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Jetzt, da ich eine intellektuelle Wertschätzung für den potenziellen Wert dieser psychoaktiven Substanzen entwickelt hatte, könnte man denken, ich wäre begieriger gewesen, sie auszuprobieren. Ich weiß nicht genau, worauf ich gewartet habe; auf Mut vielleicht oder auf die passende Gelegenheit, die ein arbeitsreiches, überwiegend gesetzestreues Leben nie zu bieten schien. Aber als ich den potenziellen Nutzen, von dem ich hörte, gegen die Risiken abwog, lernte ich zu meiner Überraschung, dass Psychedelika bei Weitem nicht so gefährlich sind, um sich dermaßen davor fürchten zu müssen. Viele der allbekannten Gefahren sind übertrieben oder frei erfunden. Es ist beispielsweise so gut wie unmöglich, an einer Überdosis LSD oder Psilocybin zu sterben, und keine der beiden Drogen macht süchtig. Wenn Tiere die Drogen einmal probiert haben, streben sie es kein zweites Mal an, und beim Menschen beraubt sie wiederholter Gebrauch ihrer Wirkung.* Es stimmt, dass die furchterregenden Erfahrungen, die manche Menschen auf Psychedelika machen, bei entsprechender Disposition Psychosen auslösen können, weshalb niemand, der familiär vorbelastet ist oder eine Veranlagung zu psychischen Erkrankungen hat, diese Substanzen einnehmen sollte. Allerdings sind Einlieferungen in die Notaufnahme wegen Psychedelikakonsums äußerst selten, und viele der Fälle, die von Ärzten als Psychosen diagnostiziert werden, stellen sich als vorübergehende Panikattacken heraus.7

Es stimmt ebenfalls, dass Menschen auf Psychedelika zu gefährlichen Dummheiten neigen: Sie betreten verkehrsreiche Straßen, fallen irgendwo herunter oder begehen in seltenen Fällen Selbstmord. «Horrortrips» sind sehr real und können laut einer großen Umfrage unter Konsumenten psychedelischer Drogen, in der die Leute zu ihren Erlebnissen befragt wurden, eine der «schlimmsten Erfahrungen des Lebens» sein.* Es ist jedoch wichtig, zwischen dem zu unterscheiden, was passieren kann, wenn diese Drogen unbeaufsichtigt eingenommen werden, ohne auf Set und Setting zu achten, und dem, was unter klinischen Bedingungen, nach sorgfältiger Untersuchung und unter Aufsicht, passiert. Seit der Wiederaufnahme genehmigter Psychedelik-Forschung in den 1990er Jahren bekamen knapp tausend Versuchspersonen die Substanzen verabreicht, und kein einziger ernsthafter Zwischenfall wurde gemeldet.8

Um diese Zeit kam mir der Gedanke, «die Schneekugel zu schütteln», wie ein Neurowissenschaftler die psychedelische Erfahrung beschrieb, allmählich eher verlockend als beängstigend vor, auch wenn die Angst nicht völlig verschwand.

Nach mehr als einem halben Jahrhundert einer ziemlich beständigen Gemeinschaft wird das eigene Ich – diese allgegenwärtige, unaufhörlich kommentierende, interpretierende, abstempelnde, verteidigende Stimme im Kopf – vielleicht etwas zu vertraut. Ich rede hier nicht von etwas so Tiefgehendem wie Selbsterkenntnis. Nein, nur davon, wie wir im Lauf der Zeit unsere Reaktionen auf das, was das Leben bringt, optimieren und konventionalisieren. Jeder von uns entwickelt solche vereinfachenden Wege, alltägliche Erfahrungen einzuordnen und zu verarbeiten oder Probleme zu lösen, und obwohl das zweifellos eine Anpassungsleistung ist – es hilft uns, unsere Aufgaben ohne viel Aufhebens zu erledigen –, wird es irgendwann mechanisch. Es stumpft uns ab. Die Muskeln der Aufmerksamkeit verkümmern.

Gewohnheiten sind unbestreitbar nützliche Hilfsmittel, die uns von der Notwendigkeit befreien, jedes Mal eine komplexe geistige Tätigkeit auszuführen, wenn wir vor einer neuen Aufgabe oder Situation stehen. Doch sie befreien uns auch von der Notwendigkeit, der Welt gegenüber wach zu bleiben: daran teilzunehmen, zu fühlen, zu denken und dann wohlüberlegt zu handeln. (Das heißt, eher aus freiem Willen als unter Zwang.) Um sich ins Gedächtnis zu rufen, wie sehr geistige Gewohnheiten uns blind gegenüber Erfahrungen machen, muss man bloß in ein fremdes Land reisen. Plötzlich wacht man auf! Und die Algorithmen des täglichen Lebens fangen gewissermaßen bei null an. Das ist der Grund, warum die verschiedenen Reisemetaphern für die psychedelische Erfahrung so treffend sind. So nützlich die Effizienz des erwachsenen Geistes auch sein mag, sie macht uns blind für den gegenwärtigen Augenblick. Wir springen ständig zur nächsten Sache. Wir behandeln Erfahrungen wie ein Programm künstlicher Intelligenz (KI), denn unser Gehirn übersetzt ständig Daten aus der Gegenwart in Begriffe der Vergangenheit, sucht dort nach der maßgeblichen Erfahrung und benutzt diese, um möglichst gut einzuschätzen, wie man die Zukunft vorhersagt und bewältigt.

Eins der Dinge, das für Reise, Kunst, Natur, Arbeit und bestimmte Drogen spricht, ist die Art, wie diese Erfahrungen im günstigsten Fall jeden geistigen Pfad in Vergangenheit und Zukunft abriegeln und uns in den Strom der Gegenwart tauchen, der wahrhaft erstaunlich ist – denn Staunen ist die Nebenwirkung des unbelasteten ersten oder jungfräulichen Blicks, dem sich das erwachsene Gehirn verschlossen hat. (Das ist so ineffizient!) Wenn ich meine Zeit in der nahen Zukunft verbringe, ist mein psychisches Thermostat leider Gottes größtenteils auf ein niedriges Simmern von Erwartung und allzu oft auf Sorge eingestellt. Das Gute ist, ich werde nur selten überrascht. Was wiederum zugleich das Schlechte ist.

Was ich hier zu beschreiben versuche, ist die Voreinstellung meines Bewusstseins. Sie funktioniert recht gut, erledigt alle Aufgaben, aber was, wenn sie nicht die einzige oder zwangsläufig beste Art ist, durchs Leben zu gehen? Die Prämisse der Psychedelik-Forschung ist, dass diese spezielle Gruppe von Molekülen uns Zugang zu anderen Bewusstseinsformen verschaffen kann, die uns spezielle Vorteile bringen könnten, ob therapeutischer, spiritueller oder kreativer Natur. Psychedelika sind bestimmt nicht die einzige Tür zu diesen anderen Bewusstseinsformen – ich erforsche in diesem Buch auch nichtpharmakologische Alternativen –, doch an diesem Knopf lässt sich offenbar am leichtesten drehen.

Der Gedanke, das Repertoire unserer Bewusstseinszustände zu erweitern, ist keine völlig neue Idee – Hinduismus und Buddhismus sind davon durchdrungen, und auch in der westlichen Wissenschaft gibt es faszinierende Beispiele. William James, der wegweisende amerikanische Psychologe und Autor von Die Vielfalt religiöser Erfahrung, wagte sich schon vor mehr als einem Jahrhundert in diese Welt. Er kehrte mit der Überzeugung zurück, dass unser normales Wachbewusstsein «nur ein besonderer Typ von Bewußtsein ist, während um ihn herum, von ihm durch den dünnsten Schirm getrennt, mögliche Bewußtseinsformen liegen, die ganz andersartig sind».9

Mir war klar, dass James von den ungeöffneten Türen in unserem Denken spricht. Für ihn war Lachgas der «Kontakt», der die Tür aufstoßen und die Welt auf der anderen Seite enthüllen konnte. (Meskalin, die psychedelische Substanz, die aus dem Peyote-Kaktus gewonnen wird, stand den Forschern damals bereits zur Verfügung, doch James hatte offenbar zu große Angst, es auszuprobieren.)

«Keine Betrachtung des Universums kann abschließend sein, die diese anderen Bewußtseinsformen ganz außer Betracht läßt.10 Auf jeden Fall», folgerte James, verböten diese anderen Zustände, deren Existenz er für so real wie die Tinte auf dieser Seite hielt, «einen voreiligen Abschluß unserer Rechnung mit der Realität».11

Als ich diese Sätze zum ersten Mal las, begriff ich, dass James mich durchschaute: Als überzeugter Materialist und Erwachsener in einem gewissen Alter hatte ich meine Rechnung mit der Realität abgeschlossen. Vielleicht war das voreilig gewesen. Tja, hier war die Aufforderung, sie wieder aufzumachen.

Wenn das normale Wachbewusstsein nur eine von mehreren möglichen Arten ist, eine Welt zu konstruieren, dann ist es vielleicht sinnvoll, eine größere neuronale Vielfalt auszubilden. In diesem Sinne nähert sich Verändere dein Bewusstsein dem Thema aus verschiedenen Blickwinkeln und setzt verschiedene Darstellungsformen ein: Gesellschafts- und Wissenschaftsgeschichte, Naturkunde, Memoir, Wissenschaftsjournalismus und Fallstudien von Versuchspersonen und Patienten. In der Mitte der Reise liefere ich einen Bericht von meiner eigenen Erkundung (oder vielleicht sollte ich Suche sagen) in Form einer geistigen Reisebeschreibung.

Bei der Schilderung der Geschichte der Psychedelik-Forschung in Vergangenheit und Gegenwart versuche ich nicht, umfassend zu sein. Das Thema Psychedelika als Gegenstand der Wissenschaft und der Gesellschaftsgeschichte ist zu umfangreich, um zwischen die Deckel eines einzigen Buchs zu passen. Statt zu versuchen, den Leser mit all den Menschen bekannt zu machen, die für die Psychedelik-Renaissance verantwortlich sind, konzentriert sich meine Schilderung auf eine kleine Anzahl von Pionieren, die eine bestimmte wissenschaftliche Linie vertreten, mit dem unvermeidlichen Resultat, dass die Beiträge vieler anderer nur kurz abgehandelt werden. Und im Interesse einer stringenten Erzählung habe ich mich auf bestimmte Drogen konzentriert und andere ausgeschlossen. MDMA (auch bekannt als Ecstasy), das bei der Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen vielversprechende Ergebnisse zeigt, kommt hier beispielsweise kaum vor. Manche Forscher zählen MDMA zu den Psychedelika, die meisten jedoch nicht, und darin folge ich ihnen. MDMA wirkt im Gehirn auf andere Weise und hat im Wesentlichen einen anderen gesellschaftlichen Hintergrund als die sogenannten klassischen Psychedelika. Von diesen konzentriere ich mich vornehmlich auf die Substanzen, denen die Wissenschaft die größte Aufmerksamkeit widmet – Psilocybin und LSD –, das heißt, dass andere Psychedelika, die ebenso interessant und wirksam, aber im Labor schwieriger zu testen sind – wie beispielweise Ayahuasca –, weniger Aufmerksamkeit erhalten.

Ein letztes Wort zu Fachausdrücken. Der Klasse von Molekülen, zu der Psilocybin und LSD (sowie Meskalin, DMT und eine Handvoll andere) gehören, wurden seit ihrem Bekanntwerden viele Namen gegeben. Anfangs wurden sie Halluzinogene genannt. Doch sie haben so viele andere Eigenschaften (und richtiggehende Halluzinationen sind eher ungewöhnlich), dass die Forschung schon bald nach präziseren, aussagekräftigeren Begriffen suchte, wie ich im dritten Kapitel ausführe. Der Begriff «Psychedelika», den ich größtenteils verwende, hat seine Nachteile.12 In den 1960er Jahren bereitwillig angenommen, schleppt der Begriff den unseligen Ballast der Gegenkultur mit sich herum. In der Hoffnung, diesen Assoziationen zu entkommen und die spirituelle Dimension dieser Drogen hervorzuheben, haben einige Forscher vorgeschlagen, sie stattdessen «Entheogene» zu nennen – was im Griechischen «das Göttliche im Innern» heißt. Das erscheint mir zu hochgestochen. Trotz der 1960er-Jahre-Symbolik ist der 1956 geprägte Begriff «Psychedelikum» etymologisch korrekt. Abgeleitet aus dem Griechischen, bedeutet es einfach «den Geist offenbarend» – und genau das bringen diese außergewöhnlichen Moleküle zustande.

* Die Inuit scheinen die Ausnahme zu sein, die die Regel bestätigt, aber nur weil dort, wo sie leben, keine psychoaktiven Pflanzen wachsen. (Zumindest noch nicht.)

* David J. Nutt: Drugs Without the Hot Air: Minimising the Harms of Legal and Illegal Drugs. Cambridge, U.K.: UIT 2012. Das ist der der Grund, warum Leute, die Psychedelika «mikrodosieren», sie nie an aufeinanderfolgenden Tagen nehmen.

* Theresa M. Carbonaro et al.: «Survey Study of Challenging Experiences After Ingesting Psilocybin Mushrooms: Acute and Enduring Positive and Negative Consequences.» In: Journal of Psychopharmacology (2016), S. 1268–1278. Die Umfrage ergab, dass 7,6% der befragten Personen sich wegen «eines oder mehrerer psychologischer Symptome, die sie ihrer schlimmen Psilocybin-Erfahrung zuschrieben», in Behandlung begaben.

Erstes Kapitel
Eine Renaissance

Wenn sich der Beginn der modernen Renaissance der Psychedelik-Forschung halbwegs präzise datieren lässt, dann wäre das Jahr 2006 ein guter Ansatz. Nicht dass es damals vielen Leuten klar gewesen wäre. Es wurde weder ein Gesetz verabschiedet noch ein Verbot aufgehoben oder eine Entdeckung verkündet, um die historische Veränderung zu markieren. Aber weil in diesem Jahr drei in keinem Zusammenhang stehende Ereignisse stattfanden – das erste in Basel in der Schweiz, das zweite in Washington, D.C., und das dritte in Baltimore, Maryland –, konnten hellhörige Ohren wahrnehmen, wie das Eis zu brechen begann.

Das erste Ereignis, das zurück, aber auch nach vorn blickte wie ein historisches Scharnier, war der hundertste Geburtstag von Albert Hofmann, des Schweizer Chemikers, der 1943 zufällig entdeckte, dass er (fünf Jahre vorher) das psychoaktive Molekül entdeckt hatte, das unter dem Namen LSD bekannt wurde. Das war insofern ein ungewöhnliches Jubiläum, als der Gefeierte persönlich anwesend war. An der Schwelle zu seinem zweiten Jahrhundert war Hofmann in erstaunlich guter Verfassung, körperlich und geistig rüstig, und konnte bei den Festlichkeiten, die eine Geburtstagsfeier und ein dreitägiges Symposium umfassten, eine aktive Rolle übernehmen.1 Die Eröffnungszeremonie des Symposiums fand am 13. Januar statt, zwei Tage nach Hofmanns hundertstem Geburtstag (er wurde hundertzwei Jahre alt). Zweitausend Menschen füllten den Saal im Congress Center Basel und erhoben sich, um zu applaudieren, als ein gebeugter, hagerer Mann in dunklem Anzug und Krawatte, der kaum eins fünfzig groß war, langsam die Bühne überquerte und Platz nahm.

Zweihundert Journalisten aus aller Welt waren im Saal, zusammen mit mehr als tausend Heilern, Suchenden, Mystikern, Psychiatern, Pharmakologen, Bewusstseinsforschern und Neurowissenschaftlern, die meisten von ihnen Menschen, deren Leben durch das außergewöhnliche Molekül, das dieser Mann ein halbes Jahrhundert vorher aus einem Pilz gewonnen hatte, tief greifend verändert worden war. Sie waren gekommen, um ihn und etwas zu feiern, das sein Freund, der Schweizer Schriftsteller und Psychiater Walter Vogt, «die einzige heitere Erfindung des zwanzigsten Jahrhunderts»2 nannte. Die Menschen im Saal empfanden das nicht als Übertreibung. Einem der anwesenden amerikanischen Wissenschaftler zufolge waren viele gekommen, um Albert Hofmann «zu huldigen», und die Veranstaltung hatte tatsächlich etwas von einem religiösen Fest.

Obwohl so gut wie alle Leute im Saal die Geschichte von der Entdeckung des LSD auswendig kannten, wurde Hofmann gebeten, den Schöpfungsmythos noch einmal vorzutragen. (Er erzählt die Geschichte einprägsam in seiner Autobiografie von 1979: LSD – mein Sorgenkind.) Als junger Chemiker arbeitete Hofmann in einer Abteilung der Sandoz-Labore, die damit betraut war, die Inhaltsstoffe von Heilpflanzen zu isolieren, um neue Medikamente zu finden, und hatte die Aufgabe, die Moleküle in den im Mutterkorn enthaltenen Alkaloiden zu synthetisieren.3 Mutterkorn ist ein Pilz, der Getreide, vor allem Roggen, befallen und Menschen, die von dem daraus hergestellten Brot essen, in einen Zustand der Verrücktheit oder Besessenheit versetzen kann. (Eine Theorie zu den Hexenprozessen in Salem macht eine Mutterkornvergiftung für das Verhalten der angeklagten Frauen verantwortlich.) Doch Hebammen verwendeten Mutterkorn schon seit Langem, um die Wehen einzuleiten und die Blutung nach der Geburt zu stillen, deshalb hoffte Sandoz, aus den Alkaloiden des Pilzes ein vermarktbares Medikament isolieren zu können. Im Herbst 1938 stellte Hofmann das fünfundzwanzigste Molekül in dieser Reihe her und nannte es Lysergsäurediethylamid oder kurz LSD-25. Vorausgehende Tierversuche mit der Substanz waren nicht besonders vielversprechend gewesen (die Tiere waren unruhig geworden, aber das war schon alles), deshalb wurde die Formel für LSD-25 beiseitegelegt.

Und so blieb es fünf Jahre lang, bis zu einem Tag im April 1943, mitten im Krieg, als Hofmann «die merkwürdige Ahnung» hatte, dass LSD-25 einen zweiten Blick verdiente.4 An dieser Stelle nimmt sein Bericht eine mystische Wendung. Wenn eine Substanz, die nicht vielversprechend war, verworfen wurde, war das normalerweise endgültig. Doch Hofmann gefiel die chemische Struktur der Substanz LSD, und irgendwas sagte ihm, «dieser Stoff könnte noch andere als nur die bei der ersten Untersuchung festgestellten Wirkungsqualitäten besitzen».5 Zu einer weiteren rätselhaften Anomalie kam es, als er das LSD-25 zum zweiten Mal synthetisierte. Trotz der peniblen Vorsichtsmaßnahmen, die Hofmann stets traf, wenn er mit einer so giftigen Substanz wie Mutterkorn arbeitete, muss er etwas von der Chemikalie durch die Haut aufgenommen haben, denn «[ich] wurde in meiner Arbeit durch ungewöhnliche Empfindungen gestört».6

Hofmann fuhr nach Hause, legte sich aufs Sofa, und in einem «Dämmerzustand bei geschlossenen Augen … drangen ununterbrochen phantastische Bilder von außerordentlicher Plastizität und mit intensivem, kaleidoskopartigem Farbenspiel auf mich ein».7 Und so spielt sich in der neutralen Schweiz, in den dunkelsten Tagen des Zweiten Weltkriegs, der erste LSD-Trip der Welt ab. Es ist auch der einzige LSD-Trip, den jemand nahm, ohne irgendwelche Erwartungen daran zu knüpfen.

Fasziniert beschloss Hofmann ein paar Tage später, einen Selbstversuch durchzuführen – damals keine ungewöhnliche Vorgehensweise. Er glaubte, extrem vorsichtig vorzugehen, und nahm 0,25 Milligramm – ein Milligramm ist ein Tausendstel Gramm – in einem Glas Wasser aufgelöstes LSD ein. Das wäre bei jeder anderen Droge eine unbedeutende Dosis, doch wie sich herausgestellt hat, ist LSD eine der stärksten psychoaktiven Substanzen, die je entdeckt wurden, und wirkt schon in Dosen, die in Mikrogramm gemessen werden – d. h. einem Tausendstel Milligramm. Dieser erstaunliche Umstand sollte die Wissenschaft schon bald dazu anregen, letztlich erfolgreich nach den Gehirnrezeptoren und der endogenen Chemikalie – Serotonin – zu suchen, die sie wie ein Schlüssel im Schloss aktiviert, um erklären zu können, wie eine so kleine Anzahl von Molekülen eine so tief greifende Wirkung auf den Geist haben kann. Auf diese Weise half Hofmanns Entdeckung, die moderne Gehirnforschung in den 1950er Jahren in Gang zu setzen.

Nun kommt es zum weltweit ersten LSD-Horrortrip, und Hofmann hat das Gefühl, unrettbar in Wahnsinn zu verfallen.8 Er sagt seiner Laborantin, er müsse nach Hause, und da die Nutzung von Automobilen während des Krieges eingeschränkt ist, schafft er es irgendwie mit dem Fahrrad nach Hause und legt sich dort hin, während die Laborantin einen Arzt verständigt. (Heute feiern LSD-Fans jedes Jahr am 19. April den «Fahrradtag».) Hofmann schildert, wie »vertraute Gegenstände und Möbelstücke groteske, meist bedrohliche Formen an[nahmen]. Sie waren in dauernder Bewegung, wie belebt, wie von innerer Unruhe erfüllt.»9 Er erlebte den Zerfall der Außenwelt und die Auflösung seines eigenen Ichs. »Ein Dämon war in mich eingedrungen und hatte von meinem Körper, von meinen Sinnen und von meiner Seele Besitz ergriffen. Ich sprang auf und schrie, um mich von ihm zu befreien, sank dann aber wieder machtlos auf das Sofa.»10 Hofmann gelangte zu der Überzeugung, dauerhaft verrückt zu werden oder vielleicht sogar im Sterben zu liegen. »Mein Ich hing irgendwo im Raum in der Schwebe und ich sah meinen Leib tot auf dem Sofa liegen.»11 Doch als der Arzt ihn untersuchte, stellte er fest, dass Hofmanns Vitalfunktionen – Herzschlag, Blutdruck, Atmung – völlig normal waren. Das einzige Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmte, waren seine extrem geweiteten Pupillen.

Sobald die akute Wirkung nachließ, verspürte Hofmann das «Nachglühen», das einer psychedelischen Erfahrung oft folgt, das genaue Gegenteil eines Katers. Als er nach einem Frühlingsregen in den Garten hinausging, »glitzerte und glänzte alles in einem frischen Licht. Die Welt war wie neu erschaffen.»12 Seither haben wir gelernt, dass die Psychedelika-Erfahrung stark von der eigenen Erwartung beeinflusst wird – keine andere Wirkstoffklasse ist in ihrer Wirkung beeinflussbarer. Da Hofmanns Erfahrungen mit LSD als einzige von vorangegangenen Berichten unbelastet sind, ist es interessant zu sehen, dass sie weder fernöstliche noch christliche Anklänge aufweisen, die schon bald zu den Gepflogenheiten des Genres gehörten. Doch die Schilderungen, dass vertraute Gegenstände zum Leben erwachten und »die Welt wie neu erschaffen» wirkte – der gleiche verzückte adamische Moment, den Aldous Huxley ein Jahrzehnt später so anschaulich in Die Pforten der Wahrnehmung beschreiben sollte –, wurden zu Gemeinplätzen psychedelischer Erfahrung.

Hofmann kehrte mit der Überzeugung von seinem Trip zurück, dass erstens LSD ihn gefunden hatte statt umgekehrt und zweitens LSD eines Tages für die Medizin, insbesondere die Psychiatrie, von großem Wert sein würde, weil es der Forschung möglicherweise ein Modell der Schizophrenie lieferte. Ihm kam nie in den Sinn, dass sein «Sorgenkind», als das er LSD letztendlich betrachtete, auch zu einem «Genussmittel» und einer Droge werden könnte.

Doch Hofmann sah in dem Umstand, dass die Jugendkultur sich LSD in den 1960er Jahren aneignete, schließlich eine verständliche Reaktion auf die Leere einer materialistischen, industrialisierten und spirituell verarmten Gesellschaft, die ihre Verbindung zur Natur verloren hatte. Dieser Meister der Chemie – der vielleicht materialistischsten aller Disziplinen – war nach seiner Erfahrung mit LSD-25 überzeugt, dass das Molekül der Zivilisation nicht nur ein potenzielles Therapeutikum lieferte, sondern auch einen spirituellen Balsam – indem es (in den Worten seines Freundes und Übersetzers Jonathan Ott) «im Gebäude der materialistischen Rationalität eine Bresche»13 schlug.

Wie so viele, die ihm folgten, wurde der brillante Chemiker zu einer Art Mystiker, der ein Evangelium spiritueller Erneuerung und Wiederverbindung mit der Natur predigte. Als dem Wissenschaftler an jenem Tag im Jahr 2006 in Basel ein Strauß Rosen überreicht wurde, sagte er zu den versammelten Gästen: «Das Gefühl der Mitgeschöpflichkeit mit allen Lebewesen sollte stärker in unser Bewusstsein dringen, damit wir zu den Rosen, den Blumen, der Natur, der wir angehören, zurückkehren können.»14 Das Publikum brach in Beifall aus.

Ein skeptischer Zeuge der Veranstaltung läge nicht völlig falsch, den kleinen Mann auf der Bühne als Gründer einer neuen Religion und das Publikum als seine Gemeinde zu betrachten. Aber falls es sich um eine Religion handelt, gibt es einen bedeutsamen Unterschied. Normalerweise können nur der Gründer einer Religion und vielleicht ein paar frühe Gefolgsleute die Autorität beanspruchen, die sich aus einer direkten Erfahrung des Heiligen ergibt. Allen, die danach kommen, bleibt nur die dünne Suppe der Erzählungen, die Symbolik des Sakraments und der Glaube. Die Geschichte verringert die ursprüngliche Kraft des Ganzen, die jetzt von den Priestern vermittelt werden muss. Doch die Kirche der Psychedelika bietet die außergewöhnliche Verheißung, dass alle mithilfe des Sakraments, das ein psychoaktives Molekül ist, jederzeit Zugang zur grundlegenden religiösen Erfahrung bekommen können. Glaube ist damit überflüssig.

Neben dem spirituellen Unterton der Feier ging es jedoch auch um die vielleicht ziemlich schwer damit vereinbare Wissenschaft. Bei dem Wochenend-Symposium, das der Geburtstagsfeier folgte, untersuchten Forscher aus verschiedenen Disziplinen – darunter Neurowissenschaften, Psychiatrie, Pharmakologie, Bewusstseinsstudien und auch die Künste – die Auswirkung von Hofmanns Erfindung auf Gesellschaft und Kultur sowie ihr Potenzial, unser Verständnis des Bewusstseins und das Wissen über verschiedene schwer behandelbare Geisteskrankheiten zu erweitern. Eine Handvoll Forschungsprojekte, die sich mit der Wirkung von Psychedelika auf den Menschen beschäftigten, waren in der Schweiz und den Vereinigten Staaten genehmigt worden oder bereits im Gange, und die Wissenschaftler auf dem Symposium äußerten ihre Hoffnung, dass die lange Unterbrechung der Psychedelik-Forschung endlich zu Ende sei. Irrationaler Überschwang scheint in diesem Arbeitsfeld ein Berufsrisiko zu sein, aber 2006 sprachen gute Gründe dafür, dass sich der Wind tatsächlich drehen könnte.

Der zweite Wendepunkt 2006 kam nur fünf Wochen später, als der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten in einem einstimmigen Urteil, verfasst vom neuen Obersten Bundesrichter John G. Roberts jr., entschied, dass die UDV, eine winzige religiöse Sekte, die einen halluzinogenen Tee namens Ayahuasca als Sakrament verwendet, das Getränk in die Vereinigten Staaten einführen dürfe, obwohl es die Schedule-One-Substanz Dimethyltryptamin oder DMT enthält.15 Die Entscheidung fußte auf dem Gesetz zur Wiederherstellung der Religionsfreiheit von 1993, das (unter der Bestimmung zur Religionsfreiheit im ersten Verfassungszusatz) das Recht der Indianer zu definieren versuchte, bei ihren Zeremonien Peyote einzusetzen, wie sie es schon seit Generationen taten. Das Gesetz von 1993 sagt, der Staat dürfe sich nur, wenn er «zwingende Gründe» habe, in die Ausübung einer Religion einmischen. In dem UDV-Fall hatte die Bush-Regierung argumentiert, wegen ihrer «besonderen Beziehung» zum Staat hätten ausschließlich Indianer das Recht, im Rahmen ihrer kultischen Handlungen Psychedelika einzunehmen, und sogar in ihrem Fall könne dieses Recht eingeschränkt werden.

Das Gericht wies das Argument der Regierung zurück und legte das Gesetz von 1993 so aus, dass der Staat eine anerkannte Religionsgemeinschaft ohne Vorliegen eines zwingenden Grundes nicht daran hindern dürfe, bei der Ausübung ihrer Religion psychedelische Substanzen zu verwenden. Offenkundig schließt das relativ neue und kleine Religionsgemeinschaften mit ein, die eigens auf ein psychedelisches Sakrament oder eine «Pflanzenmedizin», wie die ayahuasqueros ihren Tee nennen, ausgerichtet sind. Die UDV ist eine christlichspiritistische Sekte, 1961 in Brasilien von José Gabriel da Costa gegründet, einem Kautschukzapfer, der, nachdem er zwei Jahre zuvor von einem Amazonas-Schamanen Ayahuasca erhalten hatte, durch Offenbarungen dazu inspiriert wurde. Die Kirche hat 17 000 Mitglieder in sechs Ländern, doch zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung gehörten nur 130 Amerikaner der UDV an. (Die Initialen stehen für União do Vegetal oder Vereinigung der Pflanzen, denn Ayahuasca wird hergestellt, indem man zwei amazonische Pflanzenarten, Banisteriopsis caapi und Psychotria viridis, zusammen aufbrüht.)

Die Entscheidung des Gerichts löste in Amerika eine Art religiöse Erweckung im Zusammenhang mit Ayahuasca aus. Heute hat die Kirche fast 525 Mitglieder, mit Gemeinden an neun Standorten. Um sie zu versorgen, hat die UDV begonnen, die für den Tee benötigten Pflanzen in Hawaii anzubauen und sie den Gemeinschaften auf dem Festland ungehindert zu schicken. Doch die Zahl der Amerikaner, die außerhalb der UDV an Ayahuasca-Zeremonien teilnehmen, ist seit damals ebenfalls angestiegen, und allnächtlich finden irgendwo in Amerika (schwerpunktmäßig in der Bay Area und in Brooklyn) vermutlich Dutzende, wenn nicht Hunderte von Zeremonien statt. Die Strafverfolgung wegen Besitzes oder Einfuhr von Ayahuasca scheint, zumindest vorübergehend, eingestellt worden zu sein.

Mit der Entscheidung von 2006 scheint der Oberste Gerichtshof einen religiösen Pfad – vielleicht schmal, aber fest in der Verfassung verwurzelt – zur gesetzlichen Anerkennung von psychedelischen Drogen geebnet zu haben, zumindest wenn sie von einer Religionsgemeinschaft als Sakrament benutzt werden. Man muss abwarten, wie breit oder ausgetreten dieser Pfad einmal sein wird, dennoch stellt sich die Frage, was die Regierung und der Gerichtshof tun, wenn ein amerikanischer José Gabriel da Costa auftaucht und versucht, die eigenen psychedelischen Offenbarungen in eine neue Religion zu überführen, die fest entschlossen ist, eine psychoaktive Chemikalie als Sakrament zu verwenden. Die Rechtsprechung der «geistigen Freiheit», wie manche in der psychedelischen Community sie nennen, ist noch spärlich und (auf Religion) begrenzt, doch jetzt war sie bekräftigt worden und schlug im Gebäude des Drogenkriegs eine neue Bresche.

Von den drei Ereignissen, die 2006 dazu beitrugen, die Psychedelika aus ihrem jahrzehntelangen Schlummer zu reißen, war das in seiner Auswirkung weitreichendste die Publikation der im Prolog beschriebenen wissenschaftlichen Arbeit in Psychopharmacology – die Bob Jesse mir seinerzeit in einer von mir nicht geöffneten Mail geschickt hatte. Auch dieses Ereignis hatte etwas ausgesprochen Spirituelles, obwohl das Experiment, von dem dort berichtet wurde, das Werk eines gründlichen und hoch angesehenen Wissenschaftlers war: Roland Griffiths. Zufällig wurde Griffiths, der so gar nicht wie ein Psychedelik-Forscher wirkt, durch eine eigene mystische Erfahrung dazu inspiriert, die Fähigkeit von Psilocybin zu untersuchen, eine «mystischartige» Erfahrung auszulösen.

Griffiths‘ wegweisende Schrift «Psilocybin kann mystischartige Erfahrungen auslösen, die eine wesentliche und nachhaltige Bedeutung und spirituelle Aussagekraft haben» war die erste streng konzipierte, placebo-kontrollierte klinische Doppelblindstudie seit mehr als vier Jahrzehnten – wenn nicht aller Zeiten –, welche die psychologischen Auswirkungen eines Psychedelikums untersuchte. In der Presse wurde ausgiebig darüber berichtet, zumeist so begeistert, dass man sich fragte, ob sich die moralische Panik in Bezug auf Psychedelika, die sich Ende der 1960er Jahre breitgemacht hatte, endlich gelegt hatte. Der positive Ton der Berichterstattung war zweifellos der Tatsache geschuldet, dass die Zeitschrift auf Griffiths‘ Drängen etliche weltberühmte Drogenforscher – manche von ihnen im Drogenkrieg ausgezeichnete Soldaten – aufgefordert hatte, die Studie zu kommentieren, was den Publizisten ideologischen Schutz bot.

Alle Kommentatoren betrachteten die Veröffentlichung als wichtiges Ereignis. Herbert D. Kleber, ein früherer Stellvertreter von William Bennett, George H. W. Bushs Drogenbeauftragtem, und später Direktor der Abteilung Drogenmissbrauch an der Columbia University, lobte die Arbeit wegen ihrer methodischen Strenge und räumte ein, dass in der Psychedelik-Forschung «große therapeutische Möglichkeiten» stecken könnten, die die «Unterstützung der Gesundheitsbehörde verdienten».16 Charles «Bob» Schuster, der zwei republikanischen Präsidenten als Leiter der Drogenbehörde (NIDA) gedient hatte, bemerkte, der Begriff «Psychedelikum» beinhalte eine bewusstseinserweiternde Erfahrung, und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, «dass diese wegweisende Arbeit auch ‹facherweiternd› sein wird».17 Er legte nahe, dass sich diese «faszinierende» Wirkstoffklasse und die spirituelle Erfahrung, die sie auslöse, in der Suchtbehandlung als nützlich erweisen könnten.

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