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Читать книгу: «Raban und Röiven Eine magische Freundschaft», страница 3

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Ein Missgeschick

Der Rucksack ist schnell gepackt und die Wanderschuhe stehen bereit. Raban freut sich auf die bevorstehende Reise. Er hat nur ein etwas mulmiges Gefühl im Bauch, wenn er an eine mögliche Auseinandersetzung mit Baran denkt. Aber er vertraut Minerva. Sie hat Röivens Zauberkräfte größer als die des bösen Zauberers bewertet. Was soll da schon passieren? Er muss nur immer in der Nähe des Kolkraben bleiben. Das sollte sicher nicht schwer sein. Andere mögliche Gefahren kann er nicht sehen, also verursachen sie ihm noch keine Unruhe. In der Nacht schläft Raban tief und fest.

Er hat sich einen Wecker gestellt. Als der Morgen dämmert, schrillt es laut in seinem Zimmer.

»Wer greift an. Zauberei? Wo sind …«, erschrocken flattert der Rabe mit seinem linken Flügel. Das Gleichgewicht kann er so nicht mehr halten und schon ist er auf seine rechte Seite gekippt. »Au, das tut doch weh!«, krächzt er vorwurfsvoll.

»Was?« Der Junge stellt mit einer geübten Handbewegung den Wecker ab und reibt sich die Augen. »Oh, entschuldige. Das ist kein Angriff. Ich habe mich nur damit«, dabei zeigt er auf eine kupferfarbene, runde Uhr, »wecken lassen. Ich will mich von Vater verabschieden, bevor er zur Arbeit muss. Ich werde heute das Frühstück vorbereiten. Danach essen wir gemeinsam und anschließend geht unsere Reise los.« Der Vogel versucht unbeholfen, sich aufzurichten. Immer wieder misslingt es.

»Dämlicher Verband«, schimpft Röiven. »Der ist nicht gut für mich, gar nicht gut!« Er zupft mit dem Schnabel daran herum und versucht ihn zu entfernen.

»Doch, ist er wohl! Du musst deinen Flügel noch mindestens zwei Tage schonen. Der Wickel bleibt, wo er ist.« Rabans Stimme ist energisch. Vorsichtig hilft er dem Vogel auf, der sofort sein Gefieder richtet.

»Das ist noch einmal gut gegangen. Keine Feder ist beschädigt. Ich hätte dich in … Nein, ich hätte dich natürlich nicht verzaubert. So etwas ist strengstens untersagt.«

Falls das überhaupt möglich ist, meint Raban ein Grinsen im Gesicht des Kolkraben zu erkennen.

Der Morgen verläuft anschließend wie von Raban geplant. Nach dem Frühstück verabschiedet er sich von seinen Eltern. Die üblichen Ermahnungen dauern heute lange, also sollte er jetzt für alle möglichen Vorkommnisse bestens gerüstet sein. Die Mutter trägt ihm Grüße für den Großvater auf, ihren Vater. Als Rabans Vater dann doch zur Arbeit muss, ist es auch für den Jungen soweit. Er wandert durch den Birkenweg in Richtung Norden los.

»Machen deine Eltern immer so ein großes Ereignis aus einer Verabschiedung?«, staunt Röiven. »Bei uns Fithich ist das anders. Wir trauen unseren Kindern zu, sich in der Welt alleine zurechtzufinden. Alles, was wir ihnen nicht im Nest und eine kurze Zeit danach, beibringen können, lernen sie am besten durch Ausprobieren. Eigene Erfahrungen sind für uns sehr wichtig. Das fängt bereits damit an …«

Hier wird er unterbrochen:

»Kann es sein, dass du etwas voreingenommen bist? Ich versuche zu entscheiden, zu welchem Ort wir zuerst sollten, aber du plapperst und plapperst. Du scheinst gerne zu reden, aber ich kann mich dabei nicht konzentrieren.«

»Pfff«, meint der Junge zu vernehmen.

»Meine Eltern sind sehr vorsichtig, darum bekomme ich all diese Ratschläge. Sie meinen es nur gut, auch wenn es mich etwas nervt. Besonders dann, wenn andere das mitbekommen«, grinst er, um den Vorwurf an den Kolkraben etwas abzumildern.

Da dieser jetzt längere Zeit schweigt, ist Raban doch besorgt.

»Habe ich dich verärgert? Ich wollte dich nicht beleidigen! Verzeihst du mir die Worte?«

»Pff.«

»Ich meine die Entschuldigung ernst.«

»Pf… Na gut. Ich nehme die Entschuldigung an. Du hast aber Recht, ich rede wirklich gerne. Das liegt an meiner schweren Kindheit. Verdrehst du jetzt deine Augen?«, krächzt eine schon wieder beleidigte Stimme.

»Nein, ich kenne deine Kindheit nicht. Darum kann ich sie nicht bewerten. Erzählst du sie mir?«

Stille. Keine Antwort.

»Bitte, ich möchte das hören«, fordert der Junge den Vogel auf.

»Wenn du das wirklich möchtest?« Nach einer längeren Pause beginnt er leise und langsam: »Ich sollte das älteste von vier Kindern werden. Jedenfalls war das die Absicht meiner Eltern. Meinen Vater habe ich nicht kennengelernt. Er wurde von Menschen getötet.«

Erschrocken unterbricht Raban ihn: »Das tut mir wirklich sehr leid.« Vorsichtig streicht er über den Kopf des Vogels.

Nach einem leisen Seufzer fährt dieser fort:

»Meine Mutter hatte nach unserem Ausbrüten viel mit uns Kindern zu tun. Sie schaffte es aber nicht, mich und meine Geschwister großzuziehen. Sie mühte sich sehr ab und war von morgens bis spät in der Nacht unterwegs. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass die beiden Jüngsten noch vor ihrem ersten Federwechsel starben. Mein Bruder verunglückte später bei seinem ersten Flug. Sein Gefieder war noch nicht ausreichend ausgebildet. Er stürzte ab und krachte auf den harten Boden. Das war sehr schlimm.« Er macht eine Pause, dann fährt er etwas kräftiger fort: »Meine Mutter brachte mir nachts die ersten Zauber bei, damit meine Chancen besser sein würden, in der Zukunft zu überleben. Sie verausgabte sich durch die notwendige Nahrungsbeschaffung und die nächtlichen Unterweisungen aber zu sehr. Eines Tages erspähte sie ein totes Kaninchen. Das hätte für den ganzen Tag gereicht. Als sie sich bereits dem toten Tier näherte, kam es zu einer Auseinandersetzung mit einer Elster, die ebenfalls die Nahrung haben wollte. Sehr schnell kamen vier weitere dazu. Verfluchtes Pack. Elendes Gesindel. Gegen eine hätte Mutter nie verloren, aber so? Sie hat unzählige Schnabelhiebe abbekommen und Federn verloren. Ein paar Mal fuhren die Krallen dieser unehrenhaften Lumpen sogar in ihren Körper. Saubande! Sie schaffte es noch bis zum Nest. In der Nacht starb sie, nachdem sie mir ihr ganzes Wissen über Zauber übertragen hatte.«

Raban wagt die eingetretene Stille nicht zu unterbrechen, er streicht dem schwarzen Vogel aber fortwährend über das Gefieder. Nach langer Zeit räuspert sich der Rabe.

»Ich konnte damals schon etwas fliegen, auch wenn die Strecken noch nicht besonders groß waren. Meine Jugend verlief damit, Futter zu bekommen und meine Magie zu üben. Ich schloss mich keinem Trupp anderer Raben an. Sie hätten meine Zauberei bemerken können. Einige Angriffe von Krähen, die immer in großer Zahl gemeinsam vorgehen, konnte ich durch meine Zauberei abwehren. Sie meinten, einen großen Verband junger Raben vor sich zu haben. Also drehten sie ab und verschwanden.«

»Röiven, deine Kindheit und Jugend waren wirklich schlimm. Die Einsamkeit muss unerträglich gewesen sein. Redest du darum so gerne, um dich von Gedanken an deine Familie abzulenken?«

»Das mag schon sein, aber ich hatte eigentlich auch noch nie viele … Na ja, genau genommen nicht einmal einen Freund.«

»Verzeih mir bitte meine Worte von vorhin. Ich war dumm!«

»An die von dir genannten Worte kann ich mich nicht erinnern. Hattest du etwas Böses gesagt?«

»Jetzt ist das aber ein Grinsen, was ich sehe«, denkt der Junge.

»Ja. Ich bin dir nicht böse!«, knarzt es.

»Ups. Du hörst ja meine Gedanken. Das habe ich glatt vergessen. Danke! Freunde?«

»Freunde!«, bestätigt der Vogel.

Während ihrer Unterhaltung ist Raban mit dem Kolkraben auf den Armen aus dem Dorf zum nächsten Wäldchen gewandert. Dies ist die Richtung, die ihn zu seinem Großvater führt. Sobald die Bäume und Büsche die Sicht auf ihn nehmen, bleibt er stehen.

»Wohin wollen wir jetzt? Schauen wir im Park von Coimhead nach, ob wir dort etwas herausfinden können? Vielleicht gibt es dort noch einen lebenden Kolkraben, den wir befragen könnten.« Der Junge blickt den Vogel an.

Dieser nickt und knarzt: »Portaro«.

Die Büsche und Bäume beginnen sich zu verwischen. Es flimmert kurz.

Als das Gleißen aufhört, steht Raban in einem großen Park. Aber er ist allein. Wo ist sein Begleiter, den er gerade noch seinen Freund genannt hat.

»Ist wieder etwas schief gegangen?«, grübelt der Junge. Seine Augen suchen beunruhigt den Park ab.

»Was machst du denn hier, Junge?«, vernimmt er eine knarrende Stimme hinter seinem Rücken. Im ersten Moment glaubt er den Kolkraben zu hören. Doch das typische Knarzen fehlt.

Er dreht sich um. Ein alter Mann mit grauem Bart kommt auf ihn zu.

»Es sind doch Ferien und das Internat ist geschlossen.« Nach einem Blick auf den Rucksack und das zusammengerollte Zelt fügt er hinzu: »Das Zelten ist hier aber verboten!« Dabei droht er mit einem Finger. Das Gesicht lächelt dem Knaben aber freundlich entgegen.

»Äh, nein. Ich will hier nicht zelten. Ich habe gestern etwas Unglaubliches in der Zeitung gelesen. Wurden hier wirklich 25 tote Raben aufgefunden? Ich wollte versuchen, ob ich etwas über die Ursache herausfinden kann.«

»Die toten Vögel sind bereits in der Universität. Sie werden dort mit allen wissenschaftlichen Mitteln untersucht. Es waren Jungvögel, die sich hier in den letzten Tagen aufgehalten hatten. Sie spielten wie kleine Kinder, balgten miteinander und ließen sich dort den kleinen Abhang hinunterrollen. Es ist traurig, aber wahr. Gestern morgen lagen sie tot unter diesem Baum.« Er deutet auf einen ehrwürdig wirkenden, großen Mammutbaum, der zentral im Park steht. »Jetzt ist es hier völlig ruhig. Alle Vögel scheinen diesen Ort des Todes verlassen zu haben.«

»Darf ich mich etwas umsehen? Ich finde es seltsam. Die alten Eichen, Buchen oder auch Rosskastanien eignen sich für große Vögel doch besser zum Schlafen als der Mammutbaum. Warum lagen sie dann alle dort? Wirkte das irgendwie angeordnet? Ich meine, lagen sie nebeneinander aufgereiht?«

»Nein. Sie lagen verstreut unter dem Baum, als ob sie aus den Zweigen nach unten gestürzt wären. Du darfst dich gerne umsehen. Ich muss nur mal kurz nach meinen Hühnern schauen. Sie klingen sehr aufgeregt.«

Der Gärtner, denn das ist er, dreht sich um und geht auf den hinteren Teil der Parkanlage zu. Dort duckt sich ein kleines Backsteingebäude mit niedrigem Dach. Aus dessen Schornstein ringelt sich eine feine Rauchfahne in den Himmel hinauf. Das Haus ist von einem kleinen Garten umgeben, in dem der Alte etwas Gemüse für den Eigenbedarf anbaut. In einem eingezäunten Hof laufen aufgeschreckt viele große, braune Hühner und zwei Hähne.

»Das gibt es doch nicht. Komm schnell mal her!«, ruft der Gärtner Raban zu sich. Als der Junge näher kommt, hört er eine ihm bekannte, krächzende Stimme keuchen:

»Ich schaff es doch. Ich schaff es, au… Auf ein Neues. Ich muss es schaffen … Oh, hallo Raban. Hilfst du mir bitte?«

Der Junge steht vor dem eingezäunten Viereck. Er versteht, warum der alte Mann glaubt, seinen Augen nicht trauen zu können. Jetzt fragt dieser:

»Wie ist denn so was möglich? Ein Rabe mit Flügelverband versucht aus meinem Hühnerhof zu entkommen, indem er sich mit seinem Schnabel am Gitter hochzieht und sich dann mit den Krallen in der Höhe zu halten versucht.«

»Entschuldigung, das ist mein Kolkrabe. Ich pflege ihn gesund und trage ihn sonst immer bei mir. Da er aber ziemlich schwer ist – « »Entschuldige bitte, Röiven. Mir fiel so schnell keine bessere Ausrede ein«, fügt er in Gedanken hinzu. „– habe ich ihn hier zwischengeparkt, während ich mich umsehen wollte. Ich liebe Fithich, ähem Raben, sehr. Darum bin ich auch über die Zeitungsmeldung so beunruhigt.«

Der Mann schaut den Jungen forschend an, dann lächelt er.

»Da hättest du mich besser vorher gefragt. Wie du siehst, haben die Hühner Angst vor ihm und er will offenbar auch zu gern wieder hinaus. Gut so. Jetzt werden sie sich bald beruhigen.«

Raban hält Röiven bereits auf seinem Arm.

»Ich wollte ihre Hühner nicht aufregen, tut mir Leid.«

»Es ist ja nichts passiert. Du solltest den Vogel aber doch besser zu deinen Untersuchungen mitnehmen. Ich muss jetzt weiterarbeiten. Vielleicht bis später.«

»Danke, das mache ich.«

Sie trennen sich.

»Was ist denn passiert, Röiven? Ich stand allein im Park und du bist zwischen den Hühnern gelandet?«

»Gelandet ist gut. Diese aufgescheuchten, gackernden Federbälle! Daran ist nur der blöde Verband schuld! Damit kann ich nicht so richtig zaubern.« Die nächsten Worte klingen undeutlich, sind aber wohl Schimpfworte.

»Es bleibt dabei, du behältst den noch mindestens einen Tag, dann sehen wir weiter. Jetzt lass uns die Gegend untersuchen.«

»Hurra! Hej, heute morgen waren es noch zwei, jetzt ist es nur noch einer«, jubelt Röiven. Obwohl Raban lachen muss, konzentriert er sich. Sie suchen weitläufig den Boden im Park ab, beginnend unter dem Mammutbaum. Beide forschen lange mit gesenkten Köpfen. Der Vogel schreitet vorsichtig durch das Gras und bleibt am Stamm des großen Baumes stehen. Dort liegen in einem zerwühlten kleinen Haufen dunkelblaue Beeren. Viele sehen zerquetscht aus.

»Ob die vergiftet sind?«

»Was sind das für Beeren?«, will der Junge wissen.

»Wie sie für euch heißen, weiß ich nicht. Wir fressen sie aber sehr gerne.«

»Dann sind sie vermutlich vergiftet und für die jungen Fithich als Köder ausgelegt worden«, ist Raban überzeugt.

»Wir sollten sie mitnehmen und dem zu essen geben, der sie hier ausgelegt hat.«

»Verdient hätte er es«, stimmt der Junge zu. »Wir wissen nur nicht, wer es war und wo er jetzt ist. Lass uns weiter suchen, vielleicht gibt es mehr davon.«

Nach längerer Zeit nähert sich der Gärtner. Obwohl er noch einige Schritte von ihnen entfernt ist, fragt er gespannt:

»Na, mein Junge. Hast du etwas entdeckt?« Er betrachtet erstaunt den schwarzen Vogel, der weiter suchend den Rasen abschreitet. »Da hast du aber eine große Hilfe«, stellt er fest.

»Und der hat den verdächtigen Haufen entdeckt!«, knarzt es stolz, aber das ist nur für Raban zu hören.

»Das stimmt«, antwortet dieser dem Gärtner. »Er hat diese verdächtigen Beeren unter dem Mammutbaum entdeckt. Schauen sie sich die einmal an.« Sie gehen zu dem großen Baum hinüber. Dort angekommen, zeigt er auf die verstreuten Beeren.

»Ich vermute, das ist die Ursache des Rabensterbens.«

»Wo kommen die denn her? Hier wachsen keine Bäume oder Büsche, die diese Früchte tragen.«

»Dann ist das der Beweis. Jemand hat die Beeren vergiftet und hier ausgelegt. Ich weiß, Kolkraben fressen diese Früchte besonders gerne. Also hat ein Vogelfeind den Raben das angetan.«

»Damit könntest du Recht haben. Diese überaus schlauen Studenten der Universität haben nur schnell die Kadaver eingesammelt. Sie könnten sich ein Beispiel an dir nehmen: erst in Ruhe alles, also auch die Umgebung des Fundortes, untersuchen. Ich werde die Beeren vergraben, damit keine anderen Tiere davon fressen. Und du kleiner Vogelfreund? Geht es jetzt nach Hause?«

»Äh, nein. Ich wandere zu meinem Großvater, der mich in den nächsten Tagen erwartet.«

»Wenn du möchtest, darfst du heute hier übernachten. Ich kann dir zwar kein Bett, aber trockenes Heu zum Schlafen anbieten. Es liegt unter dem Abdach neben dem Hühnerhaus. Essen bekommst du im Haus.« Er wartet lange auf die Antwort und fügt dann schnell hinzu: »Keine Angst, ich will dir nichts tun. Wir sind auch nicht allein. Meine Frau wird jeden Moment nach Hause kommen. Sie ist in der nahen Stadt, um einzukaufen. Was meinst du?«

»Das ist nett von ihnen. Ich nehme die Einladung gerne an. Ich muss aber vorher in die Stadt, da ich meine Eltern abends telefonisch unterrichte, wo ich in der Nacht bin. Sie machen sich sonst Sorgen«, ergänzt er.

»Das ist gut. Ein Telefon habe ich leider nicht, aber wenn du möchtest, kannst du dir mein Fahrrad ausleihen. Zu Fuß dauert der Weg in die Stadt zwei Stunden. Mit dem Rad kannst du in weniger als einer zurück sein.«

»Das mach ich, Danke. Meinen Rucksack und das Zelt lasse ich hier. Den Raben nehme ich mit, er ist sehr an mich gewöhnt.«

»Ha, ha, dass ich nicht lache. Wo willst du mich mitnehmen, auf einem Fahrrad?«

»Genau. Oder möchtest du zu den Federbällen zurück?«

Er setzt den schwarzen Vogel auf die Lenkerstange, steigt auf und grüßt den alten Mann kurz. Vorsicht fährt er an. Nach Umrundung des Internatsgebäudes und eines Blumenrondells durchfährt er das offene Tor.

»Das ist nicht schlecht. Nicht so schnell wie Fliegen, aber besser als Laufen«, knarzt es.

»Halt dich gut fest, ich werde gleich schneller.«

Als der Fahrtwind dem Jungen um die Ohren und dem Vogel durchs Gefieder rauscht, jauchzt dieser knarzend.

»Das ist gut, das ist wirklich gut. Hoppla, beinahe wäre ich abgerutscht. Ich muss mich mit einem Zauber stabilisieren.« Die nächsten Laute versteht Raban nicht. Die Fahrt macht ihm aber genau so viel Spaß wie Röiven.


Ein Zauberer überlegt

Das Meer tost laut und weiße Gischt spritzt hoch. Schreie vieler Seevögel durchschneiden das Brausen des Windes. Es ist recht ungemütlich hier, obwohl es Sommer ist und die Temperaturen im Sonnenschein angenehm sind. Ein zufriedenes Grinsen ist im Gesicht eines hageren Mannes zu sehen. Die schulterlangen, schwarzen Haare flattern im Wind. Baran denkt an seinen Plan, dessen Umsetzung voranschreitet.

»Die ersten Raben wären erledigt! Sie gelten vielen als Unglücksvögel. Für mich sind sie das nicht!« Sein Gesicht verzieht sich zu einer hässlichen Fratze. »Für mich bereiten sie große Freude, wenn sie sterben. Wenn sie alle gestorben sind, ist das allerdings ein Unglück. Aber nicht für mich!«, lacht er lauthals. »Für die verfluchten Elfen ist es das AUS. Sie werden endlich vernichtet sein. Dann werde ich das Erbe meiner Vorfahren antreten können!«

Seine bisher frohe Miene verdüstert sich. Sein Blick sucht und findet eine ehemals stolze Burganlage. Sie steht oberhalb einer steil ansteigenden Felswand. Aus der Ferne sieht er nur eine dunkle Masse. Die Türme und die starken Mauern kann er nicht genau erkennen, also auch nicht, dass diese mit Wehrgängen versehen sind. Aber er weiß genau, diese Burganlage ist gewaltig.

»Von Rechts wegen müsste sie mir gehören. Ich bin der Erbe Bearachs, dem sie zuletzt gehörte. Nach der Niederlage gegen andere Zauberer und deren Unterstützer, die Elfen, wurde dieser eingekerkert. Seine Burg Munegard wurde ihm genommen. Das war völlig ungesetzlich! Der Erlös vom Verkauf dieser historischen Anlage wurde für die Versorgung vieler unnützer Armen ausgegeben. Jetzt ist dort ein Hotel eingerichtet. Pah! Ich werde mir mein Eigentum zurückholen!«

Seine Züge erhellen sich.

»Die vergifteten Beeren haben gute Dienste geleistet. Ich werde es noch einmal damit versuchen. Wo gibt es weitere Schwärme junger Raben? Ich weiß es. Also weiter. Es sollte nicht mehr lange dauern, dann werde ich von dort oben herrschen. Über das ganze Land!« Er blickt grimmig zur fernen Burg.

Die Luft flirrt kurz.

Er ist verschwunden.


Die Priorei

Vor dem Einschlafen überlegen Raban und Röiven, welchen Ort sie als nächsten aufsuchen sollen.

»In dem Roman gibt es doch eine Priorei, in der Sören wohnte. Wäre das ein möglicher Ort, an dem sich junge Fithich wohlfühlen würden?«

»In welchem Roman?«, knarzt der schwarze Vogel.

»Du weißt schon. In der Geschichte über Eila, die Elfen und…«

»War doch nur Spaß«, krächzt der Rabe glucksend zurück. »Natürlich kenne ich die Handlung. Großmutter hat mir die wahre Geschichte erzählt. Die Priorei wurde von seinem damaligen Besitzer Mynyddcaer genannt. Ich bin auch mal dort gewesen, so aus Neugier. Ich habe dort viele ältere Menschen gesehen.«

»Sag schon, könnten sich dort Jungvögel wohlfühlen?«

»Es gibt viele Bäume dort, einen richtig kleinen Wald. Ja, ich glaube schon.«

Also wählen sie diesen Ort als nächstes Ziel.

Nach einer angenehmen Nacht im duftenden Heu und einem guten Frühstück, verabschiedet sich Raban von dem freundlichen Gärtnerehepaar. Er schultert seinen Rucksack und nimmt den Kolkraben auf seinen linken Arm. Im Park dreht er sich noch einmal um und winkt zurück.

Mit schnellen Schritten verlässt er den Park und das Internatsgelände. Auf dem Weg in Richtung Stadt hat er gestern Abend eine Bushaltestelle gesehen. Dort gibt es ein Wartehäuschen. Es ist jetzt in den Schulferien niemand dort. Im Inneren ist er gegen zufällige Beobachtungen geschützt. Von hier können sie also mittels Zauber verschwinden. Die Luft glitzert und sie sind weg.

Raban befindet sich jetzt hinter einer kleinen Kapelle. Er wundert sich. In dem Roman war das Bauwerk doch eingestürzt. Es sieht aber ganz in Ordnung aus. Aus dem Inneren dringt Orgelmusik und leiser Gesang. Sollte Röivens Zauber wieder missglückt sein?

»Nein. Wir sind natürlich an dem richtigen Ort«, protestiert der Vogel. »Die Menschen haben das Gebäude wohl wieder hergerichtet. Ich weiß schon, was ich tue.«

»Das stimmt sicher. Aber deine Magie wird ja manchmal etwas fehlgeleitet. Du weißt schon, durch den blöden Verband.« Bei den letzten Gedanken versucht er die beleidigte Stimme des Kolkraben nachzumachen.

»Ha, ha. Selten so gelacht!«

»Jetzt aber ernsthaft. Ich habe fast den Eindruck, dass wir auf einer Vergnügungsfahrt sind.«

»Du hast Recht. Wir müssen meine Verwandten retten. Also mach schon.«

»Ich mach ja schon.« Der Junge umrundet langsam das Gebäude. Von der Kapelle schleicht er über den Innenhof, der mit Sandsteinplatten ausgelegt ist. Der Boden weist keine Risse und Lücken auf, wie in dem Roman.

»Ob das hier wohl ein Heim für alte Leute ist?«, überlegt Raban. »Das würde dazu passen, dass die Kapelle nicht nur wieder gerichtet ist. Auch die frühe Morgenmesse passt dazu.«

»Das mag schon stimmen«, knarzt Röiven als Antwort. »Aber gehe bitte weiter, damit wir zu dem Wäldchen dort drüben kommen.«

»Ich beeile mich ja. Ach nein. Nicht auch hier!« Der Junge beginnt zu rennen. Auch der Rabe krächzt verzweifelt:

»Wir sind zu spät. Der Wahnsinnige hat wieder zugeschlagen!«

Außer Atem steht Raban am Rand des Wäldchens. Hier liegen verstreut viele tote Vögel. Es sind diesmal aber nicht nur Kolkraben, auch mehrere Krähen sind darunter.

Der Junge setzt den Vogel auf den Boden. Langsam schreitet dieser die vielen Kadaver ab. Es sind wohl Schimpfworte und Flüche, die er äußert. Verstehen kann Raban sie aber nicht.

Plötzlich steht Röiven still. Sein Kopf hängt traurig herunter. Eine Träne rollt über den Schnabel und tropft von dort auf einen jungen Raben.

»Arme Roya! Ich weiß noch genau, wie stolz deine Eltern waren, als du geschlüpft bist.«

»Du kennst ihn?«, fragt Raban vorsichtig.

»Ja. Aber »er« ist ein Mädchen. Ich erinnere mich noch genau an sie. Es ist erst wenige Wochen her. Sie war so schön. Sie hätte vielleicht meine Freundin werden können. Stark und mutig war sie. Ich habe gesehen, wie sie sich auf mehrere Elstern stürzte, um einem Jungen zu helfen.« Erneut tropft eine Träne auf den stillen Vogel.

»Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, wie traurig du sein musst. Aber ich fühle mit dir.« Raban streicht seinem Freund über das Gefieder. »Trotzdem müssen wir hier besser verschwinden. Die Musik in der Kapelle hat aufgehört. Die Leute werden gleich herauskommen. Wenn sie uns hier sehen, habe ich vermutlich Fragen zu beantworten, auf die ich keine Antwort geben kann.«

»…«

»Hast du mich gehört? Wir müssen fort. Soll ich Roya mitnehmen und an einem sonnigen Platz beerdigen?«

»Du willst was? Wozu soll das gut sein?« krächzt es traurig, aber erstaunt zurück.

»Wir beerdigen unsere Toten. Dadurch sind ihre Körper vor …« Pause. Etwas verlegen setzt Raban den Satz fort:

»… also, sie sind dann vor Tieren geschützt, die sie sonst auffressen würden.«

»Ist das schlimm? So helfen sie anderen Lebewesen zu überleben. Das ist doch ein steter Kreislauf.«

»Du hast eigentlich Recht. Trotzdem mögen wir Menschen es nicht, wenn Angehörige oder Freunde in aller Offenheit zerstückelt und aufgefressen werden. In der Erde werden sie letztlich auch langsam aufgelöst und sind Teil des Kreislaufs. Auch wenn die Körper anderen nützlich sind, ihre Seele geht zu Gott.«

»Die Anam kehrt zum großen Geist heim, der uns alle geschaffen hat«, bestätigt Röiven.

»Gut. Wir nehmen Roya mit. Los, die Leute kommen schon.« Der Junge hebt den toten Kolkraben auf und nimmt seinen Freund wieder auf den linken Arm.

»Bringe uns an deinen Lieblingsort!«, fordert er. »Dort kannst du dich in Ruhe verabschieden.«

Die Luft flirrt. Bevor sie bemerkt werden, sind sie verschwunden.

Im selben Moment steht der Junge auf einer großen Wiese. Das volle Sonnenlicht lässt die Wildblumen bunt leuchten. Die Insekten summen. Raban blickt sich um. Hier ist es wirklich schön. Aber, wo ist Röiven. Der Junge trägt die tote Roya noch immer vorsichtig auf seinen Händen. Der lebende Kolkrabe fehlt aber.

»Nicht schon wieder!«, stöhnt er auf und blickt sich suchend um. Die Wiese liegt an einem sanften Berghang. Doch sein Freund ist nicht zu sehen. Suchend wandert er umher und gelangt zu mehreren flachen Erdhügeln. Sie sehen aus wie alte Gräber. Ihnen direkt gegenüber ist ein Grabstein aufgestellt.

Die Sonnenstrahlen lassen den Grabstein aus graugelbem, hellen Sandstein fast leuchten. Raban tritt näher und erkennt Symbole und Schriftzüge. Sie sind bereits ziemlich verwittert. Er strengt sich an, sie zu entziffern und meint zu träumen.

»Kann das wahr sein? Da sind tatsächlich, kaum noch sichtbar, eine Ziegenherde und Sterne erkennbar. Dies ist Erdmuthes Grab, wenn sie in dem realen Geschehen so genannt wurde.« Er ist davon überzeugt und durchlebt mit geschlossenen Augen Teile der gelesen Geschichte. Jetzt, mit der Erinnerung vor Augen, sind die Schriftzüge leicht zu lesen:

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281 стр. 3 иллюстрации
ISBN:
9783742781185
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