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»Nanowelten« bilden eine hübsche Spielwiese für SF-Autoren.⏵

Gullivers Planet

»Der geheimnisvolle Planet der Nanobots, dass ich nicht lache!« Quoxx’ dröhnende Stimme füllte die Kneipe.

»In meinem Volk ist überliefert, dass eine Erkundungssonde voll Smart Dust vom Weg abgekommen und auf irgendeinem Planeten am Rand des Sonnensystems zerschellt ist!«, widersprach der Chamäloide.

Donna entlohnt ihn für seine Kammerjägerdienste stets großzügig mit Bier. Da er jedoch nicht viel verträgt, schläft er die meiste Zeit. Zwischen seinen Nickerchen streitet er mit dem Kuiper-Belter.

»Und da sich diese Mini-Drohnen selbst reproduzieren können …«

»… haben sie inzwischen den ganzen Planeten mit Mega-Citys überzogen.« Quoxx schnaubte verächtlich. »Ammenmärchen!«

»Quoxx hat recht!« Willi stellte sein leeres Glas ab.

Wir alle glotzten ihn an. Dass Willi, der Wurmlochscout, dem Kuiper-Belter zustimmt, kommt selten vor. Der war selbst so überrascht, dass er Willi ein frisches Bier zuschob.

»Städte kann man’s wirklich nicht nennen …«

Wir rückten erwartungsvoll zusammen.

»Ein Sonnensturm hatte mich zur Notlandung auf einem dieser Zwergplaneten in der Oortschen Wolke gezwungen«, begann Willi. »Rundum ragten seltsame mannshohe Ameisenhügel auf. Das machte mich neugierig. Kaum hatte ich einen besonders großen Hügel erreicht, als eine schwarze Wolke aufstieg und mich umkreiste. Aber das waren keine Ameisen – das waren verwilderte Nanobots, vollgepackt mit winzigen Sensoren und Fotozellen. Ich war auf Gulliver gelandet! Das waren schlechte Nachrichten, denn ich konnte mir denken, wie ausgehungert die Biester waren.«

Willi stockte, und Donna reichte ihm das Glas des Chamäloiden, dessen Kopf bereits wieder auf die Tischkante gesunken war.

»Während einige Spähdrohnen zur Berichterstattung umkehrten, begannen andere ungeniert, an meinen Metallverschlüssen herumzuschaben. Unterdessen quoll aus dem Hügel eine ganze Armee Miniroboter. Die Vorhut schleppte eine Plattform, auf der ein besonders fettes Exemplar hockte, fast einen Fingernagel groß. Dann schoben sie sich übereinander und bauten einen Turm, bis sich ›Majestät‹ auf Augenhöhe befand. Diese in Achterreihen angeordneten Optosensoren hatten einen Blick, einen Blick, sage ich euch, dass es mir kalt über den Rücken lief …«

Willi schnitt eine Grimasse.

»Ob diese Schwarmintelligenz nun den Turing-Test bestanden hätte oder nicht, ich hatte das Gefühl, dass ein längeres Verweilen meiner Gesundheit höchst abträglich gewesen wäre. Meine Gedanken überschlugen sich. Weglaufen würde nichts bringen, es stand zu befürchten, dass ›Majestät‹ augenblicklich jeden Hügel zwischen mir und meinem Schiff alarmieren konnte. Ich musste das ganze Kommunikationssystem ausschalten!«

Willi machte eine Kunstpause.

»Und dann traf’s mich wie ein Blitz: Elektronik legt man mit Wasser lahm, am besten mit Salzwasser! Für Schamgefühle blieb keine Zeit: Ich zog blank! Kaum traf mein Strahl Ihre ›Majestät‹, begann es rundum zu brodeln. Überall, wo die Tropfen niederfielen, explodierten die Nanobots, und die Kolonnen verkeilten sich heillos ineinander. Die getroffenen Drohnen taumelten zu Boden und vergrößerten die Verwirrung. Rasch nahm ich die Beine in die Hand und machte, dass ich von diesem unheimlichen Ort wegkam.«

Willi schüttelte sich und nahm einen tiefen Schluck.

»Eine wirklich schöne Geschichte.« Der Kuiper-Belter lächelte sein Warzenschweinlächeln. »Schade, dass nur dein Schwanz Zeuge war.«

Willi wischte sich betont langsam den Schaum vom Mund. »Willst du damit andeuten, dass du an meinen Worten zweifelst, Quoxx?«

Quoxx entblößte seine Hauer. »Keineswegs. Nur so ein klitzekleiner Beweis …«

Willi begann, in seinen Taschen zu wühlen. »Ich dachte, ich hätte …« Schließlich hob er ein Röhrchen hoch. »Ich wusste doch, ich hab ein paar von diesen Dingern … he!«

Der Kuiper-Belter hatte Willi das Röhrchen aus der Hand gerissen, es entkorkt und lugte nun mit kurzsichtigen Augen hinein. Ein hochfrequentes Summen, dann schossen drei schwarze Pfeile aus der Öffnung, kreisten über unseren Köpfen, sausten gegen die Lampe und stürzten auf den Tisch.

»Fangt sie ein!«, brüllte Willi, sprang auf und hob sein leeres Glas, um es über die abgestürzten Minidrohnen zu stülpen.

»Wie … was?« Der Chamäloide, aus dem Schlummer gerissen, fuhr hoch und ließ seine Stereoaugen über den Tisch huschen. »Ahhh!« Blitzschnell schleuderte er seine lange, klebrige Zunge aus, packte die zappelnden Drohnen und schlang sie hinunter.

»Nein!« Willi sank zurück und vergrub stöhnend seinen Kopf in den Händen.

Wir alle klopften ihm tröstend auf die Schulter, doch um ihn wiederaufzurichten, bedurfte es mehrerer Lokalrunden, die natürlich auf Quoxx’ Deckel gingen. Seinen zaghaften Einwand, die Drohnen hätten ihn ein wenig an Schmeißfliegen erinnert, konterte Donna mit einem Blick, der selbst einen Kuiper-Belter verstummen ließ. Knauser schätzen wir hier in Donnas Kaschemme auf Terra am Rand der Milchstraße nämlich gar nicht.

»Nanowelten«, Hrsg. Thomas Le Blanc, Phantastische Bibliothek Wetzlar, 2013

»Das Universum der Düfte« lädt dazu ein, die Welt durch die Nase wahrzunehmen.

Weiber!

»He, Quoxx, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«

Willi, das Wurmlochwiesel, gab dem vierschrötigen Kuiper-Belter, der trübsinnig in sein Bier starrte, einen Rippenstoß.

Der seufzte tief. »Die Laus heißt Miranda!«

»Und?«, drängte Willi.

»Ihr wisst, dass ich in der Import-Export-Branche tätig bin. Und ich bilde mir ein« – Quoxx rieb sein gewaltiges Riechorgan –, »eine Nase fürs Geschäft zu haben …«

Wieder versank er in brütendem Schweigen.

»Und?«

»Diesmal hätte sie mich um ein Haar die Haut gekostet.«

Wir rückten erwartungsvoll zusammen, und Donna stellte ein frisches Tablett auf den Tisch.

»Ich benötigte noch Luxusware für meinen Trip zu einem stinkreichen Hinterwäldlerplaneten, und so suchte ich Miranda auf. Wir hatten uns einmal recht nahegestanden und ich war mir nicht sicher« – Quoxx bleckte seine Eckzähne – »was sie für mich fühlte, aber sie hat nun mal die besten Stoffe im ganzen Belt. Sie begrüßte mich recht kühl und erklärte, nichts Passendes auf Lager zu haben, doch aus einem Regal stieg mir ein wunderbarer Duft in die Nase. Dieser Stoff war wirklich etwas Besonderes. Und je mehr Miranda sich zierte, desto entschlossener war ich, meiner Nase zu folgen. Wir feilschten, und schließlich gelang es mir, sie auf einen erstaunlich günstigen Preis herunterzuhandeln. Während ich die Stoffe in mein Schiff lud, fiel mein Blick auf den Packzettel ‚Vor Insektenbefall schützen’, doch wegen ein paar Kleidermotten machte ich mir keine Sorgen. Meine Gedanken kreisten um Miranda – sie musste wohl doch noch gewisse Gefühle für mich hegen.«

Donna servierte ihm ein frisches Glas. »Prost, Don Juan!«

Quoxx grinste schief und nahm einen tiefen Schluck.

»Die Kleider waren ein Hit und wurden mir auf Geld-stinkt-nicht förmlich aus den Händen gerissen. Grüne Kleider verströmten einen angenehmen Limonenduft, violette rochen nach Pflaumen, rote erinnerten an das Bukett sonnengereifter Kirschen, und da sich jeder Duft auf der Haut seiner Trägerin anders entwickelte, trug jede Frau ihre ganz eigene erotische Duftnote. Die Damen waren hingerissen, und das Geschäft boomte.

Dann kamen die ersten warmen Frühlingstage, und die Präfektin lud zum romantischen Gartenfest im Park. Die Kapelle spielte zum Tanz auf, und die Präfektin in einem scharlachfarbenen, sinnlich duftenden Ballkleid wiegte sich in meinen Armen. In mir begannen sich nicht nur romantische Gefühle zu regen, als ich plötzlich über den Bäumen eine dunkle Säule sah, die sich wie eine Windhose auf uns zubewegte. Wenige Augenblicke später wurden die Walzerklänge von einem hohen, wütenden Summen erstickt, und ich erkannte voll Entsetzen, dass die Windhose lebendig war, ein riesiger Schwarm, der gezielt auf unsere Plattform zusteuerte. Sekunden später verschwanden die Tanzenden in einer wirbelnden Wolke Wespen, die sich wie ausgehungert auf die »reifen Früchte« stürzten. Die Frauen stießen spitze Schreie aus und schlugen wie wild um sich, aber das machte die Plagegeister nur noch wütender. Panik brach aus. Einige begannen, sich die Duftkleider vom Leibe zu reißen, andere sprangen ins Wasser – es war ein Albtraum!«

Quoxx wischte sich den Schweiß von der Stirn.

»Als wir uns schließlich in einen nahe gelegenen Stall gerettet hatten, warf ich einen vorsichtigen Blick in die verquollenen, zerstochenen Gesichter der Präfektin und ihrer Gäste. Während die Männer grimmig schauten und etwas von Schadensersatz murmelten, waren die Frauen eindeutig auf mein Blut aus. Auf diesen Hinterwäldlerplaneten ist man nicht wählerisch, und schon griffen die ersten zarten Hände zur Mistgabel. Mir blieb nichts anderes übrig, als den Ort des Desasters unter Zurücklassung all meiner Habe Hals über Kopf zu verlassen …«

Donna grinste breit. »›Vor Insekten schützen‹ – der Punkt geht an Miranda!«

Quoxx nickte düster. »Ich habe mich von diesem Teufelsweib an der Nase herumführen lassen wie ein Trottel!« Er barg stöhnend seinen Kopf in den Händen.

Und dann geschah etwas Unerhörtes: »Weiber!«, meinte Willi nur und schob seinem Erzfeind ein frisches Bier zu: »Geht auf meinen Deckel!«

Wir alle waren so verblüfft, dass es uns zunächst die Sprache verschlug, doch dann klopften wir Quoxx und Willi gleichermaßen auf die Schulter, und Donna gab sogar eine Lokalrunde aus. Wenn es hart auf hart kommt, sind wir in Donnas Kneipe hier auf Terra am Rande der Milchstraße eben doch eine große Familie.

»Universum der Düfte«, Hrsg. Thomas Le Blanc, Phantastische Bibliothek Wetzlar, 2013


»Brandschutz« ist ein Thema, das in der SF eher selten thematisiert wird – ganz zu Unrecht.

Der Modell-Bürokrat

Wir saßen wie üblich beim Bier, und Willi, das Wurmlochwiesel, gab eine seiner Geschichte zum Besten, als uns ein Räuspern aufschauen ließ. An der Tür stand ein vertrocknetes Männchen, und wenn etwas auffällig an ihm war, dann seine Unauffälligkeit: angestaubte Klamotten, mausgraues, in der Mitte gescheiteltes Haar, runde Brille, verkniffener Mund.

»Ehem!« Der Kleine räusperte sich erneut. »Ich möchte den Chef dieses Etablissements sprechen …«

Donna stellte ihr Tablett ab. »Die Chefin bin ich! Was wollen Sie – ein Bier?«

»Nicht, solange ich im Dienst bin!«, wehrte der Angesprochene ab. »Gestatten, Chuzzlewit.« Er hielt einen Ausweis hoch. »Ich bin Beamter der terranischen Gewerbeaufsicht und soll den Brandschutz überprüfen – Feuerlöscher, Notausgänge, Rauchmelder, eben die ganze Palette!«

»Auweia, das riecht nach Ärger!«, raunte Willi mir zu.

Donna baute sich vor dem Kleinen auf, die Arme in die Seite gestützt. »Wie Sie sehen, besteht meine Kneipe aus einem einzigen Raum! Notausgänge sind da völlig überflüssig, Rauchmelder würden bei gewissen Gästen« – sie warf Quoxx einen Du-weißt-schon-wer-gemeint-ist-Blick zu – »ständig anschlagen, und als Feuerlöscher habe ich einen Aquarianer, der jederzeit Wasser spucken kann!«

Das Männchen schüttelte fast mitleidig den Kopf. »Sie haben das Wesen der Bürokratie nicht verstanden, gute Frau. Es kommt nicht darauf an, ob eine Maßnahme sinnvoll ist, sondern dass sie durchgeführt wird, und zwar Paragraf für Paragraf.«

Er öffnete seine Aktentasche, zog eine Liste hervor, rückte seine Brille zurecht und befeuchtete seinen Bleistift mit der Zungenspitze. »Dann woll’n wir mal …«

Die beiden ließen sich an einem Nebentisch nieder.

Während wir uns wieder ins Gespräch stürzten und uns bemühten, das Gemurmel am Nebentisch zu überhören, schien es Willi die Sprache verschlagen zu haben. Stumm kaute er an seiner Unterlippe, die Augen auf den Kleinen gerichtet …

»Wenn ich die Verstöße kurz überschlage« – irgendwann schnitt Chuzzlewits scharfe, hohe Stimme durch den Geräuschpegel – »dürften sich die Bußgelder auf rund fünfzigtausend Credits belaufen …«

Donna lehnte sich stöhnend zurück. »Das war’s dann wohl mit der Kneipe!«

»Wenn Sie jetzt eine Anzahlung von, sagen wir, fünftausend Credits leisten, sorge ich dafür, dass Sie den Rest über die nächsten Monate abstottern können … wir Bürokraten sind schließlich keine Unmenschen …« Chuzzlewit lächelte schmallippig und hielt die Hand auf.

In diesem Moment verlor Willi offenbar den Verstand. Er sprang auf, riss die Gabel aus dem Rollmopsglas und nagelte Chuzzlewits Hand an die Tischplatte. Wir hielten entsetzt die Luft an. Und dann geschah etwas wirklich Unglaubliches. Statt zu bluten, verwandelte sich die Hand in eine Art Glibber, floss zwischen den Zinken der Gabel hindurch und vereinte sich wieder. Sekunden später lag die Hand des Kleinen neben der Gabel, als sei nichts geschehen.

»Wusste ich es doch!« Willis Stimme klang triumphierend. »Sie sind kein Terraner, Master Chuzzlewit. Nicht einmal ein Humanoid!« Er kniff die Augen zusammen. »Ein Formwandler, nicht wahr?«

Der Kleine nahm seine Enttarnung bemerkenswert gelassen hin. »Es kann nicht jedes Mal klappen – woran haben Sie’s gemerkt?«

»Nun, zunächst ist mir eine gewisse … Unschärfe aufgefallen. Ihre Umrisse flimmern, Verehrtester! Und dann Ihr Outfit! Es versprüht einen geradezu viktorianischen Charme. Nickelbrille und Ärmelschoner sind vollkommen démodé!«

»Wir Formwandler richten es so ein, dass unser Äußeres den Klischees der heimischen Bevölkerung entspricht!«, verteidigte sich der Angesprochene pikiert. »Ich gebe allerdings zu, dass unser Hintergrundmaterial für das Modell ›Bürokrat‹ von einem gewissen Master Dickens stammt … vielleicht sollten wir es auffrischen!« Er grinste Donna an. »Nun, da wir das Geschäftliche hinter uns haben, kann ich ein Bier bekommen?«

Donna, hinter deren Stirn sich ein Sturm zusammengebraut hatte, verschlug es ob dieser Unverschämtheit sekundenlang die Sprache. Dann musste sie ebenfalls grinsen. »Für einen Glibberklumpen hast du wirklich Nerven, Kleiner!«

Zum Dank unterhielt uns der Kleine mit einigen recht gewagten Transformationen, bis seine Umrisse infolge reichlichen Biergenusses zu verschwimmen begannen und er schließlich in Donnas Putzeimer entschlummerte.

Als wir am nächsten Abend in die Kneipe zurückkehrten, staunten wir nicht schlecht. Quoxx hatte neben seinem Stammplatz einen rostigen roten Feuerlöscher aufgehängt, auf den er sichtlich stolz war. Und Willi hatte sich als Elektriker betätigt, denn über der Tür erstrahlte der Schriftzug »Notausgang« in blauem Neonlicht. Wir applaudierten begeistert, und Donna gab eine Runde Freibier aus. Niemand soll behaupten, dass wir Brandschutz in Donnas Kaschemme am Rande der Milchstraße nicht ernst nehmen, davon können Sie sich bei Ihrem nächsten Besuch gern selbst überzeugen.

»Brandschutz«, Hrsg. Thomas Le Blanc, Phantastische Bibliothek Wetzlar, 2014

Der Stein von Rosetta ermöglichte die Entschlüsselung der ägyptischen Hieroglyphenschrift. Es geht dementsprechend um Übersetzungsprobleme im weitesten Sinne.⏵

Die Sprache der Mathematik

Die Stammgäste in Donnas Kaschemme am Rande der Milchstraße sind ein bunter Haufen, doch ein Algebraner schaut selbst hier nicht alle Tage vorbei. Algebraner sind humanoid, aber mit einem guten Schuss Reptilienblut, daher ihre schuppige Haut und ihr grünlicher Teint. Sie gelten als die besten Mathematiker des Sonnensystems und sind gewiefte Spieler. Und unausstehlich arrogant.

Kaum hatte Donna dem Neuankömmling, der sich als Snark vorstellte, ein Bier serviert, ließ dieser auch schon ein paar Würfel auf den Tisch rollen. »Wie wär’s mit einem Spielchen?«

Willi, Wurmlochwiesel und begeisterter Zocker, juckte es natürlich in den Fingern, aber da das Kopfgeldgeschäft momentan schlecht lief, musste er Quoxx den Vortritt lassen. Der vierschrötige Händler aus dem Kuiper-Belt verfügte als Einziger über das nötige Kleingeld. Also setzte er sich dem Algebraner gegenüber und klatschte eine Handvoll Credits auf den Tisch. »Wie sind die Regeln?«

»Drei Würfel, rot, grün und blau. Jede Ziffer von 1 bis 9 kommt zweimal vor, also insgesamt 90 Punkte, 30 pro Würfel«, erklärte Snark. »Beide Spieler wählen einen Würfel, und wir würfeln, sagen wir, ein Dutzend Mal. Wer die meisten Runden für sich entscheidet, gewinnt. Simpel, selbst für Outlander, nicht wahr?«

An der Schläfe des Kuiper-Belters begann eine Ader zu pochen. »Irgendwelche Tricks?«

Snark verzog die dünnen Lippen. »Ich versichere Ihnen, alle Farben haben die gleichen Gewinnchancen! Sie dürfen gern zuerst wählen!«

Quoxx entschied sich für den roten Würfel, der Algebraner für den blauen. Quoxx verlor. Snark gewährte ihm Revanche. Quoxx verlor erneut. Welchen Würfel er auch wählte, sein Stapel Credits schmolz dahin, während Snark ihn mit Bemerkungen über die rechte Würfeltechnik zur Weißglut reizte.

Schließlich sprang der Kuiper-Belter auf. »Ich brauch’ frische Luft, sonst bring’ ich diese halbe Portion um!«, presste er durch die Zähne.

Snark strich über seinen Credit-Stapel. »Nur einem Algebraner gelingt es eben, die Sprache der Mathematik perfekt in die Bewegung des Handgelenks zu übersetzen.« Er lächelte süffisant in die Runde. »Hat noch jemand Lust auf eine Partie?« Mit elegantem Schlenkern ließ er die Würfel in der Luft kreisen.

Willi starrte ihn an, das Bierglas halb erhoben. Mathematik … Würfel … übersetzen …

»Donna …« Seine Stimme klang flehend.

Und Donna, die gar nicht schätzte, wenn das Geld ihrer Gäste in fremde Taschen wanderte, lächelte grimmig und schob ihm mit einem frischen Bier einen Stapel Credits zu. »Wenn du dieses arrogante Reptil abzockst …«

Willi schob dem Algebraner die Würfel zu. »Neues Spiel, neues Glück! Diesmal haben Sie den Vortritt!« Snark maß ihn mit kaltem Blick. Er griff nach dem grünen Würfel, woraufhin Willi sich für rot entschied. Die Partie ging an Willi. Auch die nächste. Und die übernächste. »Sie kennen sich aus mit intransitiven Beziehungen?«, zischte Snark schließlich.

»Ich bin strictly heterosexual!«, wehrte Willi ab. »Aber ich hab’ kapiert, dass sich die ›Sprache‹ dieser Würfel in ein altes Kinderspiel übersetzen lässt: Schere, Papier, Stein!« Er grinste in die verdutzten Gesichter rundum. »Unser Bauchgefühl sagt uns: Wenn Quoxx stärker ist als ich und ich stärker bin als Snark, sollte Quoxx auch stärker als der Algebraner sein. Aber das kann trügen – Schere schneidet Papier, Papier umwickelt Stein, Stein zertrümmert Schere. Genauso ist es mit dem Würfeln: Rot gewinnt gegen Grün, Grün gegen Blau und Blau gegen Rot.«

»Es ist kein Betrug. Jeder Würfel hat die gleiche Chance!« Snark lächelte schmallippig.

»Stimmt, aber wer als Erster einen Würfel wählt, hat schon verloren: Es ist, als ob er das Handzeichen für Stein macht und sein Gegenüber nur noch Papier wählen muss – einfach idiotensicher!« Willi prostete dem Algebraner mit breitem Lächeln zu.

Der erhob sich mit so viel Würde, wie er aufbringen konnte. »Großer Gauß, fast Mitternacht …« Er ergriff seine Würfel und hastete zur Tür, verfolgt von johlendem Gelächter.

Und dann klopfte der Kuiper-Belter Willi so heftig auf die Schulter, dass der fast in sein Bier gefallen wäre, und brüllte nach einer Runde, und später gab Donna eine zweite aus, und wir tranken auf die Sprache der Mathematik, die sich bestens in Kneipenjargon übersetzen lässt, wenn man so pfiffig ist wie Willi.

Wenn Sie also ein interessantes neues Spiel kennen, schauen Sie doch mal vorbei, ganz gleich, woher Sie kommen. In Donnas Kaschemme können wir inzwischen sogar Algebranisch.

PS: Intransitive Würfel funktionieren übrigens tatsächlich!

»Rosetta 8.0«, Hrsg. Thomas Le Blanc und Jörg Weigand, Phantastische Bibliothek Wetzlar, 2014

717,23 ₽
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185 стр. 10 иллюстраций
ISBN:
9783957658654
Издатель:
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