Читать книгу: «Die Maske des Pharaos», страница 15

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Der Wortführer der Gruppe war bestimmt der Alte, vor dem die anderen Angst hatten. Er stürmte zum Bett und wollte Janines Mutter die Maske vom Gesicht reißen.

„Lasst mich vorbei! Ihr werdet die Frau noch umbringen mit diesem Ding!“

Tommy und ich reagierten gleichzeitig. Niemals durfte dieser unfähige Arzt die Maske von Janines Mutter wegreißen, bevor ihr Glühen nicht verloschen war. Sonst war alles umsonst! Wie auf Kommando stürzten wir los und fielen dem Alten in die Arme. Der war völlig verblüfft, dass wir es wagten, ihn aufzuhalten.

„Na, zum ... was soll denn das ...? Lasst ihr mich wohl sofort los?“

Er schleuderte Tommy beiseite, der nach hinten stolperte. Da wusste ich mir nicht mehr anders zu helfen und biss ihn in den Arm.

„Auu! Das wirst du mir büßen!“ Mit wutverzerrtem Gesicht wandte er sich zu seinen Helfern um. „Rufen Sie sofort die Polizei und helfen Sie mir, diese wild gewordenen Rotzgören hier rauszuschaffen!“

Ja, die Polizei ist gut!“, schrie Sanne. „Dann kommen Sie ins Gefängnis! Sie wollen operieren, obwohl alle anderen dagegen sind! Und wenn Janines Mutter stirbt, sind Sie allein Schuld!“

Eine plötzliche Stille erfüllte den Raum. Immer noch umhüllte ein rotes Leuchten den Körper von Janines Mutter, aber es war bereits deutlich schwächer geworden. Janine hielt die Maske mit eisernem Willen über dem Gesicht ihrer Mutter. Vielleicht wäre es gar nicht nötig gewesen und die Maske wäre auch so in dieser Position geblieben, so wie bei der Schwester des Gauners heute Morgen, aber Janine wollte nicht loslassen. Der Chefarzt schaute Sanne wütend an.

„Seit wann weiß ein Kind mehr als der Arzt?“ Dann wandte er sich mit heiserer Stimme an einen der jüngeren Ärzte. „Haben Sie hier geplaudert? Das wird noch ein Nachspiel haben!“

Blitzartig veränderte sich das Licht im Zimmer, und von einem Moment auf den anderen flimmerte nur noch das helle Licht der Neonröhren. Das Glühen hatte aufgehört! Jeder im Raum schaute jetzt auf Janine, die gerade dabei war, die goldene Maske vorsichtig auf das Bett zu legen. Hinter uns hörte ich einen überraschten Ausruf.

„Sehen Sie doch, Herr Professor!“

Wir versammelten uns alle rings um das Bett und betrachteten voller Staunen das Gesicht der Kranken. Wir vier waren nicht allzu überrascht, wussten wir doch, was die magische Maske bewerkstelligen konnte. Trotzdem fühlte ich unbändige Erleichterung und eine unendliche Dankbarkeit, als ich sah, wie sich Janines Mutter verändert hatte.

Ihr Gesicht hatte eine gesunde Farbe bekommen und ein entspannter Ausdruck bewies uns ihre Gesundung. Selbst die eben noch fettigen Haare wirkten wie frisch gewaschen und keine Spur von fiebrigem Schweiß war mehr zu erkennen. Wir vier sahen uns glücklich an. Janine musste schon wieder weinen, jetzt aber vor lauter Glück. Für uns war es vollkommen klar. Die Maske hatte es geschafft!

Der Alte hingegen war immer noch ein Problem. „Was habt ihr ihr gegeben?“, fragte er misstrauisch. „Sie muss operiert werden und darf nicht das Geringste vorher zu sich nehmen!“

„Sie muss überhaupt nicht operiert werden!“, sagte Tommy mit schneidender Stimme. „Sie ist nämlich gesund.“

„Ha!“, lachte der Arzt. „Das hast du ja wohl nicht zu entscheiden!“

„Doch“, sagte Tommy mit einer Ruhe, die ich einfach nur bewundern konnte. „Das kann ich entscheiden. Wir haben eben mit zwei von ihren Ärzten gesprochen, die der Meinung sind, dass Sie auf keinen Fall operieren dürfen. Sie riskieren das Leben Ihrer Patienten, weil Sie sich nicht eingestehen wollen, dass Sie zu alt sind und aufhören sollten.“

Du ...“, kam es drohend von dem Professor.

„Ich werde die Polizei rufen, wenn Sie jetzt noch daran denken, Janines Mutter zu operieren“, sagte Tommy mit gleicher ruhiger Stimme. „Aber zuerst rufe ich Janines Vater an, damit er herkommt und aufpasst.“

Noch während er dies sagte, wählte er die Nummer von Janines Eltern auf seinem Handy und drückte auf OK. Der Alte wirkte jetzt unsicher und sah Hilfe suchend zu seinen Assistenten. Aber da hatte er kein Glück. Der eine Arzt fasste sich ein Herz und kam uns zu Hilfe.

„Herr Professor, Sie müssen zugeben, dass sich Ihre Fehler in letzter Zeit häufen. Und diese Operation halte auch ich für nicht akzeptabel. Und Sie wissen das. Ich werde nicht länger schweigen. Denken Sie bitte darüber nach. Noch ist es nicht zu spät, von selbst zu gehen. Ehe man Sie unehrenhaft vor die Tür setzt“, fügte er leise hinzu.

Der Kopf des Professors lief knallrot an. Wütend starrte er in die Runde und bekam kein Wort heraus. Dann setzte er sich in Bewegung und stapfte wutentbrannt zur Tür hinaus.

„Das werden wir ja sehen!“, rief er zurück. „Das werden wir ja sehen!“

Was für eine Spannung fiel von mir ab! Die Gefahr war gebannt! Wir hätten keine Chance mehr gehabt, wenn sich der Alte durchgesetzt und doch noch operiert hätte. Der Zeitsand war definitiv alle. Erleichtert sahen wir uns an.

„Wo bin ich?“, kam eine leise Stimme aus dem Hintergrund. Überrascht fuhren wir herum. Janines Mutter hatte die Augen geöffnet und schaute fragend im Raum umher. Da erblickte sie ihre Tochter, und im gleichen Moment machte Janine einen Satz auf das Bett zu, und schon lagen sie sich in den Armen. Sanne nahm die Maske an sich, die unbeachtet auf dem Bett gelegen hatte. Ich hörte, wie Tommy mit Janines Vater telefonierte und ihn bat, herzukommen.

„Nicht zu fassen“, sagte die eine Schwester. „Sie war seit gestern bewusstlos! Wie ist das möglich?“

Besorgt kam sie ans Bett und fühlte Janines Mutter den Puls.

„Völlig normal! Und wie gut Sie aussehen! Wie fühlen Sie sich?“

„Gut“, sagte Janines Mutter. „Ich habe nur fürchterlichen Hunger. Kann ich etwas zu essen haben?“

„Natürlich“, nickte die Schwester. „Ich weiß zwar nicht, was hier vorgeht, aber Hunger ist das beste Zeichen. Ich komme gleich zurück und nehme Ihnen Blut ab. Dann sehen wir mal, wie Ihre Werte sind.“

Kopfschüttelnd verließ sie den Raum und auch die anderen wandten sich zum Gehen. Tommy hielt den Arzt zurück, der sich vorhin gegen seinen Chef gestellt hatte.

„Entschuldigen Sie, aber könnten Sie aufpassen, dass Ihr Chef es sich nicht doch noch anders überlegt? Wenigstens solange bis der Vater unserer Freundin hier ankommt?“

Der Arzt nickte freundlich. „Das werde ich tun. Und nicht nur das, es wird Zeit, dass der Professor aufhört. Wenn er es nicht freiwillig tut, werde ich ein Aufsichtsverfahren einleiten. Dann wird er aufhören müssen.“

Tommy ließ nicht locker.

„Könnten Sie auch eine Schwester hier lassen? Wir müssen nämlich gleich gehen. Janines Vater braucht noch eine Weile, bis er hier ist.“

„Ich denke, das lässt sich machen. Heute ist Sonntag, da ist nicht so viel los. Ich werde eine Schwester entbehren können.“

Janines Mutter hatte die ganze Diskussion verständnislos verfolgt und blickte von einem zum anderen. Als der Arzt aus dem Zimmer gegangen war, wollte sie uns mit Fragen löchern, aber Tommy hob die Hand.

„Seien Sie uns bitte nicht böse. Wir erklären alles heute Nachmittag, wenn wir wiederkommen. Aber wir haben jetzt keine Zeit mehr. Wir müssen diese Maske zurückbringen.“

„Was ist mit dieser Maske?“

„Sie wurde uns nur geborgt, und wir müssen sie so schnell wie möglich zurückbringen. Ihr Mann kommt gleich ins Krankenhaus. Der wird sich sicher freuen, dass es Ihnen wieder gut geht!“

„Aber Janine kann doch bei mir bleiben ...“

Wir sahen, wie es in Tommy arbeitete, um nicht zu viel von unserem Geheimnis zu verraten. Fieberhaft suchte er nach den richtigen Worten. Da kam ihm Janine zu Hilfe.

„Mutti, ohne mich können sie nicht gehen. Bitte frag nicht. Wir haben nichts Schlimmes angestellt. Aber wir müssen jetzt alle vier gehen. Du musst mir versprechen, dass dich kein Arzt mehr anfasst, bevor wir wieder zurück sind! Versprichst du mir das?“

Lächelnd sah die Mutter unserer Freundin von einem zum anderen. Sie hatte sicher noch gar nicht richtig registriert, was mit ihr geschehen war, aber sie schien zu fühlen, dass es mit uns zu tun hatte. Ich merkte, wie sie die vielen Fragen, die ihr auf der Zunge lagen, hinunterschluckte und dann lächelnd nickte.

„Na, dann macht, dass ihr wegkommt. Und einen Arzt lass ich ganz bestimmt nicht mehr an mich ran! Ich fühl mich nämlich richtig gut!“

„Tommy ...“, drängte Sanne und zeigte auf die Uhr. „Es ist gleich halb zwölf!“

Verdammt, das war höllisch knapp. Wir mussten ja noch mit der U-Bahn und dem Bus fahren. Jetzt drängte die Zeit aber wirklich.

„Los, Janine!“, sagte Tommy. „Alles andere könnt ihr nachher noch besprechen. Dieser Professor wird sich schon nicht trauen, heute noch einmal in dieses Zimmer zu kommen. Außerdem ist dein Vater ja gleich hier.“

Janine gab ihrer Mutter einen Kuss. Ich verschloss das Glas wieder, in dem jetzt kein Krümelchen Zeitsand mehr war und steckte es in meine Jacke zu der Holografie. Dann brachen wir auf.

Als ich als Letzter die Tür hinter uns schloss, blickte ich kurz zurück und sah die gesündeste Frau der Welt gerade die Decke zurückschlagen und die Beine aus dem Bett schwingen.

*

Der Obelisk

Um ein Haar hätten wir unsere Hunde vergessen! Wir hatten das Krankenhaus schon durch eine Seitentür verlassen, als sie uns einfielen. Noch einmal verloren wir drei Minuten, aber ohne unsere Lieblinge wollten wir auf keinen Fall zurück in das Haus. Schließlich gehörten sie zu unserem Team! Ohne Jever und Lazy hätten wir so manches Rätsel nicht gelöst.

Zappelig vor Ungeduld saßen wir in der U-Bahn. Die zehn Minuten, die sie brauchte, erschienen uns unendlich lang. Gott sei Dank kam der Bus, ohne dass wir groß warten mussten, und kurz vor zwölf rannten wir die Welfenallee hinunter. Atemlos erreichten wir das Grundstück. Und bekamen einen Schock.

Das Haus war verschwunden!

„Verdammt!“, keuchte Tommy. „Nicht schon wieder!“

„Hast du etwas anderes erwartet?“, keuchte ich zurück. „Ohne Prüfung sind wir noch nie in das Haus gekommen! Hey, seht ihr das Ding dort?“

Wir waren innerlich so aufgewühlt und nervös von der Spannung, die uns die ganze Zeit erfasst hatte, dass ich gar nicht klar denken konnte. Doch das brauchte ich in diesem Fall gar nicht. Das Ding, das ich meinte, war ja nicht zu übersehen. Auf dem Grundstück war keine Spur von unserem Haus oder von den Trümmern, die noch zu Beginn unseres Abenteuers hier gelegen hatten, zu sehen. Nicht nur das, außer der das Gelände eingrenzenden Buchsbaumhecke gab es keinerlei Vegetation mehr. Keine Brombeersträucher, keine Obstbäume, nicht einmal Gras oder Brennnesseln waren zu entdecken. Nur Sandboden. Dafür stand hier dieses Ding, das ganz und gar nicht hierher gehörte. Eine vielleicht zehn Meter hohe Säule ragte exakt in der Mitte des Grundstücks in den Himmel. Man sah sie bereits aus einiger Entfernung und es wunderte mich, dass noch kein Passant hier stehen geblieben war und das Ding begaffte.

„Ein Obelisk ... “, murmelte Tommy.

„Ein was?“, fragte Sanne und wandte ihren Blick nicht von dem ominösen Gegenstand.

„Lasst mich kurz nachdenken.“ Tommy hob die Hand und ich schluckte die Bemerkung runter, die mir gerade auf der Zunge lag. Ich hatte nämlich das hundertste Mal auf die Uhr gesehen. Es war genau zwei Minuten vor zwölf. Wir hatten noch fünfzehn Minuten.

„Ein Obelisk ist ein Bratspießchen ...“, murmelte Tommy.

„Was bitte? Ein Bratspießchen? Willst du uns veräppeln?“, rutschte es Sanne heraus.

„Lasst mich doch einfach in Ruhe nachdenken“, grummelte Tommy. „Jetzt weiß ich's wieder! Ich war mit meinen Eltern mal in Paris. Da steht so ein Obelisk auf dem Place de la Concorde. Das Ding gehörte einmal dem Pharao Ramses. Mann ...“, lachte Tommy, „wenn die Seele von Ramses den Ausgang gefunden hat, dann wird er ganz schön sauer sein, dass sein Obelisk nicht mehr in Theben steht.“

„Du weißt, dass der in Theben stand?“, fragte Janine entgeistert.

„Hm“, nickte Tommy. „Wenn mich etwas interessiert, merke ich mir alles. Wisst ihr doch. In dem Reiseführer von Paris stand, dass der Begriff Obelisk aus dem Griechischen stammt und Bratspießchen heißt. Das ist so lustig, das hättet ihr euch auch gemerkt.“

Tommy ...“, sagte ich und tippte auf die Uhr.

„Ich weiß. Aber wenn wir nicht in Ruhe nachdenken, werden wir das Rätsel erst recht nicht lösen. Und dass dieser Obelsik der Schlüssel zum Eingang in die andere Welt ist, dürfte ja wohl klar sein. Ach, Sanne, wir sind zwar vier Herzen, aber ich glaube, es ist besser, wenn Janine die Maske trägt, wenn wir zurückkehren.“

Seit den Geschehnissen im Krankenhaus hatte Sanne die Maske unter ihrer Jacke wie einen Schatz gehütet. Aber bei Tommys Worten nickte sie heftig und holte das goldene Stück hervor.

„Klar geb ich sie dir! Sonst frisst mich womöglich noch irgendein Wächter!“

Sanne gab Janine die Maske.

„Lasst uns erstmal reingehen“, sagte Tommy. Wir liefen an der Hecke entlang zum Wald und schlüpften durch die uns wohlbekannte Lücke auf das Grundstück. Sekunden später standen wir vor dem Obelisk. Der viereckige graue Steinpfeiler war über und über mit eingemeißelten Hieroglyphen verziert. Wir hoben die Köpfe und verfolgten die Zeichen bis zur Spitze. Es war unmöglich, diese Menge an Hieroglyphen zu übersetzen. Das schaffte nicht mal Tommy, ja nicht einmal ein Wissenschaftler, in der kurzen Zeit, die uns noch blieb.

Jever schnüffelte neugierig am Fuß des Pfeilers.

„Wirst du wohl nicht da ranpinkeln!“, rief Tommy. „Das darfst du nicht. Schließlich ist das ein uraltes Machtsymbol!“

„Und du meinst, Jever nimmt darauf Rücksicht?, grinste Sanne. „Das kriegen wir nie raus, was das bedeuten soll“, fügte sie dann noch verzweifelt hinzu. „Wer soll das denn verstehen?“

„Wir müssten noch Zeitsand haben“, murmelte Janine. „Dann könnten wir die Zeit zurückdrehen und in Ruhe überlegen.“

„Übersetzen sollen wir das hier bestimmt nicht“, meinte Tommy überzeugt. „Vielleicht ist das ein Obelisk, der mal bei Sakkara stand. Ich hab so den Verdacht, dass die Hieroglyphen so etwas wie eine Inschrift für unseren Hüter über das Böse sind. Ihr wisst schon, der, dem die Maske gehört.“

„Was weißt du noch über Obelisken?“, fragte ich ungeduldig.

„Erstens“, sagte Tommy und zeigte nach oben, „ist die Spitze geformt wie eine Pyramide und war früher auch vergoldet so wie die der Pyramiden. Wahrscheinlich sollten auch sie das erste Licht des Tages einfangen. Da kommen wir wieder zu unserem Urgott Amun-Re, denn der war ja auch ein Sonnengott. Manche glauben aber auch, dass Obelisken die Funktion einer Uhr übernahmen. So was wie eine Sonnenuhr.“

„Gold ist da oben nicht drauf“, sagte ich. „Da kann nichts reflektieren. Und was nutzt uns eine Uhr? Wir wissen doch, wie spät es ist.“ Ich guckte mal wieder drauf. „Genau zwei Minuten nach zwölf!“

„Noch elf Minuten“, nickte Tommy. „Ich glaube auch nicht, dass wir eine Uhr im eigentlichen Sinne brauchen. Wisst ihr überhaupt, wie eine Sonnenuhr funktioniert?“

„Na ja“, meinte ich und überlegte. „Ich weiß nur, dass sie eben mit Sonnenlicht funktioniert. Wenn die Sonne nicht scheint, weißt du nicht, wie spät es ist.“

„Richtig!“, lachte Tommy. „Ohne Sonne geht's nicht. Aber auch nicht ohne Schatten!“

Wir schauten ihn verständnislos an.

„Na, ist doch klar! Um die Zeit anzuzeigen, braucht man doch einen Zeiger! Aber nicht zwei wie bei unseren Armbanduhren, sondern nur einen, der eben den Schatten des Sonnenlichts auf die Uhr wirft. Es soll sogar eine Monduhr geben, auf der man nachts die Zeit ablesen kann, aber wann hat man schon mal genug Mondlicht.“

„Sollen wir jetzt die Zeit hier ablesen?“, fragte Janine verständnislos.

„Ich dachte mehr an den Zeiger“, grinste Tommy. So langsam ging mir ein Licht auf.

„Der Zeiger zeigt, wohin!“, entfuhr es mir.

„Bingo!“ Tommy strahlte. „Zeiger kommt doch von Zeigen, oder? Wenn uns das Ding etwas zeigen will, dann mit seinem Schatten! Warum sonst hat man das gesamte Grundstück frei geräumt und nichts als Sand übrig gelassen? Los, kommt!“

Zum Glück war es ein strahlendschöner Oktobertag. Die Sonne steht im Oktober selbst am Mittag nicht mehr allzu hoch, aber da das Grundstück so groß war und weder Bäume noch sonst etwas störten, warf der Obelisk einen scharfen, geraden Schatten in den Garten. Der Schatten war bestimmt doppelt so lang wie der Pfeiler hoch und zeigte direkt auf das angrenzende Nachbargrundstück. Gott sei Dank war auch hier die Hecke, die das Grundstück einfasste, dicht genug, um uns vor neugierigen Blicken zu verbergen. Ich zählte die Schritte, die ich brauchte, die Spitze des Schattens zu erreichen. Es waren genau vierundzwanzig.

Angespannt versammelten wir uns um die Stelle. Wir stellten uns im Halbkreis mit dem Rücken zur Hecke, damit wir nicht mit unseren eigenen Schatten die Spitze verdeckten. Ich betrachtete den Boden vor mir, aber der Punkt, an dem der Schatten endete, unterschied sich in nichts von dem anderen Untergrund.

„Äh ja ...“, machte ich. „Nichts gegen deine Idee, aber siehst du hier einen Hinweis?“

„Nein“, sagte Tommy enttäuscht. Dann trat er einen Schritt vor und testete vorsichtig mit der Fußspitze den Sandboden. Als nichts nachgab, trat er fester zu. Nichts.

„Mist!“, rief Sanne.

„Vielleicht müssen wir ja noch bis zwölf Uhr dreizehn warten“, meinte Janine und ihre ängstliche Anspannung schwang in ihren Worten mit. Ganz hinten in meinem Kopf flüsterte eine unheimliche Stimme „... sonst wird das magische Gold seine Bannkraft verlieren und die bösen Keime säen ...“

„Deine Idee ist nicht schlecht.“ Tommy sah zu dem Obelisk hoch und schirmte die Augen gegen die blendende Sonne ab. „Wie viel Zeit haben wir noch?“

Ich schaute wieder mal auf die Uhr. „Sieben Minuten.“

„In der Zeit wandert der Schatten ja noch ein Stückchen.“

„Du glaubst doch wohl nicht, dass die paar Zentimeter etwas ausmachen?“ Sannes Stimme zitterte vor Ungeduld.

„Ich weiß ja auch nicht“, sagte Tommy hilflos. „Aber es ist die einzige Idee, die ich habe. Wäre nicht schlecht, wenn euch noch was anderes einfällt.“

Auf einmal sprangen unsere beiden Hunde auf. Jever fing an zu kläffen und Lazy begann so heftig zu knurren wie letzte Nacht. Wir hatten keine Zeit zum Reagieren, denn urplötzlich teilte sich hinter uns mit lautem Rascheln die Hecke und eine Gestalt sprang hervor. Vor Schreck taumelte ich einen Schritt zurück.

Hah!“, brüllte eine heisere Männerstimme. „Haben wir euch!“

Die Diebe! Das war der unrasierte Typ, der mit der spitzen Nase! Sie hatten uns aufgelauert! Jetzt ist alles aus!, durchfuhr es mich. Bevor wir richtig begreifen konnten, was sich hier abspielte, erschien auch der andere Kerl durch die Büsche und grinste hämisch.

„Haltet schön eure Hundchen ruhig! Ich weiß zwar nicht, wie ihr Satan rumgekriegt habt, aber mit den zwei Pinschern hier werden wir schon fertig!“

Weil ich unendliche Angst um Lazy hatte, überlegte ich nicht lange, ging in die Hocke und beruhigte meinen Hund. Tommy machte es mir nach. Sofort hörte Jever auf zu bellen. Ich sah die schreckensbleichen Gesichter von Sanne und Janine. Janine konnte sich nicht beherrschen und schluchzte auf.

„Sie können uns die Maske jetzt nicht mehr wegnehmen. Sie muss doch rechtzeitig auf der Mumie ruhen ... und wenn ... und wenn wir sie nicht in fünf Minuten zurücklegen, dann ... dann wird sie alle Keime säen!“

Der Anführer blickte seinen Kumpel an und zuckte nur mit den Schultern.

„Was quatscht die da? Was für Keime? Ich glaub, die Spielchen lassen wir mal besser! Du gibst uns jetzt die Maske, und zwar plötzlich! Ihr könnt froh sein, wenn wir euch nicht noch eine kräftige Abreibung verpassen! Ich hätte nicht übel Lust dazu! Sonst kommt ihr womöglich noch mal auf die Idee, hinter uns herzulaufen. Und das würde euch diesmal schlecht bekommen. Das verspreche ich euch!“

Janine schaute mich so herzerweichend an, dass mir ganz schlecht wurde. Ich überlegte fieberhaft, was wir tun konnten. Ich berührte vorsichtig meine Jacke und spürte die Holografie und das Glas Zeitsand. Warum hatte ich nicht wenigstens ein kleines bisschen Sand drin gelassen! Dann hätten wir die Gangster noch einmal hinter der Hecke verschwinden lassen und abhauen können. Aber blitzartig ging mir auf, dass uns das auch nicht weitergeholfen hätte, denn dann wären wir auch nicht zurück in die andere Welt gekommen. Außerdem war es sowieso egal. Der Zeitsand war alle.

„Gib ihm die Maske“, sagte Tommy und blinzelte unauffällig in Richtung des Schattens des Obelisken. Janine hatte den Wink wohl bemerkt, beherrschte sich aber, sofort hinunterzuschauen. Mit Tränen verschleierten Augen reichte sie dem jüngeren der beiden Diebe die goldene Maske. Ich ballte vor Wut die Fäuste. Was jetzt? Es war aus. Ich resignierte. Es blieben höchstens noch zwei Minuten bis die Mondphase endete. Sollte ich dem Kerl die Maske entreißen und versuchen, mit der Holografie zu entkommen? Aber wohin? Durch welche Wand? Es machte keinen Sinn. Mein Kopf war leer und ich ergab mich in das Unvermeidliche.

Tommy hustete. Als ich ihn anschaute, zwinkerte er in Richtung der Spitze des Schattens. Als ich die Veränderung entdeckte, erstarrte ich.

Ein winzig kleiner Hügel war nur wenige Millimeter neben dem Schatten im Sandboden entstanden. Und er bewegte sich! Ich kniff die Augen zusammen, aber ich täuschte mich nicht. Der kleine Hügel war eindeutig in Bewegung! Sandkörner rieselten hinab und es bildeten sich kleine Risse. Die Erhebung im Sand war nicht größer als eine Kinderfaust. Was mochte sich darunter verbergen? Meine Spannung wuchs ins Unerträgliche. Aber was gleich darauf geschah, sollte mich derart ablenken, dass ich der Erscheinung vorerst keine Beachtung mehr schenken konnte.

„So“, raunzte der Anführer der beiden, „ihr könnt jetzt von mir aus machen, was ihr wollt. Aber ich verspreche euch ...“ Er drohte mit der Faust in Richtung Janine. „Wenn ihr auch nur ein Wort über uns verliert, dann werden wir uns mal ein bisschen um deine Mutter kümmern. Du freust dich doch, dass es ihr wieder gut geht, oder? Wir haben nämlich von einer wundersamen Heilung im Krankenhaus gehört und dass vier Kinder da rumgeschnüffelt haben. Du willst doch wohl nicht, dass wir deine Mutter besuchen, oder?“

Aus Janines Gesicht war jede Farbe gewichen. Verängstigt schüttelte sie den Kopf. Mit mühsam unterdrückter Wut starrte ich auf den anderen, der die Maske mit stolz geschwellter Brust vor sich hielt und sie bewundernd ansah. Plötzlich bemerkte ich eine Veränderung an ihr. Die Maske glänzte nicht mehr! Ihre Oberfläche wirkte stumpf, so als würde es sich wirklich um ein sehr altes Stück handeln. Auch dem Anführer schien das jetzt aufzugehen.

„Hey, was habt ihr mit der Maske gemacht? Die ist ja ganz schmutzig! Das kann ja wohl nicht wahr sein! Da spielen die hier mit dem Ding im Sand! Hey Bernd, was ist los?“

Bernd hieß er also ..., registrierte ich nebenbei und mit einem Mal geschah etwas Unglaubliches. Die Maske veränderte ihr Aussehen! Der Rand wurde zusehends dunkler, verlor seinen goldenen Glanz beinahe völlig, und der Angesprochene stierte fassungslos auf seine Beute.

„Ich ... ich ... mir wird so komisch ...!“, stotterte er. Wir sahen entsetzt, wie er die Hände öffnete und die Finger spreizte, aber die Maske blieb an ihnen kleben! Mit einem Mal überzogen dicke, Ekel erregende Eiterpickel die Hände des Gangsters! Wir konnten zusehen, wie sie sich rasend schnell bildeten, und es machte bei den Händen nicht Halt. Starr vor Schreck mussten wir zusehen, wie sich die Pickel und Beulen weiter auf die Arme ausdehnten und dann am Hals und im Gesicht erschienen! Über und über war der Mann jetzt mit fürchterlichen eitrigen Pickeln übersät, und das Entsetzen verzerrte seine Gesichtszüge zu einer furchtbaren Fratze.

Bernd!“, brüllte der andere. „Lass die Maske los! Lass sie los!“

Die Weissagung! Ich fühlte mich wie gelähmt. Aber ich wusste genau, dass die Maske dabei war, ihre Bannkraft zu verlieren! Die bösen Keime! Der Gangster erhielt alle seine Pickel in viel schlimmerer Ausführung zurück, als er sie je in seinem Leben gehabt hatte! Mir wurde schlecht. Was sollten wir nur tun?

Der Kerl schüttelte sich vor Grauen und versuchte, die Maske abzuschütteln, aber sie barg die Kraft einer uralten Macht, und niemand hätte dagegen ankämpfen können.

Ich hab's doch gesagt!“, schrie Janine dem Boss entgegen. „Sie sät die Keime! Wir werden alle sterben!“

Leichenblass taumelte der Anführer von seinem Kumpel weg. Jetzt stand ihm Todesangst ins Gesicht geschrieben. „Du ... du meinst ...“

Ja!“, brüllte Janine. „Die Keime kommen raus! Und Sie sind Schuld! Sie sind Schuld!“ Ihre Stimme überschlug sich.

Der Anführer warf gehetzte Blicke zwischen Janine und seinem wie am Spieß schreienden Kumpel hin und her. Ich sah, wie die Angst in ihm die Oberhand gewann. Blitzartig drehte er sich um, ließ seinen Freund im Stich und stürzte wie der Teufel durch die Hecke davon. Dann schrie Tommy.

Janine! Du musst die Maske nehmen! Schnell! Das ist die letzte Chance! Dir wird sie nichts anhaben!“

Ich mochte nicht hinschauen, konnte aber auch nicht wegsehen. Janine stand die größte Angst ihres Lebens aus. Wenn sie die Maske anfasste, konnte sie sterben! Wie konnte Tommy das nur von ihr verlangen? Aber da packte er sie schon am Arm und riss sie mit sich zu dem schreienden und zappelnden Gangster.

Nimm sie!“, brüllte Tommy. „Sonst sterben wir alle!“

Nicht einmal Sekunden blieben ihr zum Überlegen. Die Mondphase musste zu Ende sein. Und wenn nicht, dann blieben höchstens noch Augenblicke. Spätestens dann würde die Maske alle Bannkraft verlieren. Welche fürchterlichen Krankheiten würden aus ihr hervorbrechen? Ich zitterte. Jever und Lazy spürten unsere Todesangst und kläfften wie wild. Aber ihr Gebell ging im Schreien des Gangsters unter.

Janine handelte. Niemals hätte ich die Maske jetzt noch angerührt. Aber sie tat es. Mit all dem Mut und dem Vertrauen, das sie in Tommy hatte, packte sie die Maske und entriss sie den Händen des Gauners. Überrascht taumelte der zurück. Als er merkte, dass dieser grauenerregende Gegenstand nicht mehr an seinen Händen klebte, machte er auf dem Absatz kehrt und sprang Hilfe schreiend mitten in die Büsche, seinem Boss hinterher.

Wir verschwendeten keine Zeit, ihm nachzuschauen, sondern umringten Janine, um ihr beizustehen. Und das Wunder, an das nur Tommy geglaubt hatte, geschah! Die Maske wandelte ihre Farbe von dem eben noch stumpfen Grau zurück in ein mattes Gold!

Jaa!“, brüllte Tommy. „Ich hab's gewusst!“

Aber sie glänzt nicht mehr!“, rief Sanne Panik erfüllt. „Was sollen wir denn jetzt machen?“

Eine Eingebung blitzte durch meinen Kopf und ich starrte auf den Boden.

Ein Käfer!“, schrie ich. „Ein riesiger Käfer! Seht doch!“

Der kleine Erdhügel lag jetzt genau auf der Spitze des Schattens des Obelisken, so dass es aussah, als wäre er aufgespießt. Seine Mitte brach auf wie ein kleiner Vulkan, und aus seinem Innern krabbelte genau in diesem Moment ein riesiger grün schillernder Käfer!

„Was sollen wir mit einem Käfer?“, schluchzte Janine. „Wir brauchen doch einen Eingang!“

Tommy beugte sich neugierig hinunter und betrachtete das Insekt prüfend.

„Das ist kein gewöhnlicher Käfer. Das ist ein Skarabäus.“

Tommy ...!“, stöhnte ich.

„Ja, schon gut, wir müssen einen Eingang finden. Und der Kleine hier zeigt ihn uns, wetten?“

Ich konnte es nicht fassen. Wir hatten Todesangst, warteten darauf, dass wir mit den schlimmsten Krankheiten befallen wurden, die die Menschheit je heimgesucht hatten, und was machte Tommy? Er blieb so cool, als hätten wir noch eine ganze Woche Zeit! Jetzt bückte er sich, beobachtete den Käfer und sprach weiter.

„Es gibt zwar auch bei uns Mistkäfer, aber das ist hundertprozentig ein Skarabäus. Ihr müsst wissen, dass man Skarabäen im alten Ägypten als Urwesen verehrt hat und dass man heute sogar glaubt, dass er das Vorbild alter Baumeister für die Pyramiden ist. Ich wette, der hier ist ein Bote aus der anderen Welt!“

Tommy!“, schrie Janine. „Die Maske!“

Jetzt ging es um Sekunden. Das Gold der Maske war jetzt auch in Janines Händen stumpf geworden. Panik erfüllt sahen wir Tommy an. Wenn jemand eine Lösung wusste, dann er.

Seht ihr ...“, rief er, „er kriecht zurück! Wir müssen ihm folgen! Joe, nimm deine Holografie!“

Hastig riss ich am Reißverschluss meiner Jackentasche und holte die Holografie heraus.

Mach!“, brüllte Tommy. „Ruf irgendwas! Nun mach schon!“

Keine Zeit mehr zum Überlegen. Ich brüllte Ich will hier rein! und warf die Kugel in die Luft. Und diesmal schien sogar die Holografie keine Zeit zu verlieren. Sofort begann sie ihre rasenden Umdrehungen, wurde durchsichtig, und in dem gleißenden Sonnenlicht nahm ich wieder einmal ihre Magie so richtig wahr. Blitzschnell senkte sie sich über den Bau des Skarabäus, verharrte einen Moment und verschwand dann darin.

Nimm Lazy auf den Arm und spring!“, schrie Tommy mir zu. Das Denken war längst ausgeschaltet. Ich machte es einfach. Ich griff mir meinen völlig verstörten Lazy, fixierte den kleinen Sandhügel, holte tief Luft und sprang in die andere Welt.

*

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9783742746306
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