sie sagt, dass »wir zu der Erfahrung zurückkehren, wie wir es nie zuvor konnten, dass wir sowohl das Selbst in der Welt als auch ihr*e wertgeschätzte*r Geliebte*r sind«.38 Macy nimmt in ihrem Werk das Plädoyer Gebaras für eine gegenseitige Abhängigkeit und Verwandtschaft aller Lebewesen ebenso ernst wie die Idee eines Zwecks des Menschen, der es der Schöpfung erlaubt, über ihre eigene Schönheit nachzudenken. Diese Ideen stehen im Einklang mit der buddhistischen Kosmologie und haben eine Bewegung des »Grünen Buddhismus« ins Leben gerufen.39

Ökofeminist*innen, die aus der Perspektive des Hinduismus schreiben, greifen auf ihre eigenen nicht-dichotomen Kategorien zurück und betonen, wie zentral die Immanenz des Göttlichen für die Bhagavad Gita sei.40 Vindana Shiva ist eine wichtige Figur in der Entwicklung des indischen Ökofeminismus. Sie hat ihren Aktivismus auf eine Reihe von Initiativen ausgerichtet: Ivy, eine Kollaboration von indischen Ökofeministinnen, schreibt zum Beispiel über die Kämpfe im Narmada-Tal, die sich gegen die dort gebauten Staudämme richten.41

Die wachsende Zahl der afrikanischen42 Ökofeminist*innen baut entweder auf einer präkolonialen Hermeneutik auf, die eine fluide Weltsicht privilegiert, in der die natürliche und die menschliche Welt nicht getrennt sind, sondern ein integriertes Ganzes bilden. Oder sie fokussiert auf eine christliche Perspektive, nämlich das von Radford Ruether, Gebara und anderen verfochtene Befreiungs- und Transformationsmodell. Zwei Initiativen sind hier hervorzuheben: In Kenia war Wangari Maathai Vorsitzende der Bewegung für den Green Belt, den grünen Gürtel, die sich für die Rückgewinnung von angestammtem Land einsetzt, um die traditionelle Nahrungsmittelversorgung wiederherzustellen.43 Außerdem fördert die Initiative des simbabwischen Tumami Mutasa Nyajeka zur Gründung der Earthkeeping Churches (AAEC) das Leben in einer ökologisch ausgewogeneren Welt und bittet gleichzeitig um Vergebung für die Erforschung des Ökosystems.44

Bezüglich der neopaganen Religionen ist die Schriftstellerin Starhawk eine zentrale Figur.45 Sie setzt eine ursprüngliche matriarchale Gesellschaft voraus, die durch das Patriarchat herabgewürdigt worden sei. Ihre Analyse der verschiedenen Arten von Macht führt zu einem Programm für wirtschaftliche Transformation, das sich wiederum, durch die Dynamik von Ritualen und Permakultur, in Aktivismus auf lokaler Ebene ausprägt.

Ökofeministische Theoretiker*innen und Praktiker*innen zeigen also eine Anzahl gemeinsamer Themenbereiche auf. Diese wurden von Pierce als »Offenheit und Aufmerksamkeit gegenüber einer Vielfalt von Perspektiven«, »Relationalität und gegenseitige Abhängigkeit«, »Subjektivität aller menschlichen und nichtmenschlichen Entitäten«, »eine weltliche Soteriologie« und ein »Bedürfnis nach einer Öko-Spiritualität«46 identifiziert.

2 790,68 ₽
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906 стр. 61 иллюстрация
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9783846357149
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