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4. Da ist so eine Ahnung

Auch wenn es vieles gibt, das Menschen hindert, Gott zu suchen und sich auf ihn einzulassen – die Frage nach Gott oder dem Sinn des Ganzen, was wir erleben, verstummt nie ganz. Sie bleibt oftmals eine nicht erklärbare Sehnsucht, das Gefühl eines unruhigen Herzens, ein das Leben begleitendes „Hintergrundrauschen“. Warum sind wir hin und wieder so angerührt von der Schönheit der Natur? Gibt es da etwas, das in leisen Momenten zu uns spricht? Etwas, das bei uns anklopft? Irgendeine Art Ahnung? – Vielleicht genauso, wie der Kirchenvater Augustinus sie unnachahmlich formulierte: „Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir, o Gott.“ – Die Suche nach Gott beginnt eben mit einer Art Gespür, einer Ahnung, letztlich einer Sehnsucht.

Für mich gibt es so etwas wie ein „Gottesgespür“. Mir wurde das als Jugendlicher mit 15 oder 16 erstmals deutlich. Wenn ich an diese Zeit zurückdenke, sind für mich die nächtlichen Gespräche mit zwei, drei engen Freunden im Ruhrgebiet, nach Partys oder Feiern, sehr markant. Mitten in der Nacht, über uns der Sternenhimmel, waren wir unterwegs nach Hause und unterhielten uns über Fragestellungen wie diese: Unser Leben ist so großartig, wird das irgendwann einfach alles aus und vorbei sein? Oder bleibt dann so ein Gefühl wie jetzt in dieser Nacht? Könnte es so sogar dauerhaft sein nach dem Tod? Und wie ist das eigentlich: Gibt es einen Gott? Kann man den erfahren?

Das sanfte Wehen und Wirken Gottes zu erahnen, ist für viele der Anfang ihres Weges mit Gott

So etwas meine ich mit Ahnungen und Gottesgespür. Gab es schon Momente bei dir, wo davon etwas aufblitzte? Vielleicht sind die schon länger her, aber schlummern dennoch in dir.

Das Setting „Nächtliche Glaubens- und Sehnsuchtsgespräche mit Freunden“ hat sich jedenfalls bei mir auch später weiter fortgesetzt: im Studium, in römischen Nächten während meiner Auslandssemester, als Vikar, als Pastor in Paderborn und auch zuletzt wieder in der Corona-Zeit.

Die Ahnung dahinter lässt sich vielleicht so zusammenfassen: Es muss doch „mehr“ geben als nur das Vordergründige, die Oberfläche, das schnell Vorbeiziehende. Und das muss etwas Kraftvolles sein. Etwas Geheimnisvolles. Etwas, das dem Leben Kraft und Schwung verleiht.

Vor Kurzem bin ich auf ein Zitat von Paul Claudel gestoßen: „In mir lebt etwas, das mehr ist als ich selbst.“ Das bringt es auf den Punkt. Also, es beginnt mit einer Ahnung und dieser zu trauen. Unser Herz ist da wohl schon einen Schritt weiter – und dann geht die konkrete Suche los.

Gottes Hauch

Die Begegnung mit dem Geheimnis Gott muss nicht immer das große Brausen sein, ein lauter Donnerschall und etwas Spektakuläres. Sie kann überraschend anders sein: unscheinbarer, leiser, sanfter. Die berührendste Episode in der Bibel, die uns genau darauf aufmerksam macht, ist die Gottesbegegnung des Propheten Elija im Alten Testament am Berg Horeb (1. Könige 19,1–13). Der verängstigte und des Lebens müde Elija erfährt in seiner desolaten Situation die Gegenwart und Nähe Gottes – das „Vorüberziehen Gottes“, wie die Bibel sagt. Und die Überraschung, die er erlebt, ist: Gott ist weder im Sturm noch im Erdbeben, geschweige denn im Feuer. Er begegnet ihm in einem „sanften, leisen Säuseln“. Elija erfährt einen Hauch Gottes, er wird von Gott sanft berührt und gewinnt dadurch neue Lebenskraft und Perspektive.

Dieses sanfte Wehen und Wirken Gottes zu erahnen, ist für viele der Anfang ihres Weges mit Gott. Dazu gehören die Bereitschaft und Sensibilität, das persönliche Erleben und Erfahren als wichtigen Ort der Begegnung mit dem Heiligen zu betrachten. Wann gerate ich ins Staunen? Wann empfinde ich tiefen Frieden und innere Ruhe? Wo begegnen mir unverfälschte Liebe und Zuneigung? Wo rühre ich an ein Geheimnis, das größer ist als ich selbst? In welchen Situationen kann ich Kontrolle abgeben und einfach „ganz da“ sein? In all diesen Dimensionen kann ich dem Heiligen begegnen und von Gott berührt werden.

Wir dürfen und können wieder neu „geheimnisfähig“ werden. Das heißt, wir dürfen damit rechnen, dass es noch ganz andere Antworten gibt, als wir sie uns selbst ausmalen und zurechtdenken können. Wir dürfen darauf bestehen, dass eine Antwort des Glaubens nicht kleiner sein darf als die Sehnsucht und der Durst, den wir in uns tragen. Anders formuliert: Ich will auf einen Glauben setzen, der Gott Gott sein lässt. Einen Gott suchen, den man nicht einfach so besitzen kann. Ich spüre, da zeigt sich eine Wirklichkeit, die ich nicht wirklich ergreifen oder gar begreifen kann, sondern eine, die mich ergreift und umgibt; über die kann ich nicht verfügen wie über sonstige Dinge des Denkens und Lebens.

Von Elija wird berichtet, dass er als Reaktion auf die Erfahrung des Hauches Gottes sein Gesicht in den Mantel hüllt, sich so sinnbildlich von Gott umgeben lässt. Und er richtet sich auf, verlässt die Höhle, in die er sich verkrochen hat, und stellt sich an den Eingang der Höhle. Er ist bereit für einen neuen Aufbruch (1. Könige 19,13).

Dem Heiligen begegnen

Wie fühlt sich eine Begegnung mit dem Heiligen also an? Ich habe schon kurz von meinen nächtlichen Glaubens- und Sehnsuchtsgesprächen erzählt, die für mich in die ersten inneren Begegnungen mit dem Heiligen, Geheimnisvollen, eben mit Gott führten. Das Gefühl, dass es noch „mehr“ geben müsse, war dabei entscheidend.

Als Seelsorger durfte ich mittlerweile mit vielen sehr unterschiedlichen Menschen tiefgründige Gespräche über ihre Gottessuche wie auch ihre Gotteserfahrungen führen. Einiges möchte ich hier andeuten und mitteilen:

Bei vielen Menschen stehen am Anfang ihres Weges mit Gott Erfahrungen, die eine Sehnsucht in ihnen wecken. Momente des Lebens, in denen sich eine bis dahin unbekannte innere Weite und Freiheit auftaten. Es geht dabei um das innere Fühlen und Spüren einer anderen, geheimnisvollen Gegenwart. Einige werden davon bei einer Auszeit oder einem Schweigewochenende im Kloster ergriffen, andere bei einer Wanderung in den Bergen und wieder andere in einem Gespräch mit einem Freund, in dem es auf einmal wirklich um „Gott und die Welt“ geht. Für viele ist diese Erfahrung auch mit dem Erleben von sakralen Räumen verbunden. Der Besuch in einer lichtdurchfluteten Kathedrale auf der Urlaubsreise, die besonderen Gerüche dort, die vielen aufgestellten Opferkerzen, der Anblick betender Menschen, die Stille in einer kleinen Seitenkapelle. Ein heiliger Ort kann in Menschen die Sehnsucht nach dem Heiligen, nach Gott beflügeln oder wieder neu anregen. Gleiches gilt für bestimmte Bilder oder Kunstwerke.

Eine ältere Dame hat mir mal erzählt, dass ihr größter Trost und ihre beständige Verbindung zum Himmel der Anblick des Bildes „Die Rückkehr des verlorenen Sohns“ von Rembrandt sei. In schwierigen Situationen habe sie stets einen Druck des Bildes angeschaut und bei sich getragen, so habe sie wieder inneren Frieden und Ruhe gefunden.

Und dann ist da natürlich noch die Musik. Einige, oft eher ältere Menschen oder begeisterte Chorsängerinnen und -sänger, führt die klassische geistliche Musik zu einer tiefen Erfahrung von Verbundenheit und Berührung mit dem Heiligen.

Viele junge Menschen schätzen heute die „Worship“-Musik und erleben durch diese an den Pop angelehnte Art des Lobpreises Gottes eine Ahnung des Heiligen. Ich kenne zwei Studierende, die selbst Worship-Texte schreiben und die Musik dazu komponieren. Allein dieser kreative Prozess ist für die beiden schon eine Berührung mit Gott. Die Stunden, in denen sie an ihren Liedern „arbeiten“, sind für sie heilige Zeiten – wie ein Gottesdienst.

Manchmal sind es auch aktuelle Songs aus den Charts sowie Lieder aus den Playlists deutscher oder internationaler Künstler, die einen neuen Horizont eröffnen oder eine Atmosphäre vermitteln, die das Alltagsbewusstsein übersteigt. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Song „Hallelujah“ von Leonhard Cohen oder bei Trauungen „Sag einfach Ja“ von Tim Bendzko.

In der Hochschulgemeinde hatten wir vor Kurzem als Semesterthema „Let the music heal your soul“ – Lass die Musik deine Seele heilen. Es wurde deutlich, dass Klänge, Töne, Melodien und Rhythmen Menschen verbinden und Bindungen stärken können. Musik lässt schließlich etwas in uns erwachen und unseren Körper schwingen. Für manche ist Musik eine Tür zu ihrer Seele und damit auch zu Gott, ein Türöffner in neue innere Räume.

In diesem Zusammenhang bin ich auf die Texte des Geigenbauers Martin Schleske aufmerksam geworden.15 Schleske reflektiert auf sehr tiefgründige Weise die Schritte des Geigenbaus und erkennt darin viele Gleichnisse zum Leben und Glauben. Äußerlich, meint er, gleiche vieles zunächst dem bloßen Gang durch seine Werkstatt, einem technischen Prozedere, aber zugleich sei dies auch ein innerer Weg in die Welt des Glaubens. Immer wieder werden ihm beim Arbeiten in seiner Werkstatt Zusammenhänge zwischen dem Leben und Glauben bewusst. Dabei gehe es beispielsweise um die Suche nach dem richtigen Holz für die Geige, wie bedeutsam es also sei, das passende Holz zu finden. Welche Eigenarten muss es haben, damit das Instrument, das daraus entsteht, am Ende gut klingt? Es geht um Klangfarben, den Duft der Pigmente, die Vielfalt der Harze, die Bedeutung der Formen und Wölbungen.

Begeistert und selbst sehr ergriffen von den Gedanken Schleskes habe ich einmal im Advent im Paderborner Dom eine Predigtreihe zum Thema „Lauschen auf den Klang des Lebens“ angeboten. Die Resonanz war überwältigend und die Broschüren mit den abgedruckten Predigten wurden uns im Dom quasi aus den Händen gerissen.

Hier scheint also ein wichtiger Punkt in uns angerührt zu werden: im Vielerlei der äußeren Stimmen sowie der inneren Gedankenfluten ein Gespür für die tiefer liegenden Klänge und Resonanzen zu bewahren oder neu zu erlernen – für die Herztöne und Seelenklänge.

Augenöffner im Alltag

Das macht deutlich: Glaube ist nichts, worüber man einfach verfügen kann. Er ist eher etwas, dem man sich zur Verfügung stellt. Glaube ist ein entstehendes Werk. Darin ist er einem Kunstwerk ähnlich, zum Beispiel einem Musikstück.

Im Leben und im Glauben ist also eine schöpferische Kraft wirksam, eine heilige Gegenwart, aus der man leben kann. Das gilt gerade auch hinsichtlich alltäglicher Erfahrungen: bei der Arbeit, in meinen Beziehungen, in der Freizeit, in der Natur. Es gibt so etwas wie Offenbarungsmomente des Alltags: Erlebnisse, die zum Gleichnis für tiefe Wahrheiten und Einsichten werden können. Augenblicke, die dem Leben einen neuen Klang schenken. Damit bekommt der Glaube etwas Behutsames und Sanftes, eine Ehrfurcht gegenüber dem Heiligen. Die Frage des Glaubens wäre dann nicht nur „Worauf vertraust du?“, sondern auch „Was ist dir anvertraut?“.

Am Anfang stehen also Ahnungen, „Offenbarungsmomente“ im Alltag oder zu besonderen Zeiten des Lebens eben immer auch ein Vertrauen: ein Grundvertrauen ins Leben und die schöpferische Kraft, die darin und in allen Dingen anwesend ist und uns widerfahren und berühren kann.

Die Frage ist dann, ob wir offen dafür sind, wie Gott uns begegnen möchte. Dass er uns eben für gewöhnlich nicht mit großen, äußeren Spektakeln überwältigt, sondern uns in alltäglichen und zuweilen unscheinbaren Momenten der Erleuchtung und des Vertrauens anspricht.

Aber könnte es nicht sein, dass wir manchmal von Anfang an einen Filter besitzen? Das wäre dann wieder wie bei einem Date. Oder anders gefragt: Kann nicht auch mein „Match“ ganz anders aussehen als meine bisherigen Idealvorstellungen, die das Äußere und andere Eigenschaften betreffen, wenn ich mich einfach mal auf „das Andere“ einlasse? Wo unterscheiden sich meine Vorstellungen vielleicht also von dem, wie Gott mir persönlich und „livehaftig“ begegnen möchte?

5. Dem Gefühl nachspüren

Gott zu erahnen und dieser Spur Vertrauen zu schenken, ist der Anfang von allem. Wie aber geht es weiter? Es verhält sich bei der Gottsuche wohl wie bei vielen anderen Erlebnissen: Wer dranbleiben will, wer einer ersten Erfahrung nachgehen will, muss von der bequemen Couch aufstehen, in Bewegung kommen und sich auf die Suche begeben. Will ich zum Beispiel erleben, wie herrlich eine Landschaft riecht oder aussieht, die ich in einer TV-Doku gesehen habe, muss ich mich aufmachen: hinfahren, erleben, spüren, wahrnehmen. Oder wenn ich an ein erstes Date anknüpfen möchte, dann muss ich doch an meinem Gegenüber dranbleiben, ihm oder ihr texten und weitere Treffen vereinbaren, um miteinander Zeit verbringen zu können. Manche versuchen auch, mehr über die sozialen Medien herauszufinden: Was mag er oder sie? Welche Fotos wurden gepostet? Welche Freunde sind verlinkt?

Ich muss jedenfalls dranbleiben und aufbrechen, wenn ich jemanden (näher) kennenlernen will. Eine treffende biblische Kurzformel für diese Haltung ist die verheißungsvolle Aufforderung von Jesus an seine ersten Jünger: „Kommt und seht!“ (Johannes 1,39).

Glaubensgespräche können das Leben grundlegend verändern

Berufung fängt in der Bibel damit an: kommen und sehen. „Sehen“ hat dabei im biblischen Sinne mit „Erkennen“ zu tun, es meint also ein tieferes Sehen, ein Wissen vom anderen. „Kommen“ ist als Ruf zum Aufbruch zu verstehen: sich auf Jesus einlassen, ihn erleben, mit ihm gehen. So werde ich nach und nach erfahren, wer er ist und wer er für mich persönlich sein möchte.

Für die ersten Jünger wie Simon Petrus und Andreas war es die Sternstunde ihres Lebens, als „sie sahen (erkannten), wo Jesus wohnte“ und wie er lebte. Sie verstanden auf einmal, wo er zu Hause, beheimatet und verwurzelt war: nämlich in Gott, seinem Vater. Daher wollen sie bei ihm bleiben und bei ihm in die „Jünger-Schule“ gehen. Sie bleiben nicht zu Hause „auf dem Sofa“ liegen, sie wagen den Aufbruch.

Der Aufbruch hin zu einem neuen Bleiben, beziehungsweise einer neuen Bleibe, ist also die Folge des Kommens und Sehens. Nach dem Johannesevangelium ist dies der Raum der Liebe: „Bleibt in meiner Liebe“ (Johannes 15,9), fordert Jesus seine Vertrauten auf. Das ist im Übrigen auch ein Sinnbild für die Kirche als Glaubensgemeinschaft: mit Jesus und den anderen verbunden bleiben, weil alle kommen, sehen und bleiben.

„Kommt und seht!“, diese Aufforderung Jesu ist für mich eine Einladung des Vertrauens – mitten im Leben – im ganz praktischen Sinne: Es geht um Wohnen, Freundschaft, Zusammensein. Sie erinnert mich auch an die Einladung aus den Psalmen: „Kostet und seht, wie gut der Herr ist“ (34,9). Oder wie Luther übersetzt: „Schmecket und sehet.“ In seinen Worten spielt demnach auch der Genuss eine Rolle. Gott zu begegnen bedeutet, das Leben richtig zu schmecken.

Vergraben wir das Anvertraute?

Eine ähnliche Dynamik hat das berühmte Gleichnis Jesu von den anvertrauten Talenten (Matthäus 25,14–30). Es handelt davon, wie das Leben in Fluss kommen kann, wie Menschen Verantwortung übernehmen und damit etwas vom Himmelreich erfahrbar wird. Es ist eine Vertrauens- und Motivationserzählung von Jesus, die uns beflügeln kann, an den uns geschenkten ersten „Glaubenserfahrungen“ dranzubleiben und diese nicht wieder schnell zu begraben.

Das Setting des Gleichnisses ist sicher vielen bekannt: „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der auf Reisen ging. Er rief seine Diener und vertraute ihnen sein Vermögen an. Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld, einem anderen zwei, wieder einem anderen eines, jedem nach seinen Fähigkeiten. Dann reiste er ab.“ Das Gleichnis erzählt anschließend davon, wie die ersten beiden Diener anfangen, mit dem Geld zu wirtschaften, während der dritte das Geld in einem Erdloch versteckt und nichts weiter damit macht. Bei der späteren Rückkehr des Mannes werden die ersten beiden als „treu und tüchtig“ gelobt und erhalten die Einladung: „Komm, nimm teil am Freudenfest deines Herrn!“ Der andere Diener hingegen wird als „schlecht und faul“ getadelt und „hinausgeworfen“.

Das Gleichnis stellt allgemein die Frage, wie wir mit unserem Leben, dem größten Geschenk, das wir haben, umgehen. Nutzen wir es, um tatsächlich zu leben? Oder vergraben wir das Anvertraute? Ertragen wir es eher, als es zu gestalten?

Und im Hinblick auf unser Thema, wie Gott sich erahnen lässt, fragt das Gleichnis uns: Folgst du der Spur deiner Sehnsucht und deiner Ahnung von einer größeren Freiheit und Wirklichkeit? Beginnst du mit dieser zu „wirtschaften“, also etwas zu gestalten, Dinge auszuprobieren, Verantwortung zu übernehmen? Oder vergräbst und verschüttest du deine Sehnsucht – deine vielleicht erst zaghaften Ahnungen des Heiligen, einer göttlichen Gegenwart in deinem Leben?

Das Gleichnis ist auch eine große Befreiungserzählung. Diesen Dienern, gemeint sind wohl die Sklaven eines wohlhabenden Mannes, wird viel zugetraut. Es werden ihnen Räume der Freiheit geschenkt: „Hier habt ihr die Vermögensteile, jetzt seid ihr dran. Fühlt euch frei.“ Das Wirtschaften war damals nur gewissen Gruppen vorbehalten. Dass nun diese Sklaven frei wirtschaften dürfen, war eigentlich undenkbar. Doch zwei der Sklaven gehen auf das entgegengebrachte Geschenk des Vertrauens ein und lassen sich befreien. Der dritte Sklave nicht; er hat Angst vor dem Scheitern, offenkundig auch Angst vor dem Geber der Talente. Er möchte die Kontrolle bewahren.

In der Tat hat eine Freiheits- und Befreiungserfahrung ja auch immer mit Kontrollverzicht zu tun. Es könnte etwas schiefgehen; das Wirtschaften könnte ja auch misslingen. Das Evangelium aber lädt immer wieder zu Freiheitserfahrungen und Kontrollverzicht ein und steht hier deutlich auf der Seite der ersten beiden Sklaven.

Für mich ist das Gleichnis eine wunderbare Ermutigung, auf das Vertrauensangebot und die Vermögensübergabe (oder Talentvergabe) von Gott einzugehen. Dass ich Verantwortung für diese Leihgabe übernehme und so in den Lebensfluss komme. Dabei geht es immer um ein Sich-beschenken-Lassen, Sich-durchfließen-Lassen und Im-Fluss-Bleiben. Und um in diesen Lebensfluss zu kommen – in die Befreiungsdynamik von Jesus – darfst und musst du immer wieder mal die Kontrolle abgeben; nur so werden kreative und überraschende Prozesse angestoßen.

Aber vielleicht fragst du dich jetzt: Wo und wie fange ich konkret an? Wo ist heute meine „Jünger-Schule“, in der es heißt: „Kommt und seht“? Wie kann ich mehr über Gott erfahren? Wem vertraue ich mich an?

Die Kirche im Dorf

Manches im Leben ist oft viel nahe liegender, als wir meinen – so wie die sprichwörtliche „Kirche im Dorf“. In vielen Dörfern und Städten steht eine Kirche ganz selbstverständlich im Zentrum und das Leben hat sich um sie herum gebildet: Markt, Cafés, Geschäfte. Also, warum nicht mal einfach hingehen in diese Kirche? Am Morgen vor der Arbeit oder gegen Abend, um den Tag Revue passieren und ausklingen zu lassen? Mir Momente der Stille in einem Kirchenraum gönnen oder auch hin und wieder eine Kerze entzünden als Zeichen für eine Bitte, einen Wunsch, einen Dank, oder als Ausdruck meiner Sehnsucht und Suche? Ich könnte es vielleicht ja auch „wagen“, einen Gottesdienst zu besuchen. Ich werde die Glocken, die dazu rufen, sicher häufiger zwischendurch hören. Vielleicht ist es der erste Gottesdienst nach langer Zeit. Da darf ich mich durchaus am Anfang zunächst verstecken: in der letzten Reihe, hinter einer Säule, in „Fluchtnähe“ zum Ausgang. Was löst diese Teilnahme am Gottesdienst in mir aus? Wir wirken der Raum, die Musik, die gesprochenen Worte, die Rituale auf mich? Und selbst wenn ich mich vielleicht fremd fühle, ästhetisch und atmosphärisch nicht wirklich „abgeholt“, gibt es möglicherweise doch einen kleinen Moment, wo etwas in mir angerührt wird? Eine Person, die ich beim Beten beobachte, ein Wort, das verlesen wird, eine Zeile aus einem Kirchenlied?

Der Besuch einer Kirche oder eines Gottesdienstes, ob zu Hause im Ort oder auf Reisen, kann ein nahe liegender Beginn sein.

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