Читать книгу: «Verändere dein Bewusstsein», страница 8

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Der Begriff «Tagung» dürfte den Bildern, die Stamets‘ Fernseher zeigte, nicht ganz gerecht werden. Wir sahen, wie mehrere Teilnehmer – ich erkannte Dr. Andrew Weil, bestens bekannt durch seine Bücher über ganzheitliche Medizin, den Psychedelik-Chemiker Sasha Shulgin und seine Frau Ann und Gary Lincoff, Mykologe im New York Botanical Garden – mit großem Trara in einem psychedelisch bemalten Schulbus eintrafen, der von Ken Kesey gelenkt wurde. (Der Bus hieß Farther und war der Nachfolger von Further, dem ursprünglichen Merry-Pranksters-Bus, der offenbar nicht mehr verkehrstauglich war.) Das Prozedere glich eher einer dionysischen Lustbarkeit als einer Tagung, es wurden aber dennoch ernsthafte Reden gehalten. Jonathan Ott hielt einen brillanten Vortrag über die Geschichte von «Entheogenen» – einen Begriff, den er mitgeprägt hatte. Er zeichnete ihren Gebrauch von den eleusinischen Mysterien der Griechen über die «pharmakratische Inquisition», während der die spanischen Eroberer die mittelamerikanischen Pilzkulte unterdrückten, bis zur «entheogenen Reformation» nach, die seit R. Gordon Wassons Entdeckung, dass diese Kulte in Mexiko überlebt hatten, im Gange ist. Außerdem wies Ott beiläufig auf die «Placebo-Sakramente» des katholischen Abendmahls hin.

Anschließend kamen Bilder von einem großen Kostümball mit langen Großaufnahmen einer riesigen Schüssel Bowle, die mit Hunderten Sorten psychedelischer Pilze versetzt war. Stamets zeigte mir mehrere bekannte Mykologen und Ethnobotaniker unter den Feiernden; viele von ihnen waren als spezielle Pilzsorte verkleidet – Amanita muscaria, Champignons und so weiter. Stamets selbst war als Bär kostümiert.

Wenn man sich Filmmaterial von kostümierten Leuten ansieht, die auf Pilzreise sind und schludrig zu einer Reggaeband tanzen, hat man bald genug, und so schalteten wir den Fernseher nach ein paar Minuten aus. Ich fragte Stamets nach früheren Tagungen, von denen manche ein etwas interessanteres Verhältnis zwischen intellektueller Substanz und dionysischer Lustbarkeit aufzuweisen schienen. 1977 hatte Stamets zum Beispiel zwei seiner Helden zu Gast: Albert Hofmann und R. Gordon Wasson, dessen Artikel 1957 im Life-Magazin, der die erste Psilocybinreise eines Westlers – seine eigene – schilderte, die psychedelische Revolution in Amerika in Gang gesetzt hatte.

Stamets erwähnte, dass er Originalexemplare dieser Nummer von Life sammelte, die mitunter auf eBay oder auf Flohmärkten auftauchten, und auf dem Weg ins Bett gingen wir an diesem Abend kurz in sein Arbeitszimmer, wo ich mir den Artikel ansehen konnte. Die Nummer stammte vom 13. Mai 1957, und auf dem Cover war der Schauspieler Bert Lahr abgebildet, der in Cut und Bowler für die Kamera grimassierte. Doch die markante Titelzeile war Wassons berüchtigtem Artikel gewidmet: «Die Entdeckung von Pilzen, die seltsame Visionen erzeugen.» Stamets überließ mir ein Exemplar, und ich nahm es mit ins Bett.

Aus heutiger Sicht ist kaum zu glauben, dass die westliche Welt durch einen Vizepräsidenten von J. P. Morgan in einer Massenzeitschrift im Besitz von Henry Luce mit Psilocybin bekannt gemacht wurde; zwei gesellschaftlich etabliertere Personen sind nur schwer vorstellbar. Doch 1957 waren psychedelische Drogen kulturell und politisch noch nicht so stigmatisiert wie ein Jahrzehnt später. Damals war LSD außerhalb der kleinen Community von medizinischen Fachkräften, die es als potenzielle Wunderdroge gegen psychische Erkrankungen und Alkoholsucht betrachteten, noch ziemlich unbekannt.

Zufällig kannten sich Henry Luce, der Gründer und Chefredakteur von Time-Life, und seine Frau Clare Boothe Luce mit psychedelischen Drogen aus und teilten die Begeisterung der medizinischen und kulturellen Elite, die ihr Aufkommen in den 1950er Jahren begrüßt hatten.7 1964 teilte Luce seinen versammelten Mitarbeitern mit, dass er und seine Frau «unter ärztlicher Aufsicht» LSD eingenommen hätten; Clare Boothe Luce erinnerte sich, dass sie bei ihrem ersten Trip in den 1950er Jahren die Welt «mit den Augen eines glücklichen und begabten Kindes»8 gesehen habe. Vor 1965, als eine moralische Panik über LSD hereinbrach, dienten Time-Life-Publikationen der begeisterten Förderung von Psychedelika, und Luce hatte ein persönliches Interesse, die diesbezügliche Berichterstattung seines Magazins zu steuern.

Als Gordon Wasson sich mit seinem Artikel beim Life-Magazin meldete, hätte die Reaktion also nicht aufgeschlossener sein können. Life schloss einen großzügigen Vertrag mit ihm ab, der ihm zusätzlich zu der fürstlichen Summe von 8500 Dollar die endgültige Redaktion seines Artikels sowie die Abfassung der Schlagzeilen und Bildunterschriften gewährte.9 Darin wurde auch festgelegt, dass Wassons Bericht eine «Beschreibung Ihrer eigenen Gefühle und Fantasien unter dem Einfluss des Pilzes»10 beinhalten sollte.

Als ich an jenem Abend im Bett in der Zeitschrift blätterte, kam mir die Welt von 1957 wie ein weit entfernter Planet vor, obwohl ich damals schon gelebt hatte, wenn auch als Zweijähriger. Meine Eltern hatten Life abonniert, sodass die Nummer in meiner Kindheit vermutlich eine Zeit lang in dem großen Stapel in unserem Hobbyraum gelegen hatte. Das Life-Magazin war 1957 ein Massenmedium gewesen, mit einer Auflage von 5,7 Millionen Exemplaren.11

«Die Suche nach dem Magic Mushroom», worin «ein New Yorker Banker in die Berge Mexikos geht, um an uralten Ritualen von Indios teilzunehmen, die seltsame, Visionen erzeugende Gewächse kauen»,12 begann auf einer Doppelseite mit dem ganzseitigen Farbfoto einer Mazatekin, die über einem qualmenden Feuer einen Pilz dreht, und erstreckte sich über ganze fünfzehn Seiten. Die Titelzeile ist die erste bekannte Erwähnung von «Magic Mushrooms», eine Formulierung, die, wie sich herausgestellt hat, nicht von einem bekifften Hippie, sondern einem Time-Life-Schlagzeilenschreiber geprägt wurde.

«Wir kauten und schluckten diese bitteren Pilze, hatten Visionen und gingen ehrfürchtig aus der Erfahrung hervor», erzählt Wasson uns im ersten Absatz ziemlich atemlos. «Wir waren von weit her gekommen, um an einem Pilzritus teilzunehmen, hatten aber nichts so Überwältigendes wie die Kunstfertigkeit der agierenden curanderas [Schamanen] und die erstaunliche Wirkung der Pilze erwartet. [Der Fotograf] und ich waren die ersten Weißen in der Geschichtsschreibung, die die göttlichen Pilze aßen, die jahrhundertelang ein Geheimnis bestimmter, abgeschieden im Süden Mexikos lebender Indio-Völker gewesen waren.»

Dann erzählt Wasson die unglaubliche Geschichte, wie jemand wie er, «von Beruf Banker», irgendwann auf dem Lehmboden des Kellers einer strohgedeckten Adobe-Hütte in einer Kleinstadt in Oaxaca, die so abgelegen war, dass man sie erst nach einem elfstündigen Maultierritt durch die Berge erreichte, Magic Mushrooms verzehrte.

Die Geschichte beginnt 1927, während Wassons Flitterwochen in den Catskills. Bei einem Nachmittagsspaziergang im herbstlichen Wald entdeckte seine Braut, eine russische Ärztin namens Valentina, wild wachsende Pilze, vor denen «sie voller Bewunderung niederkniete». Wasson wusste nichts über «diese ekelhaften, tückischen Gewächse» und war bestürzt, als Valentina vorschlug, sie zum Abendessen zu braten. Er weigerte sich, sie zu essen. «Kaum verheiratet», schrieb Wasson, «befürchtete ich, am nächsten Morgen als Witwer aufzuwachen.»

Es machte die beiden neugierig, dass zwei Kulturen eine völlig entgegengesetzte Einstellung zu Pilzen haben konnten. Schon bald starteten sie ein Forschungsprojekt, um den Ursprung von «Mykophobie» und «Mykophilie» zu verstehen, Begriffe, die von den Wassons eingeführt wurden. Sie kamen zu dem Schluss, dass alle indoeuropäischen Völker aufgrund ihres kulturellen Erbes entweder mykophob (zum Beispiel die Angelsachsen, Kelten und Skandinavier) oder mykophil sind (die Russen, Katalanen und Slawen), und schlugen eine Erklärung für die starken Gefühle in beiden Lagern vor: «Ist es nicht wahrscheinlich, dass unsere Vorfahren vor langer Zeit, lange vor dem Beginn der Geschichtsschreibung, einen göttlichen Pilz anbeteten? Das würde die Aura des Übernatürlichen erklären, in die alle Pilze getaucht zu sein scheinen.»* Dann stellte sich den Wassons die nächste Frage – «Welche Pilzsorte wurde damals angebetet und warum?» –, und mit dieser Frage im Kopf begannen sie eine dreißigjährige Suche nach dem göttlichen Pilz. Sie hofften, Beweise für die kühne Theorie erbringen zu können, die Wasson entwickelt hatte und die ihn bis zu seinem Tod beschäftigen würde: dass der religiöse Impuls des Menschen durch die von einem psychoaktiven Pilz ausgelösten Visionen erweckt worden war.

Als berühmter Finanzmann hatte Gordon Wasson die Mittel und die Beziehungen, um alle möglichen Experten und Wissenschaftler in seine Suche einzubeziehen. Einer von ihnen war der Dichter Robert Graves, der das Interesse der Wassons an der Rolle von Pilzen in der Geschichte und den gemeinsamen Ursprüngen der Mythen und Religionen der Welt teilte. 1952 schickte Graves Wasson einen Ausschnitt aus einer pharmazeutischen Zeitschrift, in dem ein psychoaktiver Pilz erwähnt war, der im 16. Jahrhundert von mittelamerikanischen Indios verwendet wurde. Der Artikel basierte auf der in Zentralamerika angesiedelten Forschung von Richard Evans Schultes, einem Ethnobotaniker der Harvard University, der den Gebrauch von psychoaktiven Pflanzen und Pilzen durch indigene Kulturen untersuchte. Schultes war ein angesehener Professor, dessen Studenten sich erinnern, dass er im Unterricht mit Blasrohren schoss und einen Korb mit Peyote-Knöpfen vor seinem Büro in Harvard stehen hatte; er bildete eine ganze Generation amerikanischer Ethnobotaniker aus, darunter Wade Davis, Mark Plotkin, Michael Balick, Tim Plowman und Andrew Weil. Neben Wasson ist Schultes eine der wenigen Personen, deren Rolle bei dem Projekt, der westlichen Welt die Psychedelika zu bringen, unterschätzt wurde; tatsächlich lagen die ersten Samen dieser Bewegung buchstäblich seit den 1930er Jahren im Herbarium der Harvard University, mehr als ein Vierteljahrhundert bevor Timothy Leary einen Fuß auf den Campus setzte. Denn es war Schultes, der als Erster teonanácatl – den heiligen Pilz der Azteken und ihrer Nachfahren – und ololiuhqui, die Samen der Prunkwinde, identifizierte, die von den Azteken ebenfalls zu sakramentalen Zwecken verwendet wurden und ein Alkaloid enthalten, das mit LSD eng verwandt ist.

Bis dahin hatten die Wassons in Asien nach ihrem göttlichen Pilz gesucht; Schultes richtete ihre Suche neu aus und verwies sie auf Amerika, wo es vereinzelte Berichte von Missionaren und Anthropologen gab, die darauf hindeuteten, dass in den abgelegenen Bergdörfern Südmexikos möglicherweise ein alter Pilzkult überlebt hatte.

1953 trat Wasson die erste von zehn Reisen nach Mexiko und Zentralamerika an, mehrere davon in das Dorf Huautla de Jiménez, tief in den Bergen von Oaxaca, wo einem seiner Informanten – einem Missionar – zufolge Schamanen Pilze verwendeten. Anfangs waren die Einheimischen verschlossen. Manche erzählten Wasson, sie hätten noch nie von den Pilzen gehört, die Pilze würden nicht mehr genutzt, oder dieser Brauch habe nur in einem anderen, weit entfernten Dorf überlebt.

Ihre Verschlossenheit war nicht überraschend. Die sakramentale Nutzung von psychoaktiven Pilzen war seit der spanischen Eroberung, als sie in den Untergrund gedrängt wurde, vierhundert Jahre lang vor den Westlern geheim gehalten worden. Der beste Bericht, den wir von dem Brauch haben, ist der des spanischen Missionars Bernardino de Sahagún, der im 16. Jahrhundert die Verwendung von Pilzen bei einer religiösen Feier der Azteken schilderte:

Diese aßen sie vor Tagesanbruch mit Honig und tranken Schokolade. Als die Pilze zu wirken anfingen, begannen sie zu tanzen, und manche sangen, und manche weinten … Manche hatten keine Lust zu singen, sondern ließen sich in ihren Kammern nieder und saßen dort ganz versonnen. Und manche sahen in einer Vision ihren eigenen Tod und weinten, andere sahen, wie sie von einem wilden Tier gefressen wurden, und wieder andere sahen, wie sie in einem Krieg Gefangene nahmen … andere sahen in einer Vision, wie sie Ehebruch begingen und ihnen darob die Köpfe eingeschlagen wurden … Und als der Pilzrausch vorüber war, sprachen sie miteinander über ihre Visionen.13

Die Spanier versuchten, die Pilzkulte zu unterdrücken, da sie darin zu Recht eine tödliche Bedrohung für die Autorität der Kirche sahen. Einer der ersten Geistlichen, die Cortés zur Christianisierung der Azteken nach Mexiko mitgebracht hatte, erklärte, die Pilze seien das Fleisch «des Teufels, den sie anbeteten, und … mit dieser bitteren Nahrung empfingen sie in der Kommunion ihren grausamen Gott».14 Indios wurden verhört und gefoltert, bis sie den Brauch gestanden, und Pilzsteine – viele davon dreißig Zentimeter hohe gemeißelte Basaltskulpturen der heiligen Pilze, vermutlich bei religiösen Zeremonien verwendet – wurden zertrümmert. Die Inquisition klagte Dutzende Ureinwohner wegen Verbrechen an, die mit Peyote und Psilocybin in Zusammenhang standen, was sich zu einem frühen Krieg gegen Drogen auswuchs – oder, genauer gesagt, zum Krieg gegen bestimmte Pflanzen und Pilze. 1620 erklärte die römisch-katholische Kirche, dass die Verwendung von Pflanzen für Prophezeiungen «eine abergläubische Handlung ist, die in Gegensatz zur Reinheit und Rechtschaffenheit unseres heiligen katholischen Glaubens steht und deshalb verdammt werden muss».15

Es ist nicht schwer zu verstehen, warum die Kirche so heftig auf den sakramentalen Gebrauch von Pilzen reagierte. Die Bezeichnung für die Pilze in Nahuatl – Fleisch der Götter – muss für spanische Ohren wie eine ausgesprochene Herausforderung des christlichen Sakraments geklungen haben, das natürlich ebenfalls als Fleisch der Götter, oder vielmehr des einzigen Gottes, verstanden wurde. Doch das Pilzsakrament genoss einen unbestreitbaren Vorteil gegenüber der christlichen Version. Man musste daran glauben, dass der Verzehr von Brot und Wein beim Abendmahl dem Kirchgänger Zugang zum Göttlichen verschaffte, einen Zugang, der durch einen Geistlichen und die kirchliche Liturgie vermittelt werden musste. Man vergleiche das mit dem aztekischen Sakrament, einem psychoaktiven Pilz, der jedem, der ihn verzehrte, direkten, unmittelbaren Zugang zum Göttlichen gewährte – zu Visionen einer anderen Welt, einem Reich der Götter. Wer hatte also das machtvollere Sakrament? Ein Mazatec-Indianer sagte zu Wasson, die Pilze «bringen dich dahin, wo Gott ist».16

Die römisch-katholische Kirche mochte die erste Institution gewesen sein, die die von einer psychedelischen Pflanze ausgehende Bedrohung ihrer Autorität voll erkannte, doch sie sollte keineswegs die letzte sein.

In der Nacht vom 29. auf den 30. Juni 1955 erfuhr Gordon Wasson die heiligen Pilze am eigenen Leib.17 Auf seiner dritten Reise nach Huautla hatte er María Sabina, eine 61-jährige Mazatec, die im Dorf eine angesehene curandera war, überredet, ihn und seinen Fotografen bei einer Zeremonie, an der noch nie ein Außenstehender mitgemacht hatte, nicht nur zuschauen, sondern auch teilnehmen zu lassen. Die velada, wie die Zeremonie genannt wurde, fand nach Einbruch der Dunkelheit im Keller des Hauses eines örtlichen Beamten statt, den Wasson für seine Sache gewonnen hatte, vor einem schlichten Altar, «der mit christlichen Bildern geschmückt war». Um Sabinas Identität zu schützen, nannte Wasson sie «Eva Mendez» und sah «in ihrem Gesichtsausdruck eine Spiritualität, die uns sehr beeindruckte». Nachdem sie die Pilze gesäubert und durch den reinigenden Weihrauchqualm hatte gleiten lassen, reichte Sabina Wasson eine Tasse, in der sich sechs Pilzpaare befanden; sie nannte sie «die kleinen Kinder». Sie schmeckten furchtbar: «bitter mit einem ranzigen Geruch, der sich jedes Mal wiederholte». Dennoch «hätte ich nicht glücklicher sein können: Das war der Höhepunkt meines sechsjährigen Strebens.»

Die Visionen, die sich daraufhin einstellten, «hatten lebhafte Farben und waren stets harmonisch. Es begann mit Kunstmotiven, verwinkelt wie die Verzierung auf Teppichen, Textilien oder Tapeten … Dann entwickelten sie sich zu Palästen mit Höfen, Arkaden, Gärten – prächtigen, mit Halbedelsteinen bedeckten Palästen. Dann sah ich, wie ein mythologisches Tier einen königlichen Triumphwagen zog.» Und so weiter.

Die Originale von Wassons Feldbüchern befinden sich in der botanischen Bibliothek in Harvard. In sauberer, aber irgendwie eigenwilliger Handschrift hat er akribisch die Zeit im Auge behalten, von seinem Eintreffen (20:15) über den Verzehr der Pilze (22:40) bis zum Löschen der letzten Kerze (22:45).

Danach zerfließt die Handschrift. Manche Sätze scheinen auf dem Kopf zu stehen, und Wassons Schilderung seiner Gefühle zerfällt allmählich in Bruchstücke:

Übelkeit während sich Blick verzerrt. Berühren der Wand – ließ die Welt der Visionen scheinbar zerbröckeln. Licht über und unter der Tür hervor – Mond. Tisch nahm neue Formen an – Geschöpfe, Prozessionswagen, architektonische Muster in strahlenden Farben. Übelkeit. Keine Fotos sobald der [unleserlich] uns ergriff.

Architektonisch

Blick unscharf – die Kerzen wir sahen sie doppelt

Orientalisches Gepränge – Alhambra – Triumphwagen

Tisch verwandelt

Gegensatz Vision und Realität – ich berühre die Wand.

«Die Visionen waren nicht verschwommen oder unklar», schreibt er. Eigentlich «kamen sie mir realer vor als alles, was ich je mit eigenen Augen gesehen hatte». An diesem Punkt beginnt der Leser zu spüren, wie die literarische Handschrift Aldous Huxleys einen gewissen Druck auf Wassons Prosa und seine Wahrnehmungen ausübt: «Ich hatte das Gefühl, klar zu sehen, während der gewöhnliche Blick uns ein unvollkommenes Bild bietet.» Wassons eigene Pforten der Wahrnehmung waren weit aufgerissen: «Ich sah die Archetypen, die platonischen Ideen, die den unvollkommenen Bildern des täglichen Lebens zugrunde liegen.» Wenn man Wasson liest, hat man das Gefühl, als würde man miterleben, wie sich die noch frischen und formbaren Konventionen der psychedelischen Erzählung allmählich vor den eigenen Augen verfestigen. Ob Aldous Huxley diese Formeln erdacht hat oder nur ihr Stenograf war, ist schwer zu sagen, doch von da an prägten sie das Genre genauso wie die Erfahrung. «Zum ersten Mal nahm das Wort Ekstase eine wirkliche Bedeutung an», erinnert sich Wasson. «Zum ersten Mal meinte es nicht die Gemütsverfassung von jemand anderem.»

Wasson schloss aus seiner Erfahrung, dass seine Arbeitshypothese über die Verwurzelung religiöser Erfahrung in psychoaktiven Pilzen bestätigt war. «In der Evolution des Menschen … muss es einen Zeitpunkt gegeben haben, an dem er das Geheimnis der halluzinogenen Pilze entdeckte. So wie ich es sehe, kann ihre Wirkung auf ihn nur tief greifend gewesen sein, ein Zünder für neue Ideen. Denn die Pilze offenbarten ihm Welten jenseits des ihm bekannten Horizonts, in Raum und Zeit, ja sogar Welten auf einer anderen Seinsebene, ein Himmel und vielleicht eine Hölle … Man fühlt sich geradezu ermutigt zu fragen, ob sie dem primitiven Menschen nicht die Vorstellung von Gott eingepflanzt haben könnten.»

Was auch immer man von diesem Gedanken hält, man sollte sich vergegenwärtigen, dass Wasson fest davon überzeugt nach Huautla kam und unterschwellig bereit war, verschiedene Elemente seiner Erfahrung so zu verbiegen, dass er bestätigt wurde. Sosehr er sich auch bemüht, María Sabina als religiöse Figur und ihre Zeremonie als eine Art «Heilige Kommunion» hinzustellen, sah sie sich doch ganz anders. Fünfhundert Jahre zuvor hatte der Pilz vielleicht als Sakrament gedient, doch 1955 waren viele Mazateken bereits gläubige Katholiken und verwendeten Pilze nicht mehr zu kultischen Zwecken, sondern für Heilung und Prophezeiung – um Vermisste oder wichtige Gegenstände ausfindig zu machen. Wasson wusste das ganz genau und wandte deshalb eine List an, um Zugang zur Zeremonie zu erhalten: Er erzählte María Sabina, er mache sich Sorgen um seinen Sohn zu Hause und brauche Informationen über seinen Aufenthaltsort und sein Wohlergehen. (Gespenstischerweise stellte er bei seiner Rückkehr nach New York fest, dass die erhaltenen Informationen in beiderlei Hinsicht zutreffend waren.) Wasson verfälschte einen komplexen indigenen Brauch, damit er zu einer vorgefertigten Theorie passte, und verschmolz die historische Bedeutung des Brauchs mit der gegenwärtigen. Einige Jahre später sagte Sabina einem Interviewer: «Vor Wasson hat niemand die Pilze nur deshalb genommen, um Gott zu finden. Es ging immer darum, Kranke zu heilen.»18 Oder, wie einer von Wassons schärfsten Kritikern, der englische Autor Andy Letcher, es formulierte: «Um Gott zu finden, besuchte Sabina – wie alle guten Katholiken – die Messe.»19

Wassons Artikel in Life wurde von Millionen Menschen gelesen (darunter auch ein Psychologieprofessor auf dem Weg nach Harvard namens Timothy Leary). Wassons Geschichte erreichte weitere Millionen von Menschen, als er sie in der populären CBS-Nachrichtensendung Person to Person20 erzählte, und in den folgenden Monaten brachten mehrere andere Zeitschriften,21 u. a. True: The Man‘s Magazine, in der Ich-Form verfasste Berichte von Magic-Mushroom-Reisen («Die Pflanze, die Männer in den Wahnsinn treibt»), Reisen, für die Wasson die Pilze bereitstellte. (Er hatte einen Vorrat mitgebracht und leitete in seiner Wohnung in Manhattan Zeremonien.) Im American Museum of Natural History in New York folgte bald eine Ausstellung über Magic Mushrooms.22

Kurz nachdem der Artikel in Life erschienen war, ließ Wasson ein paar von den mexikanischen Pilzen zur Analyse an Albert Hofmann in der Schweiz schicken. 1958 isolierte und benannte Hofmann die beiden psychoaktiven Substanzen Psilocybin und Psilocin und entwickelte die synthetische Version von Psilocybin, die in der heutigen Forschung verwendet wird.23 Hofmann experimentierte auch mit dem Pilz selbst. «Nach einer halben Stunde begann sich die Außenwelt fremdartig zu verwandeln», schrieb er. «Alles nahm einen mexikanischen Charakter an.»24 1962 begleitete Hofmann Wasson auf einer seiner weiteren Reisen nach Huautla, wo der Chemiker María Sabina Psilocybin in Pillenform gab.25 Sie nahm zwei Pillen und erklärte, sie enthielten tatsächlich den Geist des Pilzes.*

Tausende anderer Menschen – darunter irgendwann auch Stars wie Bob Dylan, John Lennon und Mick Jagger – brauchten nicht lange, um den Weg nach Huautla und zu María Sabinas Tür zu finden.** Für María Sabina und ihr Dorf war diese Aufmerksamkeit verheerend. Wasson machte sich später dafür verantwortlich, «eine grässliche Sturzflut der Vermarktung im schönen Huautla entfesselt zu haben»,26 wie er 1970 in einem schwermütigen Kommentar in der New York Times schrieb. Huautla hatte sich erst in ein Beatnik- und dann in ein Hippie-Mekka verwandelt, und die heiligen Pilze, einst ein sorgsam gehütetes Geheimnis, wurden jetzt auf offener Straße verkauft. Die Nachbarn gaben María Sabina die Schuld an dem, was ihrem Dorf widerfuhr; ihr Haus wurde niedergebrannt, und sie kam kurzzeitig ins Gefängnis. Am Ende ihres Lebens bereute sie zutiefst, Gordon Wasson und damit der ganzen Welt von den göttlichen Pilzen erzählt zu haben. «Mit der Ankunft der Fremden», sagte sie einem Besucher, «büßten die heiligen Kinder ihre Reinheit ein. Sie haben ihre Kraft verloren, die Fremden haben sie ruiniert. Von jetzt an haben sie keinen Nutzen mehr.»27

Als ich am nächsten Morgen nach unten kam, ordnete Paul Stamets im Wohnzimmer gerade seine Sammlung von Pilzsteinen auf dem Couchtisch an. Ich hatte von diesen Artefakten gelesen, aber noch keinen gesehen oder in der Hand gehalten, und sie waren sehr eindrucksvoll: grob behauene Basaltklötze in allen möglichen Größen und Formen. Manche waren simpel und sahen wie Riesenpilze aus; andere hatten einen drei- oder vierbeinigen Sockel, und bei wieder anderen war eine Figur in den Stängel (oder Stiel) gemeißelt. Tausende dieser Steine wurden von den Spaniern zerstört, doch etwa zweihundert sind erhalten geblieben, und davon besitzt Stamets sechzehn. Die meisten der erhaltenen Steine wurden im Hochland von Guatemala gefunden, oft von Bauern beim Pflügen der Felder; einige wurden auf mindestens 1000 v. Chr. datiert.

Während Stamets die schweren Steine einen nach dem anderen von der Vitrine zum Couchtisch trug, wo er sie sorgfältig anordnete, sah er aus wie ein Ministrant, der sie mit der Ernsthaftigkeit behandelte, die unersetzlichen Sakralgegenständen angemessen ist. Mir kam in den Sinn, dass Paul Stamets Gordon Wassons rechtmäßiger Erbe ist. (Auch Wasson hat Pilzsteine gesammelt, von denen ich einige in Harvard gesehen habe.) Er teilt seine radikal mykozentrische Weltsicht und sieht überall, wo er hinschaut, Beweise für die zentrale Bedeutung psychoaktiver Pilze in Kultur, Religion und Natur. Stamets‘ Laptop ist voller Bilder von Psilocybes, die nicht nur aus der Natur stammen (er ist ein ausgezeichneter Fotograf), sondern auch von Höhlenmalereien, nordafrikanischen Felszeichnungen, mittelalterlicher Kirchenarchitektur und islamischen Mustern, die zum Teil an die Form von Pilzen oder, mit ihren fraktalen geometrischen Strukturen, an Pilzerfahrungen erinnern. Ich muss gestehen, dass es mir, sosehr ich mich auch bemühte, oft nicht gelang, die in den Bildern versteckten Pilze zu entdecken. Bestimmt hätten die Pilze selbst dabei helfen können.

Das bringt uns zu Terence McKennas Stoned Ape Theory, dem Inbegriff aller mykozentrischen Spekulationen, über die Stamets unbedingt hatte sprechen wollen. Die Lektüre McKennas kann die mündliche Erläuterung seiner These zwar nicht ersetzen (man kann ihn auf YouTube finden28), doch in Die Speisen der Götter (1992) fasst er sie zusammen: Psilocybes gaben unseren hominiden Vorfahren «Zugang zu Reichen übernatürlicher Macht»,29 «beschleunigten die Entstehung menschlicher Selbstbetrachtung»30 und «brachten uns aus dem tierischen Geist in die Welt artikulierter Sprache und Vorstellungskraft».31 Diese letzte Hypothese über die Erfindung von Sprache beruht auf dem Synästhesie-Konzept, der Verschmelzung der Sinne, die Psychedelika hervorrufen können: Unter dem Einfluss von Psilocybin können Zahlen Farben annehmen, Farben sich mit Tönen verknüpfen und so weiter. Sprache, behauptet er, stellt einen Sonderfall von Synästhesie dar, in dem sich ansonsten bedeutungslose Töne mit Vorstellungen verbinden. Deshalb der berauschte Affe: Indem die Psilocybinpilze uns die Gabe der Sprache und Selbstbetrachtung verliehen, machten sie uns zu dem, was wir sind, und formten unsere Primaten-Vorfahren zum Homo sapiens um.

Die Stoned Ape Theory lässt sich weder beweisen noch widerlegen. Der Verzehr von Pilzen durch frühe Hominiden hätte in der fossilen Überlieferung wahrscheinlich keine Spur hinterlassen, denn die Pilze sind Weichgewebe, können frisch gegessen werden und erfordern keine speziellen Werkzeuge oder Verarbeitungsmethoden, die erhalten geblieben sein könnten. McKenna hat nie richtig erklärt, wie der Verzehr von psychoaktiven Pilzen die biologische Evolution beeinflusst, das heißt, Veränderungen auf der Ebene des Genoms bewirkt haben könnte. Es wäre leichter gewesen, Argumente für den Einfluss psychoaktiver Pilze auf die kulturelle Entwicklung zu finden – so wie Wasson es getan hat –, aber die Pilze hatten offenbar ehrgeizigere Pläne für Terence McKennas Denken, und Terence McKenna war ihnen gern zu Diensten.

Stamets war mit McKenna in dessen letzten Lebensjahren gut befreundet, und seit McKennas Tod (er starb mit dreiundfünfzig an Hirnkrebs) hat er die Fackel des berauschten Affen weitergetragen und McKennas Theorie in vielen seiner Vorträge geschildert. Stamets räumt ein, dass es eine große Herausforderung ist, sie zur allgemeinen Zufriedenheit zu beweisen, hält es aber für «ziemlich wahrscheinlich», dass Psilocybin «in der menschlichen Evolution ausschlaggebend war». Was haben diese Pilze und die Erfahrung, die sie beim Menschen unterstützen, das eine derartige geistige Verstiegenheit und Überzeugung befeuert, fragte ich mich.

Die Geschichten von Myko-Jüngern wie McKenna lesen sich wie Bekehrungsgeschichten, in denen bestimmte Menschen, die die Macht der Pilze am eigenen Leib verspürt haben, aus dieser Erfahrung mit der Überzeugung hervorgehen, dass diese Pilze treibende Kräfte – ja eine Art Götter – sind, die alles erklären können. Ihre prophetische Mission im Leben wird klar: Überbringt der Welt diese Nachricht!

All das betrachte man nun aus der Perspektive des Pilzes: Was als biochemischer Zufall begonnen haben mag, hat sich in eine geniale Strategie zur Ausbreitung und Vermehrung der Art verwandelt, indem die leidenschaftliche Zuneigung eines so erfinderischen und weit gereisten (und sprachgewandten!) Tieres wie Homo sapiens erlangt wurde. Aus McKennas Sicht ist es der Pilz selbst, der half, genau den Geist zu formen – ausgestattet mit den Möglichkeiten der Sprache und befeuert von Vorstellungskraft –, der seine Interessen am besten befördern konnte. Wie ungeheuer brillant! Kein Wunder, dass Paul Stamets von ihrer Intelligenz überzeugt ist.

Am nächsten Morgen, noch bevor wir die Autos für unsere Reise gen Süden beluden, hatte Stamets ein weiteres Geschenk für mich. Wir sahen uns in seinem Arbeitszimmer gerade ein paar Bilder auf seinem Computer an, als er plötzlich einen kleinen Stapel Hüte aus Zunderschwamm vom Regal nahm. «Probieren Sie, ob Ihnen einer passt.» Die meisten Pilzhüte waren mir zu groß, doch ich fand einen, der gut saß, und bedankte mich für das Geschenk. Der Hut war erstaunlich weich und nahezu gewichtslos, doch ich kam mir mit einem Pilz auf dem Kopf ziemlich lächerlich vor und verstaute ihn deshalb sorgfältig in meinem Gepäck.

Am frühen Sonntagmorgen fuhren wir westwärts zur Pazifikküste, dann südwärts zum Columbia River und hielten im Ferienort Long Beach, um etwas zu essen und Campingvorräte einzukaufen. Da Anfang Dezember war, war in dem verschlafenen Ort schon fast alles geschlossen. Stamets bat mich, den genauen Ort unserer Suche nach Psilocybe azurescens nicht offenzulegen. Aber ich kann sagen, dass dort drei öffentliche Parks die breite Mündung des Columbia säumen – Fort Stevens, Cape Disappointment und der Lewis and Clark National Historical Park –, und wir hielten uns in einem davon auf. Stamets, der hier schon seit Jahren nach Azzies sucht, war leicht paranoid, dass ihn ein Ranger erkennen könnte, deshalb blieb er im Wagen, während ich uns im Büro anmeldete und eine Karte mitnahm, die uns den Weg zu unserer Jurte zeigte.

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