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2. Lieferketten im Lebensmittelsektor

TTI lassen sich sinnvoll entlang der unterschiedlichen Lieferketten im Markt für Lebensmittel anwenden. Weitere Anwendungsfelder bestehen für sämtliche kühlpflichtigen Güter wie bestimmte Arzneimittel oder auch Schnittblumen.

Die im Projekt Intelli-Pack beispielhaft behandelten Lieferketten umfassen sowohl den Bereich Business-to-Business (B2B) als auch Business-to-Consumer (B2C). Zu den Produkten gehören verpackte Fisch-, Fleisch- und Gemüseprodukte, sodass die Produkte während der Anwendung des jeweiligen TTI-Etiketts von anderen äußeren Einflüssen als Zeit und Temperatur möglichst abgeschirmt sind. Dennoch können weitere Einflüsse, unter anderem die bereits beim Verpacken vorhandenen Mikroorganismen, mechanische Einwirkungen und unsachgemäße Behandlung, in den Lebensmittellieferketten der Praxis nicht ausgeschlossen werden.

Die Haltbarkeit der Produkte bewegt sich im Bereich weniger Tage, wobei an den verschiedenen Produkten sowohl Mindesthaltbarkeits- (MHD) als auch Verbrauchsdaten (VD) verwendet werden. Die TTI können sowohl an der Produktverpackung selbst als auch in Versand- bzw. Transportkisten sowohl im Bereich B2C als auch B2B angebracht werden.

Die betrachteten Lieferketten reichen „vom Acker auf den Teller“ und beginnen im Produktions-, Schlacht- oder Fischfangbetrieb, umfassen auch mehrfache Lagerung, Kommissionierung und Transporte und führen entweder per Kurierzustellung oder über den SB-Lebensmitteleinzelhandel zum Verbraucher. Dort endet die Kette noch nicht, sondern sie erfasst weiter den Transport in die Wohnung des Verbrauchers, sei es durch den Kurier oder im eigenen Fahrzeug, sowie die heimische Lagerung in Kühlschrank und Gefriertruhe. Im besonderen Interesse steht somit das Verhalten des Verbrauchers, in dessen Händen regelmäßig und geradezu unausweichlich eine Unterbrechung der Kühlkette auftritt.

3. Zielsetzung und Gliederung des Beitrags

Der vorliegende Beitrag beschränkt sich nicht auf die Lieferketten und Produkte, die im Verbundprojekt in anderen Kontexten untersucht werden, sondern versucht, erste Antworten zu rechtlichen Fragestellungen und einen Überblick über regulatorische Gestaltungsmöglichkeiten für den Einsatz speziell von TTI im Lebensmittelsektor zu geben. Dabei fließen immer wieder übergreifende Überlegungen ein, die auch auf andere Formen intelligenter Verpackungssysteme anwendbar sind.

Ziel des Beitrags ist, ein Problembewusstsein für die rechtlichen Implikationen beim Einsatz von TTI als Bestandteil intelligenter Verpackungssysteme zu schaffen und zugleich den verschiedenen Akteuren im Lebensmittelsektor, sowohl von unternehmerischer als auch von staatlicher Seite, Wege aufzuzeigen, auf denen sie ihren effektiven Einsatz unterstützen können.

Zu Beginn stehen die relevanten Maßgaben an verwendete Lebensmittelkontakt-Materialien und -Gegenstände im Fokus. Es folgen Fragen des Lebensmittelinformationsrechts, wobei insbesondere das Verhältnis zur Kennzeichnung mittels MHD und VD beleuchtet wird. Der Abschnitt zum Lebensmittelhygienerecht befasst sich schwerpunktmäßig mit der Einhaltung der Kühlkette. Schließlich werden Fragen nach der unternehmerischen Verantwortlichkeit und Haftung aufgeworfen. Dabei wird die Rechtsdurchsetzung durch Verwaltungsbehörden, über das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht und mittels privatrechtlicher Instrumente im Vertrags-, Delikts- und Wettbewerbsrecht behandelt.

Die im Projektantrag noch beschriebenen kartellrechtlichen Fragen werden in dieser Publikation hingegen nicht mehr näher angesprochen, da sich für den Einsatz von TTI mit Blick auf das deutsche und europäische Wettbewerbsrecht keine spezifischen Probleme aufgetan haben.

Beim Einsatz intelligenter Label bzw. von TTI ist vor allem an das Kartellverbot bzw. das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen nach Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. § 1 GWB zu denken, das sowohl horizontal auf der gleichen Wirtschaftsstufe, beispielsweise unter Herstellern intelligenter Label oder zwischen Lebensmittelherstellern, als auch vertikal auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen, zum Beispiel zwischen einem Hersteller von TTI und Lebensmittelherstellern, greift. Insbesondere darf die Messung und Sammlung der Daten über den TTI-Zustand entlang der Lieferketten zu keinen strategischen Allianzen oder zum Austausch von Marktinformationen in wettbewerbsrechtlich bedenklicher Weise führen.6 Die Projektarbeit hat insofern noch keine besonderen Risikokonstellationen zutage gefördert. Etwaige rechtliche Probleme, die sich im künftigen praktischen Einsatz von TTI zeigen, sind deshalb neuen Untersuchungen vorbehalten.

6 Siehe näher dazu beispielsweise Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Bd. 2, GWB § 1 Rn. 151–161, 184–187.

II. Anforderungen an die Verwendung von Lebensmittelkontakt-Materialien und -Gegenständen

1. Anwendungsbereich und Anforderungen der BedarfsgegenständeVO

Für in Lebensmittelverpackungen verwendete Materialien und Gegenstände gilt in erster Linie die Verordnung (EG) Nr. 1935/2004, die sog. BedarfsgegenständeVO. Sie definiert in Art. 2 Abs. 2 lit. b „intelligente Lebensmittelkontakt-Materialien und -Gegenstände“,

„mit denen der Zustand eines verpackten Lebensmittels oder die das Lebensmittel umgebende Umwelt überwacht wird“.

Die BedarfsgegenständeVO gilt nach ihrem Art. 1 Abs. 2 auch für intelligente Materialien und Gegenstände, soweit diese

„a) dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen oder b) bereits mit Lebensmitteln in Berührung sind und dazu bestimmt sind oder c) vernünftigerweise vorhersehen lassen, dass sie bei normaler oder vorhersehbarer Verwendung mit Lebensmitteln in Berührung kommen oder ihre Bestandteile an Lebensmittel abgeben“.

Die hier behandelten TTI sind Etiketten, die sich auf der Lebensmittelverpackung oder in einem Transportbehältnis befinden. Sie sollen nicht mit dem Lebensmittel in Berührung kommen und dies ist auch nicht zu erwarten, da die Verpackung das Lebensmittel gerade vor äußerlichen Einflüssen schützt. Vielmehr reagieren die TTI mit der Temperatur der Verpackung bzw. der Umgebungsluft und messen nicht die Innen- oder Kerntemperatur des einzelnen Produkts. Daher ist die BedarfsgegenständeVO auf diese intelligenten Label in der Regel nicht anwendbar.

Sollte das Label hingegen auf der Innenseite einer Verpackung angebracht werden, so sind zunächst die Vorgaben der BedarfsgegenständeVO zu beachten. Nach den allgemeinen Anforderungen des Art. 3 BedarfsgegenständeVO dürfen die verwendeten Materialien nicht gesundheitsgefährdend sein und keine unvertretbare Änderung der Zusammensetzung der Lebensmittel und keine Beeinträchtigung der organoleptischen Eigenschaften des Lebensmittels herbeiführen und sind nach guter Herstellungspraxis gemäß Art. 3 Abs. 1 BedarfsgegenständeVO i.V.m. VO (EG) Nr. 2023/2006 herzustellen.

Zusätzlich bestehen besondere Anforderungen nach Art. 4 BedarfsgegenständeVO i.V.m. der VO (EG) Nr. 450/2009 über aktive und intelligente Materialien und Gegenstände, wonach nur die in der Gemeinschaftsliste zulässiger Stoffe aufgeführten Stoffe benutzt werden dürfen (Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 450/2009) und eine Konformitätserklärung den intelligenten Materialien und Gegenständen beizufügen ist (Art. 16 BedarfsgegenständeVO i.V.m. Art 12 und 13 VO (EG) Nr. 450/2009). Die Gemeinschaftsliste der zulässigen Stoffe wurde allerdings bislang nicht erstellt, sodass übergangsweise gemäß Art. 14 Uabs. 2 VO (EG) Nr. 450/2009 das Missbrauchsprinzip – im Rahmen der allgemeinen Anforderungen der BedarfsgegenständeVO, der Grenzwerte aus Art. 9 und 10 VO (EG) Nr. 450/2009 und etwaiger mitgliedstaatlicher Vorschriften – weitergilt. Für Deutschland hält die BedGgstV keine Sonderregelungen für intelligente Materialien vor.

Schließlich ist die Rückverfolgbarkeit der Stoffe nach Art. 17 BedarfsgegenständeVO sicherzustellen. Weitere Anforderungen können sich gegebenenfalls aus der VO (EG) Nr. 10/2011 für Kunststoffmaterialien ergeben.

Rechtliche Probleme sind somit auch bei Anwendbarkeit der BedarfsgegenständeVO nicht zu erwarten. Dieses Bild bestätigt ein Blick in die Literatur zu intelligenten Verpackungen. Beiträge, die sich ausdrücklich mit rechtlichen Anforderungen an intelligente Verpackungen befassen, finden sich vor allem in den Jahren um den Erlass der BedarfsgegenständeVO und der VO (EG) Nr. 450/2009.7 Im Anschluss an die diesbezüglichen politischen Diskussionen haben sich offenbar keine Probleme gezeigt, die eine schwerpunktmäßige Behandlung rechtfertigen. Die aktuelle (Kommentar-)Literatur zu beiden Verordnungen zeigt ebenfalls keine rechtlichen Probleme mit intelligenten Verpackungen im Allgemeinen bzw. intelligenten Labels im Besonderen auf.8

Ein ähnlicher Befund über die Problemlage scheint sich aus Sicht der Europäischen Kommission zu ergeben. Denn sie hat die in Art. 5 VO (EG) Nr. 450/2009 vorgesehene „Gemeinschaftsliste der Stoffe, die in aktiven und intelligenten Bestandteilen verwendet werden dürfen“, bis heute nicht erstellt, sondern lediglich am 14.06.2012 das in Art. 8 Abs. 3 VO (EG) Nr. 450/2009 vorgesehene Register der Stoffe, für die ein gültiger Antrag auf Aufnahme in die Gemeinschaftsliste gestellt wurde, veröffentlicht.9

7 Siehe nur Eggers/Beyerlein, StoffR 2004, 275–278, StoffR 2005, 155–161; Restuccia/Spizzirri/Parisi/Cirillo/Curcio/Iemma/Puoci/Vinci/Picci, Food Control 21 (2010), 1425–1435. 8 Siehe Teufer in: Zipfel/Rathke, C.601 VO (EG) Nr. 1935/2004, C.605 VO (EG) Nr. 450/2009; Handbuch Lebensmittelhygiene-Störmer, IX.7, insbesondere IX.7.2.10; Meisterernst, § 4 Rn. 149–152, § 21 Rn. 20–30; Riemer/Weber, Lebensmittelbedarfsgegenstände- und Verpackungsrecht. 9 Siehe die Website der Europäischen Kommission zu Lebensmittelkontakt-Materialien unter ec.europa.eu/food/safety/chemical_safety/food_contact_materials/legislation_en.

2. Rechtspolitischer Reformbedarf und aktuelle Initiativen

Daraus ergibt sich vielmehr die grundsätzliche Frage, ob überhaupt eine regulatorische Notwendigkeit für die geltenden Spezialregelungen für intelligente Verpackungen und Label im Vergleich zu den allgemeinen Regelungen für Lebensmittelkontakt-Materialien und -Gegenstände besteht. Die Sicherheit aller dieser Stoffe in Bezug auf die menschliche Gesundheit ist nach der BedarfsgegenständeVO bzw. der BasisVO ohnehin allgemein vorgeschrieben und wirft im Hinblick auf intelligente Verpackungen und Label offenbar keine besonderen Risiken oder Gefahren auf. Aus der Frage, ob derartige Gegenstände ihrem funktionellen Zweck, also der Überwachung von Lebensmitteln bzw. ihrer Umgebung, dienlich sind, ergibt sich ebenfalls keine Notwendigkeit für eine gesetzgeberische Regelung, denn diese Frage ist eine wirtschaftliche, welche die Unternehmen im Wettbewerb ohne staatlichen Eingriff bzw. gegebenenfalls mit dem Instrumentarium des Lauterkeitsrechts beantworten können.10 Auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten, in Bezug auf Ressourcenschonung und Abfallvermeidung, besteht bei intelligenten Verpackungen kein Anlass für andere Maßstäbe als für die übrigen Verpackungsbestandteile.

Derzeit läuft auf Ebene der Europäischen Kommission eine Evaluierung des rechtlichen Rahmens für Lebensmittelkontakt-Materialien, deren Abschlussbericht für das erste Quartal 2020 angekündigt war, aber immer noch nicht erschienen ist.11 Die VO (EG) Nr. 450/2009 ist darüber hinaus Bestandteil des Fitness Checks der Europäischen Kommission in Bezug den rechtlichen Rahmen für Chemikalien.12 Mangels entsprechender Notwendigkeiten bietet sich hier die Gelegenheit, auf dem Feld intelligenter Lebensmittelkontakt-Materialien und -Gegenstände zu einer schlankeren und übersichtlicheren Regelung zu kommen.

10 Heckman, in: Intelligent and Active Packaging for Fruits and Vegetables, S. 307, insbesondere S. 311–312. 11 Siehe die Website der Europäischen Kommission unter ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/1212-Evaluation-of-Food-Contact-Materials-FCM-. 12 Siehe die diesbezügliche Roadmap auf der Website der Europäischen Kommission unter ec.europa.eu/environment/chemicals/better_regulation/index_en.htm.

III. Informationen über Lebensmittel

TTI können in Lebensmittellieferketten an unterschiedlichen Stellen zum Einsatz kommen, beispielsweise am Produkt selbst angebracht oder innerhalb von Versand- bzw. Transportbehältnissen. Davon kann wiederum die mit dem TTI bezweckte Aussage abhängig sein. Gibt der TTI Auskunft über den Zustand des Produkts oder bloß über die Einhaltung der Kühlkette in Form der richtigen Umgebungstemperatur? Oder dient er nur als Datengrundlage für einen Algorithmus und soll gar nicht unmittelbar wahrgenommen werden? Denn die bezweckte Aussage kann sich direkt aus dem angebrachten TTI oder erst durch Auslesen mittels einer Anwendungssoftware (application software, im Folgenden abgekürzt: App) und Anzeige auf einem Gerät, beispielsweise einem Smartphone, ergeben.

Ferner unterscheiden sich die Adressaten der durch TTI vermittelten Information. Sie kann sich an den Endverbraucher und Konsumenten und gleichzeitig oder ausschließlich an andere Unternehmer entlang der Lieferkette richten oder auch nur der internen Qualitätskontrolle oder Haltbarkeitsbestimmung dienen.

Abhängig von Ort, Aussagegehalt, Adressat und Darstellung des TTI bestimmt sich der Anwendungsbereich des Lebensmittelkennzeichnungsrechts. Die hier relevanten Vorschriften finden sich in erster Linie in der EU-Lebensmittelinformationsverordnung – LMIV, aber auch in der BedarfsgegenständeVO und der VO (EG) Nr. 450/2009, die gemäß Art. 1 Abs. 4 LMIV speziell zur allgemeineren LMIV sind, sowie in neben der LMIV anwendbaren Rechtsgebieten wie dem Marken- und Wettbewerbsrecht.

1. Anwendungsbereich der LMIV

Die LMIV ist gemäß Art. 1 Abs. 3 LMIV

„auf allen Stufen der Lebensmittelkette, sofern deren Tätigkeiten die Bereitstellung von Information über Lebensmittel an die Verbraucher betreffen“,

anwendbar. Informationen nach Maßgabe der LMIV sind gemäß ihrem Art. 6 allen Lebensmitteln beizufügen, die zur Lieferung an Endverbraucher bestimmt sind. Notwendig für die Anwendbarkeit der LMIV auf TTI ist folglich, dass die per TTI vermittelte Information über ein konkretes, in dieser Verarbeitungsstufe zum Verkauf bestimmtes Lebensmittel in irgendeiner Weise den Verbraucher erreichen soll. Der Übermittler der entsprechenden Information kann dabei auf einer nachfolgenden Stufe der Lieferkette stehen. Alltäglicher Fall ist der Supermarktbetreiber, der dem Verbraucher mittels seiner Verkaufstätigkeit die vom Hersteller angebrachten Produktinformationen überbringt.

Der Anwendungsbereich ist entsprechend nicht eröffnet, wenn TTI nur unternehmensinternen Zwecken dienen, beispielsweise um MHD oder VD zu bestimmen. Hier hätte der TTI zwar mittelbaren Einfluss auf die Verbraucherinformation, jedoch ohne dass dessen Informationsgehalt den Verbraucher unmittelbar betrifft. An der LMIV ist im Sinne von Art. 1 Abs. 3 LMIV vielmehr die direkt an den Verbraucher vermittelte Information zu messen. So kann sich ein errechnetes MHD als fehlerhaft erweisen, wenn es basierend auf einem hierfür ungeeigneten TTI ermittelt wurde. In diesem Fall wäre dennoch nur das fehlerhafte MHD nach der LMIV zu beanstanden. Ebenso wenig findet die LMIV Anwendung im B2B-Sektor, wenn zur Weiterverarbeitung bestimmte Lebensmittel verkauft werden, da nicht das in diesem Schritt verkaufte Lebensmittel, sondern erst das Verarbeitungsprodukt zur Abgabe an den Endverbraucher bestimmt ist.

Zwar bestehen nach Art. 8 Abs. 5 und Abs. 8 LMIV Kooperationspflichten, wonach Unternehmen auf der Verbraucherinformation vorgelagerten Stufen der Lebensmittelkette die Informationen bereitstellen müssen, damit eine rechtskonforme Information der Verbraucher auf den nachgelagerten Stufen möglich ist. Da diese nicht verpflichtend durch intelligente Label wie TTI vorgeschrieben ist, kann sich aber auch hieraus keine Pflicht zur Verwendung LMIV-konformer TTI ergeben. Ist beispielsweise ein zur Weiterverarbeitung in einer Pastete bestimmter Fisch vom Fangbetrieb mit einem TTI gekennzeichnet, so bedeutet ein möglicherweise irreführender TTI nicht notwendig einen Verstoß gegen die genannten Mitwirkungspflichten, sofern dem Weiterverarbeiter anderweitig ausreichende Informationen zur Erfüllung seiner Informationspflichten zur Verfügung stehen. Es liegt auch kein Verstoß gegen das Irreführungsverbot aus Art. 7 LMIV vor, da weder der so gekennzeichnete Fisch noch die ihm beigefügte Information des TTI den Endverbraucher erreichen soll.

Werden TTI hingegen so verwendet, dass sie vom Endverbraucher ausgelesen werden können oder sollen, so ist der Anwendungsbereich der LMIV eröffnet. Hierbei ist danach zu differenzieren, ob das intelligente Label an dem Produkt selbst, sei es inner- oder außerhalb der Verpackung, oder lediglich in dessen Umgebung, etwa in einer Transportbox für den Versandhandel, platziert ist.

2. Zuordnung zu Grundbegriffen der LMIV

Der weiteste Begriff der „Information über Lebensmittel“ ist in Art. 2 Abs. 2 lit. a LMIV definiert. Er erfasst

„jede Information, die ein Lebensmittel betrifft und dem Endverbraucher durch ein Etikett, sonstiges Begleitmaterial oder in anderer Form, einschließlich über moderne technologische Mittel oder mündlich, zur Verfügung gestellt wird“.

Die Definition hat intelligente Label als moderne technologische Mittel im Blick und erfasst auf der Verpackung angebrachte TTI ebenso wie einem Versandpaket beigelegte, dessen Innentemperatur überwachende TTI, welche als Begleitmaterial dadurch die darin enthaltenen Lebensmittel betreffen. Wird ein TTI mittels einer App ausgelesen, sodass die relevante Information erst auf dem Smartphone zu sehen ist, handelt es sich dabei ebenfalls um eine „Information über Lebensmittel“.

Enger ist der Begriff der „Kennzeichnung“ im Sinne von Art 2 Abs. 2 lit. j LMIV, welcher die verschriftlichte bzw. gegenständlich vorhandene Information, die sich auf ein Lebensmittel bezieht, meint und „physisch“ enger an das Lebensmittel gebunden ist.13

Zugleich ist der Begriff der „Kennzeichnung“ weiter als die Definition des „Etiketts“ gemäß Art 2 Abs. 2 lit. i LMIV, da eine Kennzeichnung auch auf Tafeln, Schriftstücken oder ähnlichem angebracht sein kann, sofern sie das Lebensmittel begleitet oder sich darauf bezieht, während das Etikett auf der Verpackung des Lebensmittels angebracht sein muss.

Diese Unterscheidung wird insbesondere im Hinblick auf die Bereitstellung, Platzierung und Darstellung verpflichtender Informationen nach Art. 12–16 LMIV und Art. 44 Abs. 2 LMIV i.V.m. nationalen Vorschriften relevant.

Ob es sich bei einem TTI, das einer Versandbox beigelegt ist, um eine Lebensmittelkennzeichnung handelt, ist also anhand der Frage zu klären, ob sich der TTI auf ein bestimmtes Lebensmittel bezieht und über dieses eine Aussage trifft oder ob es nur Auskunft über den Temperaturverlauf der Umgebungsluft gibt. Der TTI sollte insofern klar und eindeutig sein. Jedenfalls handelt es sich dabei um kein Etikett.

Wird ein auf dem Produkt angebrachter TTI mittels einer App ausgelesen und erst auf dem Smartphone angezeigt, so handelt es sich bei dem TTI ebenfalls um kein Etikett, da die Information in diesem Fall nicht gegenständlich Teil der Verpackung ist oder dieser als physischer Informationsträger anhaftet,14 sondern die Information entsteht erst durch die Berechnung mittels der Algorithmen der App und somit auf dem die App darstellenden Display. Eine Kennzeichnung ist aber gegeben, da die Information gegenständlich als Einheit mit dem Display vorhanden ist und sich auf ein bestimmtes Lebensmittel bezieht. In diesem Fall ist etwa ein Smartphone mit einem Ordner in einer Bäckerei, in dem die Zusatzstoff- oder Allergenangaben zu den angebotenen Backwaren enthalten sind, vergleichbar.

Ist ein aufgeklebter TTI hingegen sowohl direkt als auch zusätzlich über eine App auslesbar, so handelt es sich bei ihm um ein Etikett im Sinne der LMIV.

Eine weitere grundlegende Differenzierung trifft die LMIV zwischen vorverpackten und nicht vorverpackten Lebensmitteln. Letztgenannten werden auch als lose Ware bezeichnet. Ein „vorverpacktes Lebensmittel“ ist nach Art. 2 Abs. 2 lit. e LMIV

„jede Verkaufseinheit, die als solche an den Endverbraucher und an Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung abgegeben werden soll und die aus einem Lebensmittel und der Verpackung besteht, in die das Lebensmittel vor dem Feilbieten verpackt worden ist, gleichviel, ob die Verpackung es ganz oder teilweise umschließt, jedoch auf solche Weise, dass der Inhalt nicht verändert werden kann, ohne dass die Verpackung geöffnet werden muss oder eine Veränderung erfährt“.

Nicht erfasst sind dagegen

„Lebensmittel, die auf Wunsch des Verbrauchers am Verkaufsort verpackt oder im Hinblick auf ihren unmittelbaren Verkauf vorverpackt werden“.

Die harmonisierenden Vorgaben der LMIV zur Bereitstellung, Platzierung und Darstellung der verpflichtenden Angaben sind in der Regel nur auf vorverpackte Lebensmittel unionsweit ausnahmslos anzuwenden,15 da vor allem solche Produkte grenzüberschreitend und damit binnenmarktrelevant gehandelt werden. Für lose Ware sind hingegen eigene Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten in Art. 44 LMIV ausdrücklich vorgesehen.16 In Deutschland wurde auf dieser Grundlage § 4 LMIDV erlassen.

13 Grube, in: Voit/Grube, Art. 2 Rn. 55. 14 Vgl. Grube, in: Voit/Grube, Art. 2 Rn. 53. 15 Siehe beispielsweise Art. 12 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 LMIV. 16 Siehe beispielsweise auch die Verweise in Art. 12 Abs. 5, Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 2 LMIV.

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