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1. Vorbereitung und kirchenpolitischer Rahmen

Am 25. Januar 1959 hatte Papst Johannes XXIII. ein neues Ökumenisches Konzil angekündigt. Mit Datum vom 29. Juni 1959 ausgestellt, war allen „Ostordinarien“ der Brief Kardinal Tardinis an die zukünftigen Konzilsväter zwecks Erforschung der eventuell zu behandelnden Themen zugegangen.22 Diverse Manuskripte in den Handakten der Bischöfe, wie das von Karl-Heinz Schmidthüs „Auf dem Weg zum Konzil – Was dürfen wir erwarten?“23, lassen den Schluss zu, dass man sich anfangs vorwiegend aus zweiter Hand über die Konzilsvorbereitungen informierte und orientierte.

Auf der Ordinarienkonferenz am 12.-13. Juli 1960 scheint erstmals das Thema Konzil ausführlich erörtert worden zu sein. Kardinal Döpfner, Vorsitzender der Berliner Ordinarienkonferenz (BOK), erklärte: „In diesem Kreis brauche ich nicht ins einzelne zu gehen. Es muß nicht näher erläutert werden, daß das kommende Konzil kein Unions-Konzil im eigentlichen Sinn sein wird, aber nach vielfältigen Hinweisen des Heiligen Vaters (und auch in der Erwartung des katholischen Volkes der ganzen Christenheit) soll das Konzil ausdrücklich beitragen zur Wiedervereinigung der Christenheit in der katholischen Kirche. Die sehr weit gespannte und wenig detaillierte Zielsetzung des Konzils in der ersten Enzyklika des Papstes 'Ad Petri cathedram' (29.6.1959) ist Ihnen bekannt: 'Das Hauptziel des Konzils besteht darin, die Entwicklung des katholischen Glaubens zu fördern, das christliche Leben der Gläubigen zu erneuern und die kirchliche Disziplin den Bedingungen unserer Zeit anzupassen'. Das letzte Motu proprio 'Superno Dei nutu' (5.6.1960) wiederholt diesen Satz und sagt nichts Neues aus. Als bezeichnend für dieses Konzil darf wohl ausgesprochen werden, daß im Gegensatz zu den Konzilien der Vergangenheit nicht eine bestimmte Irrlehre, eine bestimmte Gruppe von Mißständen als Anlaß für dieses Konzil genannt werden. Vielleicht darf man so sagen, daß gerade unser Heiliger Vater das Konzil, das doch eine Funktion des magisterium extraordinarium ist, stärker als eine normale Darstellung der kollegialen Struktur der kirchlichen Hierarchie sieht.“24

So gilt es zunächst festzuhalten, dass man in der katholischen Kirche der DDR über die Vorbereitungen zum Konzil informiert war und römische Dokumente sowie theologische Kommentare interessiert zur Kenntnis genommen hatte. Aber erst seit Mitte des Jahres 1960 scheint man sich auf der Ordinarienkonferenz mit den möglichen Konsequenzen für die Kirche in der DDR beschäftigt zu haben. „Für uns als Bischöfe der Kirche in atheistischer Umwelt in der Diaspora ergeben sich im Zusammenhang mit dem Konzil einige wichtige Fragen“, formulierte Döpfner und nannte vier Problemfelder:

„1. Wie versteht sich das Konzil in der heutigen Auseinandersetzung zwischen Kommunismus und der Kirche (zwischen Kommunismus und Religion, zwischen Kommunismus und der freien Welt)? Sicherlich wird das Konzil vom Kommunismus als Politikum erster Ordnung gewertet und eingeordnet in die augenblicklich so starke Ideologie des politischen Klerikalismus. Gewiß werden einige Nuancierungen, um nicht zu sagen Auseinandersetzungen, in der Auffassung des Konzils unvermeidlich sein. Wir sind wohl einhellig der Meinung, das Konzil sollte jede betont antikommunistische Spitze vermeiden.

2. Welche Themen werden behandelt? Werden die für uns so wichtigen anthropologischen Fragen behandelt? Erfolgt eine ausdrückliche Verurteilung des Kommunismus?

3. Wird das Konzil hinausgehend über die unerläßliche klärende Funktion für die Katholiken, seine rufende Funktion hinein in die nichtkatholische Christenheit, ja in die nichtchristliche, sogar ungläubige Menschheit wahrnehmen?

4. Werden Bischöfe des kommunistischen Machtbereiches am Konzil teilnehmen können? Sicherlich wird diese Frage bis zur letzten Stunde offengehalten werden und man wird ähnliche Versuche einer Einflußnahme machen wie eben jetzt im Hinblick auf den Eucharistischen Weltkongress in München.”25

In den folgenden sechs Jahren sollte sich zeigen, dass die als Fragen formulierten Problemfelder tatsächlich für die Kirche in der DDR, die Konzilsteilnehmer und schließlich die Rezeption des Konzils bedeutsam wurden. Noch gab es nicht die Berliner Mauer und in ihrer Folge undurchlässige Grenzen, noch war nicht absehbar, dass Kardinal Döpfner Erzbischof von München und sein Weihbischof Dr. Alfred Bengsch am 16. August 1961 zu seinem Nachfolger ernannt werden sollte.

In den folgenden Ordinarienkonferenzen bis 1962 kommen nur spärlich Nachrichten über das Konzil vor. Auf der Konferenz am 31. Januar/1. Februar 1961 berichtete der Vorsitzende über den „gegenwärtigen Stand der Vorbereitung des II. Vatikanischen Konzils“26. Die Berufung des Bischofs von Berlin in die Zentralkommission und des Bischofs von Meißen in die Kommission für die Hl. Liturgie wurden dankbar begrüßt. Die Gläubigen sollen immer wieder zum Gebet für das bevorstehende Konzil aufgerufen werden.27 Auf der Maikonferenz (2./3. Mai 1961) referierte Bischof Spülbeck über die Arbeit der liturgischen Kommission.28 Im Juli (3./4. Juli 1961) erfolgte lediglich eine „Orientierung über die Konzilsvorbereitung“29, und im Januar 1962 (9./10. Januar 1962) hatte die BOK Prof. Dr. Hirschmann eingeladen, der „der Konferenz einen recht instruktiven Einblick in die Vorarbeiten zum II. Vatikanischen Konzil bot“30, wie es lapidar in dem Protokoll hieß.

Der Brief der Zentralkommission an die „Ostordinarien“ zur rechtzeitigen Anmeldung und zur Wahl ihrer Unterkunft war am 2. Januar 1962 ausgestellt, über die Nuntiatur an die zuständigen Ordinarien geschickt oder über den „kirchlichen Dienstweg“31 nach Ostberlin gekommen und so weitergeleitet worden. Bis zum 31. März sollten die erbetenen Angaben auf gleichem Weg zurückgeschickt werden. Ein Höhepunkt in dieser Phase der Konzilsvorbereitung dürfte der Besuch von Augustin Kardinal Bea gewesen sein. Am 11. April 1962 hatte er an der Sitzung der BOK teilgenommen, um im Anschluss daran vor einer Priesterversammlung und den ostdeutschen Ordinarien über die Vorbereitungen zum Konzil zu referieren.32

Im Frühsommer 1962, wenige Monate vor Beginn der ersten Sessio, wurden die notwendigen Reisevorbereitungen getroffen. Das Protokoll der Sitzung vom 2./3. Juli 1962 vermerkte: „Zur Teilnahme der Bischöfe am Konzil werden die Anträge auf Reisegenehmigung bei der Regierung in Berlin gemeinsam gestellt und zwar für den Bischof von Berlin, den Bischof von Meißen, den Weihbischof von Magdeburg und den Weihbischof von Schwerin. Jeder der Bischöfe darf zwei Priester als Begleiter mitnehmen. Freusberg33 und Piontek34 werden nicht am Konzil teilnehmen. Die Informationen über das Konzil gehen über das Commissariat der Berliner Ordinarienkonferenz. Zur Teilnahme an der Fuldaer Bischofskonferenz Ende August werden die Bischöfe von Berlin, Meißen und der Kapitelsvikar von Görlitz Antrag auf Interzonenpässe stellen.35 Die Professoren Müller36 und Löwenberg37 werden zur Teilnahme am Konzil beurlaubt.“38 Erwähnung fand bei dieser Konferenz allerdings nicht, dass der Erfurter Professor Dr. Erich Kleineidam39 seit dem 8. März 1961 zum Mitarbeiter in der Vorbereitunsgkommission „De Studiis et Seminariis“ berufen worden war.40 Er, der bisher seine Mitarbeit auf „schriftlichem Wege“ erledigt hatte, war durch Kardinal Pizzardo zu der Sitzung vom 26. Februar-20. März 1962 nach Rom eingeladen worden, erhielt aber trotz Intervention von Weihbischof Freusberg und Prälat Zinke41 keine Ausreisegenehmigung. Dr. Werner Becker42, Oratorianer aus Leipzig, der 1961 Konsultor im Sekretariat für die Einheit der Christen wurde, war erst zur 2. Sessio in Rom. Man durfte gespannt sein, wie der Staat die Reiseanträge der Konzilsteilnehmer behandeln würde.

Auf der Septemberkonferenz der BOK (19./20. September 1962) teilte Erzbischof Bengsch den Teilnehmern mit, dass er am 14. September 1962 aus Anlass der Reisegenehmigung zum 2. Vatikanischen Konzil ein Gespräch mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen geführt habe und die Erteilung der Reisegenehmigung für alle zwölf vorgesehenen Konzilsteilnehmer mit Sicherheit zu erwarten sei.43

Der Bericht, den Erzbischof Bengsch der BOK vorlegte, machte bereits deutlich, welche Absichten die DDR mit einer Teilnahme der katholischen Kirche der DDR verband. Nachdem Bengsch erläuternd darlegte, dass es internationalen Gepflogenheiten entspräche, dass die Bischöfe und Weihbischöfe zum Konzil mit einem Theologen und einem persönlichem Begleiter fahren, formulierte Staatssekretär Seigewasser44 die Erwartungen der DDR-Regierung:

Falls es beim Konzil zu einer Hetze (gegen die DDR) komme, erwarte die Regierung von den Konzilsteilnehmern aus der DDR, dass sie sich daran nicht beteiligen.45

Zweitens bat der Staatssekretär den Erzbischof, seinen großen Einfluss geltend zu machen, dass die Diskriminierung der DDR-Bürger in Bezug auf Auslandsreisen aufhöre. Seltsam mutet es an, wenn der Vertreter des Staates, der seine Bürger nicht reisen ließ, formulierte: „Während Italien die Bischöfe aus der DDR einreisen lasse, würde dies anderen Gruppen etwa Sportlern und Wissenschaftlern nicht gewährt. Diese Auswahl gehe gegen die Souveränität der DDR.“46 Bengsch erwiderte Seigewasser, dass es unmöglich sei, dass das Konzil zu politischen Fragen Stellung nehme; deshalb könne der Weltepiskopat sich auch nicht mit der deutschen Frage beschäftigen. Seigewasser nannte ergänzend für die von der Regierung gewünschte Haltung der Konzilsteilnehmer aus den Diözesangebieten der DDR als Beispiel die Frage der Diözesangrenzen. Er halte es für möglich, dass der polnische Episkopat diese Frage vor das Konzil bringe. Um nicht selbst die Forderung nach Verselbstständigung der Jurisdiktionsgebiete zu erheben, hatte er nicht ungeschickt mögliche polnische Forderungen genannt.

Bengsch erwiderte, „daß der Hl. Stuhl Diözesangrenzen immer nur und deshalb auch bei uns erst nach Abschluß eines Friedensvertrages festlegen würde. Außerdem sei die Frage der Diözesangrenzen in Deutschland konkordatär geregelt und daher eine Änderung durch Konzilsbeschluß nicht möglich”47.

Nach der 1. Sitzung des II. Vatikanischen Konzils gab der Bischof von Meißen einen eingehenden Bericht auf der Konferenz vom 8./9. Januar 1963. Die Konferenzmitglieder, besonders die, die nicht in Rom sein konnten, waren dankbar für die Berichterstattung, die „ihnen einen Einblick in die für die Weltkirche so bedeutsamen Wochen vom 11. Oktober-8. Dezember 1962“48 gab. In dem vorausgehenden Bericht zur kirchenpolitischen Lage war eindeutig die Frage beantwortet worden, was die DDR-Regierung dazu bewogen habe, so relativ freizügig Reisegenehmigungen zu erteilen. Offenbar hat „Moskau die entscheidenden Weisungen gegeben“49, resümiert Erzbischof Bengsch. „Und offenbar hat auch Moskau die Weisungen gegeben, wie sich Regierungen der sozialistischen Länder in der Konzilsfrage verhalten sollten“, ergänzt er. „Nachdem Moskau seit langer Zeit Erfahrungen damit hat, wie man die Russisch-Orthodoxe Kirche vor den Wagen spannen kann, und nachdem man damit in Neu Delhi auch einen beträchtlichen Erfolg erzielt hat, der im Blick auf die neutralen Staaten auf die afro-asiatischen und die Entwicklungsländer als außenpolitischer Erfolg angesprochen werden kann, lag die Frage nahe, wie man beim Konzil zu einem ähnlichen Erfolg kommen könnte.“ „Der Kommunismus hofft, und zwar nicht ganz zu Unrecht“, analysiert der Erzbischof, „daß die Teilnahme der Bischöfe aus sozialistischen Ländern neben der Dämpfung der antikommunistischen Tendenzen auch den Eindruck erzielt: So schlimm können die Kommunisten ja schließlich nicht sein, man wird schon einen modus vivendi finden“.

Auch wenn im Folgenden auf staatliche Versuche, das Konzil zu beeinflussen, kaum noch eingegangen werden wird, sollten die latenten Bemühungen einer staatlichen Vereinnahmung als kirchenpolitischer Hintergrund präsent bleiben.50

Zu den folgenden Sitzungsperioden des Konzils konnten alle ernannten und ausgewählten Teilnehmer reisen. Lediglich vor der 4. Sitzungsperiode einigte man sich, „um die Gefahr politischer Auflagen zu vermeiden, grundsätzlich nur für die gleiche Zahl wie im vergangenen Jahr die Genehmigung zur Reise zu beantragen“51. Dennoch überschritt man die Teilnehmerzahl der 3. Sessio.

2. Reisemodalitäten

Die Anträge auf Erteilung von Reisegenehmigungen wurden gemeinsam eingereicht und durch Prälat Zinke, dem Geschäftsführer des Commissariates der Fuldaer Bischofskonferenz in Berlin, den verschiedenen staatlichen Stellen in Ost- und Westberlin zur Bearbeitung vorgelegt. Bei der Westberliner Behörde handelte es sich um das westalliierte „Allied Travel Office“. Zu den zwei ersten Sitzungen des Konzils wurden die von ihr ausgestellten sogenannten Travel-Dokumente auch mit Duldung der DDR benutzt.52 Die Antragstellung erfolgte einerseits bei der Regierung der DDR zur Aus- und Einreise und in Westberlin andererseits wegen der notwendigen Visa beim Kontrollrat, wobei Anträge an das italienische und österreichische Konsulat und die schweizerische Delegation ausgefüllt werden mussten. 14 Antragsformulare hatte man im Normalfall vorzulegen, dazu 13 Passbilder. Wer bisher keinen Alliierten-Reisepass besaß, musste zudem eine Geburtsurkunde oder einen Taufschein vorlegen. Ein Konzilsteilnehmer beschrieb in seinem Tagebuch das Abholen der Pässe: „Dank für Pässe, Ankunft bei Prälat Zinke, Übergangsscheine. Alle Pässe dort (in Westberlin) sicher, Invalidenstraße zum Kontrollrat. Zu Zinke.“53

Zur 2. Sitzungsperiode weigerte sich zunächst der Staat, die Benutzung der Travel-Dokumente zu gestatten.54 Der Vorschlag, die Visa zur Einreise nach Italien über die Italienische Botschaft in Prag zu besorgen, wurde vom Italienischen Außenministerium abgelehnt. Über die Nuntiatur werde man künftig versuchen, erklärten die kirchlichen Verhandlungsführer, zeitlich befristete Vatikanpässe zu erhalten. Es blieb schließlich beim alten Modus und der Staatssekretär für Kirchenfragen erklärte am 19. September, dass „der Herr Erzbischof sich in Rom anmelden könne“55. Erst zur 3. Sitzungsperiode musste man „Vatikanpässe“ benutzen, da trotz anderer Versuche nur noch diese Möglichkeit übrigblieb56, die auch zur 4. Sessio genutzt wurde. Ausdrücklich betonte der Staat bei der erneuten Weigerung, die „Machenschaften des alliierten Reisebüros torpedieren“57 zu wollen.

Den Teilnehmern aus der DDR war es nicht erlaubt und möglich, über die Bundesrepublik zu reisen. Es blieb der Weg über die frühere Tschechoslowakei, Österreich oder die Schweiz nach Italien. Reiste man per Flugzeug, führte der Weg von Berlin-Schönefeld nach Wien und von dort per Bahn oder Flugzeug – manchmal mit Zwischenstation in Zürich – nach Rom. Die Zugreise begann in Dresden, führte über Prag nach Wien und Innsbruck und von dort nach Italien, wobei in Österreich und Südtirol häufig Pausen eingelegt wurden. Einige Konzilsteilnehmer benutzten das Auto, mussten aber ebenfalls über die Tschechoslowakei durch Österreich oder auch durch die Schweiz nach Italien reisen. Am meisten Aufsehen dürfte der Schweriner Weihbischof Schräder58 mit seinem „Wolga“ erregt haben, einem sowjetischen Auto, das in DDR-Zeiten als „Funktionärsfahrzeug“ galt.

Da im Normalfall DDR-Bürger kein „Westgeld“ besaßen und sogenannte „Devisenvergehen“ strafbar waren, reiste man ohne Geld; lediglich für die über die Tschechoslowakei Reisenden waren Bons ausgegeben, die es ihnen erlaubten, damit Speisen zu erwerben. Manche Schwierigkeiten ergaben sich, wenn man beispielsweise in Österreich oder Italien etwas zu Essen kaufen wollte. Trotz Deponierung von sogenannten Devisen in Wien oder bei anderen Anlaufstationen und der großen Solidarität der österreichischen und westdeutschen Mitbrüder, kam es immer wieder zu kuriosen Zwischenfällen, die manchmal bei der Bahnhofsmission endeten. Die Rückreisen erfolgten in ähnlicher Weise. Dass manche der Konzilsteilnehmer die Rückreisen nutzten, um Abstecher in die Alpen oder zu touristischen Orten zu unternehmen, sei nur am Rande erwähnt.

3. Teilnehmer und Unterkunft

Quantitative Aussagen vermögen keine Wertungen über die Bedeutung der Konzilsteilnehmer aus der DDR zu geben. Dennoch sei zunächst hervorgehoben, dass die katholische Kirche der DDR – vergleicht man sie mit den anderen Ländern des Ostblocks – zu jeder der Sitzungen gut vertreten war. Die meisten der „ostdeutschen“ Konzilsteilnehmer, vor allem die, die gebürtig aus „Westdeutschland“ stammten oder Theologie in Rom oder einer der deutschen oder österreichischen Universitäten studiert hatten, fanden in Rom frühere Kommilitonen, Freunde oder „Landsleute“. Von besonderer Bedeutung waren auch die Quartiere, die man bezog oder in die man eingewiesen wurde59 und die – zumindest für die meisten – zu Recht als Kommunikationszentren bezeichnet werden können. Hier vollzog sich theologisches Gespräch, persönlicher Austausch und Kontaktpflege, die nach dem Konzil für die Kirche in der DDR bedeutsam blieb. Konzilspausen über Allerseelen und Allerheiligen nutzte man zu Reisen, und so mancher Plan für die DDR-Jurisdiktionsbezirke, wie das Projekt einer Meißner Diözesansynode, entstand dabei.60

Jeweils zwei Professoren des Philosophisch-Theologischen Studiums Erfurt, die die Erfurter Professorenkonferenz aus ihren Reihen als Begleiter bestimmte, wurden zu jeder Sitzung mitgenommen, wobei die Begleitung von Erzbischof Bengsch von ihm selbst festgelegt wurde. Jeweils ein anderer Bischof fungierte als Antragsteller. Außerdem nahmen einige Bischöfe neben ständigen Begleitern auch Diözesanpriester mit, um die „Konzilserfahrungen und Begegnungen“ in die Jurisdiktionsbezirke und Bistümer zu tragen und möglichst viele an dem Konzilsgeschehen teilnehmen zu lassen.

An der ersten Sessio (11. Oktober-8. Dezember 1962) nahmen 12 Personen teil61, an der zweiten (29. September-4. Dezember 1963) 1562, bei der 3. Sitzung (14. September-21. November 1964) waren 17 Teilnehmer aus der DDR anwesend63 und zur letzten Sessio (14. September-8. Dezember 1965) waren es 2164.

An allen Sitzungen nahmen Erzbischof Dr. Alfred Bengsch, Berlin, Vorsitzender der Berliner Ordinarienkonferenz und sein Begleiter Ordinariatsrat Otto Groß65, Chefredakteur des St. Hedwigblattes, teil. Zu jeder Sitzung nahm er einen anderen theologischen Berater mit, und zwar in der Reihenfolge: Domkapitular Erich Puzik66, Neuzelle, Prälat Professor Dr. Erich Kleineidam, Erfurt, Prof. Dr. Heinz Schürmann67, Erfurt und schließlich Dozent Dr. Wilhelm Ernst68, Erfurt. Seit der zweiten Sitzungsperiode nahm auch sein Weihbischof Heinrich Theissing69 und an der 4. Sessio der spätere Ostberliner Generalvikar Ordinariatsrat Prälat Theo Schmitz70 teil. Mit Ausnahme von Dozent Dr. Ernst71 wohnte diese Gruppe in der Via Lucrezio Caro 51.

Bischof Dr. Otto Spülbeck72, Meißen, Bischöflicher Rat Josef Gülden73, Chefredakteur des Tag des Herrn, Leißling, und Pfarrer Hermann Josef Weisbender74, Wilsdruff, nahmen ebenfalls an allen Sitzungen teil. Als Fachtheologe kam zur 4. Sessio Prof. Dr. Johannes Lubsczyk75, Erfurt, hinzu. Die „Meißner“ wohnten bei den Grauen Schwestern von der Hl. Elisabeth, Via dell‘ Olmata 9.

Weihbischof Dr. Friedrich Maria Rintelen76, Magdeburg, und Assessor Eduard Quiter77, Magdeburg haben ebenfalls an allen Sitzungsperioden teilgenommen. Prof. Dr. Bruno Löwenberg, Erfurt, war zur 1. Sessio, Prälat Martin Fritz78, Magdeburg,79 war zur 4. Konzilssitzung als Begleiter mitgereist. Sie alle wohnten bei den Karmelitinnen, Via Trionfale 6157.

Weihbischof Dr. Bernhard Schräder, Schwerin, und Kommissariatsrat Friedrich Kindermann80, Schwerin, die an allen Sessionen teilnahmen, hatten bei der ersten Sessio Prof. Dr. Otfried Müller, Erfurt, als Begleiter. Sie wohnten mit dem Osnabrücker Bischof Wittler in der „Olmata“.

Ab der 2. Sitzungsperiode nahm der Erfurter Weihbischof Hugo Aufderbeck81 am Konzil teil. Zur 2. Sessio hatte er Professor Dr. Fritz Hoffmann82, Erfurt, zur 3. Sessio Professor Dr. Benno Löbmann83, Erfurt, und Domkapitular Karl Schollmeier84, Erfurt, und zur 4. Sessio Msgr. Ernst Göller85, Heiligenstadt, und für wenige Wochen auch Ordinariatsrat Paul Uthe86, Erfurt, als Begleiter gewählt. Sie wohnten bei den „Fuldaern“ Villa Maria Regina, Via della Camilluccia 687.

Bischof und Kapitelsvikar Gerhard Schaffran87, Görlitz, der ebenfalls seit der 2. Sitzungsperiode regelmäßig teilnahm, reiste zur 3. Sitzung mit dem Bischöflichen Sekretär Assessor Hubertus Bauschke88, Görlitz und zur 4. Sessio mit Ordinariatsrat Bernhard Huhn89, Görlitz. Auch diese Gruppe wohnt in der „Olmata“.

Dr. Werner Becker, Consultor im Sekretariat für die Einheit der Christen, Leipzig, nahm seit der 2. Sessio am Konzil teil. Sein Domizil hatte er in der Casa Pallotti, Via die Pettinari 64.

Prälat Johannes Zinke, Berlin, war kurzzeitig zur 4. Konzilssitzung in Rom anwesend.90

Zu den bedeutendsten Vertretern der katholischen Kirche in der DDR auf dem Konzil gehörte zweifelsfrei Erzbischof Dr. Alfred Bengsch. Im November 1961 war er von Johannes XXIII. in die Zentralkommission zur Vorbereitung des Konzils berufen worden.91 In die „Kommission für den Klerus und das christliche Volk“ wurde er zu Beginn des Konzils gewählt.92 Hervorgetan hat er sich als Konzilsvater vor allem in der Schlussphase bei der Diskussion über die Vorlage „Kirche in der Welt von heute“.

Bischof Dr. Otto Spülbeck, Meißen, wurde in die liturgische Kommission gewählt93 und ergriff in dieser Funktion und bei der Diskussion um Gaudium et spes mehrfach das Wort in der Konzilsaula. Weitere Bischöfe waren Mitglieder von Subkommissionen.

Selbstverständlich lassen sich trotz der schwierigen Quellenlage Beispiele für die Konzilsarbeit der „ostdeutschen“ Konzilsbegleiter anführen. Dass ihre Namen weniger in den Medien zu finden waren, mag auch daran gelegen haben, dass sie sich, wie die „ostdeutschen“ Bischöfe überhaupt, aus kirchenpolitischen Gründen mit öffentlichen Äußerungen zurückhielten.

Obschon die periti privati bei der ersten Sitzungsperiode nicht in der Konzilsaula zugelassen waren, haben sie sich an den Zuarbeiten und theologischen Diskussionen engagiert beteiligt. Professor Dr. Otfried Müller wurde zum Sprecher der deutschsprachigen Theologen bei der 1. Sitzungsperiode gewählt. Dies hatte seinen Grund vor allem darin, dass der „Ostprofessor“ wegen seines gediegenen theologischen Wissens in Fachkreisen bekannt war und geschätzt wurde. Natürlich dürften sein einjähriger Studienaufenthalt an der Anima 1937/38 ebenso wie ein gewisser „Ostbonus“ eine Rolle gespielt haben. Wie sehr diese Wahl gerechtfertigt war, zeigt sich aber auch durch die Veröffentlichung des fünfbändigen Sammelwerkes „Vatikanum Secundum“94, das er in Zusammenarbeit mit Werner Becker und Josef Gülden herausgegeben hat. Besonders Band I, der schon 1963 erschien, fand höchste Anerkennung.95

Professor Dr. Erich Kleineidam, Gründungsregens und Gründungsrektor des Erfurter Priesterseminars und Teilnehmer an der zweiten Sitzungsperiode, war, wie bereits dargelegt, an den Vorarbeiten und an der Erarbeitung des Dekretes über die Ausbildung der Priester beteiligt.

Am 12.10.1964 wurde der Erfurter Neutestamentler, Prof. Heinz Schürmann, zum Konzilstheologen berufen.96 Später wurde er (1969), wie auch der Erfurter Moraltheologe Wilhelm Ernst, Mitglied in der durch das Konzil initiierten Theologenkommission. Dr. Werner Becker ist zu nennen, der von 1961 bis 1978 Konsultor im Sekretariat für die Einheit der Christen war. Nicht zuletzt verdient Josef Gülden Erwähnung, der Mitarbeiter von Gerhard Fittkau – Leiter der deutschen Abteilung des Konzilspresseamtes97 – wurde und der durch seine engagierte Berichterstattung über das Konzil in der DDR den Rezeptionsprozess förderte.

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