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Ein Zeitalter des Vertrauens?

Die Bedeutung und Wertschätzung von Freundschaft und Familie lassen sich wohl auch einordnen in eine aktuelle Großwetterlage, in der in vielen Kontexten der Slogan vertreten wird: „Wir brauchen wieder mehr Werte.“ Man spricht von den „Werten Europas“ oder einer „Werte-Gemeinschaft“. Einiges deutet darauf hin, dass dieser Trend – man erfährt vielfältigen Vertrauensverlust und sehnt sich gleichzeitig nach Halt, Werten und Stabilität – sich durch die Coronapandemie weiter verstärkt. Die Krise hat vieles, was schon unterschwellig da war, sichtbarer gemacht und wie unter einer Lupe vergrößert. Vielleicht hast du in den Monaten des Lockdowns auch innegehalten sowie klarer gesehen und stärker gespürt, was du wirklich brauchst und im Leben vermisst. So ein Blick richtet sich schnell auf zwischenmenschliche Beziehungen und gesellschaftliche Phänomene: Auf wen konnte ich mich in der Krise verlassen? Wer oder was gibt mir Hoffnung? Wie möchte ich zukünftig mein Leben gestalten?

Optimistische Zukunftsforscher wie der medial viel zitierte und interviewte Matthias Horx sind jedenfalls davon überzeugt, dass eine neue soziale und gesellschaftliche Wirklichkeit entstehe, dadurch dass sich unsere Wahrnehmung in der Krise verändert habe.9 Es könnte ein neues Zeitalter beginnen, in dem Vertrauen und das Spüren von tragenden Verbindungen eine noch größere Rolle spielen.

Allerdings wird der Übergang in dieses „Neue“ nicht leicht. Viele sind durch die Erfahrungen der Pandemie ängstlich geworden, haben psychische Schwierigkeiten oder leben in einer – auch materiell – unsicheren Lebenssituation. Wie also fassen wir Mut, uns auf etwas Neues einzulassen? Ob wir da vom Glauben lernen können?

Glaube heißt doch, sich trotz aller Umstände auf etwas Unbekanntes einzulassen, Neuland zu betreten. Oder mit den schönen Worten aus dem Hebräerbrief der Bibel gesprochen: „Der Glaube ist der tragende Grund für das, was man hofft: Im Vertrauen zeigt sich jetzt schon, was man noch nicht sieht“ (11,1; Hfa). Glaube bedeutet also: hoffen und vertrauen.

Ich mag den Satz der deutschen Lyrikerin Hilde Domin (1909-2006) sehr: „Ich setzte den Fuß in die Luft, / und sie trug.“10 Einen Schritt muss ich zunächst selbst unternehmen, setzen und mich vertrauensvoll vorwagen – so kann ich erfahren, dass tatsächlich ein neuer Weg entsteht, der mich und mein Leben trägt.

Die Sache mit dem Blick

An das Bild vom Schritt in die Luft muss ich auch immer denken, wenn ich die Berufungserzählungen aus den Evangelien lese. Da sind Männer und Frauen, die an einem bestimmten Punkt ihres Lebens auf Jesus von Nazareth treffen, von ihm angeschaut und angesprochen werden, und die sich dann auf ihn einlassen und ein neues Leben beginnen. Was hat sie dazu getrieben? Wie konnten sie einfach so aufbrechen in etwas Neues? Woher haben sie die Kraft und den Mut genommen?

Es hat mit der Faszination an der Person Jesu zu tun. Dem Gefühl, diesem Mann und seiner Botschaft der anbrechenden neuen Welt Gottes intuitiv trauen zu können. Meist fing alles damit an, dass sie gesehen, ja angesehen wurden. Die Jüngerinnen und Jünger Jesu fühlten sich von seinem aufmerksamen, liebevollen, aber auch herausfordernden Blick wahrgenommen. Und sie ahnten: Da ist noch eine andere Welt, ein anderer Horizont, der sich meinem Leben öffnet. Neue, bisher ungeahnte Perspektiven, die locken.

Die Bibel beschreibt diesen Blickkontakt mehr als einmal: Jesus „sah“ Simon (Petrus) und Andreas, die auf dem See die Netze auswarfen, ebenso „sah“ er Jakobus und Johannes im Boot sitzen (vgl. Markus 1,16–20). An anderer Stelle, im Johannesevangelium, führt Andreas seinen Bruder Simon zu Jesus und dort wird berichtet: „Jesus blickte ihn an und sagte: ‚Du bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kephas heißen, das bedeutet: Petrus, Fels‘“ (Johannes 1,42).

Durch die Sache mit dem Blick kommt alles ins Rollen. Wir wissen nicht genau, in welcher konkreten Lebenssituation Jesus diese Männer „erwischt“ hat. War ihr Leben in Ordnung? Hatten sie gerade Probleme? Bestand schon ein Draht zu Gott? Es ist reizvoll, diese „Leerstellen“ mit fiktiven Bildern und Szenen zu füllen. So geschieht es beispielsweise in der aktuellen Film-Serie über das Leben Jesu „The Chosen – der Auserwählte“. Hier wird die Situation des Simon Petrus beim ersten Blick Jesu auf ihn, beim ersten Angeschaut-Werden, folgendermaßen dargestellt: ein Mann an dem Tiefpunkt seines Lebens. Die Netze des Fischers vom See bleiben oft leer, seine Steuerschuld ist erdrückend, in der Ehe kriselt es. Er ist am Boden zerstört. Da begegnet ihm Jesus und fordert ihn auf, ihm zu folgen. Trotz anfänglichen Misstrauens lässt er alles stehen und liegen und schließt sich dem zunächst unbekannten Mann an.11

Neben dem Sehen spielt in anderen Berufungserzählungen auch das Hören eine wichtige Rolle. Paulus „hört“ eine Stimme, die sich als die Stimme Jesu zu erkennen gibt: „Auf seiner Reise nach Damaskus, kurz vor der Stadt, umgab Saulus plötzlich ein blendendes Licht vom Himmel. Er stürzte zu Boden und hörte eine Stimme: ‚Saul, Saul, warum verfolgst du mich?‘ ‚Wer bist du, Herr?‘, fragte Saulus. ‚Ich bin Jesus, den du verfolgst!‘, antwortete die Stimme. ‚Steh auf und geh in die Stadt. Dort wird man dir sagen, was du tun sollst‘“ (Apostelgeschichte 9,3–6).

Klarkommen, aufleben, loslegen

In der Begegnung mit Jesus (sehend wie hörend) entsteht – zunächst wohl recht spontan und eben intuitiv – eine neue Vision für das Leben. Und mit dieser Vision im Herzen wagen einige den Sprung nach vorne, den Sprung ins Vertrauen, dass diese Lebensvision trägt und eine erfüllende Zukunft verheißt.

Zum Glauben und Vertrauen gehören also auch Sinneserfahrungen. Es geht darum, gut hinzuhören und hinzuschauen und sich anschauen zu lassen. Leider hören wir heute häufig nicht mehr richtig (zu); wir hören zwar Musik, aber oft als Berieselung und alleine mit unseren „Ego-Tunneln“ (Kopfhörern). Oder wir sehen nicht mehr richtig hin: Wir sind schnell unterwegs und achten mehr auf das Machen eines Fotos oder Selfies, aber verweilen nicht an Ort und Stelle und lassen die Umgebung auf uns wirken. Steckt hinter der Glaubenskrise also auch eine Krise der Sinne? Ich glaube, da ist etwas dran.

Besser wahrnehmen und verstehen, was wir eigentlich brauchen und was unserem Leben (noch) fehlt, was wir vermissen – das ist die Initialzündung für jeden Schritt nach vorne, für den Eintritt in eine neue Lebensphase. Und oft steht eine Begegnung am Beginn eines solchen Erkenntnisprozesses. Bei den biblischen Jüngern war es die mit Jesus von Nazareth. Die Folge: In ihrem Innern entsteht auf einmal ein großer Freiraum. Sie stellen sich ihren Fragen und Themen. Vielleicht mag es dann zunächst etwas chaotisch in ihnen zugegangen sein. Aber das ängstigt sie nicht. Sie wissen: Jedes Chaos will ein Anfang sein. Durch die Begegnung mit Jesus erleben sie eine Inspiration. Sie lernen kreativ und originell mit neuen Augen und mit Gott auf ihr Leben zu blicken. Und schließlich treffen sie Entscheidungen: Sie finden Mut, souverän anzugehen, was vor ihnen liegt.

Ein befreundeter Jesuitenpater, der viele junge Menschen bei Entscheidungsfindungen begleitet, drückt diesen Prozess in einem Dreiklang aus: Klarkommen. Aufleben. Loslegen.

Glauben heißt, sich auf etwas zunächst Unbekanntes einzulassen, Vertrauen zu wagen. Klar ist aber auch, dass es bei diesem Weg, vielleicht schon ganz zu Beginn, Hindernisse gibt. Da sind Blockaden in mir und von außen. Da können Ängste aufsteigen, die mit meiner bisherigen Lebensgeschichte und gewissen Lebenserfahrungen zu tun haben, aber auch diffuse Ängste, die ich gar nicht so leicht zuordnen kann. Ein wenig vergleichbar ist das mit dem Prozess, sich auf einen anderen Menschen ganz und gar einzulassen, ihm Vertrauen zu schenken. Auch da gilt es oft, Hindernisse zu überwinden und sich zu trauen, Ja zum Gegenüber zu sagen. Ein „klassisches“ Beispiel für solche Ängste und Hindernisse wäre vielleicht der Mann, der als kleiner Junge in der Schule als Dickerchen gehänselt worden ist, und nun – trotz Waschbrettbauch – immer noch schambehaftet hofft, dass er selbst genug ist für die Beziehung mit seiner Freundin, dass er „reicht“.

Für den eigenen Glaubensweg jedenfalls hilft es, sich zu fragen: Welcher Beziehungs- oder Bindungstyp bin ich eigentlich? Eher abwartend und unsicher oder eher extrovertiert und neugierig auf Neues? Und welche Hindernisse muss ich überwinden, um den Glauben zu entdecken und Gott Vertrauen zu schenken? – Darum soll es im nächsten Kapitel gehen.

3. Was hindert mich?

Gründe, die Menschen daran hindern, sich auf eine persönliche Begegnung mit Gott einzulassen, den Sprung in den Glauben zu wagen, gibt es viele. Vorweg sei gesagt: Natürlich muss ich zunächst einmal davon überzeugt sein, dass eine solche Begegnung überhaupt möglich ist. Insofern birgt es eine fundamentale Herausforderung, wenn eine amerikanische Studie zu dem Ergebnis kommt, dass die Mehrheit der Katholiken in den USA eine persönliche Beziehung zu Gott nicht sicher für möglich hält.12 Viele glauben eher an einen unpersönlichen Gott, eine „unpersönliche Macht“. Doch mit einer bloßen Macht ist selbstverständlich keine vertrauensvolle Beziehung möglich. Die Annahme, dass ich zu Gott gar keine persönliche Verbindung aufbauen und mit ihm leben kann, ist der Hauptgrund, der viele daran hindert, Gott zu begegnen. Anders gesagt: Ein „Date mit Gott“ halten sie nicht für möglich.

Wie ich im weiteren Verlauf des Buches noch darlegen möchte, bin ich vom Gegenteil überzeugt. Ich möchte dazu Erfahrungen aus der Bibel, der spirituellen Praxis der Kirche und persönliche Glaubenserfahrungen schildern. Aber selbst wenn ich ein „Date mit Gott“ prinzipiell für möglich halte oder sogar schon mal erlebt habe, gibt es dennoch einige Hindernisse, die ausschlaggebend dafür sind, dass Menschen den „Sprung in den Glauben“ nicht wagen.

In meiner Arbeit in der Hochschulgemeinde sowie vorher in der Pfarrgemeinde und bei den Begegnungen mit Passanten in der Kölner Innenstadt rund um den Dreh des Pro7-„Motzmobils“ sind mir da schon so manche Gründe geschildert worden. Hier die vier häufigsten:

1. Kirchliche Hindernisse

Was viele Menschen daran hindert zu glauben, ist oft kirchengemacht. Oder wie eine befreundete Theologieprofessorin mal in launiger Runde sagte: „der ganze Kirchen-Scheiß“. Rund um Kirche – in Geschichte wie in der Gegenwart – gibt es so viele Negativthemen, die Menschen schon von vornherein davon abhalten, den Gedanken an den christlichen Glauben ernst zu nehmen oder sich darauf näher einzulassen. Die „Klassiker“ sind: die Kirche und die Kreuzzüge, die Kirche und die Hexenverbrennungen und die Rolle der Kirche in Diktaturen. Dazu gesellen sich wiederkehrend die Dauerbrenner-Themen wie Zölibat, Sexualmoral, Männerkirche oder Kirchensteuer. Und die skandalösen Umstände rund um den Umgang der Kirche mit Fällen des Missbrauchs lassen viele buchstäblich vom Glauben abfallen. Nicht nur das, sie hindern sie, es auch neu mit dem Glauben zu versuchen. Wer will ihnen das verübeln? Schließlich haben einige richtig schlechte Erfahrungen mit dem „Bodenpersonal“ der Kirche gemacht, die vieles kaputtgemacht haben. Beispiele gibt es vielerorts genug und sind nicht von der Hand zu weisen: ein lieblos und unpersönlich gehaltener Beerdigungsgottesdienst für den nahestehenden Angehörigen (im schlimmsten Falle noch mit der Verwechslung des Namens), ein oberflächliches und unter Termindruck geführtes Taufgespräch, eine permanente Nicht-Erreichbarkeit des Pfarrbüros vor Ort („Servicewüste“ Kirche) und vieles mehr. Unter dem Strich könnte man sagen: Für viele ist die Kirche das größte Hindernis, nicht der Glaube an sich oder das Date mit Gott.

Was viele Menschen hindert zu glauben, ist oft kirchengemacht

2. Gottesbilder

Ein anderes Hindernis, das davon abhält zu glauben, kann mit dem Gottesbild zusammenhängen. Oder salopp ausgedrückt: das falsche Bild vom Dating-Partner.

Mich überrascht und irritiert es teilweise immer wieder, mit welchen Gottesvorstellungen eine große Anzahl von Christen herumläuft, allen voran viele junge Menschen, denen ich begegne. Diese Gottesbilder existieren sowohl als bloße Zuschreibungen an die Kirche („das glaubt ihr doch so“) als auch als tief liegende eigene Gottesbilder.

Weit verbreitete sind der strafende Gott, oder ein Gott, der wenigstens ein bisschen böse oder gar sadistisch ist. Eng damit verwandt ist der Überwacher-Gott, der jegliche Handlung genau registriert und der dann irgendwann mal die Menschen einteilen wird in Richtung Himmel oder Hölle. Auch das extreme Gegenteil kommt häufig vor: der „liebe Gott“, ein Gott, der wie ein harmloser, etwas seniler älterer Herr auf die Menschen schaut und dem letztlich alles ziemlich egal ist, was so auf der Erde passiert. Wie soll ich vor einem solchen Gott Respekt haben und Vertrauen aufbauen?

Und dann ist da noch der „Superman-Gott“, der in diese Welt und damit selbstverständlich auch in die Naturgesetze eingreifen kann, wann und wie immer er will. Auf derselben Stufe befindet sich der wörtlich und banal verstandene Schöpfer-Gott (abgeleitet aus Genesis 1), der die Welt in sieben oder ein paar mehr Tagen geschaffen hat.

An meiner ersten Priesterstelle waren in diesem Zusammenhang die Gespräche mit den Firmlingen zum Abschluss ihrer Vorbereitungszeit besonders aufschlussreich. Die Gespräche ähnelten sich sehr, etwa nach diesem Muster: „Ich glaube ja irgendwie an Gott, aber mir fällt es schwer zu glauben, dass Gott die Welt in sieben Tagen erschaffen hat. Da glaube ich eher den Naturwissenschaften. Und an die Hölle, da kann ich auch nicht so wirklich dran glauben.“ – Da habe ich mich schon gefragt, wie 15-jährige Gymnasiasten darauf kommen, dass sie in der Kirche in erster Linie an die Hölle oder an einen wörtlich verstandenen Schöpfungsbericht glauben müssten. Das kann doch eigentlich nicht an der Katechese und am Religionsunterricht liegen. Oder gibt es so etwas wie „vererbte“ religiöse Vorstellungen: Weil die Eltern dieses und jenes noch „glauben mussten“, muss ich das sicher auch? Oder werden vielleicht viele von folgendem Denkmuster geleitet: Weil „die“ Kirche in gewissen Bereichen so einen „Unsinn“ lehrt (Jugendliche würden hier wohl vor allem auf die Sexualmoral anspielen), trau ich ihr auch diese unaufgeklärte Gotteslehre zu.

Mir ist jedenfalls deutlich geworden, dass es zwei wiederkehrende Problemhorizonte gibt: Die Frage nach der Schöpfung (Was bedeutet: „Gott ist Schöpfer und Erschaffer der Welt“?) und die nach dem rechten Verständnis der biblischen Schriften. Gerade beim Thema „Bibel“ wird häufig gefragt: Wie soll ich eigentlich all die schrecklichen Texte des Alten und teilweise auch Neuen Testaments verstehen? Warum lässt Gott unzählige Menschen geradezu abschlachten? Was ist eigentlich historisch in der Bibel? Oder ist die Bibel nur ein religiöses Märchenbuch?

In Seelsorgegesprächen, bei Kondolenzbesuchen oder beim Krankenbesuch begegnet mir auch die Frage nach dem Eingreifen Gottes und in diesem Zusammenhang natürlich die nach dem (Bitt-) Gebet. Es scheint mir nach wie vor nicht hinterfragt zu werden, dass für die meisten Christen Gott so gedacht wird, als sei er in dem Sinne allmächtig, dass er jederzeit ins Weltgeschehen eingreifen könnte. Natürlich könne er Krankheiten heilen, mich vor Krebsdiagnosen bewahren und vieles mehr. Macht der Einzelne dann gegenläufige Erfahrungen, wird vielfach nicht etwa dieses Gottesverständnis infrage gestellt, sondern Gott und seine Existenz selbst. Die Frage nach dem Leid im Allgemeinen und warum Gott dieses zulasse, hindert viele Menschen daran, einen vertrauensvollen Schritt auf Gott zuzumachen, ganz nach dem Motto: „Wenn man ihn braucht, ist er ja doch nicht da…!“ Und dieser Aspekt leitet schon über zum nächsten Grund.

3. Enttäuschung über Gott

Hier gibt es wieder eine Analogie zur zwischenmenschlichen Ebene: Von einem Partner oder einer Partnerin kann man enttäuscht sein bzw. werden. Einige haben vielleicht versucht, sich auf Gott einzulassen, wollten ihn näher kennenlernen, aber es „funkte“ und „knisterte“ nicht. Oder das Feuer des Anfangs verflog schnell. Manche sagen mir: „Es kommt ja eh nichts zurück von Gott; ich bete und rede mit ihm, aber er schweigt. Er will nichts mit mir zu tun haben.“ Andere stoßen sich an der Unsichtbarkeit Gottes: „Wie soll ich jemanden kennenlernen, den ich nicht sehe oder berühren kann? Ist das nicht alles Einbildung?“ Letztlich gibt es auch ganz konkrete Situationen, die einige dazu bewegen, sich enttäuscht von Gott abzuwenden und keinen neuen Anlauf mehr in seine Richtung unternehmen wollen. Vor allem wenn jemand sich ungerecht von Gott behandelt oder im Stich gelassen fühlt. Ein älterer Mann hat mir einmal gesagt: „Ich war mein ganzes Leben ein frommer Mann, habe viel gebetet und meine Kinder im Glauben erzogen. Und heute will keines meiner Kinder mehr etwas mit dem Glauben zu tun haben. Meine Frau ist kürzlich an einer Krankheit verstorben und ich selbst kann kaum noch gehen. Warum hat mich Gott verlassen und mir einen solchen Lebensabend beschert? Ich kann seit Monaten nicht mehr beten oder in die Kirche gehen.“

Enttäuscht von Gott zu sein, ist ein harter Brocken, weil Enttäuschungen sich tief in uns festsetzen können und weil wir alle große Angst vor ihnen haben. Ist Gott nicht besser als mein Freund oder mein Verwandter, der mich kürzlich arg enttäuscht hat? Enttäuschung und Zweifel liegen hier eng beieinander.

Bleibt noch die letzte Kategorie der Hindernisse, die für mich die größte Herausforderung darstellen.

4. Kein Interesse

Kurz gesagt: In der Beschäftigung mit Gott oder dem Glauben sehen viele einfach keine Notwendigkeit. „Ich habe einfach kein Interesse an einem Date mit Gott. Das Ganze ist mir egal. Ich habe genug anderes zu tun und im Übrigen geht es mir ohne Gott ganz gut.“

Eine solche Haltung begegnet mir in vielen Traugesprächen, wenn der eine Partner mit dem Glauben verbunden ist, der oder die andere aber schlichtweg nichts damit anfangen kann. Oder bei zufälligen Begegnungen auf Geburtstagsfeiern oder Festen.13 Wenn wir da auf meinen „Job“ zu sprechen kommen, sagen manche: „Das ist ja ganz nett, dass du dich mit solchen Dingen beschäftigst. Für mich ist das nix. Ich komme gut ohne Gott klar.“

Der Religionssoziologe Tomáš Halík nennt solche Personen „Apatheisten“. Menschen, die der Religion gegenüber apathisch, gleichgültig sind – und zwar nicht hinsichtlich religiöser Antworten, sondern auch den Fragen, die der Glaube stellt. Ein Apatheist lasse sich nicht vom Glauben und von den Überlegungen zum Thema Religion behelligen, er verliere nicht einmal Zeit damit, gegen den Glauben zu polemisieren.14

In meinem Bild vom Date hieße das: Der Dating-Partner sitzt da, aber es besteht keinerlei Interesse, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Warum? Vielleicht weil das eigene Leben bestimmt ist von vielen anderen, noch viel spannenderen Dates. Oder, um das Bild weiter zuzuspitzen: Es verhält sich wie beim „Speeddating“, wo der beste Partner (Gott) eigentlich schon vor einem sitzt, aber der Blick zu den anderen verführerisch schauenden „Göttern/Götzen“ an den Nebentischen abschweift.

Vielleicht hängt dieser Apatheismus auch mit der zu Beginn des Kapitels genannten grundsätzlichen Blockade zusammen, nämlich eine persönliche Gottesbeziehung gar nicht für möglich zu halten. Denn wo es um nichts Persönliches geht, ist es auch nicht spannend und es besteht kein Interesse.

Fassen wir zusammen: Es gibt eine Reihe von sehr unterschiedlichen Gründen, skeptisch gegenüber einem Date mit Gott zu sein oder gar ganz die Finger davon zu lassen. Gott begegnen zu wollen, darin sehen viele alles andere als eine Notwendigkeit, eher eine Option oder eben auch ein Potenzial.

Um Letzteres soll es im Folgenden gehen. Denn Gott konkret zu begegnen, birgt viel Potenzial für den eigenen Glaubensweg und wirkt sich stark auf die Lebensweise aus. Meist beginnt alles damit, eine Sehnsucht wahrzunehmen, die einen treibt. Oder man hat so eine Ahnung, dass da doch „mehr“ sein muss im Leben. Es herrscht in einem selbst eine innere Unruhe, die letztlich unerklärlich ist. Ob all das dann die Kraft hat, alle Hindernisse abzubauen, die Begegnung mit Gott zu suchen, bleibt zunächst offen. Aber vielleicht kann ich im Folgenden neue Sichtweisen erschließen – Perspektiven, die helfen wollen.

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