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An der Nadel

Ella-Marie ist mit diesen und vielen anderen Geschichten aus der Kindheit ihrer Eltern aufgewachsen. Insbesondere ihre Mutter hat ihr und ihrem fast fünf Jahre jüngeren Bruder immer wieder davon erzählt, während ihr Vater über die schmerzlichen Erlebnisse seiner Kindheit bis zu seinem Tod im Jahr 2010 kaum gesprochen hat. Oft war Ella-Marie traurig darüber, keinen ihrer Opas kennengelernt zu haben. Insbesondere ihr Opa mütterlicherseits muss ein sehr lustiger und liebevoller Mensch gewesen sein, immerzu zu irgendwelchem Schabernack und kleinen Späßen bereit. Nach dem unbekannten Verbleib ihres Großvaters hatte ihre Großmutter nie wieder einen Mann an ihrer Seite.

Als Kind der sogenannten Babyboomergeneration erblickte Ella-Marie wie ihr Vater in der Freien und Hansestadt Hamburg das Licht der Welt. Ihre Geburtsstätte war das Allgemeine Krankenhaus Heidberg, eine ehemalige Waffen-SS-Kaserne. Das Kasernengelände mit einer Fläche von 44.000 Quadratmetern war 1937 der bereits erwähnten Mäzenatenfamilie vom Deutschen Reich als Weideland abgekauft worden.241 Heute gehört das Krankenhaus der Asklepios-Gruppe an, dem mit rund 150 Gesundheitseinrichtungen größten Klinikbetreiber in Europa in privatem Familienbesitz.242 Von klein auf wuchs Ella-Marie mit bestimmten Tabus auf. So war es für ihre Mutter aufgrund ihrer eigenen schrecklichen Hungererfahrungen immer ein absolutes Unding, Lebensmittel wegzuwerfen. Aber auch in allen Zimmern Licht brennen oder die Heizung voll aufgedreht zu lassen, während man sich darin gar nicht aufhält, kam nicht infrage. Auch war es in ihrer Familie nicht üblich, jeden Tag zu duschen oder gar ein Vollbad zu nehmen. Selbst ein tropfender Wasserhahn wurde umgehend repariert. Das war so, solange Ella-Marie denken kann. Ihre Mutter war also schon eine Ökoaktivistin vor der Einführung von Energiesparlampen, der Gründung des Clubs of Rome und lange Zeit, bevor die Grünen als regelrechter Bürgerschreck mit zotteligen Haaren, bewaffnet mit Stricknadeln und Wolle, in Sandalen 1983 den Deutschen Bundestag eroberten. Ebenso gehört der verschwenderische Umgang von Klopapier bis Spülmittel bis zum heutigen Tag zu den absoluten Tabus ihrer Mutter. Der achtsame Umgang mit eigenem sowie fremdem Eigentum sowie insbesondere mit der Natur wurden ihr schon als Kind eingeimpft. So liegt von Ella-Marie auch heute nicht mal ein winziges Papierschnipselchen in der Natur herum. Na, wenn das man kein gelebter Natur- und Umweltschutz ist.

Doch, weil hier gerade die Rede vom Impfen ist: Als kleines Kind wurde Ella-Marie nach einer Impfung gegen Pocken in ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung zurückgeworfen.243 Die Pockenimpfung war in der Bundesrepublik Deutschland in der Zeit von 1949 bis Ende 1975 verpflichtend, während es in der Diktatur der Deutschen Demokratischen Republik ab 1950 eine zunehmend ausgeweitete Impfpflicht gab. Ihre Eltern waren damals völlig verzweifelt darüber, das Kind in seiner vormals sehr guten Entwicklung nach der Injektion so regressiv erleben zu müssen. Ella-Marie, die früh sprechen gelernt hatte, sprach kaum noch ein Wort, konnte nicht mehr alleine sitzen und war sehr apathisch. Heute sind nur noch die Narben von der Impfung zu sehen, während glücklicherweise keine bleibenden Schäden hervorgerufen wurden. Wie aber sieht es heute beim Thema Impfen in Deutschland aus?

Am 17. Juli 2019 wurde eine gesetzliche Impfpflicht gegen Masern für Kindergarten- und Schulkinder sowie für Personen ab Jahrgang 1970, die in Kitas, Schulen, Gemeinschaftseinrichtungen oder als Tagesmütter arbeiten, beschlossen. Ebenfalls müssen Asylbewerber und Flüchtlinge sich einer Impfung unterziehen.244 Dies kann natürlich nur geschehen, sofern sich diese überhaupt registrieren lassen. Allen voran ist Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) der größte Befürworter dieser MMR-Kombinationsimpfung gegen Mumps, Masern und Röteln. Er wird sicherlich über gute Kontakte zur Lobbyagentur „Politas“ und damit zur Pharmaindustrie verfügen.245 Seine Informationen über die Fallzahlen wird er wohl direkt von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bekommen, die für das erste Halbjahr 2018 rund 41.000 Infizierungen im europäischen Raum verzeichnete.246 Wohlgemerkt ist die Rede von Infizierten und nicht von 41.000 Maserntoten. Nehmen wir mal nur den kleineren Raum der Europäischen Union gegenüber Gesamteuropa mit 741 Millionen Menschen. In der EU leben 512 Millionen Einwohner. Ein Prozent davon sind 5,12 Millionen Menschen, dann machen 41.000 Infizierte nicht einmal 0,01 Prozent aus. Wenn das mal kein schlagkräftiges Argument für Zwangsimpfungen ist.

Als ein Grund für die Häufung von neuen Masernfällen wird eine bestehende Impfmüdigkeit genannt. In bestimmten Regionen wie beispielsweise Nordrhein-Westfalen wurden im Jahr 2019 von Januar bis Mai 101 Masernerkrankte registriert, weswegen dieses Bundesland den Platz 1 im Masernranking belegt. Prozentual am stärksten betroffen ist jedoch Rheinland-Pfalz mit 6,1 Erkrankten pro 1.000 Einwohner.247 Dabei war es binnen eines halben Jahres im Frühjahr 2015 in Berlin bereits zu weit über 600 Masernfällen gekommen, wobei die Masernwelle von einer Berliner Flüchtlingsunterkunft ausgegangen ist. Dort war die Krankheit bei Asylbewerbern aus Ländern des Balkankrieges wie auch aus Bürgerkriegsgebieten wie beispielsweise Syrien ausgebrochen. In deren Heimatländern war es teilweise zum Kollaps der dortigen Gesundheitssysteme und damit zwangsläufig zu Impflücken gekommen.248 Wen mag es da noch wundern, dass fast die Hälfte aller Masernerkrankungen im Erwachsenenalter auftreten? Impfungen waren bislang auf freiwilliger Basis entsprechend der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission angeraten, wurden also nicht totalitär seitens der Regierung verordnet. Schließlich sind Impfungen Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit im Sinne des Artikels 2 des Grundgesetzes, juristisch demnach als Körperverletzungen zu bewerten.249 Man muss ja nicht wie in den 1950er- und 1960er-Jahren Masern- und Rötelnpartys mit akut erkrankten und gegen diese Kinderkrankheiten nicht geimpften Kindern veranstalten, doch muss es denn gleich eine Impfpflicht unter Strafandrohung in Höhe von bis zu 2.500 Euro sein?250 Warum spricht man den Eltern das Recht ab, über den Sinn oder Unsinn dieser Impfung nach Beratung durch einen Kinderarzt selbst zu entscheiden?

Impfkritische Ärzte will der in Hamburg geborene Frank Ulrich Montgomery mit britischen Wurzeln, ehemaliger Präsident der Bundesärztekammer, nunmehr Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Apotheker- und Ärztebank und seit April 2019 Vorsitzender des Weltärztebundes, die seiner Ansicht nach Unsinn über das Impfen verbreiten würden, aus der Patientenversorgung nehmen.251 Dies würde bedeuten, dass sie nicht mehr am Patienten arbeiten dürfen, sondern an anderer Stelle im Labor oder als Gutachter.252 Und das, wo in Deutschland schon heute vielerorts Ärzte fehlen und die Bundesärztekammer vor erheblichen Engpässen in der medizinischen Versorgung warnt – und zwar durch Montgomery höchstpersönlich.253 Und eben dieser Herr Montgomery mahnte schon zu Beginn 2018 an, die Zulassungen von Ärzten aus Nicht-EU-Ländern auf den Prüfstand zu stellen, da manche „Ärzte“ ihre Berufszertifikate im Heimatland kaufen würden, ohne jemals eine Uni besucht zu haben.254 Was für ein Glück, dass wir in diesem Land so viele Experten haben, deren linke Hand anscheinend nicht einmal weiß, was die rechte Hand tut. In Kanada wurde unterdessen die impfkritische Ärztin Dr. Dena Churchill zu einer Geldbuße in Höhe von 76.000 US-Dollar verurteilt.255 So können Ärzte natürlich auch auf Linie gebracht werden – oder wie heißt es doch so schön: Bestrafe einen, erziehe hundert! Was man so alles in Impfstoffen findet und was Impfungen an Nebenwirkungen zur Folge haben können, findet man auf der Internetseite von Aktives Eigenes Gesundes Immun System (AEGIS) Österreich mit ganz vielen Verlinkungen.256

Risiken und Nebenwirkungen

Wie aber sieht es mit Tuberkulose in Deutschland aus, der gefährlichsten Infektionskrankheit der Welt? Innerhalb von nur zwei Jahren, von 2015 bis 2017, sind mehr als 10.000 neue Tbc-Erkrankte hinzugekommen. Laut dem Tuberkulosebericht des Robert-Koch-Institutes sind hierbei junge männliche Migranten aus Somalia, Eritrea, Syrien, Afghanistan und Rumänien in erster Linie betroffen.257 Brisant an dieser Geschichte ist, dass die Impfkommission seit 1998 eine Tuberkulose-BCG-Impfung nicht mehr empfiehlt. Gründe hierfür sind die günstige epidemiologische Situation in Deutschland mit einem geringen Infektionsrisiko und nicht selten unerwünschte Nebenwirkungen, die in Verbindung mit dieser Impfung auftreten können.258 Drängt sich da einem nicht förmlich die Frage auf, warum man insbesondere die Tbc-Impfempfehlung nicht an die neuen Gegebenheiten anpasst? Was meinen Sie, wie viele Menschen 2017 weltweit an Tuberkulose starben? 500.000? Falsch. 1.000.000? Auch nicht richtig. Es waren 1,6 Millionen Tbc-Tote, also gut 3 Todesfälle pro Minute, während an den Folgen von Aids weltweit „nur“ 940.000 Menschen starben. Dabei gilt die früher auch als Schwindsucht bezeichnete Infektionskrankheit als Armutskrankheit strukturschwacher Regionen in Afrika, Osteuropa und Zentralasien.259 Mit der Verabreichung eines Antibiotikums könnte man Tbc beikommen, doch dazu müsste sie bei einem Patienten zunächst einmal diagnostiziert werden. Darüber hinaus werden die Erreger zunehmend resistenter gegenüber Antibiotika.260 Schon 2018 konnte man lesen, dass Deutschland ein Tuberkuloseproblem im Zusammenhang mit der Migration bekommen habe. Dabei ist in der Zeit von 2014 bis 2016 die Zahl von 4.533 auf 5.959 registrierte Fälle gestiegen, also um 25 Prozent. Da diese Krankheit durch Tröpfcheninfektion übertragen wird, kommt es immer wieder zu Ausbrüchen zum Beispiel in Schulen.261 So zuletzt an einer Schule in Baden-Württemberg im Sommer 2019, an der sich mindestens 109 Schüler und Lehrer infizierten.262

Wer erinnert sich noch an den Sommer 2009, als die WHO die Schweinegrippe zur weltweiten Seuche erklärte? Das ist gerade mal zehn Jahre her und sollte uns allen noch in lebhafter Erinnerung sein. Nein, nicht immer liegt in der Kürze die Würze, denn es musste schnell ein Impfstoff her. Diesem wurden Wirkverstärker, sogenannte Adjuvantien, beigemischt, die ohnehin als problematischer Teil eines Impfserums gelten. So steht beispielsweise Aluminiumhydroxid unter dem Verdacht, u. a. chronische Müdigkeit, Vergesslichkeit, epileptische Anfälle und neurologische Störungen hervorzurufen. Diese Symptome konnte man im Zusammenhang mit dem sogenannten Golfkriegssyndrom nach dem Irakkrieg der 1990er-Jahre verstärkt bei vielen Soldaten in Verbindung mit häufigen Impfungen feststellen, denen sich diese vor dem Einsatz im Kriegsgebiet unterziehen mussten.263 Auch bei der Herstellung des Schweinegrippe-Impfstoffes Pandemrix durch das Unternehmen GlaxoSmith-Kline gab es Probleme mit der Folge, dass es bei diesem Großimpfexperiment mit einem nicht ausreichend getesteten Impfstoff zu Nebenwirkungen in Form allergischer Schocks, Gesichtslähmungen, Zuckungen und möglicherweise von Narkolepsie, einer unheilbaren Schlafkrankheit, kam.264 Das allein ist schon traurig genug, doch es kommt noch trauriger. Da manche Menschen gleich, andere jedoch gleicher sind, wurden Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Minister mit einem anderen Impfstoff ohne die schädlichen Adjuvantien geimpft als das gemeine Volk. Für unsere Regierung, die Mitglieder des Kabinetts und für die Beamten der Ministerien sowie den nachgeordneten Behörden halt nur das Allerbeste. Schließlich sind diese für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zuständig.265 Ist es nicht die arbeitende Bevölkerung, die alles am Laufen hält und die Staatsdiener mit ihren Steuern finanziert, die ihre Ämter schließlich nicht unentgeltlich ausüben?

Zum Glück wurde Ella-Maries Mutter, die ständig – auch während der Schwangerschaft – unter Nasennebenhöhlenentzündungen litt, das Medikament Contergan mit dem Wirkstoff Thalidomid nicht verschrieben. Zwischen 5.000 bis 10.000 contergangeschädigte Kinder mit fehlgebildeten oder fehlenden Gliedmaßen und Organen kamen damals zur Welt. Heute leben allein in Deutschland noch rund 2.400 Contergan-Geschädigte. Zum Glück ist das ja Geschichte, meinen Sie? Keinesfalls! 1998 wurde der Wirkstoff in den USA wieder zugelassen und bis heute kommen beispielsweise in Brasilien Kinder mit Fehlbildungen zur Welt, da man dort mit Thalidomid den jährlich fast 40.000 neuen Lepra-Erkrankten helfen möchte. Lepra, die Krankheit der Aussätzigen, die es seit Zehntausenden von Jahren gibt, was man anhand von Wanderungsbewegungen feststellen konnte, werden die meisten allenfalls noch aus der Bibel kennen.266 Das lückenhafte Gesundheitssystem Brasiliens und das Analphabetentum leistet dem Missbrauch von Thalidomid jedoch Vorschub. Da nützt auch eine Warnung der WHO vor einer Einnahme von zum Beispiel FUNED Talidomida nur wenig. Immerhin wurden die Verpackungen in der Zwischenzeit mit einem Baby ohne Extremitäten versehen.267 Ob das nützen wird?

Während Ella-Marie die Pockenimpfung glücklicherweise ohne bleibenden Impfschaden überstanden hat, ist es einer Klägerin des Jahrgangs 1947, die mit neun Monaten ebenfalls gegen Pocken geimpft wurde, anders ergangen. Die Folgen für die Frau waren halbseitige Lähmungserscheinungen. Ihre gesundheitlichen Einschränkungen wurden aber erst nach über 70 Jahren – Sie haben richtig gelesen, nach über 70 Jahren, wenn so mancher Mensch bereits unter der Erde liegt – als Impfschaden anerkannt.268 Wer aber zahlt bei einem nachgewiesenen Impfschaden? Natürlich das Pharmaunternehmen, werden Sie möglicherweise meinen. Mitnichten. Wenn ein Mensch durch eine Impfung geschädigt wird, erhält er Versorgungszahlungen vom Staat. So bekamen in Rheinland-Pfalz zuletzt 157 Menschen eine monatliche Rente wegen eines anerkannten Impfschadens. Voraussetzung dafür ist, dass für die Impfung eine Empfehlung seitens öffentlicher Stelle vorliegt oder sie vorgeschrieben ist, die gesundheitliche Beeinträchtigung von Dauer und dem Geimpften ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist.269

Doch nun wieder zurück zu Ella-Marie. Ihre Familie ist mit Sicherheit kein rebellischer Revoluzzerclan gewesen, doch gelegentlich bekam die Hamburger Deern ein „Nur weil alle das machen, machen wir das noch lange nicht!“ oder „Wenn dir jemand sagt, spring in die Elbe, wirst du das doch wohl nicht tun!“ zu hören. Ihre Eltern wollten sich hinsichtlich bestimmter Ansichten und Strömungen einfach nicht bevormunden und terrorisieren lassen.

Versorgungslage

Heute mag Folgendes für viele Menschen nahezu ein Ding der Unmöglichkeit sein, gerade weil wir doch ständig auf Konsum getrimmt werden: Während ihrer gesamten Lebenszeit wurde die Wohnzimmereinrichtung der Eltern von Ella-Marie nur ein einziges Mal gegen eine neue ausgetauscht. Gut, es ist die damals übliche rustikale Eichenschrankwand, über deren Schönheit man sicherlich streiten kann, doch erfüllt diese in untadeligem Zustand nach gut 40 Jahren noch immer vollumfänglich ihren Zweck. Auch sieht die gepflegte Ledercouchgarnitur aus den 1980er-Jahren nach wie vor sehr einladend aus. Selbst die „neue“ Einbauküche ist mittlerweile auch schon wieder 30 Jahre alt. Mit dem Einzug eines Geschirrspülers in elektronischer Form, zu dem Ella-Marie ihre Eltern nach langem Hin und Her überreden konnte, verschwanden auch die rauen Hände aus der Tante-Tilly-Palmolive-Werbung sowie so manche Abwaschorgie bei Ella-Maries Familie. Das überzeugendste Argument neben einer stets aufgeräumten Küche war jedoch der geringere Wasserverbrauch eines solchen Gerätes gegenüber dem Abwaschen von Hand. Seitens ihrer Eltern wurde immer sehr wohl überlegt, wofür man sein Geld ausgab, statt es sinnlos zu verprassen oder für Kinkerlitzchen auszugeben. Damals hielt ein Kühlschrank – Ella-Marie weiß heute noch, dass das erste Kühlgerät ihrer Eltern ein italienisches Modell mit dem Namen Pozzi oder so ähnlich war – oder ein Fernseher aber auch mehrere Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte. Und heute? Wer hat es nicht schon selbst erlebt? Nahezu verlässlich geben viele Elektrogeräte oft bereits kurz nach Ablauf der Garantiezeit ihren Geist auf, weswegen die Tester der Stiftung Warentest bereits im Jahr 2013 einen geplanten Verschleiß, der auch als geplante Obsoleszenz bezeichnet wird, festgestellt haben. Dazu gehören zum einen hohe Reparaturkosten, fest eingebaute Akkus, fehlende Ersatzteile, Drucker, die fälschlich leere Patronen anzeigen, oder zum anderen Produkte, die sich nicht reparieren lassen.270 Von Nachhaltigkeit kann keine Rede sein. Was soll´s, der Rubel muss aus Sicht der Wirtschaft doch rollen. Außerdem gibt es ja Garantieverlängerungen – natürlich gegen Aufpreis, versteht sich.

Ella-Marie ging als Kind unheimlich gerne einkaufen. Nur einen Steinwurf entfernt gab es ein winziges Einkaufszentrum mit einem kleinen EDEKA-Markt, dem Obst- und Gemüsehändler Nitsch, der Schlachterei Sass, einem Friseurgeschäft, einem kleinen Blumenladen, in dem auch Loki Schmidt, die Frau von Helmut Schmidt, ihre Blumen kaufte, und einer chemischen Reinigung. Außerdem gab es ein Haushaltswarengeschäft, wo man alles bekam, vom Abfalleimer bis zum Zahlenschloss. Mit einem Einkaufszettel bewaffnet, hat sich Ella-Marie förmlich darum gerissen, losgehen zu dürfen, zumal es bei Nitsch immer ein Stück Obst oder einen Kirschlolli extra gab. Für das tägliche Leben war somit gesorgt und auch die alten Leutchen vom nahe gelegenen Seniorenheim konnten ihre Einkäufe dort tätigen. Wie aber ist es heute mit der Versorgung mit dem Notwendigsten für den Alltag? Heute gibt es kaum noch kleine Lebensmittelgeschäfte, da Lidl, ALDI & Co. diese durch unschlagbare Preise plattgemacht haben. Zudem drohen dank des Onlinehandels deutsche Innenstädte zu veröden.271

Noch schlimmer ist es auf dem Land, wo es nur noch selten den guten alten Tante-Emma-Laden gibt und bestenfalls einmal am Tag für ein knappes Stündchen ein mobiler Bäcker hält. Wer im ländlichen Bereich kein Auto hat, ist regelrecht aufgeschmissen, wenn es um die Befüllung seines Kühlschranks geht. Schließlich gehört die Anbindung an das öffentliche Nahverkehrsnetz vielerorts in Deutschland nicht gerade zu den Glanzleistungen der Verkehrsplaner. Ohne den Einsatz von sogenannten Anrufsammeltaxis oder einen freundlichen Nachbarn würde für so manchen Bewohner im ländlichen Bereich ohne fahrbaren Untersatz der Weg zum Arzt oder zur nächsten Einkaufsgelegenheit ein schier unmögliches Unterfangen sein.272 Das ist alles aber halb so schlimm. Viel schlimmer ist hingegen, dass im Jahr 2019 – Sie wissen ja, wir leben im besten Deutschland aller Zeiten – vor einem Versorgungskollaps gewarnt wird. Es fehlen gemäß der Logistikbranche ca. 60.000 Lkw-Fahrer, Tendenz steigend, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Bereits im Sommer 2018, wohlgemerkt einem Hitzesommer, soll es bundesweit zu Lieferschwierigkeiten mit erfrischendem Mineralwasser gekommen sein, obwohl dies versandbereit war.273 Dabei sind die 560.000 Brummifahrer im Durchschnitt älter als 50 Jahre und gehören einer aussterbenden Berufsspezies an. Nun soll der Beruf des Kraftfahrers für Frauen attraktiver gemacht werden.274 Nun ja, entweder werden es die Frauen richten oder die Regale in den Geschäften bleiben dann eben leer. Die Deutschen werden ohnehin immer dicker, insbesondere die Männer. Daher kann eine FdH-Diät – Friss-die-Hälfte-Ernährung – aufgrund nicht auslieferbarer Lebensmittel durch Fahrermangel doch nur recht sein.275 Zur Not kann Ella-Maries Mutter aber auch noch auf ihre alten Tage einen Führerschein für Lastkraftwagen machen. Dieses Land hat schließlich noch jede Menge Potenzial, da geht noch was. Es ist noch genug Luft nach oben.

Schadstoffalarm

Wie aber stand es um Ella-Maries Vater, der im Gegensatz zu ihrer Mutter im Besitz eines Führerscheins war? Na, wie sollte es anders gewesen sein: Was hat dieser seine Autos immer geputzt, gewienert, gehegt und gepflegt. Besonders stolz war ihr Papa Anfang der 1980er-Jahre auf seinen gebraucht gekauften Mercedes 200D, Typ W123, ein absolut zuverlässiges Gefährt. Fast ein wenig liebevoll bezeichnete er diesen als seinen Heizöl-Bugatti. Dabei war er mit gerade mal 60 PS eine extrem gute Zugmaschine für den Familien-Wohnwagen und darüber hinaus enorm sparsam im Verbrauch. Einziges Manko: Er sonderte damals noch ohne Katalysator und Dieselrußpartikelfilter bläuliche Abgaswolken ab und malte im Winter schwarze Flecken in den Schnee. Von dem Gestank eines alten Diesels soll hier gar nicht die Rede sein. Man mag es nicht glauben, doch so ist es: All dies hat man unbeschadet überlebt wie auch das Waldsterben und das Ozonloch der 1980er-Jahre. Das größte Defizit dieses Wagens war neben dem wenig sportlichen Fahrwerk jedoch seine Farbe: Ein fürchterliches Kackbraun mit Tendenz zur nazibraunen Farbgesinnung. Kein Autohersteller in Deutschland und anderen EU-Ländern würde heute eine solche Farbe für seine Automobile auf den Markt bringen. Spätestens dann würde der Daimler AG der Garaus gemacht werden. Dies scheint gar nicht mal so weit hergeholt zu sein, denn erst im Mai 2019 forderte Kevin Kühnert, der Vorsitzende der Jusos, dass die Bayerischen Motorenwerke alias BMW verstaatlicht werden sollten, frei nach dem Motto: Der Sozialismus ist tot, es lebe der Sozialismus!276

Ja, das Auto war für viele Deutsche über viele Jahrzehnte deren liebstes Kind, während man zunehmend auf das eigentliche Kinderkriegen verzichtete. Im goldenen Westen war der Käfer aus dem Hause Volkswagen – heute übrigens wohl ebenfalls ein undenkbarer Name für einen Autohersteller und aufgrund des Abgasskandals, der vor der US-Umweltbehörde EPA im September 2015 veröffentlicht wurde, ohnehin ein wenig in Verruf geraten – zum Kultfahrzeug geworden. Hingegen entwickelte sich in der DDR der Trabant, liebevoll auch Trabbi genannt, zu solch einem Kultobjekt, wenngleich heute mitunter als Blumenkübel in ostdeutschen Vorgärten ein wenig zweckentfremdet eingesetzt. Nach der Wende im Jahr 1989 knatterten viele ehemalige DDR-Bürger mit ihrem Gefährt aus dem volkseigenen Betrieb (VEB) Zwickau bzw. Sachsenring durch die westdeutschen Innenstädte und verpesteten dank des Zweitakt-Benzin-Öl-Gemisches die Luft. Auch das hat man überlebt und gerne im Sinne der Wiedervereinigung in Kauf genommen. Heute jedoch wird die Autoindustrie mit ihren Verbrennungsmotoren auf Teufel komm raus dämonisiert und es geht ihr zunehmend an den Kragen. Dabei wurde erst im Jahr 2009, also im Schweinegrippejahr, die sogenannte Abwrackprämie im Rahmen des Konjunkturpaketes II in Höhe von 2.500 Euro aus Steuermitteln für die Verschrottung alter Autos und den Erwerb eines Neu- oder Jahreswagens gezahlt. Keine zehn Jahre später werden die Autofahrer, darunter viele Berufspendler, mit Fahrverboten durch willkürlich festgelegte Werte für Stickoxide und Feinstaub drangsaliert.277 Dies, obwohl die Luft in den Innenstädten seit Jahren sauberer geworden ist und die Menschen immer älter werden. Ella-Marie selbst fährt auch einen Volkswagen, der auf 100 Kilometer nur 4,5 Liter Diesel verbraucht. Auch dieses Auto gehört zu den Schummelfahrzeugen der Dieselgate-Affäre und benötigt nach dem Software-Update ein neues Abgasrückführventil. Nur wenig tröstlich ist für sie, dass sie damit nicht alleine ist.278 Die Werkstatt hat mal eben locker 600 Euro dafür aufgerufen. Von Nachhaltigkeit im Sinne von Ressourcen- und Umweltschutz soll hier lieber nicht die Rede sein.

Bei so vielen Schadstoffen in der Luft, was bleibt da noch, wenn man sich kein E-Mobil aus dem Hause Tesla & Co. aufgrund der recht teuren Anschaffungskosten wegen der Batterien leisten kann? Natürlich – das Umsteigen auf das Vergnügen mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Was aber viele nicht wissen: In unterirdischen Bahnhöfen ist die Dosis der Feinstaubbelastung laut DEKRA deutlich höher als an einer viel befahrenen Kreuzung.279 Schaffen wir deswegen jetzt auch die U- und S-Bahnstrecken ab oder gibt es demnächst eine Feinstaubsteuer auf ÖPNV-Tickets? Man wird ja wohl mal fragen dürfen. Aber eine Schuhsohlenabriebsteuer wäre doch sicher für alle angebracht, die nicht barfuß durchs Leben laufen wollen, oder? Schließlich geraten durch das Schuhwerk, ganz gleich ob Laut- oder Leisetreter, rund 100 Gramm Abrieb in Form von Mikroplastik pro Kopf und Jahr in Deutschland in die Umwelt. Schuhe liegen damit auf Platz sieben der Liste der größten Quellen von Mikroplastik, wie das Fraunhofer-Institut in Oberhausen herausgefunden hat.280 Das dürfte insbesondere die Frauenwelt und die Zalando-Schrei-vor-Glück-Fangemeinde sicherlich gar nicht erfreuen. Also lieber der Umwelt zuliebe durchs Leben schreiten als durchs Leben latschen! Füße hoch! Und weil wir gerade von Mikroplastik sprechen: Überhaupt nicht erfreut sind im Zusammenhang mit Kunstrasenplätzen Tausende Amateursportvereine. Diese sind möglicherweise durch ein EU-Verbot von Mikroplastik von einer Schließung bedroht.281 Tja, dann fällt der Sport eben aus und man macht es sich vor der Glotze gemütlich, um so richtig fit in den nächsten Arbeitstag zu starten. Doch dann heißt es wieder, die Deutschen werden immer dicker. Ein echter Teufelskreis! Immerhin kann man in Krisenzeiten wenigstens von seinem Hüftgold ein bisschen zehren. Das große Problem an den winzig kleinen Mikroplastikpartikeln ist, dass sie nahezu überall zu finden sind, selbst im Eis und Schnee der Arktis und der Alpen, wohin sie über das Medium Luft gelangen. Doch das ist noch nicht alles: Dringen diese winzigen Kunststoffteilchen in den menschlichen Körper ein, kann die wichtige Kommunikation der Zellen gestört werden.282 Was das für Auswirkungen beispielsweise auf das Nervensystem haben könnte – es ist nicht auszumalen.

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23 декабря 2023
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