Читать книгу: «Pardona 3 - Herz der tausend Welten», страница 5

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»Brechen wir auf«, sagte Amadena gelassen. Die Dämonen stießen herab und einer der Schlangenleiber schloss sich um Tharseïs und sie wurde in die Höhe gerissen.

Es war kein Flug. Es war ein unendlicher Augenblick der Übelkeit und Desorientierung. Unter ihr wurde das Land hinfort gerissen und mit ihm die Pyramide und die Stadt und weitere ihrer Art, gleichmäßig verteilt, um alle Punkte der Macht zu sichern. Graue Dünen aus toter Erde verschwammen miteinander. Ein gähnender Abgrund zog vorbei und ein Wirbel aus Wolken drehte sich um sie.

Dann setzte der Dämon sie auf festem Untergrund ab. Ihr gesamter Körper zitterte. Sie zwang sich dazu, langsam aufzusehen und die Welt wahrzunehmen, so sehr ihre Instinkte dem widersprachen.

Sie war an Deck eines Schiffes. Über ihr hingen graue Ballons, die miteinander in komplexen Mustern vertäut waren. Es war ein Luftschiff.

Sie wusste, dass das Militär einige davon besaß und es sie auch an anderen Orten geben sollte. Dieses hier führte allerdings keine Hoheitszeichen, die ihr auch nur annähernd bekannt waren. Nur ein Wimpel mit einem silbernen Drachen auf dunklem Grund wehte von den Seilen, die die Ballons hielten.

Mehrere Menschen mit langem, dunklem Haar verneigten sich vor Amadena, die neben Tharseïs über das Deck schritt, und reichten ihr ein weißes Gewand. Die Albin warf sich den Stoff um und schickte die Diener mit einem Wink fort. Dann sah sie zu den Priestern herab, die wie umgeworfene Spielfiguren um sie herum lagen.

»Auf«, sagte sie.

Tharseïs mühte sich auf die Beine und ihr Blickfeld erweiterte sich. Unter ihnen lagen verschneite Berge, hinter ihnen weites, ockerfarbenes Grasland. Wie weit waren sie gereist?

»Es gibt Kammern unter Deck«, wies Amadena an. »Haltet euch von der Besatzung fern.«

Damit ließ sie sie allein.

Die anderen starrten. Tharseïs wandte sich von ihnen ab und orientierte sich. Eine Treppe führte nach unten und da niemand sie aufhielt, ging sie hinab. Reihen von schmalen Türen standen offen. Sie wählte die erste kleine Kammer und schloss sich darin ein. Dort, zwischen einer schmalen Bank und der Wand, ließ sie sich auf die Knie nieder und betete leise.

Ihre Sicherheit begann zurückzukehren.

Die folgenden Tage waren gleichförmig. Das Schiff glitt über den Himmel und unter ihnen zogen Flüsse, Städte und Berge entlang. Tharseïs wusste wenig darüber, wie die Länder jenseits Draydalâns aussahen und so wusste sie nicht, wo sie sich befanden, sondern nur, dass es stets nach Norden ging und sie die größeren Städte mieden, die nur als dunkle Flecken von Geschäftigkeit und Rauch am Horizont verblieben.

Irgendwann blieben diese Städte, die auf Stelzen durch das Land gezogenen Straßen und selbst kleinere Orte zurück und wurden von Bergen ersetzt, zwischen denen tiefe dunkle Täler lagen.

Schließlich sank das Schiff tiefer und eine Festung kam in Sicht. Türme, ummauerte Plätze und massive Stufen waren übereinander gestapelt und hingen an einer Bergflanke wie ein Parasit, der sich festklammerte. Ein lautes Signal ertönte und jemand pochte in schneller Folge an alle Türen im Gang.

Tharseïs ging hinaus an Deck und fror, aber sie hielt sich aufrecht und sah der hochgelegenen Terrasse entgegen, wo zwei Reihen von gerüsteten Wachen auf sie und die anderen warteten. Nur einer von diesen Wächtern hatte den Helm abgenommen – die Gesichter der anderen waren hinter dunklen Metallmasken und Linsen aus gefärbtem Kristall verborgen – und sein Gesicht schien wie eine überzeichnete, kränklich bleiche Parodie auf Amadena gestaltet zu sein. Feine Ohrspitzen hielten schlohweißes Haar zurück und die Augen waren ausdruckslos und schwarz.

Das Schiff legte an, breite Planken wurden zwischen dem Deck und dem eisverkrusteten Stein der Festung ausgelegt und ohne weitere Worte half die Besatzung den Priestern hinüber. Tharseïs konnte ihre Fußsohlen bereits nicht mehr spüren und hielt den Blick bewusst geradeaus gerichtet, als sie über die improvisierte Brücke schritt, und nicht auf den tiefen Abgrund unter ihr.

Aus der Festung trat eine Gestalt ohne Rüstung, nur in ein weißes und purpurnes Gewand gehüllt. Silbriges Haar wehte im Wind wie eine weiße Flamme. War Amadena nicht mehr an Bord gewesen? Sie musste voraus gereist sein, hatte ihre geliehenen Geweihten schlicht auf dem Schiff zurückgelassen.

Jetzt fixierte sie die Gruppe, schien sie zu zählen, und lächelte dann schmal.

»Sehr gut«, sagte sie. »Noch ist keiner von euch tot.«

Damit drehte sie sich um und ließ sie einfach stehen.

Tharseïs blieb zurück, als die anderen unter stummer Anweisung der gerüsteten Alben auf das Tor ins Innere zuhielten, und versuchte, die Ausmaße der Festung abzuschätzen, indem sie auf tauben Füßen vorsichtig näher an die Kante ging und ihren Blick in alle Richtungen wandern ließ.

War das ihr Ziel? Diese verschachtelte Menge dunkler Mauern und schmaler Fenster am Rand der Welt?

Eine Hand legte sich schwer auf ihre Schulter und sie schrak vom Abgrund zurück. Der Alb ohne Helm sah sie ausdruckslos an und sagte etwas in einer Sprache, die sie nicht verstand. Sie schüttelte die Hand ab, strafte ihn mit einem kühlen Blick und ging dann ohne weitere Anweisung ebenfalls zum Tor, raus aus dem schneidenden Wind.

Das Zwielicht unter den schweren Schneewolken schluckte alle Schatten, auch die der anderen. Doch für den Moment war es Tharseïs recht, nicht aufzufallen und wie eine weitere unter Gleichen zu wirken mit den anderen identischen Roben und den geschorenen Köpfen. Wer nicht auffiel, konnte selbst leichter beobachten, und diese verborgene Festung musste zahlreiche Geheimnisse bergen.


Rilmandra wusste von der Festung der Diener Menacors. Es war die Aufgabe des sechsgeflügelten Drachen, über die Nebel zwischen den Welten zu wachen, den Limbus, in dem Rilmandra zu Hause war. Doch das hieß nicht, dass er alles selbst überwachte. In all der langen Zeit, die Rilmandra mit Orima oder allein in der Leere verbracht hatte, war sein Flügelschlag nicht mehr als ein seltener, ferner Sturm gewesen. Doch beginnend mit Drachenartigen und schließlich folgenden Spezies waren mächtige Magier aller Zeiten in seine Dienste getreten, um für ihn die weniger großen Aufgaben anzugehen. So viel wusste Rilmandra.

Sie konnte sie manchmal spüren, wie sie durch den Nebel reisten und sich in vorsichtigen Schritten entlang der Fäden der Kraft bewegten, wie sie beobachteten und zuweilen jene entfernten, die ahnungslos oder mit zerstörerischen Absichten in den Limbus vorgedrungen waren.

Doch Rilmandra wusste nicht um die Position der Festung dieser Wächter oder wer genau dort lebte und agierte. Also suchte sie und lauschte, während sie die nötigsten Reparaturen durchführte. Sie saß dabei neben den gefrorenen Gestalten auf ihrem Deck und knotete und flocht vorsichtig, um den schmalen Fingern ihres Leihkörpers nicht zu viele Blasen in der Haut zuzufügen.

Hond wanderte umher, kommentierte durch die Symbole ihrer Schnitzereien, starrte die Gefrorenen an oder legte seufzend seinen schweren Kopf in ihren Schoß.

»Geduld«, mahnte sie. »So einfach ist es nicht.«

Kraftlinien zitterten, kaum merklich. Sie lauschte und glich das schwache Echo mit anderen ab, die sie in letzter Zeit hatte wahrnehmen können. Es war nicht das jähe, angsteinflößende Beben, das Dämonen erzeugten, sondern ein sehr geordnetes und fast harmonisches Schwirren.

»Eine Spur!«, verkündete sie und ihre Segel kamen in Bewegung.

All die Blasen von Wirklichkeit, die kleinen und großen Welten jenseits der massiven Schwere der eigentlichen, größten Schöpfung erzeugten Spannungen und Schwingungen im Nicht-Medium des Limbus und Rilmandra konnte die meisten von ihnen an dieser Signatur erkennen. Das leise Sirren, dem sie seit dem Überfall folgte, wanderte gegen die Regeln aller Strömungen des Nebels, gut verborgen, aber nicht für ihre feinen Sinne, und weit stärker als es zunächst scheinen mochte.

Rilmandra schob Hond vorsichtig von ihrem Knie. Er maulte und streckte die Pfoten von sich, doch sie vergrub ihre Finger hinter seinen Ohren und kratzte ihn dort, was ihn erwartungsgemäß besänftigte.

»Nicht jammern«, ermahnte sie. »Es könnte endlich so weit sein!«

Seine Ohren richteten sich auf und sie stand auf, um die geliehenen Gliedmaßen zu strecken. Mit gemessener Geschwindigkeit glitt sie die Kraftlinie entlang, die verräterisch gezittert hatte. Das leichte Beben kam erneut und sie stieß einen freudigen, langgezogenen Ruf aus.

»Wir sind da!«

Hond sprang um sie herum und sie drehte sich in einer Pirouette, um ihm zu folgen.

»Sie werden dich willkommen heißen!«, rief sie. »Ist es nicht gut, heimkehren zu können?«

Die Farbe des Nebels änderte sich und Rilmandra starrte fasziniert hinaus. Der Nebel des Limbus war farblos, dies war eine der ewig gleichen Grundlagen der Leere zwischen den Welten, doch vor ihr schillerten goldene und rote Schleier und selbst ihre Augen nahmen wahr, dass etwas auf sie zukam. Oder sie sich auf etwas zubewegte oder beide zu einem gemeinsamen Punkt gezogen wurden.

Hohe, dunkle Mauern erschienen aus einem Regenbogenschimmer und das erste Mal seit … langer Zeit verschmolz Rilmandras Weltenblase mit einer anderen. Sie war kurz desorientiert, hielt sich an ihrer Reling fest und atmete dann warme Luft ein, die nach Gewitter und heißem Fels roch.

»Wir kommen in Frieden!«, rief sie, in der Hoffnung, dass jemand unter den Menacoriten die Sprache der fenvar beherrschte. Zusätzlich breitete sie die Arme aus, waffenlos, und raffte ihre Segel. Der Verlust des Wimpels mit Orimas Symbolen schmerzte sie nun besonders, hatte dieser doch früher immer verkündet, in wessen Namen sie reiste.

Aber die Zinnen der Festung waren leer, das trockene Gras unberührt. Der rote Himmel, immer wieder von blassen Blitzen durchzogen, sah unberührt auf sie herab.

Sie senkte die Arme und sah sich um.

Riesige steinerne Drachen stützten die Türme. Ein Tor in Form eines Drachenauges prangte nah am Boden wie die Galionsfigur an einem Schiff aus massigen Basaltklötzen – ein verlassenes Schiff.

»Es ist niemand da«, stellte sie fest. Hond schob seine Nase durch die Reling und schnaufte traurig. Rilmandra ließ sich langsam sinken und kraulte den Vierbeiner, während sie sich weiter umsah. Diese Welt war nicht viel größer als die Festung an sich und so gab es kaum etwas anderes auszumachen als die dunklen, hohen Türme und nahezu fensterlosen Hallen.

Dann öffnete sich eine Tür zu einer Terrasse, auf der die trockenen, halb abgebrochenen Reste eines toten Baumes standen, und eine Person in einer grauen Robe kam heraus geeilt. Sie richtete einen Stab auf Rilmandra und begann Worte zu intonieren und sie spürte, wie Kraft Form annahm.

»Wir sind in Frieden hier!«, rief sie, dann bückte sie sich und hob Hond hoch, damit er leichter über die Reling zu sehen war. »Und ich habe einen der euren zurückgebracht!«

Weitere Personen kamen heraus, unterschiedlich groß und lang und mal stämmig oder mal dürr, die meisten mit vier Gliedmaßen und alle aufrecht. Und sie alle trugen graue Roben mit Kapuzen, die sie nahezu unkenntlich machten.

Es gab eine kurze Diskussion unter ihnen in einer Sprache, die Rilmandra nicht vertraut war, dann trat eine Person vor.

»Das ist ein Hund«, sagte die Person mit einem ungewöhnlichen Akzent.

»Hond«, verbesserte Rilmandra und setzte ihn wieder ab. »Und er gehört zu euch, hat er gesagt.«

Dies führte zu mehr Diskussion. Am Ende trat eine Person vor, die langsam ihre Kapuze zurückschob und ein Gesicht freigab, das nicht fey war, sondern Rilmandras Einschätzung nach menschlich. Dunkles Haar saß in einer sauber geschnittenen Form im Gesicht und hing schulterlang vom Kopf herab.

»Ich denke nicht, dass wir jemals einen Hund als Mitglied dieses Ordens hatten«, sagte die Person. »Und Ihr seid …?«

Rilmandra verneigte sich leicht, wie manche Höflinge es früher in Anwesenheit Orimas getan hatten, um Respekt zu zeigen.

»Rilmandra«, sagte sie, »die Reisende, der Flügelschlag der Blinden Seherin und Gefährtin ihrer tausend Fahrten. Und ich suche Zuflucht.«

Jetzt schwiegen alle.

»Jemand jagt mich«, gab sie zu. Offenbar benötigten die Menacoriten mehr Information zu ihrer Lage, um ihr Hilfe anzubieten. »Ich weiß nicht, ob wegen mir, Hond oder den zwei gefrorenen Gästen, die wir haben. Hond weiß es auch nicht und die im Eis können es mir nicht sagen, weil ich sie nicht wecken oder heilen kann, aber vielleicht ist Euch das möglich?«

»Ihr seid ein Schiff!«, entfuhr es jetzt dem ersten Sprecher. »Ihr seid eine hochelfische Schiffseele!«

Sie verarbeitete die Worte langsam, die sie in dieser Zusammenstellung nicht kannte. »Ich bin fenvar«, bestätigte sie. »Oder besser fenvar-geschaffen. Und ich habe eine Seele und meine Form ist die eines Schiffes. Also, ja – ändert dies etwas an meinem Gesuch?«

»Nein!«, warf jemand anders schnell ein. »Ihr seid sehr willkommen. Nur …«

Sie traten alle langsam vor und jemand streckte sich in ihre Richtung. Sie ließ sich weiter sinken und vorwärts gleiten, sodass sie in Reichweite war, und die Person strich andächtig über den halb zerschlagenen Vogel an ihrem Bug.

»Wir haben sehr, sehr viele Fragen.«


Sie hat nun tausend Namen

in der Welt gesät

von denen keine Silbe

mehr als Trug verrät

Und tausende, sie neigen

sich vor ihr, taub und blind

und welchen Namen sie auch sprechen

sie ehren treu das Drachenkind.

In Gold und süße Hoffnung

taucht sie die Lügen ein

und wer Verrat erhofft

erliegt Verrat und Schein

Sie geben ihr in Freude

und harren ihrem Lohn

Doch niemals kommt, was nie versprochen

Der Preis der Treue schwarzer Hohn.


Der Weg ist vorbestimmt,

worin Pardona ein Netz auswirft, das das Unmögliche fangen soll, und durch Erkenntnis jene tötet, die zu schwach sind, ihr Werkzeug zu sein.

Zuerst nahm Israni Schwere und Kälte wahr. Dann erst erstaunte es sie, dass sie keine Schmerzen hatte. Das war das Letzte gewesen, vor einer tiefen, zehrenden Dunkelheit, was sie gespürt hatte. Schmerzen und Scham und die absolute Gewissheit, versagt zu haben.

Sie erinnerte sich an Fingernägel, die ihr Gesicht zerrissen hatten, und hob eine Hand zu ihren Augenlidern. Als sie Narben spürte, aber keine Wunden bis auf den Knochen und die Augäpfel herunter, blinzelte sie vorsichtig.

Eine Person in grauer Robe wich respektvoll vor ihr zurück. Links lag Kilgan auf einem Steinblock, der mit einer dünnen Matte gepolstert war – wie sie selbst auch. Rechts von ihr saß Acuriën auf einem weiteren Block, Honds Kopf auf seinem Knie.

»Sei gegrüßt«, sagte er und sie erstarrte. Er sollte nicht reden, nicht ohne die Seele, die ihm Amadena gestohlen hatte, und er würde sie in tausend Jahren nicht so vorsichtig ansprechen, nicht nach allem, was sie erlebt hatten und ihren über weite Zeit verstreuten Jahrhunderten der Freundschaft. Es sei denn, seine Erinnerungen waren wieder einmal zerstreut worden, aber bislang war dies nie weiter zurückgegangen als bis zum Sturz des Turms.

Sie schwang die Beine von ihrer Liege herab und stellte fest, dass sie jemand gewaschen und ihr einfache graue Kleidung angezogen hatte. Einen Moment lang sah sie irritiert an sich herab, dann hoch zu der Person in der Robe.

»Menacorit«, sagte sie. Die Person nickte nach kurzem Zögern und sie schnaubte. »Was ist das?«, fragte sie dann und deutete auf Acuriëns Körper. »Was habt ihr mit ihm gemacht?«

»Das … ist schwierig«, begann der Menacorit mit einem grauenvollen Akzent und sie machte im Schatten seiner Kapuze menschliche Gesichtszüge mit Behaarung rings um den Mund aus. »Er … sie … Ihr könnt Euch bewegen?«

»Ich kann mit Sicherheit viel mehr als das«, sagte sie und ging ein paar Schritte auf ihn zu, wobei sie schwankte, als wäre der Boden eine Eisscholle auf offenem Wasser. Sie hielt inne und streckte die Arme zur Seite aus, um ihre Balance zu halten.

»Wir haben noch nie … etwas wie Euch geschehen ist …«

»Sprich Menschlich!«, fauchte sie in Kilgans Sprache und wich vorsichtig zur Liege zurück. Mehrere andere Menacoriten waren in den Raum gekommen und bildeten jetzt einen lockeren Halbkreis um Israni, den reglosen Kilgan und Acuriën – oder besser das, was aussah wie Acuriën, das jetzt mit für ihn vollkommen unpassender Fröhlichkeit aufsprang und Hond hochhob, um ihn an sich zu drücken. Das Wesen sah sie mit neugierigen Augen an, deren Farbe ihr nur zu bekannt war. Aber in dem sanften Grau glomm ein unschuldiger, fragender Funke, den ihr Freund schon vor sehr, sehr langer Zeit verloren hatte. Das schmale Gesicht lächelte breit und einnehmend. Israni schauderte.

»Also, was ist das?«, fragte sie und zeigte auf Acuriëns Körper. »Und warum sind wir hier? Was ist geschehen und wo sind die Leute, mit denen wir hier zuletzt gesprochen haben?«

Hond bellte. Alle anderen schwiegen. Irgendwann sagte der Menacorit vor ihr mit bemerkenswert unsicherer Aussprache auf dem verstümmelten Asdharia, das seine Kehle hervorbringen konnte: »Wir können Euch nicht verstehen.«

Sie wechselte wieder zu ihrer Muttersprache. »Ich spreche Menschlich.«

Der Mann hustete leise, strich sich über den Bart in seinem Gesicht und schien einen Moment zu überlegen, bevor er sagte: »Menschen haben viele Sprachen und diese spezielle kenne ich nicht.«

Sein Blick wanderte kurz im Rund und Israni folgte ihm. Alle anderen Menacoriten schienen ebenfalls menschlich zu sein, bis auf eine Echse, einen Achaz, der sie mit topazfarbenen Augen nachdenklich ansah. »Ich glaube, auch sonst niemand hier versteht diese Sprache.«

»Es gibt wohl sehr viele Sorten Mensch«, mischte sich das Ding in Acuriëns Haut ein. »Es ist alles sehr verwirrend, I-Su-Ra-Ni.«

»Ich heiße Israni«, verbesserte sie. »Und ich will wissen, was du bist und warum wir hier sind und was überhaupt geschehen ist, denn wir …«

Ihre Stimme brach und sie verlagerte ihr ganzes Gewicht auf die Liege, an der sie lehnte, als ihr Sichtfeld eng wurde. Sie sah unzählige blutige Krallen, die nach ihr griffen, einen Sturm aus Eis und Feuer und steter Boshaftigkeit und dann Finger, die ihr die Haut vom Gesicht kratzten.

»Wir waren jenseits der Ordnung dieser Welt.«

»Ich habe euch dort gefunden«, sagte das Ding, »und mitgenommen. Wegen des Namens tut es mir leid, Hond hat ihn mir gesagt und besser ging das nicht.« Es lächelte, harmlos süßlich.

»Hond«, wiederholte Israni.

»Etwas umständlich, ja, weil er nicht reden kann wie ein fey oder andere, aber dank der Schnitzereien an meiner Reling haben wir ein System entwickelt«, plauderte das Wesen weiter.

»Er … ah … sie ist ein Schiff!«, unterbrach der Menacorit und Israni warf ihm einen strafenden Blick zu. Seine Aussprache war wirklich grauenhaft.

»Was wolltest du wirklich sagen?«, fragte sie. »Es klang nämlich nach Schiff.«

»Er hat Recht«, sagte das Ding. »Ich bin Rilmandra, das Weltenschiff.«

Israni setzte sich vollends hin und versuchte, ihre Gedanken zu fassen.

»Dein Asdharia ist erträglich«, sagte sie zu dem selbsterklärten Schiff. »Also, erklär mir, warum ich bei Menacoriten bin – in Asdramur? Warum erkenne ich hier niemanden wieder? Und wieso steckst du in Acuriëns Körper?«

Das Schiff nickte. »Kil-gan-Mensch sollte es auch hören.«

Damit stand Rilmandra auf, hob Hond erneut hoch und trug ihn hinüber zu Kilgan. Sie setzte das langhaarige Wolfswesen ab und es begann, dem Menschen entschlossen über das Gesicht zu lecken.

Kilgans Finger zuckten und er gab ein leises Stöhnen von sich. Israni schlug kurz die Hände vor ihr Gesicht, presste sie gegen ihre geheilten Augenlider und versuchte, all die Fragen und die wirren Erinnerungsbilder einzufangen und wegzuschieben. Dann atmete sie tief durch, stand auf und ging etwas strauchelnd zu Kilgan hinüber.

»Ruhig«, murmelte sie und legte eine Hand auf seine. »Es ist gut.«

Er öffnete das linke, das eisblaue, Auge zuerst und sah zu ihr auf. Sie zwang sich zu einem Lächeln. Er versuchte sich aufzurichten, hob die Arme und verfing sich in Hond, der sich über ihn neigte. Nach einem kurzen Rangeln hatte er das Tier im Arm, das sich an ihn drückte und leise fiepende Laute von sich gab.

»Wo?«, fragte Kilgan schließlich.

»Asdramur«, erwiderte sie.

Sein Blick wanderte von Hond hoch zu ihr und dann weiter zu der Gestalt schräg hinter ihr.

»Acuriën?«, fragte er unsicher. »Was …?«

»Rilmandra«, verbesserte das Wesen ihn. »Ich … habe diesen Körper nur geliehen.«

Kilgans Gesicht, kurz ungläubig hoffnungsvoll, wurde wieder beherrscht und kalt.

»Warum?«, fragte er. »Mit welchem Recht?«

Rilmandra wiegte den Kopf nachdenklich hin und her. »Nur so konnte ich euch an Bord bringen«, erklärte sie. »Und ich bin dabei geblieben, weil es praktisch und spannend war, und Hond mochte es, wenn ich ihn gekrault habe. Ohne mich hätte dieser Körper auch nur dagelegen und hätte zwar geatmet, aber das wäre kaum bessere Gesellschaft für Hond gewesen als ihr in eurer Starre aus Eis. Ich habe gut auf ihn aufgepasst!«

»Ich denke, es wird vieles besprochen werden müssen«, mischte sich der Menacorit wieder ein, und selbst Kilgan zuckte ob seiner Aussprache zusammen.

»Er spricht kein Menschlich«, erklärte Israni. »Aber er hat wohl recht.«

Sie fixierte erneut Rilmandra. »Es gab ein Schiff. Das Schiff der Hochköngin, Orima, mit dem sie verschollen gegangen ist. Redest du davon?«

»Das bin ich«, bestätigte das Schiff in Acuriëns Körper. »Das war ich. Die Königin verließ mich ebenso wie euch und nach einer letzten Rückkehr in ihre Stadt, Tie’Shianna, sollte ich die 3. Sphäre verlassen. Seither bin ich gereist, allein. Bis ich euch gefunden habe – und Hond!«

Während sie mit fröhlicher Gelassenheit dahinredete, drifteten die zuschauenden Menacoriten zusammen und murmelten untereinander. Die Sprachen, die zwischen ihnen hin und her drifteten, waren Israni allesamt unbekannt.

»Ist hier niemand in der Lage, zu sprechen, ohne dabei zu klingen wie ein Zwerg mit den Backen voller Kiesel?«, fragte sie und hielt Rilmandra, oder wer auch immer Acuriëns Stimme verwendete, so davon ab, weiter zu plappern. Das Schiff zog nachdenklich die Brauen zusammen und für einen Moment erinnerte es Israni schmerzhaft stark an Acuriën selbst und wie er früher, vor dem Sturz des Himmelsturms, alles immer nachdenklich und langsam angegangen war, stets neugierig und vorsichtig.

»Wenn ich mich konzentriere, verstehe ich ein paar Worte, aber mehr nicht. Tut mir leid!«, sagte Acuriëns Stimme mit einer Sanftheit, die Israni einen Stich versetzte. Sie waren so weit gereist, hatten so viel durchgemacht, um ihn wiederzufinden und diese Beinahe-Wahrheit, diese Puppenspielerei, tat weh.

»Ich lerne schnell«, fügte Rilmandra-Acuriën rasch hinzu, fast beschämt, »wenn ich die Gelegenheit dazu habe.

Kilgan hob eine Hand von Honds Fell und packte das schmale Handgelenk von Acuriëns Arm. »Wir haben sehr viel zu lernen und du viel zu erklären.«

Rilmandra nickte und legte die andere Hand auf Kilgans. Das Schiff lächelte, zugleich traurig und glücklich. »Allerdings«, sagte es. »Dreitausend Zyklen der 3. Sphäre sind sehr, sehr viel Zeit, die ihr verloren habt.«

Israni wurde eisig kalt. Kilgans Blick wanderte zu ihr, entsetzt, aber auch mit einer Müdigkeit in den Tiefen seiner ungleichen Augen, die von ähnlichen Erfahrungen herrührte.

»Dreitausend Jahre?«, fragte sie.

Das Schiff zog die Schultern in einer entschuldigenden Geste hoch, den Blick gesenkt.

»Vielleicht gehen wir an einen Ort, an dem das leichter zu besprechen ist. Und ihr solltet den Heilern Zeit geben, genauer zu prüfen, ob sie mit den Narben noch helfen können und vielleicht solltet ihr etwas essen? Ihr braucht sicher …«

»Narben?«, unterbrach Israni die Rilmandra.

Acuriëns graue Augen zwinkerten verblüfft. »Oh … Die Narben in deinem Gesicht.«

Israni hob die Fingerspitzen erneut zu ihrem Gesicht und ließ sie langsam über ihre Augenlider fahren, tastete genauer nach. Feine Rillen zogen sich dort entlang, wo Amadena ihre Haut aufgerissen hatte. Sie sah zu Kilgan, der ihrem Blick ruhig begegnete.

»Die Spuren sind noch da«, sagte er sanft.

Israni senkte die Hand mit einer entschlossenen Geste. »Vergiss die Heiler. Ich will Antworten.« Sie zögerte und sah zu Hond, der fröhlich hechelte und zu ihr aufsah. »Und etwas zu essen.«

»Das wird sich alles machen lassen«, mischte sich der menschliche Menacorit ein, der bei ihrem Aufwachen schon im Raum gewesen war. »Und es gibt jemanden, der euch sehen möchte.«


Trotz der äußeren Gelassenheit, mit der die Albin – der Weiße Drache? – Dinge anzugehen schien, glaubte Tharseïs bei keiner Entdeckung in Amadenas Festung an Zufall. Die Diener, eine Mischung aus verschiedensten Spezies des Kontinents und den schwarz gerüsteten bleichen Alben, die Tageslicht mieden, konnten die Erkundung der Anlage jederzeit steuern oder unterbinden.

Immer wieder stieß sie auf verschlossene Türen, aber auch auf solche, die überraschenderweise offenstanden. Tharseïs hatte tief im Berg Hallen gefunden, in denen riesige Glaskugeln in der Dunkelheit lagen, jede mit bizarren Wesen gefüllt, die in Flüssigkeit schwammen, tot oder in Stasis. Viele der Kreaturen hatten ihr Leben offenbar einmal als Menschen oder andere intelligente Humanoide begonnen und waren zerlegt, neu zusammengesetzt und mit anderen verschmolzen worden. Dass sie sie gefunden hatte, hieß, dass Amadena dies den Priestern zeigen wollte, die neugierig genug waren.

Die meisten waren es nicht. Sie vollführten ihre Gebete, starrten nachdenklich auf das ungewohnte Essen, das gereicht wurde, und hielten sich ansonsten an die Räume, die ihnen zugewiesen worden waren. Sie kannten eine klare Ordnung und an diese hielten sie sich. Aber die Hohepriester waren nicht in der Nähe, die klar gegliederten Ränge der Krieger des Reiches von Draydalân mit ihrer eisernen Disziplin und ihren zahllosen internen Regeln ebenfalls nicht. Niemand hatte klare Regeln aufgestellt, was die auserwählten Gäste des Weißen Drachen tun sollten und was nicht, bis sie weiterreisen würden.

Tharseïs würde sich nicht an Regeln halten, die nicht existierten und die andere nur annahmen, weil sie an ihre Existenz gewöhnt waren.

Sie stieg barfuß die kalten Treppen hinauf und hinab. Sie hatte vor der Reise noch nie Schnee gesehen und so überraschte sie seine Kälte immer wieder, als sie auf den hohen Zinnen umherwanderte. Die Wachen beobachteten sie stumm und niemand wies sie zurecht. Zugleich gab aber auch niemand einen Hinweis, wie sie mit den roten, schmerzenden Füßen verfahren sollte.

Sie harrte aus, ignorierte Schmerzen und Unannehmlichkeiten und setzte ihre Erkundungen fort, eine einsame schattenlose Gestalt in scheinbar endlosen Galerien, Treppenhäusern und Hallen. Sie beobachtete die schwarz gepanzerten Krieger und sah ihnen bei Kampfübungen zu. Dabei konnte sie sie teilweise ohne Helme sehen und ihre scharfen, feinen Gesichtszüge, großen Augen und spitzen Ohren verrieten ihre Verwandtschaft mit Amadena. Aber sie wirkten vermindert, blasser als ihre Herrin, die stets von einer Aura müheloser Macht begleitet wurde. Bei aller Entschlossenheit im Kampf und ihrer offensichtlichen Fähigkeiten wirkten sie unterwürfig, fast demütig. Nicht Tharseïs gegenüber, die sie ignorierten, aber sie schienen Amadenas Launen und Bewegungen vorherzuahnen.

Lange folgte sie auch dem Statthalter der Festung. Er war ein Wesen von immenser Größe und sie fragte sich, ob es eine natürliche und ihr unbekannte Spezies war oder ob Amadena einen Menschen so lange hatte anschwellen lassen, bis er mehr als drei Schritt hoch war mit Schultern, die nicht durch die schmaleren Gänge in den abgelegenen Teilen der Anlage passen würden.

Wo auch immer er herkam, aus einem anderen Land oder aus einem der gläsernen Gefäße voll zusammengesetzter Kreaturen, er besaß beängstigende Kraft und eine Launenhaftigkeit, die ihn für alle anderen gefährlich machte. Die Festung war stets gut bewacht, gut bevorratet und alle hielten Ordnung und ihre eigenen Fähigkeiten in bester Fassung, weil der riesige Mann bei der kleinsten Störung in lautes Brüllen verfiel und zu Tharseïs’ stummem Staunen einmal einen Soldaten einhändig über die Brüstung eines Turms in die Tiefe warf. Niemand reagierte auf seinen langen, entsetzten Schrei. Er hatte seine Ausrüstung nicht zufriedenstellend gepflegt.

Der Statthalter hatte Tharseïs’ zurückhaltende Verfolgung über ein paar Tage hinweg durchaus bemerkt und immer wieder suchte er kurz Blickkontakt zu ihr. Sie spürte die Macht des Einen in ihm, den erhebenden, goldenen Atem des Schädelgottes, der in seinen Adern floss und seine gigantischen Hände führte. Die Augen des Mannes sahen jedoch weder wütend noch ergeben aus. Sie waren traurig.

Amadena wollte, dass sie diese Dinge sah, davon war Tharseïs überzeugt. Sicher wollte sie auch, dass Tharseïs die Karte entdeckte. Sie nahm einen ganzen Raum ein, ein Bodenmosaik aus Gold und Edelsteinen, das offenbar Inseln oder Kontinente und die Meere dazwischen zeigte. Tharseïs hatte niemals Unterricht darin erhalten, wie die Welt aussah, nur wie sie auszusehen hatte. Der Schädelgott würde alles umwälzen, alles ändern, sobald seine Diener die Welt für ihn eingenommen hatten, also brauchten nur die Planer der Kriege wissen, was wo war und wer wo lebte. Die Formen waren für Tharseïs seltsam und unbekannt. Sie wirkten, als habe jemand beiläufig Hände voll Sand aufgeschüttet, um ein zufälliges Muster zu erzeugen, und dann ebenso planlos Steine hineinfallen lassen, um Gebirge zu bilden.

Vor allem aber zog sich ein Netz an Figuren über die Karte. Statuetten mit verschiedensten Köpfen – von Katzen, Bären, Menschen, Alben und Wesen, die sie nicht erkannte – verteilten sich über alle Länder und ballten sich an Orten, die wohl Städte sein mussten. Dass der Zugang zu diesem Raum frei war, niemand Tharseïs aufgehalten hatte, bedeutete wohl, dass sie dies sehen und verstehen sollte. Sie brauchte keine Kenntnis davon, wo Land und Wasser begannen oder aufhörten, um zwei Botschaften klar zu lesen: Amadena kannte die Welt und sie hatte überall Diener.

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