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Das Matthäusevangelium

Christian Münch

In Erzählungen sind der Anfang und das Ende der Geschichte oft besonders sensible und entscheidende Passagen. Der Anfang führt die Leserinnen und Leser in die erzählte Welt hinein, ist die Tür, die festlegt, an welchem Ort und mit welcher Perspektive diese Welt betreten wird; das Ende bestimmt, wann, wie und mit welchem Blick sie wieder verlassen wird, welche Erzählfäden zusammengefunden haben, welche Spannungsbögen aufgelöst, welche Fragen offen geblieben sind. Dass Anfang und Ende Schlüsseltexte sind, gilt auch für das Matthäusevangelium. Es beginnt seine Jesus-Geschichte nach einer Art Überschrift (Mt 1,1Mt 1,1) mit der Herkunft Jesu und Ereignissen um seine Geburt (Mt 1,2–2,23Mt 1,20096>2,23).[1]Lk 2,1–21Mt 2,1–12 Weit stärker noch als der Anfang gilt in der Matthäusforschung jedoch das Ende als Schlüssel zum Evangelium. Nach Leiden, Tod und Auferstehung erscheint Jesus noch einmal seinen Jüngern, spricht zu ihnen und sendet sie in die Welt hinaus zu allen Völkern (Mt 28,16–20Mt 28,160096>20).

Jesus – Gott mit uns

Die Zusage Jesu „Ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt“ (Mt 28,20Mt 28,20) schließt die Worte des Auferstandenen ab. Sie formuliert einen Kerngedanken des Verständnisses von Person und Wirken Jesu im Matthäusevangelium: Er ist bei den Seinen und das personifizierte Mitsein Gottes mit den Menschen. Die Zusage gilt nicht allein den elf Jüngern, die auf den Berg in Galiläa gekommen sind, sondern allen, die auch in späteren Generationen Jüngerinnen und Jünger Jesu sind: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20Mt 18,20). Dieser Satz, der denselben Gedanken zum Ausdruck bringt, wird ganz im Sinne des Matthäus |177|bis heute im Kirchenlied von Christen gesungen oder als Motto für Gottesdienste, Jugendwallfahrten und ähnliche Anlässe verwendet. Immanuel, übersetzt: „Gott mit uns“, ist im Matthäusevangelium so etwas wie der Name Jesu. Durch seine Geburt sind die prophetischen Verheißungen vom Kommen eines Kindes, das Gottes Zuwendung verkörpert, wahr geworden (Mt 1,23Mt 1,23 mit Zitat aus Jes 7,14Jes 7,14) – Verheißungen, die zunächst und zuerst dem Gottesvolk Israel gelten, in die vom Ende des Matthäusevangeliums her aber alle Völker der Welt mit hineingenommen sind (Mt 28,19Mt 28,19).

Matthäus kennt auch die anderen Titel und Attribute, die das frühe Christentum Jesus zugesprochen hat. Er ist „Sohn Gottes“, das heißt Gott ganz eng verbunden (Mt 11,25–27Mt 11,250096>27). Dies zeigt sich für Matthäus in der Macht Jesu, vor allem seiner Taten (Mt 8,29Mt 8,29; 14,33Mt 14,33; vgl. 27,40Mt 27,40), aber auch darin, dass er seine Macht nicht für sich selbst gebraucht, sondern in den Dienst Gottes stellt (Mt 4,1–11Mt 4,10096>11; 17,5Mt 17,5; 27,43Mt 27,43.54Mt 27,54). Er ist der Messias, der Christus (z.B. Mt 1,1Mt 1,1; 16,16Mt 16,16; 26,63f.; beides heißt: Gesalbter), der als Nachkomme Davids (z.B. Mt 1,1Mt 1,1; 9,27Mt 9,27; 20,30f.; 21,9Mt 21,9.15Mt 21,15: „Sohn Davids“) gekommen ist, um dem Gottesvolk Heil und Erlösung zu schenken, wie dies z.B. die vielen Heilungsgeschichten des Matthäusevangeliums zeigen. Das Immanuel-Motiv macht diese Jesusbilder durchsichtig und anschlussfähig für die Gegenwart der Leserinnen und Leser des Evangeliums, weil der Jesus-Immanuel nicht nur eine Gestalt der Vergangenheit, sondern (z.B. im Gebet) auch ihrer eigenen Gegenwart ist.

Der Gedanke einer Gegenwart und eines Beistandes Jesu, so wie er bei Matthäus begegnet, stellt vor religionspädagogische Herausforderungen, denn er setzt den Glauben an einen gegenwärtig-mächtigen Jesus Christus und eine lebendige Beziehung zu ihm voraus. Die Christologie-Didaktik, so wie sie in den letzten Jahrzehnten diskutiert wurde, ermöglicht unterschiedliche Zugangswege zu diesem Leitgedanken. Auf der einen Seite steht der Weg über den irdischen Jesus, über die Begegnung mit seinem Verkündigen und Wirken. Er kann zu einem im engeren Sinne christologischen Verständnis Jesu führen, wenn gewissermaßen der Lernweg nachvollzogen wird, den die Jünger mit Jesus gegangen sind: Sie haben den Irdischen und sein Wirken erlebt, sind durch die Krise der Erfahrung seines Todes gegangen, haben ihn dann lebendig erfahren und sind zum Glauben an die Auferstehung und seine bleibende Gegenwart gekommen.[2] In diesem Lernweg ist der Lernweg der Schülerinnen und Schüler vorgezeichnet, die zunächst den irdischen Jesus kennen lernen, so wie er mittels historischer Forschung rekonstruiert werden kann, und dann auf dieser Grundlage Verständnis für den Christusglauben und seinen Grund entwickeln können, indem sie vergangenen und gegenwärtigen Zeugnissen des Osterglaubens begegnen. |178|Gestützt auf empirische Studien zur Entwicklung des Christusglaubens sind in den letzten Jahren aber Zweifel an einer so konstruierten Christologie-Didaktik laut geworden. Die Studien zeigen, dass auch und gerade jüngere Schülerinnen und Schüler offen und fähig zur christologischen Reflexion sind, so dass es unangemessen erscheint, ihnen primär oder ausschließlich ein historisch orientiertes Jesusbild zu vermitteln. Plädiert wird stattdessen dafür, in allen Klassenstufen „Mut zur Christologie“ zu haben und mit den Schülerinnen und Schülern einen eigenständig christologisch reflektierenden Zugang zur Gestalt Jesu zu wagen.[3]

Beide grundlegenden Wege können auf das Matthäusevangelium zurückgreifen. Es gehört auf der einen Seite zu den Quellen über das irdische Wirken Jesu. Zwar ist Markus das älteste der Evangelien, doch in den Texten der Redenquelle Q, die Matthäus mit Lukas gemeinsam bezeugt, oder im Sondergut sind wichtige alte Jesustraditionen überliefert (z.B. das Vaterunser, das in der Bergpredigt sichtbar werdende Ethos oder viele Gleichnisse). Auf der anderen Seite erzählt Matthäus vom Wirken Jesu so, dass in diesem irdisch-menschlichen Leben immer wieder die besondere Gegenwart Gottes und die bleibende Verbundenheit Jesu mit den Seinen über die Generation der ersten Jünger hinaus aufscheint, also aus einer christologischen Perspektive. Auf diese Weise konfrontieren die Texte des Evangeliums immer wieder mit der Frage nach dem „Mehr“ und der „bleibenden Bedeutung“ dieses Menschen namens Jesus aus Nazaret: Woran sieht man, dass er wie kein anderer mit Gott verbunden ist? Was macht ihn in seinem Reden und Tun als vollmächtigen Gesandten Gottes erkennbar und identifizierbar (Reden Jesu, Wundergeschichten, Erfüllungszitate und andere Anspielungen auf die heiligen Schriften des ATs)? Wo kommt der her, der das Heil für die Völker der Welt bedeuten soll, und was ist aus ihm geworden? Was und wie kann man von seinem Ursprung (Kindheitsgeschichten) und von seinem Lebensende (Passions- und Ostergeschichten) erzählen? Wie reagieren die Menschen, wenn einer im Namen Gottes kommt und sie mit der Wahrheit ihres Lebens zu konfrontieren behauptet (Gleichnisse, ethische Weisungen und Mahnungen, Wundergeschichten, Streitgespräche, Passion)? Und hat er recht, ist tatsächlich wahr, was er über Gott und die Menschen zu sagen hat? Dabei werden diese Fragen bei Matthäus nie als bloß vergangene, sondern als für die Leserinnen und Leser des Evangeliums gegenwärtige und aktuelle reflektiert. Jesus, der Immanuel, geht auch sie an. Diese Behauptung erhebt Matthäus zunächst gegenüber seinen ursprünglichen Leserinnen und Lesern und hat dabei ihre Welt und Lebenssituation vor Augen. Aufgabe einer Bibeldidaktik der |179|Evangelien ist es, sie auch als relevante Fragen an die Kinder und Jugendlichen heute vernehmbar werden zu lassen.[4]

Zwischen Universalität und jüdischen Wurzeln

Der Stammbaum am Anfang des Matthäusevangeliums (Mt 1,2–17Mt 1,20096>17) zeigt, wie tief die Lebensgeschichte Jesu in der Geschichte des Volkes Israel verankert ist, auf König David sowie die Stammväter Jakob und Abraham wird seine Herkunft zurückgeführt. Am Ende der Geschichte schickt Jesus seine Jünger zu allen Völkern der Welt (Mt 28,19Mt 28,19). Die Spannung zwischen Zuwendung zum Volk Israel und Öffnung für alle Völker, die hier und an anderen Stellen des Evangeliums sichtbar wird (Mt 8,5–13Mt 8,50096>13; 10,5f.; 15,21–28Mt 15,210096>28), verweist auf ein viel behandeltes Grundthema des Matthäusevangeliums. Die allermeisten Christusgläubigen der ersten Generation(en) waren wie Jesus selbst Juden; im Judentum hat das Christentum seinen Ursprung und Wurzelgrund, um sich dann aber binnen weniger Generationen als eigenständige Glaubensgemeinschaft im Römischen Reich zu etablieren. Die Anfänge dieser Entwicklung sind im NT zu beobachten, an der Gestalt des Paulus etwa, aber eben auch am Matthäusevangelium.[5] Exegetisch wird diskutiert, wo genau Matthäus im Prozess des Auseinandergehens von Judentum und Christusgläubigen zu verorten ist und wie der Evangelist das Verhältnis des Gottesvolkes Israel zur Kirche versteht.[6] Die Vernichtung jüdischen Lebens durch die Nationalsozialisten, die Verstrickung von Christen in dieses Verbrechen und das zögerliche Eintreten der Kirchen gegen die Judenverfolgung haben die Theologie sensibel werden lassen für das Verhältnis von Judentum und Christentum, für die Geschichte des christlichen Antijudaismus, aber auch für die bleibenden jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens. Im NT steht in dieser Rücksicht auch das Matthäusevangelium im Zentrum der Aufmerksamkeit.[7]

Didaktische Chancen bietet das Matthäusevangelium deshalb für das interreligiöse Lernen. Das Evangelium zeigt an vielen Stellen deutlich die jüdischen Wurzeln des Christentums und ist oft gerade an diesen Stellen den modernen |180|Christen fremd, z.B. in seinem Ringen um das rechte Verständnis der Tora (Mt 5,17–20Mt 5,170096>20; 5,21–48Mt 5,210096>48; 12,1–14Mt 12,10096>14; 15,1–20Mt 15,10096>20 u.ö.), das aus Sicht einer christlichen Liebesethik (Mt 5,43–48Mt 5,430096>48; 22,34–40Mt 22,340096>40) vielen überholt zu sein scheint. Es kann an diesen Stellen Herausforderung sein an die Toleranz und Verständnisbereitschaft gegenüber einem als fremd empfundenen Glauben Anderer. Es kann auch Anstoß sein, sich mit den Wurzeln der eigenen Religion zu beschäftigen, etwa mit der Frage, welche unaufgebbaren Voraussetzungen dem Christentum aus dem AT zukommen. Es kann schließlich dazu einladen, das Christentum mit jüdischen Augen zu betrachten. Nicht umsonst führt der jüdische Theologe J. Neusner in seinem Buch „Ein Rabbi spricht mit Jesus“ gerade mit dem matthäischen Jesus seinen Dialog.[8]

Als Teilaspekt des interreligiösen Lernens, aber nicht ausschließlich unter dieser Rücksicht kommt durch das Matthäusevangelium die Frage nach dem Umgang mit religiösen Konflikten in den Blick. Die religiösen jüdischen Autoritäten – Älteste, Schriftgelehrte, Pharisäer, Sadduzäer – scheinen im Evangelium immer wieder wie eine Front gegen Jesus zu stehen.[9] In Kapitel 23 rechnet Jesus mit seinen Gegnern scharf und polemisch ab. Sie betreiben seine Verurteilung und Hinrichtung und stacheln die vor dem Richterstuhl versammelte Jerusalemer Menge dazu auf, Jesu Tod zu fordern und dabei ausdrücklich die Verantwortung für die Verurteilung zu übernehmen (Mt 27,25Mt 27,25: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“). Schon innerhalb des Matthäusevangeliums irritiert die polemische Inszenierung des Konfliktes, scheint sie doch mit der von Jesus geforderten Feindesliebe (Mt 5,43–48Mt 5,430096>48) kaum vereinbar. Vom heutigen Standpunkt aus, mit Blick auf die Geschichte von Juden und Christen und im Wissen darum, dass Christen mit Berufung auf diese und ähnliche Texte Juden als Christenfeinde und Christusmörder ausgegrenzt, misshandelt und getötet haben, sind sie schwer erträglich. Sie als Produkte und im Rahmen des für beide Seiten schmerzhaften und konfliktreichen Trennungsprozesses von Christen und Juden in den ersten Jahrzehnten der Geschichte des Christentums, von denen auch Matthäus Zeugnis gibt, wahrzunehmen, hilft, sie einzuordnen und besser zu verstehen. So gelesen bilden die Texte einerseits Anlass für die Auseinandersetzung mit der eigenen christlichen Geschichte und – v.a. für ältere Schülerinnen und Schüler – eine Herausforderung an historisch angemessenes Verstehen und Urteilen. Andererseits lässt sich an ihnen die Frage aufwerfen, wie (auch aktuell) mit religiösen und religiös unterlegten Konflikten umzugehen ist, die wieder stark im öffentlichen Diskurs präsent sind. Die Ängste vor der Islamisierung Europas, die Diskussion um die Beschneidung von minderjährigen Jungen oder der Streit um das Schächten von Tieren sind aktuelle Beispiele, die einerseits das Konfliktpotenzial religiöser Fragen auch in unserer Gesellschaft belegen und andererseits die Notwendigkeit einer (inter-)religiösen Streitkultur sichtbar |181|machen. Man muss diese Themen nicht zwangsläufig von biblischen Texten oder gar von Matthäus her angehen. Es ließen sich aber beispielweise über eine Reihe, die einen Bogen spannt vom Gebot der Nächsten- und Feindesliebe über die Pharisäerpolemik des Matthäus und ihren historischen Ort, die christliche Judenfeindschaft bis hin zu religiösen Konflikten in unserer Gesellschaft (z.B. über das urjüdische Zeichen der Beschneidung) matthäische Texte schlüssig und theologisch relevant einbinden.

Matthäisches Ethos

Die Ethik bzw. das Ethos, also die Frage nach dem richtigen Handeln der Menschen, ist ein zentrales Thema des Matthäusevangeliums. Es zeigt Jesus als großen ethischen Lehrer, und die Rede des Auferstandenen verpflichtet alle, die Jüngerinnen und Jünger Jesu sind, darauf, das zu befolgen, was der Lehrer ihnen geboten hat (Mt 28,20Mt 28,20). Die Bergpredigt ist eigens Thema in diesem Band und soll hier nicht vertieft werden. Auch in anderen Reden des matthäischen Jesus sind ethische Fragen immer wieder präsent. In didaktischer Perspektive seien im Hinblick auf die ethischen Texte des Matthäus vier Punkte notiert: (1) Schon angeklungen ist: Das Liebesgebot ist bei Matthäus zentral (Mt 22,34–40Mt 22,340096>40). Vor falschen Alternativen zwischen Liebes- und Gesetzesethik wird man sich aber hüten müssen (Mt 5,17–20Mt 5,170096>20). (2) Matthäische Ethik ist eminent handlungsorientiert. Wieder und wieder betont der Evangelist, es komme auf das Tun an (z.B. Mt 7,15–27Mt 7,150096>27; 21,28–32Mt 21,280096>32; 25,14–30Mt 25,140096>30). Ethisches Lernen am und mit dem Matthäusevangelium kann in dieser Hinsicht eine wichtige Ergänzung zu Modellen ethischen Lernens bieten, die v.a. auf die Entwicklung des ethischen Urteils und die ethische Diskursfähigkeit zielen. (3) Neben expliziten ethischen Mahnungen und Weisungen Jesu, die in der Bergpredigt dominieren, kommen auch andere Formen ethischer Rede vor, insbesondere spielen bei Matthäus Gleichnisse als Form ethischer Reflexion eine wichtige Rolle.[10] Gleichnisse ermöglichen es, im Modus der Erzählung ethische Fragen zuzuspitzen, Verhaltensmodelle nebeneinanderzustellen, die Konsequenzen des Verhaltens zu beleuchten, die Hörer zu einem Urteil einzuladen oder ihnen eine bestimmte Sicht der Dinge nahezulegen usw. Mit diesen Möglichkeiten sind matthäische Gleichnisse auch lohnende Texte für ethisches Lernen und Reflektieren zum Beispiel über Gerechtigkeit und Barmherzigkeit (Mt 18,23–35Mt 18,230096>35; 20,1–16Mt 20,10096>16[11]) oder die Notwendigkeit, richtig zu handeln (Mt 25,1–13Mt 25,10096>13.14–30Mt 25,140096>30). (4) Matthäische Ethik ist eschatologische |182|Ethik[12]; Vorstellungen über Lohn und Strafe oder ein endzeitliches „Gericht“ spielen eine sehr wichtige Rolle (Mt 25,31–46Mt 25,310096>46; auch in den Gleichnissen). Mit diesem Kennzeichen seiner Ethik provoziert Matthäus heutige Leserinnen und Leser, gerade auch die theologisch und religionspädagogisch geschulten unter ihnen. Mit Lohn und Strafe zum rechten Verhalten zu motivieren erscheint fragwürdig, mit dem Gericht zu drohen einer vergangenen, auf Angst und Gehorsam setzenden Religionspädagogik anzugehören. Es gilt, nicht nur beim Nein zum matthäischen Konzept stehen zu bleiben, sondern die Provokation fruchtbar zu machen: Können wir den matthäischen Gedanken, das Tun des Guten sei wichtig, bewahren, wenn nicht irgendwann gefragt wird, was einer denn tatsächlich getan hat? Welchen Unterschied macht es dann, was er getan hat und was nicht? Welches Bild machen wir uns von dem Geschehen, in dem darauf geschaut wird, wie Menschen tatsächlich gehandelt haben? Was ist die Alternative zu den Metaphern von Lohn, Strafe oder Gericht (z.B. aus dem Feld der familiären Beziehungen)?

Matthäus – ein Leser des Markus

Matthäus kannte bereits ein Evangelium, das des Markus, und hat doch ein zweites geschrieben; darin ist er Lukas ähnlich. Warum tut er das? Und warum erzählt er in vielem so anders von Jesus als Markus? Wie das Lukas- ist auch das Matthäusevangelium ein Übungsfeld, um zu verstehen und damit umgehen zu lernen, dass uns verschiedene Jesusbilder überliefert sind. Dieser Lernprozess kann früh angebahnt werden, wenn immer wieder bewusst gemacht wird, es handelt sich um Geschichten, die Matthäus erzählt – so wie Andere Anderes von Jesus berichten. In älteren Klassen kann dies zu einem vertieften Bibel- und Evangelienverständnis weitergeführt werden, indem matthäische Texte Anschauungs- und Übungsmaterial für den synoptischen Vergleich und die Zwei-Quellen-Theorie bieten oder durch ihre Unterschiede zu anderen Evangelisten Anlass zu historischen Diskussionen über das Wirken Jesu oder zur Frage nach der Wahrheit fiktiver Geschichten liefern.

Leseempfehlungen

Fiedler, Peter, Das Matthäusevangelium. ThKNT 1. Stuttgart et al. 2006.

Frankemölle, Hubert, Das Matthäusevangelium. Neu übersetzt und kommentiert. Stuttgart 2010.

Grilli, Massimo/Langner, Cordula, Das Matthäus-Evangelium. Ein Kommentar für die Praxis. Stuttgart 2010.

Konradt, Matthias, Das Evangelium nach Matthäus. NTD 1. Göttingen 2015.

Kraft, Friedhelm/Roose, Hanna, Von Jesus Christus reden im Religionsunterricht. Christologie als Abenteuer entdecken. Göttingen 2011.

|183|Luz, Ulrich, Das Evangelium nach Matthäus. EKK I/1–4. Zürich/Neukirchen-Vluyn 1985–2002 (sehr wichtiger deutschsprachiger wissenschaftlicher Kommentar).

Ders., The Theology of the Gospel of Matthew (New Testament Theology). Cambridge 1995 (Leider nicht mehr lieferbar ist die deutsche Ausgabe: Die Jesusgeschichte des Matthäus. Neukirchen-Vluyn 1993).

Merklein, Helmut, Jesus von Nazaret. Wie ihn die Evangelisten sehen. Stuttgart 2008.

Müller, Peter, Matthäus – Lesen und Deuten. Kopiervorlagen für den Religionsunterricht ab Klasse 10. Göttingen 2008.

Themenheft „Matthäusevangelium“. Zeitschrift für Neues Testament 18 (2015), Nr.36.

Zimmermann, Mirjam et al., Das Matthäusevangelium – Fragen über Fragen. In: Dressler, Bernhard/Schroeter-Wittke, Harald (Hg.), Religionspädagogischer Kommentar zur Bibel. Leipzig 2012, 413–432.

Fußnoten

1

Beim Weihnachtsfest steht die matthäische Kindheitsgeschichte im Schatten von Lk 2,1–21. Mt steuert zum Weihnachtsfestkreis v.a. die Erzählung von den Sterndeutern bei (Mt 2,1–12) (→ Art. Weihnachts- und Kindheitsgeschichten Jesu).

2

Vgl. z.B. Schladoth, Paul, Die Entstehung des christologischen Bekenntnisses und ihre Bedeutung für die Didaktik der Christologie. KatBl 104 (1979), 755–766; Rickers, Folkert, Art. Jesus von Nazareth. LexRP 1 (2001), 902–909. Ebenfalls beim Menschen Jesus ansetzend, aber dezidiert ohne historische Ambitionen: Baldermann, Ingo, Jesus von Nazareth – Jesus Christus. In: Bitter, Gottfried et al. (Hg.), Neues Handbuch religionspädagogischer Grundbegriffe. München 2002, 117–123.

3

Vgl. für einen Überblick Kraft/Roose, 2011, 13–51; Roose, Hanna, Art. Jesus Christus, bibeldidaktisch, Grundschule. In: WiReLex (2015), Zugriff am 28.04.2017; Höger, Christian, Jesus Christus, bibeldidaktisch, Sekundarstufe. In: WiReLex (2015), Zugriff am 28.04.2017; außerdem: Pemsel-Maier, Sabine, Gott und Jesus Christus. Orientierungswissen Christologie (Theologie elementar). Stuttgart 2016.

4

Zu einem an (nicht nur christologischen) Schülerfragen orientierten Zugang zu Mt: Zimmermann et al., 2012, 413–432.

5

Dazu Tiwald, Markus, Das Frühjudentum und die Anfänge des Christentums. Ein Studienbuch. BWANT 208. Stuttgart 2016; Zeitschrift für Neues Testament 19 (2016), Nr. 37 (Themenheft „Perspektiven des Jüdischen“). – Neben dem im Folgenden fokussierten Verhältnis Judentum – Christentum wird v.a. in der englischsprachigen Exegese auch das (kritische) Verhältnis des Mt zum Römischen Reich in den Blick genommen, z.B. von Carter, Warren, Matthew and Empire. Initial Explorations. Harrisburg 2001.

6

Vgl. Konradt, Matthias, Israel, Kirche und die Völker im Matthäusevangelium. WUNT 215. Tübingen 2007.

7

Vgl. z.B. Fiedler, Peter (Hg.), Studien zu einer neutestamentlichen Hermeneutik nach Auschwitz. Stuttgart 1999; Kampling, Rainer (Hg.), „Nun steht aber diese Sache im Evangelium …“. Zur Frage nach den Anfängen des christlichen Antijudaismus. Paderborn et al. 22003.

8

Vgl. Neusner, Jacob, Ein Rabbi spricht mit Jesus. Ein jüdisch-christlicher Dialog. Freiburg i.Br. et al. 2011.

9

Vgl. Poplutz, Uta, Erzählte Welt. Narratologische Studien zum Matthäusevangelium. BThSt 100. Neukirchen-Vluyn 2008, 48–51.114f.125–127.

10

Vgl. Zimmermann, Ruben, Die Ethico-Ästhetik der Gleichnisse Jesu. Ethik durch literarische Ästhetik am Beispiel der Parabeln im Matthäus-Evangelium. In: Horn, Friedrich W./Zimmermann, Ruben (Hg.), Jenseits von Indikativ und Imperativ. Kontexte und Normen neutestamentlicher Ethik. Bd. 1. WUNT 238. Tübingen 2009, 235–265.

11

Vgl. dazu Zimmermann, Mirjam/Zimmermann, Ruben, Zeugnisse – gerechter Lohn für alle? Ein Schulgottesdienst zu Mt 20,1–16. Werkstatt spezial (1/2004), ohne Seitenangabe, sowie Zimmermann, Mirjam, „… von Gott reden?!“ Moderne Bilder für Gott finden und in einem Schulgottesdienst gestalten. Religion 5–10 (1/2011), 8–13.

12

Zur Eschatologie des Matthäusevangeliums z.B. Rölver, Olaf, Christliche Existenz zwischen den Gerichten Gottes. Untersuchungen zur Eschatologie des Matthäusevangeliums. BBB 163. Göttingen 2010.

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