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3. Verantwortlichkeiten im Rahmen der LMIV

Für die Konformität jeglicher Informationen über ein Lebensmittel mit der LMIV ist nach Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 LMIV

„der Lebensmittelunternehmer, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel vermarktet wird oder [...] der Importeur, der das Lebensmittel in die Union einführt“,

verantwortlich. Diese Verantwortlichkeit wird auch als Primärverantwortlichkeit bezeichnet.17

Ergänzend statuiert Art. 8 Abs. 3 LMIV ein Abgabeverbot für den Fall, dass Unternehmer Informations- oder Kennzeichnungsfehler kennen oder annehmen müssen. Dadurch soll aber nicht die primäre Verantwortlichkeit für die Lebensmittelkennzeichnung aus Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 LMIV auf potenzielle Unternehmer mit derartigen Kenntnissen – also in erster Linie Zwischen-, Groß- und Einzelhändler – ausgeweitet werden, sondern diese verbleibt – entsprechend der vorrangigen Verantwortlichkeit auf Herstellerebene nach Art. 19 Abs. 2 BasisVO – an gleicher Stelle.18 In der Praxis bedeutet dies, dass Händler bei Kenntnis von Mängeln des Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD) bzw. Verbrauchsdatums (VD), etwa durch ein ungeeignetes Verfahren zu dessen Bestimmung, ein solches Lebensmittel nicht nach Abs. 3 in Verkehr bringen dürfen. Eine solche Kenntnis kann sich beispielsweise aus Beanstandungen der Kunden ergeben.19

Zusätzlich tragen sowohl der nach Abs. 1 und Abs. 2 primärverantwortliche Vermarkter als auch ein anderer Lebensmittelunternehmer eine eigenständige, ergänzende, sekundäre Verantwortung nach Art. 8 Abs. 5 LMIV. Die dortige Formulierung entspricht der allgemeinen Regelung nach Art. 17 Abs. 1 BasisVO und kann daher als Auffangverantwortlichkeit verstanden werden. Demnach

„stellen die Lebensmittelunternehmer in den ihrer Kontrolle unterstehenden Unternehmen die Einhaltung der für ihre Tätigkeiten relevanten Anforderungen des Lebensmittelinformationsrechts und der einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften sicher und prüfen die Einhaltung dieser Vorschriften nach.“

Diese Verpflichtung erfüllen sie vor allem in Form von Schlüssigkeitsprüfungen und Stichproben. Sie ergänzt außerdem Art. 8 Abs. 3 LMIV, wonach keine rechtlich zu beanstandenden Lebensmittel in Verkehr gebracht werden dürfen.

Gleichzeitig soll diese Prüfpflicht jedoch nicht die staatliche Aufgabe der amtlichen Lebensmittelkontrollen nach Art. 17 Abs. 2 BasisVO i.V.m. der KontrollVO erleichtern. Es ist nicht die Aufgabe des nach Abs. 5 nur Sekundärverantwortlichen zu prüfen, ob der nach Abs. 1 Primärverantwortliche seine Pflichten erfüllt hat.20 Der Händler soll also nicht kontrollieren, ob der Hersteller generell das MHD richtig berechnet, sondern er muss stichprobenartig überprüfen, ob ein MHD angegeben und ob dieses zumindest schlüssig – also etwa nicht in der Vergangenheit liegend – ist. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte für einen Verstoß, so besteht auf nachrangiger Stufe die Pflicht, den Hersteller zu entsprechenden Maßnahmen anzuhalten.21

Setzt also ein Lebensmittelproduzent TTI zur Bestimmung des MHD oder des VD ein und wissen Händler auf folgenden Stufen der Lieferkette davon, so sind sie nach Art. 8 LMIV nicht dazu angehalten zu überprüfen, ob dieser TTI seine Bestimmung erfüllt und zu korrekten Datumsangaben führt. Hierfür ist allein der primärverantwortliche Vermarkter zuständig.

Änderungen und Ergänzungen

Das Konzept, TTI als intelligentes Label zur Verringerung der Lebensmittelverschwendung und zur Verhinderung unnötiger Lebensmittelabfälle einzusetzen, setzt unter Umständen voraus, dass ein einmal angebrachtes MHD bzw. VD geändert werden kann. Art. 8 Abs. 4 LMIV enthält die Befugnis zu solchen Änderungen und Ergänzungen.22

Die Vorschrift beschränkt sich dabei – anders als etwa in Abs. 2 – nicht auf den „für die Information über das Lebensmittel verantwortliche[n]“ Lebensmittelunternehmer. Der Wortlaut spricht somit nicht dagegen, allen Lebensmittelunternehmern entlang der denkbaren Lieferketten die Änderungsbefugnis zuzusprechen. Auch die Systematik legt dies nahe, indem Abs. 4 S. 2 dem Ändernden die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Änderung zuweist.

Drei Grundkonstellationen sind bei der Änderung der Kennzeichnung zu unterscheiden:

Nimmt der nach Art. 8 Abs. 1 und 2 LMIV primärverantwortliche Vermarkter die Änderung vor (Konstellation 1), so bleibt Abs. 4 S. 2 ohne Konsequenzen.

Die beiden anderen Konstellationen betreffen den Fall, dass ein anderer als der Vermarkter die Kennzeichnung ändert. Dies kann mit und ohne Zustimmung des primärverantwortlichen Vermarkters geschehen.

Die Änderung mit dessen Einverständnis ist wiederum unproblematisch. Sie findet weiterhin im Verantwortungsbereich des Vermarkters statt, ohne dass sich Art. 8 Abs. 4 S. 2 LMIV auswirkt. Denn für die Abgrenzung und die Zuteilung der „Änderungsverantwortlichkeit“ nach Art. 8 Abs. 4 S. 2 LMIV ist nicht entscheidend, wer die tatsächliche Änderungshandlung getätigt hat, sondern wer die inhaltliche Entscheidung trifft.23

Die Änderung mit Einverständnis des Vermarkters (Konstellation 2) stellt sich im Ergebnis als Unterfall der Änderung durch den Vermarkter dar. Für denjenigen Lebensmittelunternehmer, der die tatsächliche Ergänzung bzw. Veränderung vornimmt, verbleibt es – wie oben dargestellt – bei seiner Sekundärverantwortlichkeit aus Art. 8 Abs. 5 LMIV, jedenfalls solange er nicht seinerseits als Vermarkter auftritt.24

Art. 8 Abs. 4 S. 2 LMIV kommt daher erst in der dritten Konstellation zur Geltung, wenn eine Änderung oder Ergänzung ohne Einverständnis des Vermarkters vorgenommen wird (Konstellation 3). In diesem Fall ist der ändernde Lebensmittelunternehmer und nicht mehr der Vermarkter aus Abs. 1 und Abs. 2 hierfür verantwortlich. Dies gilt unabhängig davon, ob er die Änderung zur Behebung eines Kennzeichnungsfehlers oder aus absatzfördernder Eigenmotivation vornimmt.

17 Meisterernst, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 8 Rn. 24. 18 Voit, in: Voit/Grube, Art. 8 Rn. 50–52; Meisterernst, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 8 Rn. 50–51; Roffael/Wallau, LMuR 2020, 10 (16). 19 Voit, in: Voit/Grube, Art. 8 Rn. 50–52; Meisterernst, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 8 Rn. 50–51. 20 Voit, in: Voit/Grube, Art. 8 Rn. 30; Meisterernst, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 8 Rn. 37. 21 Roffael/Wallau, LMuR 2020, 10 (16); bereits Jägerhuber, ZLR 1982, 216 (220–221). 22 Meisterernst, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 8 Rn. 43; Voit, in: Voit/Grube, Art. 8 Rn. 45. 23 Voit, in: Voit/Grube, Art. 8 Rn. 48. 24 So im Ganzen mit z.T. unterschiedlicher Begründung Voit, in: Voit/Grube, Art. 8 Rn. 33, 48; Meisterernst, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 8 Rn. 49.

4. Irreführungsverbot

Jegliche Informationen über Lebensmittel dürfen wegen Art. 7 Abs. 1 LMIV nicht irreführend sein. Eine Irreführung liegt in diesem Sinne allgemein definiert vor, wenn sich die Information, wie sie sich tatsächlich darstellt, von dem unterscheidet, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher diese Angabe wahrscheinlich auffassen wird.25

Die Prüfung der potenziellen Irreführung erfolgt in drei Schritten: Zuerst wird ermittelt, welche Information tatsächlich vorliegt und welche Aussage gemacht wurde. Dabei ist die Gesamtaufmachung einschließlich Werbeaussagen, Bildern und erläuternder Angaben zu berücksichtigen. Eine nachträgliche Aufklärung ist dagegen nicht mehr relevant. Zweitens folgt die Ermittlung dessen, wie ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher dies versteht. Unerheblich ist, ob tatsächlich eine Person die Aufmachung so verstanden hat, sondern es zählt allein die abstrakte Eignung zur Irreführung. Im letzten Schritt wird festgestellt, ob die getätigte Aussage und das Verbraucherverständnis auseinanderfallen. Ist dies der Fall, ist die Information irreführend.26

Für eine geänderte Kennzeichnung bekräftigt die spezielle Regelung in Art. 8 Abs. 4 S. 1 LMIV das Irreführungsverbot. Es gilt für alle genannten Konstellationen einer Kennzeichnungsänderung. In der Vorschrift wird es um den Zusatz ergänzt, dass eine solche Kennzeichnung auch nicht in anderer Weise den Verbraucherschutz und die Möglichkeit des Endverbrauchers, eine fundierte Wahl zu treffen, verringern darf.27 Der Zusatz weitet die Pflichtkennzeichnung nicht aus, sondern soll verhindern, dass vom Vermarkter freiwillig angebrachte Zusatzinformationen, etwa eine Bio-Kennzeichnung oder Gütesiegel, unter Berufung auf die allgemeine Änderungsbefugnis aus Art. 8 Abs. 4 LMIV entfernt werden.28

Die Regelungen der LMIV in Bezug auf das Irreführungsverbot sind speziell zum allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Irreführungstatbestand aus § 5 UWG29, der zwar neben dem lebensmittelrechtlichen Irreführungsverbot anwendbar bleibt, aber in dessen Lichte ausgelegt werden muss.30

Darüber hinaus kann eine Lebensmittelkennzeichnung nicht nach § 5a UWG irreführend wegen des Vorenthaltens wesentlicher Informationen sein, sofern den insoweit abschließenden Pflichtkennzeichnungsregeln des Lebensmittelrechts entsprochen wurde, auch wenn ein weitergehendes Informationsbedürfnis der Verbraucher besteht.31 Mit den Pflichtkennzeichnungsregeln sind vor allem die nach Art. 9ff. LMIV vorgeschriebenen Informationen gemeint.

Fehlen dem Verbraucher Informationen, die er erwartet hat, beispielsweise ein Hinweis darauf, dass ein korrekt abgegebenes MHD bereits abgelaufen ist, so kann demzufolge eine Irreführung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 LMIV bzw. § 5 UWG nur in einer Handlung, etwa der Art und Weise der Produktpräsentation im Ladengeschäft, aber nicht im Unterlassen dieses Hinweises im Sinne von § 5a UWG liegen.32

Außerhalb des Anwendungsbereichs der LMIV, insbesondere wenn Informationen im B2B-Verkehr verbleiben, ist dagegen § 5 UWG als Irreführungsmaßstab allein anwendbar.

25 Siehe nur Meisterernst, § 9 Rn. 21; Grube, in: Voit/Grube, Art. 7 Rn. 46. 26 Vgl. Rathke, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 7 Rn. 17–39, 54–57; Grube, in: Voit/Grube, Art. 7 Rn. 45–47; Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG § 5 Rn. 105–106. 27 Hagenmeyer, LMIV, Art. 8 Rn. 6; Dévényi, EFFL 2011, 210 (212); Voit, in: Voit/Grube, Art. 8 Rn. 45. 28 Vgl. Meisterernst, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 8 Rn. 46; Voit, in: Voit/Grube, Art. 8 Rn. 47. 29 Im Kontext mit Informationen an Verbraucher ist das UWG im Lichte der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken – UGP-Richtlinie) auszulegen. 30 Siehe nur Grube, in: Voit/Grube, Art. 7 Rn. 23; Ruess, in: MüKo Lauterkeitsrecht, Bd. 1, UWG § 5 Rn. 130. 31 Grube, in: Voit/Grube, Art. 7 Rn. 24–27; BGH, Urt. v. 2.12.2015, Az. I ZR 45/13 (Himbeer-Vanille-Abenteuer II), ZLR 2016, 520, Rn. 23; Meisterernst, § 9 Rn. 28; Rathke, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 7 Rn. 177, siehe aber auch Rn. 178–180; a.A. Fezer, VuR 2015, 289 (291–292); Köhler, WRP 2014, 637 Rn. 28, allerdings auch Rn. 8–11. 32 Vgl. Rathke, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 7 Rn. 176–177; Michalski/Riemenschneider, BB 1994, 588 (588–589)

5. Mindesthaltbarkeits- und Verbrauchsdatum als verpflichtende Angaben

Nicht nur die Partner im Verbundprojekt Intelli-Pack, sondern auch zahlreiche weitere Stimmen aus unterschiedlichen Gebieten33 sehen Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) und Verbrauchsdatum (VD) als Hebel, um die Lebensmittelproduktion nachhaltiger zu gestalten und Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Liegt ein zur Abgabe an den Endverbraucher bestimmtes Lebensmittel vor, so ist ihm gemäß Art. 6 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. f, Art. 24 LMIV als verpflichtende Angabe ein MHD oder VD beizufügen.

Zunächst wird der Anwendungsbereich dieser Pflichtangabe dargestellt. Dabei zeigt sich, dass TTI das aufgedruckte Haltbarkeitsdatum als Pflichtangabe derzeit nicht ersetzen können.

a. Mindesthaltbarkeitsdatum

Das MHD bezeichnet gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. r LMIV

„das Datum, bis zu dem dieses Lebensmittel bei richtiger Aufbewahrung seine spezifischen Eigenschaften behält“.

Obwohl sich das MHD demnach auf „dieses“ Lebensmittel bezieht, wird dadurch nicht die Pflicht statuiert, für jedes einzelne Exemplar, also für jede Packung Bratwurst oder für jeden zusammengestellten Convenience-Salat, ein individualisiertes MHD zu bestimmen. Das MHD nimmt vielmehr eine generelle, typisierende Perspektive auf die Lebensmittelgattung ein.34 Das anzugebende Datum informiert über einen Zeitraum, in dem spezifische Eigenschaften bzw. die Sicherheit eines Lebensmittels der jeweiligen Gattung unter der Voraussetzung der richtigen Aufbewahrung gewährleistet werden. Mit den „spezifischen Eigenschaften“ sind dabei die selbstverständlich von den Verbrauchern vorausgesetzten sowie die durch werbende Angaben des Lebensmittelunternehmers ausgelobten und dadurch von den Verbrauchern erwarteten Produkteigenschaften gemeint.35

Der Blickwinkel ist mithin ein genereller auf die Lebensmittelgattung im Gegensatz zu einer konkreten Betrachtung des einzelnen Lebensmittels, welche etwa für die Sicherheitsbewertung nach Art. 14 BasisVO – vor oder nach Ablauf des MHD – notwendig ist.36 Daraus folgt außerdem, dass das Nichterreichen des MHD in Einzelfällen nicht notwendig die Ungeeignetheit des verwendeten Datums impliziert.37

Das MHD gilt ferner unter der Voraussetzung der „richtigen Aufbewahrung“. Damit ist klargestellt, dass aus rechtlicher Sicht etwaige Unterbrechungen der Kühlkette – gleich an welcher Stelle des Produktlebenszyklus von Herstellung bis Verbrauch – bei der Bestimmung des MHD nicht berücksichtigt werden müssen. Bei nicht sachgerechter Lagerung verliert das MHD im Sinne der LMIV seine Garantiefunktion dafür, dass das Produkt seine spezifischen Eigenschaften behält. Der verantwortliche Lebensmittelunternehmer muss hierfür keine Reserven einplanen.38

b. Verbrauchsdatum

Für gewisse Lebensmittel wie beispielsweise Salat oder verschiedene Obst-, Gemüse- und Fleischsorten gilt wegen ihrer physikalischen bzw. chemischen Beschaffenheit Art. 24 Abs. 1 LMIV:

„Bei in mikrobiologischer Hinsicht sehr leicht verderblichen Lebensmitteln, die folglich nach kurzer Zeit eine unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen können, wird das Mindesthaltbarkeitsdatum durch das Verbrauchsdatum ersetzt. Nach Ablauf des Verbrauchsdatums gilt ein Lebensmittel als nicht sicher im Sinne von Artikel 14 Absätze 2 bis 5 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002.“

Der Verweis auf Art. 14 Abs. 2 bis 5 BasisVO stellt eine unwiderlegliche Vermutung und damit einen Rechtsfolgenverweis dar, d.h. mit Ablauf des VD darf das Lebensmittel nach Art. 14 Abs. 1 BasisVO nicht mehr in Verkehr gebracht werden.39 Entsprechend stellt § 6 Abs. 2 LMIDV das Inverkehrbringen von leicht verderblichen Lebensmitteln nach Ablauf des VD unter Strafe.

c. Abgrenzung

Die Frage, ob für ein Lebensmittel im Einzelfall ein MHD oder ein VD anzugeben ist, stellt eine große praktische Herausforderung dar. Die mit potenziellen Gesundheitsschädigungen verbundenen haftungsrechtlichen und rufbezogenen Risiken stellen einen Anreiz dar, bei naturwissenschaftlichen Abgrenzungsschwierigkeiten, aber auch bei mikrobiologisch schnell verderblichen und gleichzeitig nicht gesundheitlich riskanten Lebensmitteln das VD dem MHD vorzuziehen. Aus der Sicht des Verbraucherschutzes ist die Wahlfreiheit insoweit zu billigen, da das VD durch die beschriebene Unsicherheitsvermutung strengeren Regeln unterworfen ist und zu einem Mehr an Gesundheitsschutz führt.40

Unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von Lebensmittelabfällen ist der Vorzug des VD dagegen kritisch zu sehen, da die Lebensmittel nach dessen Ablauf entsorgt werden müssen. Auf EU-Ebene wird deshalb zurzeit an einer Vereinheitlichung der Abgrenzungskriterien gearbeitet, um die Lebensmittelverschwendung zu verringern.41

d. TTI derzeit kein Ersatz

In Diskussionen um den Einsatz intelligenter Label zur Verringerung und Vermeidung von Lebensmittelabfällen und -verschwendung wird zuweilen die Frage gestellt, ob diese das aufgedruckte MHD bzw. VD ersetzen können. Unter den geltenden Regelungen vermögen TTI dies allerdings nicht.

Das wesentliche Hindernis besteht darin, dass gemäß Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Anhang X LMIV das Mindesthaltbarkeits- bzw. Verbrauchsdatum entsprechend seiner Bezeichnung als konkretes Datum (Tag/Monat/Jahr) anzugeben ist. Ein auf einem Lebensmittel angebrachter TTI kann dies nicht leisten, da sich eine derartige Datumsangabe bei den existierenden Modellen erst mittelbar durch Auslesen der angezeigten Farbe und den Referenzabgleich ergibt.

Auch die Möglichkeit, einen TTI mittels App auszulesen und sich das Datum auf dem Smartphone anzeigen zu lassen, ist keine gangbare Alternative. Fraglich ist bereits, ob diese Anzeige des MHD bzw. VD noch im Sinne von Art. 12 Abs. 1 LMIV als leicht zugänglich gilt, da einige technische Hürden im Vergleich zum unmittelbar wahrnehmbaren Datum auf der Verpackung zu überwinden sind und außerdem weiterhin nicht davon ausgegangen werden kann, dass Smartphones von jeder Person und überall genutzt werden und zusätzlich die entsprechende App samt entsprechendem Datenvolumen stets installiert und verfügbar sind. Nach Art. 12 Abs. 2 LMIV ist für vorverpackte Lebensmittel außerdem vorgeschrieben, dass die verpflichtenden Informationen wie MHD und VD direkt auf der Verpackung oder auf einem an dieser befestigten Etikett anzubringen sind, was den Umweg über App und Smartphone verbietet.

Für nicht vorverpackte Lebensmittel, die sog. lose Ware, gilt hingegen die oben bereits genannte nationale Sonderregelung nach Art. 12 Abs. 5, Art. 44 LMIV i.V.m. § 4 LMIDV.

Da aber nach § 4 Abs. 1 S. 1 LMIDV

„Lebensmittel, die im Hinblick auf ihren unmittelbaren Verkauf vorverpackt und Endverbrauchern zur Selbstbedienung angebotenen werden“,

die Kennzeichnung mit MHD bzw. VD – mit Ausnahme für Dauerbackwaren und Süßwaren unter gewissen Umständen sowie für Lebensmittel, die zu karitativen Zwecken abgegeben werden gemäß Satz 3 – vorgeschrieben ist, bestehen insoweit keine Unterschiede zu vorverpackten Produkten.

§ 4 Abs. 1 S. 2 LMIDV eröffnet bei derartig verpackten Lebensmitteln, die über Automaten oder automatisierte Anlagen in Verkehr gebracht werden, jedoch die Möglichkeit, das jeweilige Datum an einem Schild an dem oder in der Nähe des Automaten bzw. der Anlage anzubringen.42 Technisch zumindest denkbar ist die Variante, dass ein auf dem Produkt angebrachter TTI ausgelesen und das daraus errechnete Datum auf einem entsprechend platzierten Bildschirm angezeigt ist. Doch es ist fraglich, ob in diesem Verfahren die Angabe noch „auf einem Schild“ im Sinne dieser Vorschrift „angebracht“ wäre. Außerdem ist zu beachten, dass diese Regelung nicht für vorverpackte Lebensmittel im Sinne der LMIV gilt, da Art. 44 LMIV einzelstaatliche Ausnahmen nur für nicht vorverpackte Lebensmittel erlaubt.43

Für andere nicht vorverpackte

„Lebensmittel, die 1. ohne Verpackung zum Verkauf angeboten werden, 2. auf Wunsch des Endverbrauchers oder des Anbieters von Gemeinschaftsverpflegung am Verkaufsort verpackt werden oder 3. im Hinblick auf ihren unmittelbaren Verkauf vorverpackt und nicht zur Selbstbedienung angeboten werden,“

ist gemäß § 4 Abs. 2 LMIDV keine Angabe von MHD oder VD nötig. Insoweit kann ein solches Datum nach Art. 36 und Art. 37 LMIV dennoch freiwillig bereitgestellt werden. Gemäß Art. 36 Abs. 1 LMIV muss ein freiwillig bereitgestelltes MHD oder VD aber den Anforderungen von Art. 24 LMIV entsprechen, sodass wiederum die durch TTI nicht zu leistende konkrete Datumsangabe notwendig ist.

33 Siehe nur Bülte, in: Behr‘s Kommentar zum Lebensmittelrecht, Editorial zur 34. Akt.; Schreiner, DLR 2020, 1; Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung, hrsg. v. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Stand: Februar 2019; Europäische Kommission, Date marking and food waste, abrufbar unter ec.europa.eu/food/safety/food_waste/eu_actions/date_marking_en; Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags, Mindesthaltbarkeitsdatum, Ausarbeitung v. 28.8.2019, Az. WD 5 – 3000 – 077/19, S. 17–21. 34 Vgl. Rathke, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 24 Rn. 20. 35 Vgl. Meisterernst, § 9 Rn. 64–65; Rathke, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 24 Rn. 18. 36 Vgl. Rathke, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 24 Rn. 20. 37 Rathke, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 24 Rn. 39, Grube, in: Voit/Grube, Art. 24 Rn. 56. 38 Grube, in: Voit/Grube, Art. 24 Rn. 20. 39 Wallau/Martell, LMuR 2017, 118 (120); Hagenmeyer, LMIV, Art. 24 Rn. 4; Rathke, in: Zipfel/Rathke, C.113 LMIV Art. 24 Rn. 76–78; ohne nähere Begründung auch Europäische Kommission, EU-Leitlinien für Lebensmittelspenden, Bekanntmachung der Kommission vom 16.10.2017, C(2017) 6872 final, S. 13; a.A. Grube, in: Voit/Grube, Art. 24 Rn. 75–76 unter Annahme eines Rechtsgrundverweises, da Art. 14 Abs. 3–5 eine konkrete Einzelfallbetrachtung vorsehen und der Verweis auf diese Absätze andernfalls sinnlos sei, allerdings unter ausdrücklicher Anerkennung der Möglichkeit eines Redaktionsversehens; bemerkenswert: Das finnische Amt für Lebensmittelsicherheit (Evira) erlaubt die Zubereitung von Speisen aus frischen (ungefrorenen) Lebensmitteln einen Tag nach Ablauf des VD, sofern bei der Zubereitung das Produkt über 70°C erhitzt wird, Evira [Finnland], Foodstuffs Donated to Food Aid, Guide 16035/2/uk v. 1.7.2017, S. 7. 40 Vgl. Grube, in: Voit/Grube, Art. 24 Rn. 62. 41 Näheres zu rechtspolitischen Reformbemühungen und dem Bedarf daran siehe unten. 42 Beachte hierbei auch die Nichtanwendbarkeit der Regelungen von Art. 14 Abs. 1 lit. a gemäß Art. 14 Abs. 3 LMIV. 43 Ebenso Meisterernst, in: Zipfel/Rathke, C.110a LMIDV § 4 Rn. 7, Hagenmeyer, LMIDV, § 4 Rn. 4.

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