Читать книгу: «FREMDE HEIMAT», страница 3

Шрифт:

Verflucht! Warum war er nur Junior Lieutenant?

Mit einem Stöhnen richtete er sich auf und barg das Gesicht zwischen den Knien. Was gäbe er darum, jetzt an ihrer Stelle zu sein. Oder Zweiter Offizier. Das würde ja schon genügen. Dann hätte sie kein Recht mehr, ihn so abzukanzeln. Wenn der Commander doch nur seine Andeutung wahr machen würde.

Bei Gott, er wünschte das Mabuto nicht. Er mochte ihn. Aber der Zweite Offizier war für dieses Schiff untragbar geworden. Er konnte seine Stelle nicht mehr ausfüllen. Es wurde Zeit, dass der Commander ihn seines Dienstes enthob und jemand anderen an seine Stelle setzte. Jemanden, der fähiger war.

Wieder hieb Alan an die Wand.

Aber er hatte es versiebt. Warum nur hatte er nicht seinen Mund gehalten? Er kannte White doch inzwischen. Er wusste doch, dass sie eine Giftspritze war. Weshalb ließ er es dann immer wieder zu, dass sie ihn provozierte? Weil er ein Idiot war. Weil er ein dreimal verfluchter hitzköpfiger Idiot war. Dass er hier saß, war nur gerecht. Er hatte es nicht anders verdient.

Und was war mit der Crew? Hatte sie es verdient, wenn sie aufgrund seiner Dummheit eine Chance verpasste?

Alan sprang auf und lief zum Schott. Ungewollt ballte er die Fäuste. Es drängte ihn danach, auf die Stahlfüllung einzuschlagen, um sich irgendwo abzureagieren. Um den Zorn loszuwerden, die Wut und die Hilflosigkeit. Stattdessen ließ er die Stirn gegen den Stahl sinken und stemmte die Fäuste dagegen.

Sie feierten jetzt in der Kantine, erinnerte er sich. Dean würde endlich sein Steak erhalten und vielleicht gab es ja sogar Schokoladeneis für Yael. Sie hatten es sich verdient. Sie hatten es verdient zu leben, ein langes Leben, ein glückliches Leben. Nicht diese Scheiße, in der sie hier saßen. Und White verbockte es und machte damit vielleicht ihre beste Chance auf eine bessere Zukunft zunichte.

Und er stand hier und konnte nichts dagegen tun. Nichts.

Alan hob den Kopf. Die Krail-on planten etwas. Er konnte es fühlen. Sie hatten die Sache geschickt eingefädelt, um die drei leitenden Offiziere auf ihr Schiff zu bekommen. Was wenn sie ein Attentat auf sie planten? Jetzt in diesem Augenblick? Bei dem Gedanken wurde ihm übel.

Sollte er Hayes um Hilfe bitten? Aber was sollte er ihr sagen? Dass er den Krail-on nicht traute? Dass er den Commander für inkompetent hielt? Entweder hielt sie ihn dann für paranoid oder für größenwahnsinnig. Das würde weder seine Situation verbessern, noch irgendetwas daran ändern.

Nein, das hatte alles keinen Sinn. Er musste sich zurückhalten und Informationen sammeln, damit er dem Commander handfeste Beweise vorlegen konnte, falls die Krail-on tatsächlich etwas planten. Vor allen Dingen musste er White gegenüber vorsichtiger sein. Sie würde ihre Position gnadenlos ausnutzen, um ihn in die Pfanne zu hauen. Das konnte er sich nicht leisten. Wenn er etwas ausrichten wollte, dann musste er zusehen, dass sich sein Verhältnis zum Commander wieder besserte. Dann würde der ihm zuhören.

Und damit hatte er schon halb gewonnen.

»Was haben Sie sich dabei gedacht, Mister McBride?« Der Commander hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und studierte Alans Gesicht.

Kaffeegeruch kitzelte Alans Nase.

»Nichts, Sir«, gestand er. »Ich war wütend.« Zu seinem Unwillen bemerkte Alan, wie Hitze in seine Wangen stieg.

»Ein für alle Mal, Mister McBride. Halten Sie sich Misses White gegenüber zurück! So, wie es aussieht, werden Sie noch eine recht lange Zeit mit ihr auskommen müssen.«

»Heißt das …« Alan schluckte.

»Unser Gespräch mit den Krail-on ist zu unserer vollsten Zufriedenheit verlaufen. Und wir wurden auch nicht vergiftet. Doktor Hayes hat uns alle drei untersucht. Nichts. Sie können sich also beruhigt wieder Ihrer Arbeit widmen.«

»Sir, es tut mir leid …«

»Nein, Ihr Einwand war berechtigt. Wäre Mister Mabuto in einer anderen Verfassung gewesen, hätte ich ihn geschickt anstelle von Misses White. Aber an seinem Zustand wird sich wohl in absehbarer Zeit nichts ändern. Genau deshalb brauche ich Sie, Mister McBride.«

Alan wurde kalt.

Der Commander ließ den Stuhl nach vorne kippen und legte die Hände auf den Tisch. »Arrangieren Sie sich mit Misses White. Das ist ein Befehl.«

»Aye, Sir. Wie Sie wünschen, Sir.« Als Alan aufstand, verhedderten sich seine Beine. »Danke, Sir.«

»Enttäuschen Sie mich nicht, Mister McBride.« Der Blick des Commanders durchbohrte Alan. Dann griff er nach einem Notepad und widmete sich seinem Inhalt.

Als Alan das Schott öffnete, räusperte sich der Commander, sodass sich Alan noch einmal umwandte.

»Übrigens. Sie haben nichts verpasst in der Kantine. Der Braten soll schauderhaft gewesen sein.«

»Das Essen war … exotisch. Etwas zu körnig für meinen Geschmack. Aber durchaus genießbar.« White plauderte mit Hayes, als Alan in den Besprechungsraum kam. Er nickte den beiden zu und ließ sich auf seinen Platz neben Hayes fallen.

Die Ärztin schenkte ihm ein Lächeln, während White Alan ignorierte, um sich dann von Hayes zu verabschieden und ihren Platz auf der anderen Seite des Besprechungstisches aufzusuchen. Der Platz Mabutos auf der anderen Seite des Commanders an Alans Seite des Tisches war wieder unbesetzt.

Mit einem Seufzen schlug Hayes die Beine übereinander und richtete ihren Blick auf den Commander.

Ein Räuspern zeigte, dass dieser mit seiner Ansprache beginnen wollte. »Die gute Nachricht zuerst. Unsere Verhandlungen mit den Krail-on waren auf ganzer Linie erfolgreich. Wir haben Proviant und Energiereserven erhalten, die für einige Monate reichen werden. Genug Zeit also, um uns nach anderen Quellen und nach Überlebenden umzusehen. Mein Dank an Mister McBride für diese Idee.«

Jemand lachte. Dean klatschte in die Hände und Raceks Bulldoggengesicht verzog sich zu der Andeutung eines Lächelns. »Meine Anerkennung«, flüsterte Hayes Alan zu.

Um den Blicken auszuweichen, die sich auf ihn richteten, studierte Alan die Tischplatte.

Mit einem Räuspern sorgte der Commander für Ruhe. »Nun zu dem Wermutstropfen bei der ganzen Sache.« Er fuhr die Kommandotafel aus der Decke und zeigte auf eine Kursprojektion, die dort abgebildet war. »Zu unserem Leidwesen legte uns Kass-Un Stark nahe, einen Kurs entlang der Grenze des Krail-on-Raums zu wählen. Er wird uns einige Tage mehr Zeit kosten, aber die einzigen Alternativen wären ein Kurs durch den Raum der Irhog oder der Pferdekopfnebel. Meinungen?«

Alan rieb sich die Stirn. Hatte der Krail-on überhaupt so viel Macht, dass er ihnen einen Kurs vorschreiben konnte? Er war nur ein Kass-Un. Und wieso hatte eigentlich keiner der Kass-Umo den Erstkontakt hergestellt, so wie es laut Boldens Aufzeichnungen bei den Krail-on üblich war? Wollte Stark die Reise der Sydney hinauszögern, um Zeit zu gewinnen?

»Sie kennen meine Meinung, Sir«, ergriff White das Wort. »Es gibt keine Alternative. Die anderen beiden Möglichkeiten sind indiskutabel.«

»Ein guter Pilot …« Racek wiegte den Kopf hin und her. Sein Blick traf Alan. »Was meiner Meinung nach wichtiger ist, war ihr Interesse an unserem Hyperantrieb.«

Delacroix runzelte die Stirn. »Das sehe ich ebenso. Aber ein Technikdeal kommt für mich nach wie vor nicht infrage.«

»Ich halte mich da heraus.« Abwehrend hob Hayes die Hände, als sie der Commander ansah.

Sein Blick wanderte zu Alan. »Mister McBride?«

Während Alan krampfhaft versuchte, White zu ignorieren, suchte er seine Argumente zusammen. »Sir«, begann er, »ich traue ihnen nicht. Wir sollten hier schnellstmöglich verschwinden und die Route durch den Pferdekopfnebel wählen.«

»Sie überschätzen sich, Mister McBride.« Whites Worte glichen einem gut platzierten Kinnhaken. »Das Heffner-Manöver durchführen zu können, bedeutet nicht, dass Sie ein guter Pilot sind, sondern beweist nur Ihren Mangel an Verantwortungsgefühl.«

Der Hieb saß. Alan fühlte sich zurückversetzt in die Zeit auf der Akademie, als ihm die Prüfungskommission eröffnet hatte, dass man ihn aufgrund des Heffner-Manövers, das er bei der Abschlussprüfung unerlaubterweise in der Simulation durchgeführt hatte, ohne Abschluss verabschieden wollte. Voll Zorn hatte er die Einrichtung seines Zimmers verwüstet, saß inmitten der Trümmer und erkannte, wie all seine Träume, all seine Wünsche und Hoffnungen zu Staub zerfielen. Er hatte seine Sachen gepackt, Leere in seinem Kopf, und Dean Beschimpfungen an den Kopf geworfen, der gekommen war, um ihn zu trösten.

In diesem Moment war der Kadett mit dem Brief gekommen, in dem die Prüfungskommission »auf Bitten eines ihrer Angehörigen«, Alan den Vorschlag unterbreitet hatte, ein Jahr und die Abschlussprüfung zu wiederholen. Dean hatte eine ganze Nacht gebraucht, um ihn davon zu überzeugen, das Angebot wenigstens in Erwägung zu ziehen. Denn Alan hatte gewusst, was der Preis sein würde, den er genau in diesem Augenblick wieder dafür zahlte: Missgunst und Neid. Selbst jetzt noch, da die Akademie nur noch eine Erinnerung an bessere Tage war. Der Makel verließ ihn nicht.

»Misses White.« Der Commander schlug auf den Tisch. »Lassen Sie Mister McBride ausreden!«

Ein Telefonat mit seiner Mutter hatte ihn damals davon überzeugt, weiterzumachen. »Willst du all deine Träume aufgeben, nur weil du Angst davor hast, jemand könne dir Steine in den Weg legen?« Die Worte hatten seinen Kampfgeist geweckt.

Alan hob den Kopf und biss die Zähne zusammen. »Ma’m, mit Verlaub, aber das tut nichts zur Sache. Sie sollten sich fragen, weshalb der Krail-on uns eine Route vorschlagen kann. Er ist nur ein Kass-Un, keines ihrer Clanoberhäupter, die normalerweise den Erstkontakt herstellen. Woher nimmt er seine Autorität? Entweder spricht jemand durch ihn oder er maßt sich Dinge an, die ihm nicht zustehen. Das ist das Entscheidende.«

»Ich denke, Sie sind paranoid, Mister McBride«, sagte White. »An einen reinen Zufall können Sie wohl nicht glauben?«

Aber ein weiterer Schlag des Commanders auf den Tisch unterbrach sie. »Genug. Ich werde über Ihren Einwand nachdenken, Mister McBride. Ich danke Ihnen allen. Sie können gehen.« Mit einem Nicken entließ der Commander die anwesenden Offiziere.

»Sir«, knirschte White.

»Ich sagte, Sie können gehen.« Die Hand des Commanders wies auf das Schott.

White sprang auf. Mit einem eisigen Blick auf Alan hämmerte sie auf das Bedienungselement neben dem Schott und stolzierte aus dem Besprechungszimmer hinaus.

»War das klug«, fragte Dean. »Übrigens Schach.«

Ein Blick auf das Schachbrett, das zwischen ihnen auf Deans Bett lag, zeigte Alan Deans Dame, die seinen König bedrohte.

»Ich weiß es nicht. Herrgott, ich weiß es nicht, Dean.«

Zornig versetzte Alan seinem König einen Stoß, sodass dieser quer über das Brett segelte. Er sprang von Deans Bett auf, machte zwei Schritte bis zum Schott, strich durch seine Haare, drehte sich um und ließ sich mit dem Rücken gegen das Stahlblech sinken. Dass der Commander trotz des Streits den Weg durch den Krail-on-Raum fortsetzte, war schlimm genug. Da brauchte er White nicht noch als Feind. Sein Blick wurde abgelenkt von einer vollbusigen Schönheit, die in Lebensgröße und mager bekleidet über Deans Bett prangte.

»Hätte ich denn meine Meinung für mich behalten sollen? Du weißt doch, was der Commander zu mir gesagt hat. Er will doch, dass ich ihm meine Ideen vortrage, soll ich da aus Angst, dass White mir einen Strick daraus dreht, schweigen?«

Dean schob das Schachbrett beiseite. »Nein, aber du könntest diplomatischer vorgehen.«

Alan lachte auf. Er ging zurück zum Bett und ließ sich neben Dean fallen. »Das versuche ich doch.«

Dean grinste. »Nicht gut genug, Alter.«

»Ich wüsste nicht, wie ich es besser machen sollte.«

»Indem du beispielsweise aufhörst, alle Doppelschichten an dich zu reißen. White wird dir irgendwann auf die Schliche kommen, jetzt wo sie und der Commander sich Mabutos Schicht teilen. Sie ist nicht dumm.«

»Du hast ja recht.« Mit einem Seufzen stützte Alan das Kinn auf die über den Knien verschränkten Arme. »Aber Pola schafft das nicht. Soll ich denn noch einmal dabei zusehen, wie jemand unter meinem Kommando … zerbricht.« Er quetschte das letzte Wort zwischen seinen Zähnen hervor.

»Alan, du konntest nichts dafür.«

Alan holte tief Luft. »Ich hätte es wissen müssen.«

»Woher denn?«

»Wir waren … die ganze Zeit … beisammen. Ich hätte es wissen müssen.« Alan versuchte, den Kloß hinunterzuwürgen, der in seiner Kehle wuchs.

Behutsam legte Dean die Hand auf seine Schulter. »Sie war nicht die Einzige. Viele haben sich damals … nach der Schlacht umgebracht. Du musst dir keine Vorwürfe machen.«

Alan sah Dean an. »Würdest du es nicht tun, wenn Deirdre sich umgebracht hätte?«

Dean schwieg. Deirdre war auf der Akademie seine Flamme.

Erinnerungen überfielen Alan. An Katsukos Lachen, ihre schlanken Hände, die die seinen streichelten, ihr Blick, in dem alles lag, wonach er sich sehnte – was er aber nie haben durfte. Nicht solange sie beide an Bord des gleichen Schiffes dienten.

»Ich quittiere den Dienst«, hatte sie gesagt, an jenem verrückten Freitag, als sie zurück aufs Schiff gerufen worden waren, nach Alans denkwürdigem Streit mit seinem Vater. Der Tag, an dem sie ausgerückt waren, um einer Nachricht nachzugehen, deren Spur ihnen das Zerstörungswerk der Irhog offenbarte. »Ich quittiere den Dienst, dann können uns die Dienstvorschriften egal sein.«

Sie hatte nie zu ihm gesagt: »Ich liebe dich.«

»Es tut mir leid.« Dean drückte Alans Schulter, bevor er die Hand zurückzog. »Aber, nun ja, es klingt vielleicht verrückt, wenn ausgerechnet ich das zu dir sage. Denk an deine Pflicht.«

»Ich weiß.« Mit brennenden Augen ließ sich Alan gegen die Stahlwand sinken.

»Versuch was Neues«, schlug Dean vor. »Red mit dem Commander! Lass Pola mit seinem Einverständnis wenigstens eine halbe Schicht zusätzlich fahren. Sonst läufst du in Whites Falle.«

»Und Pola? Wie sieht es aus, wenn ich sie beim Commander anschwärze? Immerhin ist sie meine Untergebene.« Hatte er dann nicht genauso versagt, überlegte Alan.

»Du hast alles versucht. Wenn du so weitermachst, machst du dich kaputt, Alter.« Bei den Worten begann Dean, das Schachspiel wegzuräumen.

Mit einem Seufzen strich sich Alan übers Gesicht. »Bin ich so ein mieser Vorgesetzter?«

»Quatsch«, grinste Dean. »Hey, Jäggi ist viel zu feige, um sich umzubringen, und Harrison ist so cool, der pisst Eiswürfel. Ich hab einfach nur Glück gehabt. Das ist alles.«

Gegen seinen Willen musste Alan lachen.

»Mister McBride.«

Whites Stimme glich einem Schlag gegen die Kniekehlen. Alans Schritt stockte. Er kam ins Schleudern, fasste sich im letzten Moment und nahm vor ihr Haltung an. Sie hatte ihn direkt vor der Brücke abgefangen. »Ma’m.«

»Ich warne Sie, Junior Lieutenant. Halten Sie sich zurück oder ich werde irgendetwas finden, das Ihnen das Genick bricht.« Ihre Augen spießten ihn förmlich auf.

»Ja, Ma’m. War das alles, Ma’m?« Alan neigte den Kopf, um einen Gruß anzudeuten. Alles, was er wollte, war, von hier fort zukommen.

»Nein«, fauchte White. »Glauben Sie ja nicht, dass ich tatenlos dabei zusehe, wie Ihre Profilierungssucht einem guten Mann den Gnadenstoß versetzt.«

»Ich habe nicht vor …«

»Denken Sie daran!« Mit einem Schritt kam White auf ihn zu und setzte ihm den Zeigefinger auf die Brust. »Ihr Fürsprecher ist tot. Sie haben niemanden mehr, der die Fehler wieder ausbügelt, die Sie begangen haben.«

Alan sah ihr in die Augen. »Ma’m, ich versichere Ihnen. Ich habe nie einen Fürsprecher gebraucht.«

Mit einem tiefen Atemzug nahm White den Finger von seiner Brust. »Reizen Sie mich nicht, Mister McBride. Ich bin noch nicht mit Ihnen fertig.« Mit diesen Worten ließ sie ihn stehen und öffnete mit einem Schlag auf das Bedienpanel das Schott.

So viel zu deinen Ratschlägen, Dean, dachte Alan.

Diverse Spekulationen kursieren darüber, wie es dazu kommen konnte, dass die Irhog unsere Zivilisation so vollständig und ohne Vorwarnung auslöschen konnten. Immer wieder werden in diesem Zusammenhang Vorwürfe gegen die ExCo Inc. und Präsident Green geäußert: Sowohl Green als auch der Vorstand der ExCo Inc. hätten das Risiko einer kriegerischen Auseinandersetzung wissentlich hingenommen. Diese Vorwürfe sind nicht von der Hand zu weisen, die Hintergründe jedoch komplizierter, als es auf den ersten Blick scheinen mag.

Eine Analyse der Apokalypse, Aaron Silverberg, Politologe

3.

Als Alan die Brücke betrat, war der Commander noch nicht da. Pola räumte mit einem Grunzen das Steuer und kehrte ihm den Rücken zu, bevor sie den Raum verließ. Alan beschloss, diesem Versteckspiel ein Ende zu bereiten und mit ihr nach dieser Schicht zu reden. Mit einem Knopfdruck verbannte er den Displaymodus in eine Ecke des Monitors und stellte auf Basismodus um. Als eine Zahlenkolonne den Monitor überflutete, fühlte er sich gleich wohler.

Das Schott zischte.

Alan warf einen Blick über seine Schulter. Er hatte Delacroix erwartet, aber es war nur Dean, der fünf Minuten zu spät auf der Brücke eintraf.

»Wurde ja auch Zeit«, brummte Jäggi.

Dean ignorierte die Worte und wartete mit Engelsmiene, bis sein Stellvertreter seine Fleischmassen vom Stuhl gehievt hatte.

Das Zischen des Schotts zeigte, dass Jäggi gegangen war.

»Ist der Commander im Bereitschaftsraum?«, fragte Dean in die Runde.

Alan zuckte mit den Achseln und sah Nguyen an, der vor ihm auf der Brücke gewesen war.

Doch dieser schüttelte den Kopf. »Nein, er ist noch nicht aufgetaucht«, setzte Nguyen hinzu. »Misses White hat mir die Brücke übergeben, bevor sie gegangen ist. Ich weiß auch nicht, wo er bleibt.«

Irgendetwas stimmte nicht. Der Commander war noch nie zu spät zu einer Schicht erschienen.

»Gab es irgendwelche Funksprüche, während ich weg war?«, fragte Alan. Vielleicht hatten sich die Krail-on gemeldet und der Commander besprach sich mit White.

Nguyen schüttelte den Kopf. »Nein, Mister McBride. Es sind auch keine verzeichnet.«

»Haben Sie ihn schon gerufen?«

Nguyen starrte Alan an. »Ich … äh … Sie meinen …«

»Haben Sie was an den Ohren?«, mischte sich Dean ein.

Nguyen errötete und betätigte die Schiffskommunikation. »Brücke ruft Commander Delacroix. Ensign Nguyen spricht. Bitte melden Sie sich!«

Alan hatte den Verdacht, dass er keine weitere Silbe herausgebracht hätte.

Es dauerte eine Weile, bis eine Antwort kam. »Krankenstation an Brücke. Doktor Hayes spricht. Commander Delacroix … fühlt sich nicht gut. Ersatz ist unterwegs.« Die Ärztin klang, als stünde sie unter Stress.

Krankenstation? Alan starrte auf seinen Monitor. Er konnte nicht glauben, dass Delacroix wegen einer Lappalie nicht zum Dienst erscheinen würde. Der Besuch bei den Krail-on fiel ihm wieder ein. Aber der Commander hatte ihm doch gesagt, Hayes habe sie untersucht. Es war doch alles in Ordnung gewesen. Doch bevor er den Gedanken zu Ende bringen konnte, öffnete sich das Schott und eine bekannte Stimme ertönte.

»Irgendwelche besonderen Vorkommnisse?« Als sei nichts geschehen, stolzierte White zum Kommandosessel und sah sich um. Als sie Alan entdeckte, lächelte sie. »Auf ein Wort, Mister McBride.« Ohne sich nach ihm umzudrehen, schritt sie Richtung Bereitschaftsraum.

Alan folgte ihr.

»Die wievielte Doppelschicht ist das, Mister McBride?« In Whites Stimme klang Triumph mit.

Der Kaffeeautomat in der Ecke zischelte.

»Ich weiß es nicht genau …« Es war also so weit. Alan biss die Zähne zusammen. Zum Leugnen war er zu stolz. »Die Vierzigste?«, riet er.

»Es sind zweiundvierzig.« White machte eine Pause. Dann trat sie auf Alan zu. »Zweiundvierzig«, wiederholte sie. »Seit anderthalb Monaten umgehen Sie meine Anordnungen. Können Sie mir sagen, warum, Mister McBride?«

Statt einer Antwort hob Alan den Kopf. Ohne mit der Wimper zu zucken, sah er ihr in die Augen.

»Ich warte.«

»Mit Verlaub, Ma’m. Aber ich glaube nicht, dass Sie meine Gründe wirklich interessieren. Ich will mit dem Commander sprechen.«

Whites Gesicht wirkte unnatürlich bleich. »Ich habe Sie gewarnt, Mister McBride«, sagte sie. »Sie sind mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert.«

»Wie Sie wünschen, Ma’m.«

White stierte ihn an, bevor sie sich mit einem Ruck umdrehte und die Hand ausstreckte, um den Öffnungsmechanismus des Schotts zu bedienen. Ihre Finger fuhren ins Leere. Sie stolperte und hielt sich im letzten Augenblick am Rahmen des Schotts fest.

»Ma’m? Alles in Ordnung?« Der Anblick erschreckte Alan. Der Zorn war vergessen. Sofort sprang er neben sie, um ihr zu helfen.

Aber White fegte seine Hände beiseite. »Fassen Sie mich nicht an!«

Alan wich zurück. Ihre Finger hinterließen kalten Schweiß auf seiner Hand.

White verfehlte wieder den Öffnungsmechanismus. Sie keuchte.

»Soll ich nicht besser Doktor Hayes rufen?«

»Unterstehen Sie sich!« Ihr Atem schlug ihm entgegen, roch nach Essig und Fäulnis. Sie straffte sich und schlug mit der Faust auf das Bedienungselement, sodass das Schott vor ihnen aufglitt. Mit kleinen Schritten stakste sie zu dem Stuhl vor der Kommandotafel. Sie musste sich daran festhalten, bevor sie sich hineinfallen ließ. »Rufen Sie Miss Skobzewa, damit Sie Ihren Platz einnehmen kann, Mister McBride!«

»Ma’m, Sie sollten Doktor Hayes …«

»Tun Sie, was ich Ihnen sage«, fauchte White.

Alan presste die Lippen aufeinander, schloss das Schott hinter sich und schritt zu seiner Konsole. Seine Hand ballte sich schon zur Faust, um auf den Schalter der internen Schiffskommunikation zu schlagen, als Nguyens Worte ihn innehalten ließen.

»Ein Schiff, Ma’m! Es sind die Krail-on.«

Alan wirbelte herum. »Ma’m?« Bei dem Anblick, der sich ihm bot, blieb Alan das Wort in der Kehle stecken.

Mit weit aufgerissenen Augen stierte White ihn an. Ihre Hände zuckten, Speichel lief aus ihrem Mund, während ihre Lippen versuchten, Worte zu formen – als riefe sie ihn um Hilfe.

Der Moment wurde durch Nguyens Aufschrei in Stücke geschlagen. »Sie greifen uns an!«

Mit einem Schlag kehrte Ruhe in Alan ein. Seine Faust fuhr auf den Schalter der Schiffskommunikation herab. »Arzt und leitender Offizier auf die Brücke! Notfall!«

Alans Stimme ging im einsetzenden Alarm unter. Der Feindalarm tauchte die Brücke in rotes Licht. Alan glitt hinter seine Tastatur und hämmerte auf sie ein. Die Zahlenkolonnen änderten sich, zirkulierten. Alan gab eine Korrektur ein, noch eine. Die Zahlen beruhigten sich. Die Spuren, der auf sie zukommenden Geschosse im Displayfenster wurden nach und nach durch die Geschossabwehrphalanx eliminiert.

»Kein Treffer«, keuchte Dean.

Die Zahlen vergrößerten sich, uferten aus. Der Punkt im Displayfenster näherte sich, trieb einen fächerartigen Mückenschwarm vor sich her. Schweiß stand auf Alans Stirn. Seine Finger gaben Gleichungen ein, änderten Zahlen, jonglierten mit Daten.

»Mister Nguyen! Status!«, rief er.

Eine der Mücken kam durch. Ein Beben lief durch den Boden. Das Licht flackerte.

»Treffer!« Das war Dean.

Von Nguyen war nichts zu hören.

Lieber Gott, betete Alan, bitte lass es nicht die Triebwerke sein … Er schob Zahlen von rechts nach links, änderte Bezugswerte.

»Mister Nguyen«, schrie er. »Status, verflucht!«

Stattdessen meldete sich erneut Dean. »Treffer, Lagerräume. Scheiße! Die schießen uns in Stücke.«

Alan hieb auf den Schalter für die interne Kommunikation. »Leitender Offizier auf die Brücke! Commander Delacroix!«

Die Zahlen auf seinem Monitor fluktuierten.

Es knackte im Komm. Hayes’ Stimme ertönte. »Krankenstation an Brücke. Miss Kuosmanen ist zu ihnen unterwegs. Ich … Der Commander ist tot.«

Das konnte nicht wahr sein! Nicht der Commander! Mit zitternden Fingern hämmerte Alan auf die Tasten, beruhigte den Zahlenfluss und betätigte wieder die interne Kommunikation.

»Lieutenant Mabuto! Melden Sie sich! Notfall!«

Unruhe entstand in der Zahlenkolonne. Im Displayfenster spuckte der Punkt erneut einen Mückenschwarm aus. Blind tippte Alan eine Zahlenfolge ein. Eine Mücke kam durch. Eine Erschütterung lief durch Alans Pult. Ein weiteres Mal flackerte das Licht.

»Treffer«, schrie Dean. »Ausfall Hyperantrieb.«

Vorbei. Damit hatten sie keine Möglichkeit mehr, zu flüchten.

Die Zahlen vermehrten sich, wurden größer. Der Punkt im Displayfenster wendete und kam auf sie zu.

»Feuer, Dean!« Alan wusste nicht, ob er die Worte nur gedacht oder tatsächlich ausgesprochen hatte.

Den Bruchteil einer Sekunde herrschte Stille auf der Brücke.

Endlich antwortete Dean mit zusammengebissenen Zähnen: »Mit Vergnügen.«

In den Zahlen entstand Hektik. Schweiß tropfte von Alans Kinn. Seine Finger gaben Daten ein, eine Gleichung. Die Zahlenkolonne fluktuierte rhythmisch, passte sich an, beruhigte sich.

»Treffer!«, jubelte Dean.

Wieder pulsten die Zahlen, flauten ab.

»Treffer!«

»Sie rufen uns.« Nguyens Stimme war nur ein Krächzen.

»Mister Nguyen, aktivieren Sie die Übersetzungsdatei!« Weshalb gab er eigentlich die Befehle, wunderte sich Alan. Warum nicht Dean – er war doch der Dienstältere.

Aber weder Dean noch Nguyen protestierten.

Auf dem Sichtschirm erschien derweil das Bild des Krail-on, den sie am Tag zuvor getroffen hatten. »Hier spricht Kass-Un Stark von Starks Klinge. Unterwerft Euch! Sonst werden wir Euch vernichten!«

In diesem Moment stürmten Pola und Yael auf die Brücke und nahmen ihre Plätze ein.

»Sir?« Nguyens Stimme zitterte.

Alan begriff erst im zweiten Moment, dass ihm die Frage gegolten hatte. Er strich durch seine Haare und warf einen Blick in die Runde.

Alle sahen ihn an.

Erneut betätigte Alan die interne Kommunikation. »Lieutenant Mabuto! Leitender Offizier auf die Brücke! Wir brauchen Sie!«

Das Schott ging auf. Doch es war nur Jäggi, der sich schnaufend neben Dean auf seinen Platz fallen ließ.

Bevor sich Alan entscheiden konnte, was er tun sollte, kam Nguyen ihm zuvor. »Eine weitere Nachricht, Sir.«

»Lassen Sie sie hören!«, antwortete Alan und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Kommandotafel hinter ihm.

Das bekannte Gesicht erschien. Die Augen mit den schlitzförmigen Pupillen funkelten. »Ich warne Euch ein letztes Mal! Unterwerft Euch! Dann erwäge ich, Eure Unverschämtheit zu vergeben. Ich gewähre Euch ein Mikron, um Euch zu entscheiden.«

Das hieß, zwei Minuten Galgenfrist. Alan hieb auf den Schalter der Schiffskommunikation. Jetzt konnte sie nur noch Racek retten. »Maschinenraum an Brücke. McBride spricht. Wie sieht es bei Ihnen aus, Lieutenant Racek? Können Sie den Hyperantrieb reparieren?«

Statt der erwarteten Reibeisenstimme von Racek antwortete eine weibliche. »Maschinenraum an Brücke. Hier spricht Petty Officer Apilanez. Mister Racek ist tot. Aber den Hyperantrieb zu reparieren, dürfte kein Problem sein. Ein paar Relais wurden überlastet, aber die können wir austauschen.«

»Der Chief ist tot?«

»Ja, Mister Benton war hier, aber er konnte nichts mehr für ihn tun. Bis er bei uns war, war es schon zu spät. Gift, wenn ich mich nicht irre.«

Der Krail-on, durchzuckte es Alan. Der Mistkerl hatte sie vergiftet, alle drei! Und jetzt kam er, um sie wie eine reife Orange zu pflücken. Eine Welle der Wut durchfegte ihn. Aber nicht mit ihm! Der Bastard sollte sich an der Sydney die Finger verbrennen. Dafür würde er sorgen!

»Wie lange werden Sie brauchen, Miss Apilanez?«

Etwas platzte im Maschinenraum. Man hörte Apilanez kauen, ehe sie antwortete: »Anderthalb Stunden. Vielleicht nur eine.«

»Dann fangen Sie damit an! Und beeilen Sie sich! Unser Leben hängt davon ab. McBride Ende.«

Alan starrte auf die Kommandotafel und zerrte sein Wissen über die Krail-on in sein Bewusstsein. Zwei Dinge drängten sich nach vorne: Es regierte das Recht des Stärkeren. Meinungsverschiedenheiten wurden mit Duellen entschieden.

»Die Zeit läuft gleich ab«, erinnerte Dean ihn.

»Mister Mabuto?«

Dean schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn gerufen, während du mit Miss Apilanez gesprochen hast. Keine Antwort.«

Mochte Mabuto ihm gnädig sein! Mit einer Drehung stand Alan auf.

»Dean, Mister Nguyen, hebt White aus dem Stuhl und legt sie dort neben die Tür!«

»Was hast du vor?«, fragte Dean.

»Ihnen die Antwort geben, die sie verdienen.« Der Herzschlag dröhnte in Alans Ohren. Wie durch eine Milchglasscheibe beobachtete er Dean und Nguyen, die die Leiche von Lieutenant Commander White aus dem Sessel hoben und zur Tür trugen. Als sie sie abgelegt hatten, trat er neben sie und beugte sich über sie. Immer noch war in ihren Augen das Entsetzen zu lesen. Dieses Ende hatte er ihr nicht gewünscht.

Sie hatte nicht geschrien, erinnerte er sich. Bei Gott, er wollte nicht wissen, was sie gefühlt hatte. Seine Finger strichen über ihre Stirn, glitten über ihre Augen und schlossen sacht ihre Lider.

»Die Zeit ist um.«

Alan nickte Dean und Nguyen zu. »Mister Nguyen, ich werde ihnen antworten. Grenzen Sie den Aufnahmebereich so ein, dass er nur mich sehen kann.«

»Ja, Sir.«

Einen Moment zögerte Alan, dann zog er die Uniformjacke aus und legte sie über Whites Gesicht, bevor er sich in den Kommandostuhl setzte.

»Sind Sie bereit?«

Alan nickte und wandte er sich der Stelle zu, wo er das Aufnahmegerät wusste. Er straffte sich und versuchte, all den Zorn und die Wut hinunterzuschlucken, die in ihm wühlten. »Hier spricht Kass-Un McBride von der Sydney. Ich lehne Ihr Angebot ab.«

959,41 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
620 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783957658920
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают