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5. Des Königs Feinde und des Königs Schwiegersohn (1Sam 18,17–30)

Erneute Selbstgespräche und ein Erzählerkommentar zeigen den Lesenden an, dass Saul nun versucht, David der Hand der Philister auszusetzen (18,17.21) und ihn so zu Fall zu bringen (18,25). Um dies zu erreichen, benutzt Saul in zwei Sequenzen (18,17–19 und 18,20–27) je eine Tochter und stellt sie David als Ehefrau in Aussicht.102

Zuerst bei Merab knüpft Saul die Eheschließung an die Bedingungen,103 dass David tapfer für Saul auftrete und JHWHs Kriege führe (18,17). Am Ende der Sequenz kommt diese Ehe nicht zustande, da Merab Adriël zur Frau gegeben wird.

Bei Michal beginnt die Sequenz mit dem Hinweis, dass sie David liebt (18,20). Diese Liebe kam Saul gelegen: Saul meint, wenn er Michal David gebe, würde sie ihm zum Fallstrick werden (18,21). Nach dem zweiten Angebot einer Ehe lässt Saul David Gerüchte und Informationen zu Ohren kommen. An deren Schluss steht Sauls Erwartung an David für eine Eheschließung mit Michal: David müsse vorab gegen die Unbeschnittenen vorgehen. Am Ende dieser Sequenz kommt diese Ehe zustande (18,27).

In beiden Sequenzen benennt David persönliche Bedenken zur Einheiratung ins Königshaus. Wie lange und inwieweit David dabei tatsächlich zurückhaltend bleibt, wird sich sogleich als schillernde Fragestellung im Leseprozess erweisen. Jedenfalls hat das Thema ‚Davids Einheiraten in Sauls Königshaus’ für Lesende zum Hintergrund die David-Goliat-Erzählung (17,1–58).

Dieser Hintergrund wird schon in 18,17104 wachgerufen, als Saul zu David über seine älteste Tochter Merab redet: „Sie werde ich dir zu Frau geben ().“ Von dergleichen hatte David erstmals gehört, als er auf dem Terrain angelangt war, auf dem Goliat den Israeliten höhnend gegenübertrat. Dabei erörterten die Israeliten105 in 17,25, was dem Mann zukommt, der Goliat erschlägt. Drei Belohnungen werde „der König“ diesem Mann bereithalten. Als zweite Belohnung, und damit in die Mitte gestellt, erwähnen sie die Königstochter:

1Sam 17,25: Und die Israeliten sagten: Habt ihr diesen Mann gesehen, der da heraufkommt? Denn er kommt herauf, um Israel zu verhöhnen. Den Mann aber, der ihn erschlägt, ihn wird der König mit großem Reichtum reich machen, und er wird ihm seine Tochter geben, und das Haus seines Vaters wird er von Abgaben befreien in Israel ( ).

Unklar ist in 17,25 der Wissensstand der Israeliten.106 Kennen sie die königlichen Pläne? Oder sprechen sie nur Mutmaßungen aus? Kap. 17 erwähnt danach keinerlei Belohnungen für David.

Entscheidend ist aber, dass David in Kap. 17 das unter den Israeliten Erörterte zu Ohren kommt.107

1Sam 17,26–27.30: 26 Da sagte David zu den Männern, die bei ihm standen: Was wird für den getan, der den Philister da erschlägt und die Schmach von Israel nimmt? Wer ist denn dieser unbeschnittene Philister, dass er die Schlachtreihen des lebendigen Gottes verhöhnen dürfte? ( ) 27 Und das Volk () sagte zu ihm, was es zuvor gesagt hatte: Das und das werde für den getan, der ihn erschlage ... 30 Und er (= David) wandte sich ab von ihm, einem anderen zu, und er sagte, was er zuvor gesagt hatte. Und das Volk () antwortete ihm wie beim ersten Mal ...

Auffälligerweise stellt David gleich zweimal Nachfragen zu den Belohnungen an und „erkundigt sich ... sehr genau“108 darüber bei Männern sowie bei einem anderen (17,26.30). Stets ist es das (Kriegs-)Volk (17,27.30), welches dann David versichert, dass das Ausgesprochene wie die Heirat der Königstochter wirklich der Preis für den Sieg über Goliat sei. Der fragende David bringt zwar auch ins Spiel, dass jetzt der Augenblick sei, eine Schande von Israel zu nehmen, und er äußert sich despektierlich über Goliat.109 Doch David hegt auch deutlich persönliche Erwartungen, wenn er in 17,26 fragt: „Was wird für den Mann getan, der den Philister da erschlägt und die Schande von Israel nimmt?“ Andreas Kunz erklärt hierzu: Erst nachdem David den Siegespreis, die Belohnungen „kennt, tritt er als Retter Israels in Aktion.“110 Zurückhaltender und wohl auch angemessener ist die Annahme von Fritz Stolz: David hat Interesse „am Lohn, der dem Sieger winkt.“111 Als einer, der derart sein Interesse bekundet hat, wird David in Kap. 17 Saul bekannt und zu diesem geholt (17,30–31).

Danach unterbreitet Kap. 18 nur zwei relativ kurze direkte Reden Davids, und zwar stets angesichts Sauls Angeboten zu einer Ehe. In beiden Reden nun klingt Davids einstiges Interesse an den Belohnungen nach.

In 18,18 reagiert David auf Sauls Anbieten von Merab derart, dass dies zunächst seine „Bescheidenheit bezeugt.“112 Aber David bezeugt hierbei noch mehr. Er geht nicht nur auf seine eigene Niedrigkeit ein, sondern zugleich auf die seiner väterlichen Sippe und zudem auf eine Stellung in Israel: „Wer bin ich und wer ist mein Leben(skreis?)113, die Sippe meines Vaters in Israel ().“ Mit Johannes Petrus Fokkelman114 ist davon auszugehen, dass Davids Worte in 18,18 die Lesenden erneut an 17,25 erinnern und diesmal die dritte angedachte Belohnung wachrufen, in der es um die Stellung des Vaterhauses in Israel ging. Meist denken Auslegungen bei der dritten Belohnung an eine Abgabenfreiheit für das Vaterhaus;115 doch einige Kommentare gehen von einem Freisein aus, das sich vom Sklavenstatus abhebt:116 Dem Überwinder Goliats winkte jedenfalls vom König her: „Das Haus seines Vaters () macht er frei in Israel ().“ Solche Möglichkeit bewegt David also in Kap. 18 immer noch.

In 18,23 bekundet der zur Ehe mit Michal aufgeforderte David, dass er solcher „Ehre unwürdig“117 sei. Allein auf sich bezogen bezeichnet er sich dabei als einen „armen Mann ().“ Für Lesende, die mittlerweile bei beiden Ehe-Sequenzen auf die einstigen Belohnungen gelenkt sind, zeigt diese von David herausgestellte Armut das Gegenteil118 zur ersten Belohnung in 17,25 an. Dort galt: Den Mann (), der Goliat überwindet, – „ihn wird der König reich machen () mit großen Reichtum ().“

Was David vor dem Kampf gegen Goliat mit Interesse erkundet hat, hallt also bei seinen zwei Äußerungen nach, als er auf Sauls konkrete Pläne zu Verheiratungen reagiert. Das Vorenthalten der einst in Aussicht gestellten Belohnungen hat bei David nachhaltig Spuren hinterlassen. David erscheint auf diese Weise für die Lesenden als jemand, der nachtragend verletzt ist. Als Verletzter denkt er von den nicht gewährten, aber erstrebenswerten Belohnungen her.

Beim verletzten David ist in Kap. 18 eine auffällige Umdeutung der Heiratsthematik zu erleben. David nennt keine der Töchter Sauls mit Namen und redet auch nicht davon, eine Frau ()119 bekommen zu können, selbst im Falle der Michal nicht, die ihn liebt. David hat hier die Frauen überhaupt nicht im Blick; stattdessen denkt er nur und alleine an seine Position beim König.120 In 18,18 leuchtet erstmals Davids Denkweise auf: „ich würde Schwiegersohn des Königs ().“ Solche Redeweise kehrt noch fünfmal im Kapitel wieder (18,21.22.23.26.27).121 Hat David somit diese Redeweise aufgebracht, greift sie dann nicht nur der Erzähltext auf, sondern schon zuvor bereitwillig und auch anscheinend hinterhältig Saul (18,21.22).

Saul entnimmt dann dem Gedanken Davids in 18,23, dass ihm durchaus an der Position beim König liege (vgl. 18,24–25). Das Signal dazu gab wohl auch Davids Frage vor den Knechten. Josef Scharbert verstand Davids Frage vor Sauls Knechten etwa so: „Ist es in euren Augen leicht, Schwiegersohn beim König zu werden (18,23 )?“122 Saul hört bei David anscheinend heraus, dass dieser sich ins Zeug legen würde. Einem einsatzbereiten, armen Kandidaten für die Verschwägerung kann Saul auch eine Vorbedingung diktieren (18,25). Die Bedingung scheint David sofort recht gewesen zu sein (18,26; vgl. 18,20).

Mit seiner ausgeklügelten Idee, „die Vorhäute der Philister (18,25 vgl. 18,27)“ zu verlangen, nutzt Saul offenkundig eine Sichtweise Davids aus. Die Idee Sauls verweist nämlich die Lesenden auf Davids frühere Redeweise in Bezug auf Goliat. Denn im Hebräischen liegen die beiden Begriffe „Vorhaut“ und „unbeschnitten“ dicht beieinander.123 Als sich David in 17,26 erstmals nach der Belohnung erkundigt hatte, nannte er den Philister Goliat herablassend124 „diesen unbeschnittenen Philister“. Noch einmal in 17,36 bezeichnete David Goliat derart vor dem Kampf in Sauls Gegenwart.

1Sam 17,36 (David): Sowohl den Löwen als auch den Bären hat dein Diener erschlagen. Und diesem unbeschnittenen Philister () wird es ergehen wie einem von ihnen, denn er hat die Schlachtreihen des lebendigen Gottes verhöhnt.

Danach in Kap. 18 lässt sich dann der einsatzbereite David mittels der von ihm einst bekundeten despektierlichen Sicht auf die Philister – die Unbeschnittenen und ihre Vorhäute – zielgenau lenken. Auf diese Weise erreicht Saul sein geheimes, vor David verborgenes und nur den Lesenden bekanntes Ziel, David der Hand der Philister auszusetzen (18,17.21; vgl. 18,25).

Im Plot kam – wie gezeigt – Sauls Absicht, David zu ermorden, auf, als Saul mit dem Gesang der Städterinnen konfrontiert worden war (18,6–9.10–13). An diese Weichenstellung in der David-Saul-Beziehung werden die Lesenden durch die Darstellungen rund um Davids Zug der Vorhäute wegen erinnert. Das lässt sich durch einige Beispiele verdeutlichen. Nach der Redeweise über das Schlagen im Gesangstext und in Sauls Selbstgespräch beim Speerwurf in 18,7.11 (schlagen jemand, mit ) taucht eine nicht unähnliche Wendung in 18,27 auf, als David Unbeschnittene erschlug (schlagen, , unter einer Menge, , einzelne).125 Auch David war zuvor auf die singenden Städterinnen Israels gestoßen, als er vom „Schlagen des Philisters“ zurückkehrte (18,6 ); in 18,27 zieht dann David – samt Mannschaft – gegen die Philister und erschlägt unter diesen Männer (... ). Analog zur Zahlenstaffel im Gesang (18,7; vgl. 18,8) steht nun in 18,25.27 eine Staffel von Hundert und Zweihundert insofern, als sie wieder Davids Schlagvermögen unterstreicht. Saul mit dem Speer „in der Hand“ () vermochte David nicht an die Wand zu schlagen (18,10–11), und nun scheitert Saul mit dem Versuch, David „durch die Hand“ der Philister () zu Fall zu bringen (18,25).126 Zuvor hatte sich Saul vor dem nicht bezwungenen David gefürchtet (), und sogleich daneben wurde notiert, dass JHWH mit David ist (18,12 ). Nun setzt sich diese Furcht bei Saul fort (18,29 ), und Saul erkennt diesmal obendrein selbst, dass JHWH mit David ist (18,28 ).127

Dieser noch rein oberflächliche Befund, dass für die Lesenden bei Davids Erbeuten der Vorhäute die Weichenstellung in der David-Saul-Beziehung (18,6–9.10–13) nachklingt, verlangt eine sorgfältig differenzierende Einordnung. Denn zwei Linien sind zunächst deutlich voneinander abzuheben. (1) Die erste Linie ist offenkundig: Die Darstellung in Kap. 18 ist bestrebt, auf eine fortwährende Situation aufmerksam zu machen, in der Saul Davids Leben attackiert, David aber nicht untergeht. Diese Linie hat zum Ausgangspunkt Sauls Auseinandersetzung mit dem Gesang, bei der er sich zum Gegner Davids machte. Saul agiert gegen David, David aber nirgends gegen Saul. Das unterstreicht nochmals nachholend der zweite Teil des Verses 18,29. Von Saul geht die Feindschaft zwischen beiden aus: „und Saul war feind dem David für alle Zeit ().“ (2) Neben dieser ersten Linie taucht eine zweite auf, die hintergründig durch Davids Ambitionen mit geprägt ist. Dabei spielt der Gesang keine direkte Rolle. Nirgends wird davon berichtet, ob der Gesang auch auf David eingewirkt hat. Bei dieser zweiten Linie wird aber erneut Kap. 17 eingespielt und mit der David-Goliat-Story weitergearbeitet. Diese Linie präsentiert David nicht nur als von oben eingesetzten König in spe, womit noch 18,1–5 und andere Verse spielten. Vielmehr verfolgt in dieser Linie David auch eigene Interessen, emporzukommen und im derzeitigen königlichen Haus Mitglied zu werden.128 Zu diesem Zweck schlägt David zweihundert Philister. (3) Trotz allem deutlichen Eigenstand der beiden Linien gibt es nun aber eine sehr eigenartige Berührung der Linien, auf die der Leseprozess anscheinend stoßen können soll. Ausgerechnet während Saul David einer Gewaltgefahr ausgesetzt hat, übt David Gewalt an Dritten aus und setzt so bestätigend fort, was ihm der Gesangstext zugeschrieben hat: David vermag zu schlagen. Zudem gibt es eine Reihe von Ermöglichungen. Ohne das Lied der Frauen und dessen Aufnahme durch Saul bliebe seine Feindschaft gegenüber David unverständlich, oder es wäre zu dieser Feindschaft nicht auf diesen Wegen gekommen. Ohne diese Feindschaft Sauls mit ihren Strategien und ohne eigene Interessen Davids wäre es nicht eingetreten, dass David erneut als derjenige auftritt, als den ihn das Lied ausgewiesen hat.

Eine interessante Frage ist nun, ob Davids Verhalten eine weitere Einfärbung durch die Umstände bekommt. Eine Antwort auf diese Frage zeichnet sich ab, wenn man die beiden Sequenzen, in der Saul David Eheschließungen anbietet, miteinander vergleicht und dabei darauf achtet, unter welch weiterem Vorzeichen die Philister für David auch noch stehen müssen. David hört laut 18,25 von „den Feinden des Königs“ ().129 Feinde im Falle eines Königs sind im Alten Testament bekanntlich meist „mit denen des Volkes gleichzusetzen“.130 Diese Dimension ist hier nicht ausgeschlossen. Doch Saul lässt in 18,25 seine Knechte vor David nur über die persönlichen Feinde des Königs reden.131 Die Rache an ihnen ist für Saul nur ein Vorwand. Von der Angeblichkeit der Rache kann David nichts wissen. Er hört nur von Vergeltung im Rahmen einer auf den Monarchen bezogenen Feindschaft.132 Gerade das hebt diese Bedingung zu einer Ehe in 18,25 von der ersten Bedingung zu einer Ehe in 18,17 ab, was Fokkelman herausgearbeitet hat:133 Dort in 18,17 kam zum Militärischen noch eine theologische Überhöhung hinzu, von der Saul zu David sprach: „Kämpfe die Kämpfe JHWHs ()!“134 Von solch einer ideellen theologischen Überhöhung ist in 18,25–26 keine Rede mehr, und David vernimmt davon auch nichts mehr. In Davids Gesichtskreis ist Göttliches durch Königliches ersetzt, und ausgerechnet angesichts dieser Ersetzung greift er an.

Hinzu kommt, dass es in den Texten im Dunkeln bleibt, inwieweit und ob überhaupt die Philister in der erzählten Zeit derweil eine akute Gefahr darstellen.135 Erst später erwähnt 18,30 ein kriegerisches Ausziehen der Philisterfürsten. In 18,27 hingegen setzt sich David mit den Seinen gegen wohl unvorbereitete Philister in Bewegung und schlägt um der Vorhäute willen zu.

David ließ sich zu einer anscheinend zwielichtigen Gewalttat hinreißen.136 Davids Gedankenwelt wird dabei zwar nur verhalten beleuchtet. Aber jenseits der Intrigen Sauls zeigt sich bei Davids Warte, wie sie nicht ohne Ermöglichendes für seine Gewalttat ist. David sucht um jeden Preis den Aufstieg. So ist er gewillt, durch Vorhäute der sowieso Feinde des Königs Schwiegersohn des Königs zu werden, und er bringt sicherheitshalber gleich das Doppelte vom Verlangten bei.

Von daher kann auch noch einmal ein neues Licht auf die bereits erwähnte Formel fallen, die in 1Sam 18 auf JHWHs Mitsein mit David eingeht ( ). Dem ist in einem eigenen Punkt nachzugehen:

6. Gottes Mit-Sein und Davids Erfolge

Das göttliche Mitsein mit David wird – wie angedeutet – zweimal von der auktorialen Erzählstimme konstatiert (18,12.14) und kommt einmal ähnlich über die erzählte Perspektive Sauls in den Blick (18,28).137 Dieses göttliche Mitsein in Kap. 18 hat man sich aufgrund der Syntax138 und der Wiederholungen als ein fortwährendes vorzustellen. Das angesprochene Mitsein ist somit nicht nur punktuell auf Aussagen in dessen Nahkontexten zu beziehen.

Neben den Angaben, wie Gott gegenüber Saul agiert (18,10.12),139 ist dieses Mitsein die wichtigste theologische Deutekategorie in Kap. 18 zu den Abläufen in der erzählen Welt und zu deren entsprechenden Plausibilitäten für den Leseprozess. Aber so bedeutsam diese Kategorie für das lesende Verstehen auch ist, sie bleibt inhaltlich letztendlich doch auch recht offen.140 Die mitseiende Gottheit JHWH hatte zwar David zum König erkoren (16,1–13), und deshalb schützt sie anscheinend auch David, lässt ihn Erfolg haben, ihn die zweihundert Philister überwältigen (18,27), ihn gekonnter als andere von Sauls Militärs die angreifenden Philister abwehren (18,30) usw. Doch zu diesem Mitsein wird vom Text nicht explizit geklärt, wie die mitseiende Gottheit JHWH tatsächlich die Taten Davids und speziell dessen Töten der zweihundert Philister bewerten könnte.

Angesichts des komplexen Gottesbildes in den Saul-David-Erzählungen – und angesichts des Gottesbildes im Alten Testament allzumal – würde eine Auslegung viel zu kurz greifen, wenn sie von einer simplen Gleichung ausginge, wonach JHWHs Mitsein zugleich mit JHWHs Zustimmung zu allem Agieren Davids zusammenfallen würde. Solch Mit-Sein impliziert noch kein göttliches Gutheißen jeder Tat des Begleiteten. Genauso wie man ein solches göttliche Gutheißen in 1Sam 18 nicht eintragen darf, verbietet es sich auch, anhand von hellhörig machenden und beim Lesen in Spannung versetzenden Signalen im Text ein göttliches Ablehnen zu konstruieren. Selbst wenn man in 1Sam 18 – nur – von einem göttlichen Tolerieren und entsprechendem Stützen um übergeordneter Ziele willen ausgeht, so schließt das weder ein göttliches Akzeptieren des konkreten Vorgehens Davids noch ein göttliches Distanzieren davon ein.141 Göttliches beeinflusst zwar in der erzählten Welt von 1Sam 18 Davids Werdegang, bleibt aber dabei auffällig stumm.

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Verwendung des Leitwortes , da sie zumindest eine Haltung beim Erzählen durch eine Leerstelle andeuten dürfte. Wo entsteht diese Leerstelle und wie darf sie das Lesen füllen?

Das Verb kommt in den Samuelbüchern nur in 1Sam 18 vor (18,5.14.15.30)142 und trägt so zum Eigengepräge des Kapitels mit bei. Es hat hier die besondere Bedeutung „Erfolg haben“ im militärischen Sinne143 und kennzeichnet stets David.144 Die Kennzeichnungen gehen auf keine Einzelaktion Davids ein, bündeln aber auch nur überblicksartig einige von seinen Aktivitäten. Sie beginnen am Ende des Abschnittes 18,1–5 damit, dass Saul David mit Aufträgen versah: „Wohin immer Saul ihn sandte, hatte er Erfolg“ (18,5 ). In 18,14.15145 – nach dem ersten Mordanschlag auf David – stehen die militärischen Delegierungen Sauls immer noch im Hintergrund (vgl. 18,13), aber auf den Delegierungen liegt nicht mehr der Akzent. Stattdessen ist in 18,14 von Davids eigenen Wegen die Rede: „Und auf seinem ganzen Weg () war David erfolgreich ().“ Der Vers 14 hebt also eher darauf ab, dass David nun von sich aus – unter göttlicher Obhut – weiter erfolgreich voranschreitet. Solches Voranschreiten Davids konstatiert dann Saul in 18,15 nicht nur. Es erschaudert Saul nun auch dabei vor David, was seine anschließenden hinterhältigen Heiratspläne verständlich macht: „Und Saul sah, dass er sehr erfolgreich war () und ihm graute vor David.“ Hat damit Kap. 18 bisher dreimal Davids Erfolgsgeschichte im Sinne von erwähnt, können Lesende nun darüber stutzen, dass Davids Schlag gegen die Philister um der Vorhäute willen vom Text nicht unter seinen Erfolgen subsumiert wird. Auf die Notiz am Ende des Verses 18,27, dass Saul David seine Tochter Michal zur Frau geben musste, folgt zwar in den Versen 18,28–29 eine zusammenfassende Angabe darüber, wie sich die erzählte Welt gestaltet, wobei bisherige Motive aus Kapitel 18 aufgegriffen werden, wie JHWHs Mitsein mit David (18,12.14), Michals Liebe für David (18,20) und Sauls Furcht vor David (18,12), und daneben wird Sauls feindliche Einstellung gegenüber David grundsätzlich festgehalten. Aber in diesen bündelnden Angaben von 18,28–29 taucht ein summarischer Hinweis auf Davids Erfolge im Sinne von nicht auf. Erst danach, am Ende von Kap. 18 berichtet Vers 30 von fortwährenden kriegerischen Zügen der Philisterfürsten, bei denen David offenkundig zwecks Abwehr aktiv werden musste, und dabei wird dann wieder Davids Erfolg erwähnt: „David hatte mehr Erfolg als alle Diener Sauls ().“

Somit kann sich beim Lesen die Frage einstellen, warum Davids Schlag gegen die zweihundert Philister (18,27) nicht in seine -Erfolge eingereiht wird. Eine These, welche diese Frage beantworten kann, bewegt sich im Bereich einer semantischen Verstehensmöglichkeit. Der Sinn von „Erfolg haben“ wird in der Literatur von anderen Bedeutungen dieses Verbs her erklärt: etwa von den Bedeutungen „einsichtig/vernünftig werden oder sein.“146 „Im effektiven Sinne ist der ‚Einsichtige’ in seiner Tätigkeit kundig und verständig, dann aber auch erfolgreich, wie es in erster Line von Königen und anderen Volksführern ausgesagt wird (David ...; Salomo: 1Kön 2,3; Hiskija: 2Kön 18,7; ferner Josua: Jos 1,7.8 ...).“147 Entsprechend hatte auch Stoebe die Aussage in 18,5 zu Davids Erfolg auf den Punkt gebracht: Bei dieser -Aussage steht der „Gedanke menschlicher Tüchtigkeit und Lebensklugheit und der daraus resultierende Erfolg im Vordergrund ...“148 Anscheinend schwingt somit im Kap. 18 mit, dass David mit „Klugheit“149 und durch den Einsatz seiner Vernunft Erfolge erreichte. Darunter soll aber nun anscheinend für die Lesenden nicht Davids Angriff auf die Philister und sein Erbeuten ihrer Vorhäute in 18,27 auftauchen. Diese „Sache“ war allein David in den eigenen Augen recht (), da er sich vom Ziel (ver-)leiten ließ, „Schwiegersohn beim König zu werden“ (18,26).

Da nun der Vers 18,27 nichts Anschauliches zu Davids Vorgehen mit seinen Männern unter den Philistern entfaltet, dürfen die Lesenden auch nur bestenfalls anhand der vorherigen David-Goliat-Erzählung (vgl. 17,40.48.50) darüber phantasieren, ob David von diesen Philistern Zweihundert wieder auf eine clevere Weise zu erschlagen vermochte, um an ihre Vorhäute zu gelangen. Cleverness ist aber noch lange nicht ein umsichtig vernünftig-kluges Vorgehen. Verzichtet der Text in 1Sam 18 darauf, Davids Töten von zweihundert Männern der Philister unter den erreichten -Erfolgen zu fassen, kann das für die Lesenden einen Eindruck verstärken: Davids Töten in 18,27 erhält nirgends vom Text und Erzählen die sonst mögliche Zustimmung zu seinen sonst klug und vernünftig erreichten Erfolgen und mutet auch deshalb als sehr fragwürdig an.

Das für die Lesenden Hinterfragbare und das somit mögliche innere Distanzieren von Davids Tat in 18,27 müssen nicht dem in Kap. 18 angeführten Mitsein JHWHs mit David widersprechen, sondern können vielmehr an diesem Mitsein auch etwas aufschließen. Was JHWH als Beschützer bei David zuließ, schließt keineswegs zwangsläufig eine Sanktionierung oder Legitimierung ein.

Nach diesen Überlegungen ist zum Gedankengang in diesem Beitrag zurückzukehren: Das Kap. 18 unterbreitet eine außerordentliche Verquickung. Saul wollte David hinterhältig erschlagen und will ihn danach mit Hinterlist beseitigen. Bei der geheimen Hinterlist nun wird David durch eigene Ambitionen, emporkommen zu wollen, dahin getrieben, selber in fragwürdiger Form zu erschlagen und Philister zu schänden.

Das ereignet sich nicht unabhängig von einer Metaebene, in der JHWH David schützt. Diese theologische Metaebene ist im ersten Samuelbuch bekanntlich ausgespannt zwischen den beiden Polen: Sauls Verwerfung und Davids Erwählung. Zwischen den Polen mutet manches – wie David Wagner formulierte – „zuweilen paradox“ an.150 Das trifft auch für 1Sam 18 zu.

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