Читать книгу: «Sarah Boils Bluterbe», страница 2

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Selten. Wirklich sehr selten.

Ich warf einen Blick auf die Nummerntafel. Mittlerweile schien es etwas schneller voran zu gehen. Das Zifferblatt rollte stetig weiter. Ein zweiter und ein dritter Schalter öffnete sich. Noch siebzehn Nummern und ich war endlich an der Reihe. Ich verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. Aus den Augenwinkeln nahm ich plötzlich einen Schatten wahr, er schoss dieses Mal direkt auf mich zu und ich kniff irritiert die Augen zusammen.

Vielleicht sollte ich heute Nachmittag doch noch in die Praxis fahren? Langsam wird es bedenklich!

Eine Stimme neben mir ließ mich überrascht die Augen wieder öffnen und ich blickte in zwei Aqua blaue Kristalle. Mr. Nadelstreifenanzug hatte auf dem freien Stuhl neben mir Platz genommen und betrachtete mich eingehend: „ Ich darf doch?“

Um nicht unhöflich zu wirken, erwiderte ich: „Ja, sicher, ist ja nicht mein Stuhl.“

Für einen Augenblick war ich wie erstarrt. Das war nicht echt. Nicht real. Irgendetwas stimmte hier nicht. Er sah von nahem aus, wie eine fertige Wachspuppe, viel zu schön und viel zu makellos. Er strahlte eine schier unglaubliche Gelassenheit und Beherrschtheit aus. Seine Augen leuchteten hellblau wie das Meer an seichten Stellen, wenn der Ozean die letzte Welle im Sonnenlicht mit der Brandung schickte und diese im Sand verschwand. Nie zuvor hatte ich solche Augen gesehen. Und seine Haut war poliertes Elfenbein.

Er schenkte mir ein strahlendes Lächeln und fragte: „Sitzen sie hier schon lange?“ Seine Augen musterten mich von oben bis unten und sein durchdringender Blick ließ mich unwillkürlich frösteln. Seine weißen, in Reih und Glied stehenden Zähne blitzten auf.

Mit mir flirtest du nicht einfach so. Den Zahn ziehe ich dir, Bursche.

„Sieht so aus.“

Erwiderte ich betont gelangweilt, und mein klebte Blick an ihm wie zähes Kaugummi. Er lächelte und zwang mir charmant ein Gespräch auf. Seelenruhig spielte er mit seiner goldenen Uhr. Seine Finger waren schlank und gepflegt. Sie wirkten jung und kraftvoll. Er lächelte beruhigend und sprach mit einer sanften und untypisch warmen. Männlichen Stimme: „Manchmal denke ich, in der heutigen Zeit entwickeln sie technische Geräte sehr vorausschauend. Frei nach dem Motto, wenn es nur zwei Jahre hält, umso besser, dann kauft der Mensch einfach mehr. Das hätte es früher nicht gegeben. Ich musste gestern Abend in meinem Wohnzimmer fernsehen, weil mein LCD-Gerät auf einmal nicht mehr funktionierte. Dabei ist es gerade mal zwei Monate alt.“

Zustimmend antwortete ich: „Scheint so, ich bin leider auch öfter hier.“

Er war nicht unsympathisch, im Gegenteil. So kamen wir ins Gespräch und fast hätte ich meinen eigentlichen Grund vergessen, warum ich hier war. Um nicht verlegen zu wirken, schenkte ich ab und an meinen Blick jemand anderem und beobachtete abwechselnd die Nummern auf der Tafel. Dabei streifte ich unabsichtlich mit meinen Augen seinen Hemdausschnitt.

Fällt doch gar nicht auf, was ist schon ein winzig, kleiner Blick?

Die ersten drei Knöpfe trug er offen, seine glatte, helle Brust schimmerte muskulös und war unbehaart. Sein Körper wirkte jung, kraftvoll und dynamisch, sein Blick hingegen trotzte jeder Vorstellungskraft. Seine Augen waren zwar lebendig, doch sie wirkten auf eine seltsam spürbare Weise und viel älter. Dieser Mann faszinierte mich! Sein vorsichtiges Lächeln, dieses sanfte Grübchen, sein beruhigender Blick, diese Augen, dieser Körper…

Nein, das sind nur meine Hormone, er ist viel zu schön! Keine Chance! Und ich habe ja Martin. Ist ja lächerlich der Gedanke!

Mit einer schier unglaublichen Ruhe und einem intensiven Blick, der nichts-sagend und gleichzeitig geheimnisvoll wirkte, sagte er: „Sie haben wunderschönen Nagellack.“

Mich schlägt es glatt vom Stuhl. Er spricht über meinen Nagellack ? Du spinnst ja, Typ!

Ich kräuselte die Lippen, hob die Augenbrauen an und erwiderte: „Findste? Ähm … ich meinte, meinen Sie wirklich?“

Dieses Mal lachte er amüsiert und zeigte erneut seine schneeweißen, in Reih und Glied stehenden Zähne: „Ja, das meine ich, sonst hätte ich es nicht gesagt.“

Herr, hilf mir, du weißt doch, dass ich Zahnfetischist bin…ich muss hier schnellstens raus.

Die Luft wurde immer stickiger und ich blickte mich suchend nach einer nichtvorhandenen Klimaanlage um. Mr. Nadelstreifenanzug tat das seinige hinzu. Er kam erneut auf sein defektes Tv-Gerät zusprechen und ließ mir keine gedankliche Pause.

Es ist mir egal, ob dein Fernseher kaputt ist. Lächele doch noch einmal für mich, dieses grandiose, weiße, umwerfende, hypnotisierende Lächeln, dass mich……

Ich biss mir auf die Zunge und schluckte den Gedanken schnell wieder hinunter. Meine gerade begonnene und nicht enden wollende Gedankenkette wurde durch eine Frage unterbrochen: „Kennen sie das Buch Das verlorene Symbol? Von Dan Brown?“

Überrascht und verwirrt schüttelte ich lediglich mit dem Kopf.

„Welches Genre liegt ihnen denn?“

Sein Blick ruhte auf mir. Fasziniert und zugleich mit antrainierter Abwehrhaltung winkte ich gekünstelt ab. Schüttelte immer noch mit dem Kopf und zog es vor, die Frage nicht zu beantworten. Meine Bettlektüre bestand doch eher aus diversen Fantasy-Taschenbüchern. Bücher, die die Welt nicht brauchte. Bücher, an denen die meisten schnellen Schrittes vorbei gingen. Ich war eben anderes und das war auch gut so. Basta! Das leise Bimmeln und Aufleuchten der neuen Ziffern auf der elektronischen Tafel rettete mich und ich sprang auf.

Endlich geht hier mal was.

Ich schob den Laptop über den Tisch und der kleine, hektische Mann seufzte mich lächelnd an.

„Was hat denn das gute Stück?“

Dabei klimperte er, kaum dass ich den ersten Satz ausgesprochen hatte, bereits auf seiner Tastatur. In knappen Worten schilderte ich das Problem und er schob mir ein paar Minuten später einen Zettel zu.

„Unterschrift und Sie werden telefonisch benachrichtigt, wenn das Gerät repariert ist und Sie es abholen können.“

Ich nickte, gut dass die Garantie noch nicht abgelaufen war. Zeitgleich wurde der nächste Tisch besetzt und ehe ich mich versah, konnte ich aus den Augenwinkeln erkennen, dass der Fremde, gut aussehende junge Mann bereits Platz genommen hatte. Ich stopfte schnell die Auftragsbescheinigung in die Tasche und stand auf. Als ich auf den Ausgang zusteuerte, wandte er sich mir sofort zu und machte Anstalten aufzustehen.

„Dann mal tschüss, “ rief ich ihm entgegen, winkte noch einmal lässig und verließ eiligen Schrittes den Laden in Richtung Tiefgarage. Ich legte noch einen Zahn zu, sprang in mein Auto und brauste davon. Jetzt musste dringend eine Zigarette her. Ich griff in das kleine Fach, gleich neben mir und packte ins Leere.

Mist, die Packung ist leer.

Das markante Gesicht von Herrn Nadelstreifenanzug wollte mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Irgendwas musste ich tun. Ich war nervös. Auf unerklärliche Weise spielte etwas in meinem Inneren mit mir Achterbahn.

Am besten Musik hören und an etwas anders denken.

ch machte den CD Player an. Es knirschte in meinen Boxen und plötzlich ertönte eine dunkle Stimme, die mir gänzlich unbekannt war.

Verdammt, was ist das? das hab ich doch gar nicht gebrannt.

`Du hast den Weg zu mir gefunden.

Nun bin ich hinter Dir.

Für alle Zeit, für alle Zeit...

Kein Band, kein Blut, kein Wesen dass uns trennen kann ...`

Ich zuckte mit den Schultern. Nette Stimme, aber ich kannte das Stück überhaupt nicht. Kopfschüttelnd fuhr ich weiter. Nein, ich war mir mehr als sicher, dass sich dieses Stück niemals auf meinem Rechner befand und ich hatte es somit auch nicht gebrannt. Wie kam es bloß auf diese CD? Ich drückte auf den Rücklaufknopf und ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen.

Das gibt es doch gar nicht, Whitney Houston…..!

Hektisch blickte ich mich um und suchte eine freie Parktasche. Ich trat auf die Bremse, vergaß in den Rückspiegel zu schauen, wobei ich Glück hatte, dass sich keine Passanten in der Nähe befanden und lies den Wagen einfach wieder nach vorne rollen. Nachdem der Motor verstummt war, holte ich die CD heraus, starrte auf die Beschriftung, die eindeutig meine Handschrift erkennen lies, und drehte sie hin und her, als würde sich das kleine Teil auf geheimnisvolle Weise noch verändern.

„Das kann jetzt nicht wahr sein", flüsterte ich leise vor mich hin.

Ich rieb mir mit den Handinnenflächen durchs Gesicht, versuchte mich zu sammeln, steckte die CD zurück in die Anlage und zog den Schlüssel aus dem Schloss. Ich brauchte dringend Nikotin. Waren das die Auswirkungen eines beginnenden Entzugs? Dann sollte ich die verdammte Qualmerei wirklich endlich aufhören. Ich lief mit Unverständnis und ein wenig Verwirrtheit die Straße hinunter. Kaum hatte ich das kleine Kiosk in der Hartwichstrasse mit einer Schachtel Kippen verlassen, glühte auch schon meine Zigarette auf. Ich sog den Qualm tief in die Lungen und schlenderte gedankenversunken die Straße entlang, zurück zu meinem Wagen. Meine Nerven beruhigten sich etwas und das Zittern ließ nach. An meinem Auto angekommen, lehnte ich mich an die noch warme Motorhaube, blies den Rauch in die Luft und beobachtete dabei eine junge Frau, die versuchte, ihren schreienden und hysterischen Sohn zu bändigen. Mein Blick schweifte ab und blieb an der gegenüberliegenden Häuserreihe haften. Die vielen Altbauhäuser des Viertels hatten erstaunlich gut erhaltene Fassaden. Aus dem Fenster einer Parterrewohnung lehnte sich eine ältere, leicht ergraute Frau mit kräftigem Vorbau über das Fensterbrett und beobachtete das bunte Treiben auf der Straße. Nippes war wirklich ziemlich multikulturell. Es gab nicht nur kölsche Kneipen im Vedel, sondern auch Kulturvereine verschiedener Nationalitäten. Einkaufsmöglichkeiten waren überall zahlreich vorhanden und zu fuß erreichbar. Es mangelte auch nicht an gemütlichen kleinen Cafes oder Bars. Ein junger Mann streifte ungeschickt meinen Arm, als er sich an mir vorbei drängelte. Ich hatte ihn nicht kommen sehen und schreckte aus meinen Gedanken hoch. Dabei stellte ich fest, dass meine Zigarette bereits bist auf den Filter heruntergebrannt war. Im selben Augenblick zogen mich zwei stahlblaue Augen tief in ihren Bann. Ich ertrank in einem blauen Meer und wurde bis auf den Grund eines dunklen Sees gezogen. Um mich herum schien die Welt stehen geblieben zu sein. Ich hörte auf zu atmen. Er wandte jedoch seinen Blick auf die Straße zurück und lief an mir vorbei. Ich drehte wie in Trance meinen Kopf und starrte ihm hinter her. Ich wollte noch rufen, dass er doch der Typ aus dem Technico war, doch stattdessen bekam ich keinen Ton heraus und stotterte vor mich hin: „Hey, das gibt es doch gar nicht.“

Plötzlich verwandelte sich seine Gestalt in einen dunklen Schatten und verschwand von einer Sekunde auf die andere in eine der Seitenstraßen. Als hätte die Erde ihn einfach verschluckt.

Das gibt es doch nicht, was war bloß heut morgen in meinem Kaffee?

„Wo ist er denn jetzt auf einmal hin?“ fluchte ich. Meine Gedanken fühlten sich an, als hätte ich sie in einen Mixer geworfen und die höchste Stufe eingestellt.

Oh mein Gott, ich werde verrückt. Ich brauche ärztliche Hilfe.

Ich wühlte in meiner Jackentasche nach dem Autoschlüssel, öffnete das Schloss und setzte mich wieder hinter das Steuer. Die Tür zog ich mechanisch einfach nur zu. Eine seltsame Panik stieg in mir auf. War ich wirklich verrückt? Was wollte dieser Mann von mir, wie konnte er überhaupt so schnell in Nippes sein? Eben saß er noch am Schalter des Elektromarktes und dann lief er an mir vorbei und verschwand wie ein Schatten genauso schnell, wie er neben mir aufgetaucht war. Oder hatte ich mich getäuscht? War das alles nur Einbildung? Ich gab Gas und sah zu, dass ich nach Hause kam. Kaum hatte ich den Wagen geparkt, überquerte ich die Straße, öffnete die Wohnungstüre und betrat meinen Flur. Mir dröhnte der Schädel. Die Schuhe flogen in die Ecke und meine Jacke warf ich einfach auf den Boden. Mit Klamotten krabbelte ich aufs Bett und zog die Decke über mich. Mir wurde übel, Kälte kroch an mir hoch. Die Schwere in meinem Kopf lähmte jeden klaren Gedanken. Ich schloss die Augen. Versuchte irgendwie das schnelle Pumpen meines Herzens zu kontrollieren und dann fiel in einen unruhigen Schlaf.

Kapitel 3

Irgendwo rief jemand leise in der Ferne meinen Namen.

Ist Martin schon zurück von der Baustelle? Viel zu früh…und wo kommt dieser merkwürdige Nebel her?

Wie eine verschleierte Wolke webte sich ein Spinnennetz aus grauer und undefinierbarer Masse um mich. Sie fühlte sich kalt und feucht an.

In Träumen spürt man doch eigentlich nichts. Oh Gott, ist das kalt hier.

Mein erster Gedanke war `Laufen`, ich wollte nur noch laufen. Doch ich blieb wie angewurzelt stehen, als wären meine Beine aus Blei und meine Schuhe auf dem undurchsichtigem Boden aus dunkler Masse festgetackert.

„Sarah“ hauchte es irgendwo durch den dichten Nebel. Langsam bewegte sich etwas Dunkles auf mich zu. Die Umrisse wurden zusehend klarer. Eine Gestalt schritt durch den grauen Schleier und blieb in geringem Abstand vor mir stehen. Ich starrte durch das dichte Luftgewebe. Angst kroch an meinen Beinen hoch. Sie verteilte sich über meine Oberschenkel und schlängelte sich über meinen Rücken hinauf bis in den Nacken. Von dort schlich sie weiter und legte sich eng um meinen Hals. Dann drückte sie zu. Ein beklemmendes Gefühl. Ich rang nach Luft.

„Was willst du schon wieder von mir? Beim letzten Mal hast du mich nicht leiden lassen.“

„Du brauchst Dich nicht zu fürchten, du bist nicht in Gefahr. Noch nicht.“

Es war eine andere Stimme, als die aus der letzten Nacht. Der Mann, der mir im Hinterhof begegnet war, der sich als mein Vater ausgegeben hatte, sprach anders. Konzentriert versuchte ich der Stimme eine Form zu gegen. Er war ganz nah an mich herangetreten. Die Gestalt bekam langsam ein Gesicht. Ich starrte wieder in diese zwei glasklaren und blauen, leuchtenden Augen, die mir schon am Vormittag begegnet waren. Dieses Blau war so unglaublich schön, dass ich meinen Blick nicht abwenden konnte. Nie zuvor hatte ich derartige Augen gesehen. Der dunkle Kreis um seine leuchtende Iris lies das glasklare Blau noch heller schimmern, als es eh schon war. Seine Haut, glänzte immer noch wie poliertes Elfenbein und betonte sein markantes Gesicht auf faszinierende und animalische Weise. Ein leichtes Lächeln spielte um seine Mundwinkel. In diesem Moment erkannte ich zwei weiße, spitze und längere Eckzähne. Gleichzeitig blitzten seine Augen für einen kurzen Moment auf. Die Farbe seiner Iris hatte sich in schimmerndes gelb Gold verwandelt. Das konnte nur ein Traum sein. Das war nicht die Realität.

Aufwachen, ich muss einfach nur aufwachen.

Ich versuchte krampfhaft die Lieder zu öffnen, doch ich hatte keine Macht mehr über meinen Körper. Mr. Nadelstreifenanzug blieb seelenruhig vor mir stehen. Ich versuchte mich zu erinnern, was man im Ernstfall tun würde, wenn einem ein Wesen begegnete, das nicht menschlich war. Nicht dass ich glaubte, dass es so etwas möglich sei, um Himmels willen, Nein. Natürlich nicht. Aber das hier war mein Traum und das einzige mystische Wesen, dessen Augenfarbe sich veränderte und dem Eckzähne aus dem Kiefer wuchsen, war ein Vampir.

Ok. Jetzt nicht in seine Augen sehen……er hat keine Macht über mich, wenn ich ihn einfach ignoriere und keine Angst zeige, dann werde ich wach und der Vampir ist verschwunden.

Er lächelte: „Sarah, du liest zu viele Bücher. Ich kann dich nicht mit meinen Augen hypnotisieren. Und ich will es auch gar nicht. Du brauchst meinen Blicken nicht auszuweichen. Ich werde dir nichts tun.“

Seine Stimme klang genauso melodisch und einfühlsam, wie bei unserem kurzen Gespräch am Vormittag. Er sprach leise, mit einer schier unglaublichen Sicherheit, dass mich seine Worte, in ein Meer weicher Daunenfedern betteten. Das konnte nur die dämonische Macht sein, das war reine Manipulation eines Opfers.

„Ja sicher, und ehe ich mich versehen habe, stecken deine Beißerchen in meinem Hals. Was für ein dämlicher Traum.“

Ich konzentrierte mich mit aller Kraft auf meine Gedanken, kämpfte gegen das warme Gefühl an, dass er mir entgegenbrachte und versuchte mir krampfhaft die Realität zurückzuholen.

„Ich werde dann mal jetzt wieder wach und sage dir adieu, du Freak.“

Er schüttelte den Kopf, wobei seine Mimik dieselbe blieb und erwiderte: „ Es tut mir leid, dass ich dich noch kurz hier festhalten muss, aber das hier ist nicht mehr dein Traum allein. Ich habe keine andere Wahl, als dich noch einen kurzen Moment hier zu behalten.“

Ich verstand kein Wort von dem was er sprach. Und ich wollte auch keines mehr verstehen, aufwachen wollte ich, einfach nur aufwachen.

„Sarah, du bist an einem Ort, an dem ich dich eigentlich nicht treffen darf. Es ist mir verboten mit dir Kontakt aufzunehmen. Du allein musst entscheiden, ob du mich sehen willst oder nicht. Ich darf den Kontakt zu dir nicht suchen, solange du nicht weißt, wer und was du bist, und solange du selbst es nicht willst.“

Ich starrte ihn an, der Nebel wurde immer schwächer. Gleich würde ich aufwachen und der ganze Unsinn hätte ein Ende. Ich würde in meinem schnuckelig warmen Bettchen liegen und alles würde gut sein. Ich würde die nächsten Wochen keine Vampirbücher mehr lesen, keine Serien wie Charmed oder Buffy gucken und nur noch ganz viele lustige Talk-Shows verfolgen. Die Sonne würde scheinen und Martin würde heim kommen und mir eine Schachtel Pralinen ans Bett stellen.

„Sarah! “ Seine Stimme hauchte in den trüben Nebel, sanft und weich. Etwas tief in meinem Inneren zuckte unter dieser Berührung eines einzigen Wortes zusammen.

Oh nein, Du wirst mich nicht in deinen Bann ziehen.

Ich versuchte mich zu wehren, doch er war stark, viel zu stark und seine dunkle und mächtige Stimme drang tiefer in mein Bewusstsein ein. Sie versuchte Besitz von mir zu ergreifen. „ Hör mir bitte zu, wir haben keine Zeit mehr, ich habe keine Zeit. Es geht um die Vorherrschaft in eurer Stadt. Und wenn du mir nicht hilfst, dann wird die Stadt bald nur so von Vampiren wimmeln. Das mag jetzt alles ein wenig viel für dich sein, aber wenn du später erwachst, dann wirst du die Zeichen erkennen. Aber hör mir jetzt endlich zu.“

„So, hier ist nun wirklich Schluss, jetzt reicht es. Ich will nichts mehr hören und dich auch nicht mehr sehen. Verschwinde aus meinen Gedanken. Denn eigentlich gibt es dich ja gar nicht. Alles hier ist reine Einbildung und mein Gehirn verarbeitet vermutlich gerade die Ereignisse meines Lebens, die ich wohl noch nicht selbst verdaut habe. Vermutlich bekomme ich auch eine Grippe. Ich bin fiebrig und habe dich soeben erfunden. Das hier sind die ersten Warnsignale, ich werde mir heute noch einen Termin bei einem Psychiater geben lassen.“

Ich schloss die Augen, versuchte meine Bettdecke zu fühlen, die Lieder zu öffnen, doch dieser Traum war realer, als alles, was mir je zuvor begegnet war. Wie sehr ich mich auch anstrengte, ich wurde einfach nicht wach.

Verdammt!

„Sarah, du liest so viel über Magie, über Vampire und seltsame Wesen. Und du hältst alles nur für Geschichten? Was glaubst du woher dein Interesse für die dämonische Welt stammt? Ist dir mal in den Sinn gekommen, warum Autoren diese Geschichten schreiben und woher sie diese Fantasie haben? Jede Geschichte hat ihren Ursprung. Auch deine. Und du bist so nah dran, näher als du glaubst.“

Irritiert erwiderte ich säuselnd: „Du bist verrückt, nein, ein Teil in mir ist verrückt. Ich bin einfach nur verrückt.“

„Du bist nicht verrückt, ich weiß nur mehr über dich, als dir lieb ist.“

Er beobachtete jede meiner Regungen. Blickte sich immer wieder um. Lauernd – beobachtend. Als würde jeden Moment etwas aus dem Nichts auftauchen und ihn angreifen.

„Ich mache es kurz, der Nebel wird dichter, ich muss gehen. Sarah, du stammst aus einer alten Zeit. In deinen Adern fließt das Blut eines Untoten. Doch du hast das Recht auf Sterblichkeit bekommen. Du bist in das Licht geboren. Somit bist du das erste und einzige Wesen, das Gut und Böse in sich trägt.“

Er unterbrach nur kurz, ehe ich etwas erwidern konnte fuhr er fort.

„Doch dein Vater hat dich zum Menschen gemacht. Ja, schau mich an, es gibt sie. Es gibt Vampire. Und sie töten und sie ernähren sich von Blut. Doch die meisten sind vor vielen hundert Jahren verbannt worden. In eine Dimension außerhalb deiner Vorstellungskraft. In einer Welt jenseits der Deinigen. Sie sind geflüchtet vor den jugoslawischen Bauern, die sie alle ausrotten wollten. Hexen haben mittels weißer Magie einen Bann über alle Untoten und Dämonen gelegt. Sie haben eine Pforte geöffnet, die Vampire hindurch gejagt und diese wieder verschlossen. Doch ihre weiße Magie reichte nicht aus. Einigen von uns ist es gelungen unbehelligt davon zu kommen. Wir haben gelernt zu überleben. Wir versteckten uns in dunklen Kellern, ernährten uns von Vieh. Und überlebten so viele hundert Jahre. Wir vertragen mittlerweile Sonnenlicht. Haben uns an die Umstände anpassen können. Wir müssen auf irgendeine Weise mutiert sein. Niemand weiß, ob es an den Mengen Tierblut lag oder ob andere Einflüsse dafür verantwortlich waren. Doch nun gibt es seit einer Weile in eurer Stadt Anhänger, Fanatiker, die das Tor zu einer anderen Dimension und somit den Bannspruch der Hexen rückgängig machen wollen. Sie glauben, sie könnten die alten Vampire und Dämonen freilassen. Sie erhoffen sich, ebenfalls Unsterblichkeit dadurch zu erlangen. Es gibt immer noch Altvampire, die nicht begriffen haben, dass wir mit den Menschen in Frieden leben müssen, wenn unsere Spezies überleben will. Sie haben diesen Plan aufgefangen und werden alles daran setzen, die Pforte zu öffnen. Verstehst du was das bedeutet?“

Ich hielt den Mund sperrangelweit auf. Das war der krasseste Traum den ich je hatte. Unfassbar. Ich kniff mich kurz selbst in den Unterarm. Es tat nicht weh.

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