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Читать книгу: «Geld und Erfahrung», страница 5

Max Eyth
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Auch den Geschäftsführer der Landwirtschaftsgesellschaft, Herrn Delano, lernte ich in diesen Tagen kennen; einen spanisch aussehenden, kleinen, gelbbraunen Herrn, der sehr elegant gekleidet war, sieben Ringe an jeder Hand trug und durchbohrte Ohrläppchen besaß, die in seiner Jugendzeit wohl auch mit Ringen geschmückt gewesen waren. Trotzdem gefiel er mir nicht allzu sehr. Die Komiteesitzung seines Vereins hatte mittlerweile stattgefunden und nach einer stürmischen Beratung den Preis von 750 Dollars für den besten Dampfpflug nachträglich bewilligt. Herr Lawrence hatte mit dem Austritt seines Bruders drohen müssen, der im fernen Norden von der ganzen Sache natürlich nichts wußte, um die Opposition der Herren zu überwinden, die mürrisch auf die völlige Ebbe in der Gesellschaftskasse hinwiesen. Aber mein Freund hatte einen guten Tropfen echten Yankeebluts in den Adern und damit ein unzerstörbares Vertrauen in die Zukunft.

»Kein Geld?« rief er; »Unsinn! wir brauchen kein Geld. Dieser gute Eyth pflügt uns acht Tage lang im Ausstellungspark. Unser Herr Delano rührt die Trommel, was er meisterlich versteht. Wir lassen uns fünfzig Cents Eintrittsgeld bezahlen. Ganz Louisiana will den Dampfpflug sehen. In zwei Tagen – was! in einem halben Tag hat sich Eyth seinen Preis selbst verdient. Alles übrige fließt in die Gesellschaftskasse.«

»Und wenn der ganze Dampfpflug ein verflixter englischer Humbug ist?« warf der mürrische Geschäftsführer ein. »Fragen Sie einmal im Bureau der ›Crescent City News‹ nach, Herr Lawrence.«

»Um so besser!« rief Lawrence, entrüstet über Delanos böswillige Kurzsichtigkeit. »Dann will jedermann den englischen Humbug sehen; wir brauchen keinen Preis zu bezahlen und das ganze Eintrittsgeld gehört der Gesellschaft!«

Die Opposition war vernichtet. Lawrences Vorschlag wurde einstimmig angenommen, worauf er mir mit der größten Zutraulichkeit den Verlauf der Verhandlung mitteilte. Er hatte die große Gabe, jedermann davon zu überzeugen, daß er unter einer Decke mit mir stecke. »Da der Beschluß schon zwei Tage zuvor in allen Zeitungen gestanden hat, war mir's doch nicht unangenehm, daß wir durchdrangen«, schloß er seinen Bericht. »Wann kann die Vorstellung losgehen, Herr Eyth?«

Die zwei Straßenlokomotiven mit ihren Drahtseiltrommeln, ein Sechsfurchenkippflug, ein Kultivator, eine Egge und zwei Wasserwagen standen fast fertig um uns her, als mir Lawrence all dies erzählte. Ich fuhr nun zum erstenmal mit ihm nach dem Ausstellungspark im Osten der Stadt, um unser künftiges Schlachtfeld anzusehen. Etliche sechzig Hektar leidlich flachen Landes waren dort von einem eleganten weißen Zaun und einem tiefen Entwässerungskanal umgeben, über den eine breite hölzerne Brücke führte. Da und dort standen malerische Gruppen von Akazien und uralten Hickorybäumen, deren knorrige, teilweise kahle Äste die wirren Guirlanden des »hängenden Mooses« schmückten, das den Sumpflandschaften des Mississippis eigentümlich ist. Da und dort staken aus dem Boden noch verkohlte Stämme und Wurzeln; ein nicht unbedenklicher Anblick für einen Dampfpflüger. Ob der Boden, der an vielen Stellen unter unsern Tritten fühlbar schwankte, meine Maschinen tragen würde, mußte ebenfalls erst die Erfahrung zeigen. Aber all diese Bedenken konnten das rollende Rad des Geschicks jetzt nicht mehr aufhalten. Im stillen nagte eine viel schwerere Sorge an meinem Herzen. Wie wird vor der ganzen Aristokratie Louisianas, von der ich fortwährend hören mußte, das Pflügen gehen, mit nicht einem Manne, außer mir selbst, der die Behandlung der Maschinen und die notwendigsten Handgriffe bei ihrer Bedienung kannte? Wenigstens an drei Punkten, die Hunderte von Metern auseinanderliegen: auf dem Pflug und auf jeder der zwei Dampfmaschinen, war ein Mann dringend erforderlich, der wußte, was er zu tun hatte, wenn nicht alles in Stücke gehen sollte. Aber es wäre Wahnsinn gewesen, diese Sorgen meinen neuen Freunden anzuvertrauen. Ihr Glaube mußte aufrecht erhalten werden, solange noch eine Möglichkeit vorhanden war, in diesen herrlichen Park hinein und mit heiler Haut wieder herauszukommen. Mit einer nagenden Angst auf der Seele mutig zu lächeln, will gelernt sein. Ich hatte zum Glück diese Kunst nicht zum erstenmal geübt. –

Die Herren, die meinen Pflug zu verbessern wünschten, hatten sich mit der Zeit stetig vermehrt und waren unerschöpflich in ihren Vorschlägen. Als ich am sechsten Tage die Kessel mit Wasser füllen ließ, und die ersten weißen Rauchwölkchen schüchtern aus den Schornsteinen stiegen, waren sie in Scharen versammelt und prophezeiten allerhand Unheil. Ich hatte beschlossen, zuerst nur eine Maschine mit dem Pflug nach dem Ausstellungsplatz zu führen und die zweite am folgenden Tag zu holen. Deshalb nahm ich zunächst Stone und den kleinen Jem auf den Tender, um ihnen den ersten Unterricht im Führen einer Straßenlokomotive zu geben. Dies beleidigte Bucephalus aufs schwerste. Der riesige Neger konnte nur durch das Versprechen getröstet werden, daß er am folgenden Tage die zweite Maschine führen solle und heute mit einer roten Flagge vorauslaufen dürfe, um uns die Straße frei zu halten. Mit fast übermäßigem Eifer stellte er sich auf seinen Posten, wo er seine Tätigkeit damit begann, an die sich ansammelnde, hundertköpfige Volksmenge erklärende Anreden zu halten. Als aber nach einer Stunde, die wir zur Dampfentwicklung brauchten, die Maschine ihre ersten Bewegungen machte, und das Ungetüm langsam über die krachende Levee hinschlich, erschrak er so heftig, daß er eine halbe Stunde lang still, mit gesenktem Kopfe und in achtbarer Entfernung von der Maschine voranging, ohne sich seiner führenden Stellung bewußt zu werden. Später kam er wieder zu sich und begann aufs neue der Menge zu predigen, wobei er alte Bibelsprüche und seine jüngst erworbenen, noch etwas wirren technischen Kenntnisse wundersam zu mischen verstand. Beim Einbiegen in die Kanalstraße liefen einige Droschkenpferde in wildem Schrecken davon. Dies setzte die Stadtpolizei in Bewegung. Fünf Dollars genügten auch hier, ihr wohlwollendes Interesse an uns zu fesseln, so daß der brausende Festzug ohne Zwischenfall von Bedeutung nach drei Stunden einer ermüdenden Fahrt mitten durch die große Stadt im Ausstellungspark anlangte. Nur in der äußersten Vorstadt, nicht weit von unserm Ziele, wo ich Jem seinen ersten Versuch machen ließ, die Maschine allein zu steuern, hatten wir den Eckpfeiler eines unbedeutenden Biersalons mitgenommen. Da sich jedoch infolge dieser kleinen Verirrung die Kundschaft des Wirts für den Augenblick verzehnfachte, fand derselbe zu unliebsamen Auseinandersetzungen weder Zeit noch Lust. Die Sache wäre völlig unbemerkt geblieben, wenn nicht am folgenden Morgen die »Crescent City News« eine Notiz gebracht hätten, die bewies, daß der Redakteur noch immer hungrig war. Sie lautete:

»Der englische Dampfpflug begann gestern seine Tätigkeit damit, den eleganten Biersalon des Herrn Henry Cooper an der Ecke der 42. Avenue und der Show Park Road mitzunehmen. Menschenleben sind nicht zu beklagen. Im Gegenteil. Die Frau des Gastwirts, eines unsrer geschätztesten Mitbürger, die sich zur Zeit der Katastrophe im oberen Stockwerk des mitgenommenen Hotels befand, soll unsrer großen Republik fast gleichzeitig, wenn auch in etwas überstürzter Weise, einen gesunden kleinen Mitbürger geschenkt haben. Wir wünschen dem achtbaren Ehepaar von Herzen Glück zu dieser Wendung der Dinge, möchten es dem unförmlichen englischen Dampfpflug aber trotzdem nahelegen, namentlich mit Rücksicht auf unsre Damen, seine Tätigkeit für die Regeneration des Südens in etwas weniger gewaltsamer Weise auszuüben.«

Als wir am Abend des folgenden Tags mit der zweiten Maschine an dem erschütterten Salon vorüberkamen, unterließ ich nicht, einzutreten, um auch meinerseits der Familie meine Glückwünsche darzubringen. Ich fand den Salon schon provisorisch genügend gestützt und in blühendem Geschäftsschwung. Herr Cooper war vollständig befriedigt, denn meine Maschinen brachten ihm Gäste, wie er sie in seiner bescheidenen Trinkstube noch nicht gesehen hatte. Im übrigen versicherte er mir, er sei kein Amerikaner, sondern ein Irländer, sei nie verheiratet gewesen und denke nicht daran, es zu werden. Und da der Salon kein zweites Stockwerk besaß, in dem das interessante Ereignis, von dem die »Crescent City News« berichtete, hätte stattfinden können, so mußten wir wohl annehmen, daß die Nachrichten auf einem kleinen Mißverständnis beruhten. Erfreut hierüber trank ich mit meinem auf diese Weise gewonnenen neuesten Freund zwei Gläschen seines schauderhaften Whiskys und versprach, ihm auch künftig meine Kundschaft zuzuwenden, sobald ich körperlich genügend gekräftigt sein würde.

Doch eine weit größere Freude und Überraschung stand mir an jenem sichtlich glückbringenden Tage bevor. Es war schon Abenddämmerung, als Bucephalus mit seiner roten Flagge über die Holzbrücke des Ausstellungsparks einzog. Er hatte nämlich selbst vorgezogen, ständiger Bannerträger der Dampfkultur zu bleiben, nachdem ihm tags zuvor der kleine Jem, schwärzer als je und halb gebrochen, die Leiden eines Heizers geschildert hatte. Da bemerkte ich schon aus der Ferne und mit wachsender Entrüstung auf der ersten Maschine, die gestern unter einem Hickorybaum mitten im Park stehen geblieben war, eine geheimnisvolle Gestalt. Der Mann hatte die die Maschine schützende geteerte Leinwanddecke halb zurückgeschlagen und schien, auf dem Tender knieend, in seine Arbeit versunken zu sein. Als wir näher kamen, bemerkte ich sogar, daß der Werkzeugkasten vor der Rauchkammer jener Maschine geöffnet war. Das war denn doch zu bunt, selbst für die Neugier eines verbesserungssüchtigen Yankees. Ich gab Stone den Anlaßhebel unsrer Maschine in die Hand, sprang ab und lief auf die andre zu, um den Eindringling womöglich in flagranti abzufangen. Er bemerkte mich nicht, so fleißig war er an der Arbeit, und mein Erstaunen wuchs, als ich wahrnahm, daß der Mann damit beschäftigt war, ein neues Wasserstandsglas einzusetzen, das er in dem Werkzeugkasten gefunden haben mußte. Das alte war nämlich bei dem Zusammenstoß mit dem Biersalon schon gestern zerbrochen. Unerklärlich! aber dennoch, welche Unverschämtheit! Der Fremde kniete mit gesenktem Kopf vor der Kesselwand, noch immer ohne aufzusehen. Ich sprang auf den Tender, entschlossen, ihn an den Ohren zu packen, was auch aus der Begegnung werden würde. Da, nicht eine Sekunde zu früh, hob er den Kopf auf. Ein rundes, mir wohlbekanntes Gesicht mit treuherzigen blauen Augen, aber mit der mir ebenso bekannten steinernen Ruhe, sah mir entgegen und sprach: »Guten Abend, Sir!« Dann fuhr der Fremde in seinen Versuchen fort, einen eigensinnigen kleinen Kautschukring über die neue Glasröhre zu schlüpfen, die er an Stelle der zerbrochenen einschalten wollte.

Es war Jem! Jem Parker, der Monteur und Dampfpflüger, den ich mit dem »Wilden Westen« erwartet hatte. Er hatte sich in Schottland bei der Aufstellung eines andern Dampfpflugs verspätet, wurde mit einem der nächsten Schiffe nach New York geschickt und kam von dort über Land mit der Bahn nach New Orleans. Er hatte heute früh nach viertägiger Eisenbahnfahrt die Stadt erreicht, hatte sich nach dem Ausstellungspark durchgefragt und dort die einsame Maschine gefunden. Und da er bei näherer Betrachtung das zerbrochene Wasserstandsglas entdeckte und der Werkzeugkastenschlüssel tags zuvor stecken geblieben war, hatte er in aller Gemütsruhe angefangen, ein neues Glas einzusetzen, wie wenn nicht viertausend Meilen zwischen seiner heutigen und seiner letzten Beschäftigung lägen. Er habe gedacht, es werde schon jemand kommen und nach ihm sehen. Das alles kam in kurzen, trockenen Sätzchen heraus, ohne seine Arbeit zu unterbrechen. Jetzt saß das Glas zu seiner Zufriedenheit an der richtigen Stelle; er probierte die Hahnen und schüttelte, wegen des niederen Wasserstands, vorwurfsvoll den Kopf. Dann richtete er sich auf, zog wortlos einen Brief aus der Jacke, die er unter dem Rock trug, und gab ihn mir. Derselbe war von Herrn Fowler in London und erklärte, wie es kam, daß Parker erst mit einem späteren Schiff abgereist sei. Zwei Leute könne er mir zu seinem Bedauern nicht schicken. Es seien alle verfügbaren, brauchbaren Kräfte vollauf beschäftigt. Ich müsse mich mit Parker behelfen, so gut ich könne. Ich habe mich in Ägypten ja auch schon in ähnlichen Lagen glücklich herausgewunden.

Dies war richtig; und zugleich war mir ein förmlicher Stein vom Herzen gefallen. Stone und der kleine schwarze Jem, wenn sie auch noch gelegentlich einen Biersalon umfahren mochten, waren anstellige Leute. Nun hatte ich noch den weißen Jem, der das Handwerk verstand, und mich. So konnte die Sache doch nicht völlig schief gehen und die »Regeneration des Südens«, von der seit acht Tagen halb New Orleans sprach, allen Ernstes beginnen.

Seit ich Amerika betreten hatte, war ich nie so müd und wohlgemut nach Hause gekommen als an jenem Abend, spielte zum erstenmal wieder ein Schach mit Oberst Schmettkow und gewann's.

6. Ein Fest

Niemand hat übrige Zeit in Amerika. Lawrence, obgleich um eine volle Generation der ältere der beiden, war ungeduldiger als selbst der junge Owen, seitdem der letztere die Speisenfolge seines Gabelfrühstücks mit Hilfe Monsieur Merciers und mehrerer Privatgelehrter auf diesem Gebiet festgestellt hatte. Sie ließen mir kaum einige Stunden zu, wie es ihnen schien, nutzlosen Proben meiner Maschinen. Delano, dem mürrischen Geschäftsführer der Landwirtschaftsgesellschaft, wurde überdies um seinen Park bange, als ich die erste Furche durch den jungfräulichen Grasboden zog, der nie zuvor mehr als leise gekratzt worden war, und mein Pflug den schwarzen Urschlamm des verschwundenen Sumpfwaldes ans Tageslicht förderte. Nach seiner Ansicht sei es um so besser, je weniger ich ihnen von meiner Kunst zeige, an der er nicht mehr zweifelte, seitdem er im ersten Schrecken über das gespannte Drahtseil gefallen war. So wurde der nächste Donnerstag, zwei Tage, nachdem der Dampfpflug sein Arbeitsfeld erreicht hatte, für die Eröffnungsfeier bestimmt.

Das Programm war einfach. Zwischen zehn und elf Uhr sollten die geladenen Gäste erwartet werden. Von elf Uhr an hatte ich eine halbe Stunde lang den Pflug, eine weitere halbe Stunde den Kultivator laufen zu lassen. Um zwölf Uhr mußte in dem Pavillon, der sich neben der Rennbahn befand, das Gabelfrühstück bereit stehen. Um zwei Uhr sollte das Publikum gegen ein Eintrittsgeld von einem Dollar zugelassen und das Pflügen bis gegen Abend fortgesetzt werden. Am folgenden Tag konnte die Presse sodann erklären, daß der Dampfpflug den seitens der Landwirtschaftsgesellschaft von Louisiana ausgesetzten großen Preis von 750 Dollar nach eingehender Prüfung errungen habe, und ich sollte in der Freude meines Herzens drei Tage lang und mit häufigen Ruhepausen, um den Park nicht allzusehr zu ruinieren, weiterpflügen. Während dieser Zeit hatte die herbeiströmende Volksmenge ihre fünfzig Cents an der Parktorkasse abzuliefern, teils um die Gesellschaft in die Lage zu versetzen, mir möglichst schmerzlos 750 Dollar auszubezahlen, teils um ihr selbst eine sorglosere Zukunft anzubahnen. Im ganzen ließ sich gegen diesen Plan nichts einwenden. Er kostete mich ein, wie mir schien, allzu üppiges Frühstück, verschaffte dagegen, wenn alles gut ging, dem Dampfpflug, was er vor allen Dingen brauchte: eine tüchtige, gut amerikanische Reklame.

Die kurzen Versuche, die ich anstellen konnte, verliefen erträglich. Der Pflug rannte nur zweimal in die Dampfmaschine, die Herrn Stone und seinem Heizer Kato anvertraut werden mußte, während auf der andern Lokomotive der weiße und der schwarze Jem als Lehrer und Schüler gut miteinander auskamen; abgesehen davon, daß der schwarze sich laut und lebhaft beschwerte, durch seinen Ehrgeiz in eine hervorragende Stellung gedrängt worden zu sein, die unerwartet viel Mühe und Arbeit mit sich brachte. Ich selbst saß mit Bucephalus auf dem Pflug und suchte ihm das Steuern des Gerätes und den Begriff einer geraden Linie im allgemeinen beizubringen. Der Mann hatte eine Riesenkraft und ließ sich mit großer Gutmütigkeit an den Ohren ziehen, wenn er gar zu krumm dreinfuhr. Ich tat dies zwar energisch, da er sonst nichts bemerkt hätte, aber doch stets mit der Miene väterlichen Wohlwollens; denn es war von der höchsten Bedeutung, meine rohen Hilfstruppen bei guter Laune zu erhalten. Das erkannte Bucephalus auch grinsend an und hatte bald die Genugtuung, mich wiederholt darauf aufmerksam zu machen, wie gerade seine krummen Furchen ausfielen. – Übrigens hielt ich es selbst für gut, nicht allzuviele Proben abzuhalten. Jeder Augenblick, wenn das böse Schicksal es wollte, konnte, während ich an einem Ende des Feldes das Drahtseil regulierte oder dem mangelnden Wasserstand im Kessel nachhalf, am andern Ende eine zerschmetternde Katastrophe herbeiführen und uns unter Umständen auf Wochen und Monate das Handwerk legen. Das wichtigste blieb zunächst, wenigstens mit heiler Haut und ganzen Gliedern über das drohende Frühstück hinwegzukommen.

Eine prachtvolle Frühlingssonne strahlte über dem lieblichen Park mit seinen moosbehangenen Baumgruppen und den noch nicht verbrannten Grasflächen, die in dem Untergrund des Mississippideltas reichlich Wasser finden. Die beiden Maschinen standen kampfbereit an den Enden eines dreihundert Meter langen Feldstücks und sandten weiße, senkrechte Rauchsäulen friedlich in den blauen Himmel empor. Jem, Bucephalus, Kato und ein halbes Dutzend weiterer Nigger, die als Extrahilfskräfte im Wege standen, waren nicht nur infolge der Wichtigkeit des Tages und ihrer eignen Person, sondern auch durch das Versprechen eines königlichen Trinkgeldes, wenn alles gut gehe, in gehobener Stimmung. Zwischen Stone und Parker war eine gewisse ehrgeizige Wettbewerbstimmung entstanden, die sich in kleinen trockenen Neckereien äußerte und mir im Interesse der Sache so wohl gefiel, daß ich sie bei beiden heimlich schürte. Es war das instinktive Gefühl zwischen jung und alt; zwischen Amerika und Europa. Beide waren stille, wortkarge Leute und sich kaum bewußt, was sie reizte. Aber ich sah das Gefühl deutlich in ihnen arbeiten, und in beiden arbeitete es für mich. – Im Pavillon hinter unserm Felde deckten sechs schwarze Kellner in tadellosen Fräcken und weißen Halsbinden eine hufeisenförmige Tafel, und geheimnisvolle, angenehm duftende Korbwagen fuhren durch das Parktor. Lawrence hing seit dem frühen Morgen an meinen Fersen, und Kapitän Owen erwartete in fieberhafter Aufregung den Champagnerwagen, der irgendwo aufgehalten, wenn nicht umgeworfen worden war.

Dann kamen in leichten, eleganten Kabrioletts und Buggies die vornehmeren, in den maultierbespannten Tramwagen die einfacheren der geladenen Gäste: Longstreet mit Beauregard, Taylor mit Burnside und Jackson, leider nicht der berühmte Stonewall Jackson, der wenige Wochen zuvor gestorben war. Auch General Lee hatte zum allgemeinen Bedauern abgesagt. Doch fehlte es nicht an Generalen, Regimentskommandeuren, Majoren und Kapitänen in verwirrender Menge; dann aber kamen auch große Grundbesitzer vom oberen und unteren Mississippi und weltbekannte Politiker aus der alten Zeit, die heute von ihren Erinnerungen lebten und jeden einluden, sie mit ihnen aufzufrischen; kurz, es sammelte sich rasch eine zahlreiche, fröhlich belebte Gesellschaft, in der sich jedermann zu kennen schien und in deren Mitte der wackere Longstreet den liebenswürdigen Wirt spielte, während mir Owen die Heldentaten jedes einzelnen ins Ohr flüsterte. Auch unbekannte Gestalten erschienen zur Genüge. Ich selbst hatte nur dafür gesorgt, daß Oberst Schmettkow nicht fehlte und der teutonische Redakteur der »Deutschen Zeitung« seine Einladung erhielt. An alles übrige ließ ich Owen denken, der seinerseits vertrauensvoll auf meine Fähigkeit baute, mit einem Check auf meine englischen Freunde am Tag der Abrechnung die kleinen Schwierigkeiten auszugleichen, die etwa entstehen sollten.

Alles sammelte sich in dem Felde, in welchem der Dampfpflug kampfbereit aufgestellt war. Noch nie hatte dieser friedliche Träger der Kultur ein so kriegerisches Publikum um sich gesehen. Die alten Haudegen des großen Bürgerkriegs standen entlang dem ausgespannten Drahtseil und sahen verständnisvoll, oder auch anders, in die tiefe Furche hinab, die gestern abend noch gezogen worden war. Longstreet erklärte, mich von Zeit zu Zeit zu Hilfe rufend, was er von der Sache wußte, sichtlich bemüht, das Interesse dem Pflug zuzulenken; aber unwillkürlich verirrte er sich samt seinen Freunden jeden Augenblick wieder in die Erinnerungen an ein abenteuerliches Gefecht, in die Beurteilung einer strategischen Bewegung und vor allem in die Betrachtung der jammervollen politischen Lage der »alten und wahren« Herren des Landes. Alle Stimmungen kamen zum lebhaften Ausdruck, vom Galgenhumor völliger Hoffnungslosigkeit bis zur finsteren Entschlossenheit, sich knirschend zermalmen zu lassen. Der Dampfpflug schien mit jeder Minute mehr vor den Augen der ganzen Gesellschaft zu verschwinden.

Da ließ ich pfeifen. Das Drahtseil schnellte in die Höhe und zog an. Die lange Reihe der leidenschaftlich gestikulierenden Herren sprang mit Entsetzen und militärischer Präzision auf die Seite. Der Pflug setzte sich in Bewegung, die schweren, schwarzbraunen Schollen in sechs glatten geradlinigen Reihen aufstellend. Dies brachte meine Gäste zur Sache zurück. Eifrig liefen die meisten hinter dem Pfluge her, nachdenklich maßen andre die Tiefe der Furche. Es ging in der Tat nicht schlecht, wenn man den Umständen einigermaßen Rechnung trug. Stone und Kato auf der fernen Maschine übertrafen sich selbst. Stolz saß Bucephalus auf dem Pflug und steuerte ihn in sanftem Zickzack über das Feld. Er war überglücklich, da er unter den Eingeladenen seinen alten Herrn aus der Sklavenzeit entdeckt hatte und ihm die Geheimnisse seiner neuen Würde, als erster Dampfpflüger Amerikas, auseinandersetzen konnte. Nachdem der Pflug sechs- bis siebenmal auf und ab gefahren war, ohne Schiffbruch zu leiden, näherte sich allerdings das Aussehen der letzten Furche den Windungen eines durch ein Wiesental sich hinschlängelnden Bächleins. General Burnside tröstete mich. Die Linie erinnerte ihn lebhaft an seinen ersten Sieg: an die Schlachtlinie der Föderierten bei Bull Run. Dank seiner südlichen Lebhaftigkeit hatte General Taylor mittlerweile alles begriffen und hielt den Augenblick für gekommen, tatkräftig einzugreifen. Er schob Bucephalus von seinem Sitz, setzte sich auf das Geräte und erfaßte das Steuerrad. Dreißig Schritte weit ging alles gut. Der Pflug blieb in seinem durch die Furche gegebenen Geleise, und Taylor sah sich triumphierend um. Dann aber nahm das Instrument plötzlich eine Wendung nach dem ungepflügten Teil des Feldes und lief, als sei es verrückt geworden, trotz der verzweifelten Steuerbewegungen des Generals, querfeldein. Kein Pfeifen von Parkers Maschine half. Stone, dessen Maschine am andern Ende des Feldes während der Katastrophe den Pflug zog, war mit seinem Feuer beschäftigt und merkte zu spät, welches Unheil vor sich ging, so daß er erst dazu kam, anzuhalten, als sich der General mit dem entlaufenen Pflug mitten auf ungepflügtem Felde befand, hundert Schritte von dem Platz, wo er hätte sein sollen. Er hatte allerdings eine merkwürdig gerade Linie diagonal zur Pflugrichtung über das Feld gezogen. Beschämt stieg er ab und betrachtete sein Werk. Seine alten Kriegskameraden waren außer sich vor Vergnügen. Selbst der unehrerbietige Bucephalus, der staunend dem Pflug nachgesehen hatte, lachte mit, daß sein roter Mund das schwarze Gesicht von Ohr zu Ohr spaltete. Der Erfolg – der Heiterkeitserfolg des Dampfpflugs war großartig. Der ältere Owen, der mehr Verständnis für die wahre Lage der Dinge zu haben schien als alle andern, sagte leise zu mir: »Lassen Sie aufhören! – Die Schildkrötenbouillon wird sonst kalt!« Longstreet nahm Burnside unter den Arm. Taylor wurde von den andern im Triumph herbeigeholt und als preisgekrönter Dampfpflüger Louisianas fast auf den Händen getragen. Alles strömte dem Gartenpavillon zu, wo sich das blinkende Hufeisen im Nu gefüllt hatte und die Sektflaschen zu knallen begannen.

Es ging hier noch brillanter als im Felde. Die Not der Zeit löste sich fühlbar in dem warmen Sonnenschein, der durch den luftigen kleinen Saal, und im perlenden Wein, der kühlend durch unsre Adern strömte. Longstreet hielt eine prächtige kleine Rede: ernst, männlich, geradeaus: Die große Sache sei verloren; wozu die Augen schließen und die Hände sinken lassen? Die Männer seien noch da, die ehrlich für sie geblutet hätten; sie würden sich nicht erdrücken lassen. Die alte Kraft rege sich wieder und werde auf andern Feldern neue Siege bringen. »Das Schwert ist in unsrer Hand zerbrochen«, schloß er. »In Gottes Namen – nehmen wir die Lage, die uns der Himmel geschickt hat. Es lebe der Pflug!« Darauf verlangte es der Anstand, daß ich etwas sagte. Der Staub der Pflugfurchen steckte mir noch in der Kehle und die Angst vor dem jeden Augenblick möglichen Zusammenbruch der einen oder der andern Maschine in der Seele; aber ich ließ getrost den Süden leben, dessen tropische Lebenskraft schon mehr als einmal aus den Sümpfen um den Mississippi ein Paradies geschaffen habe. Dann kamen andre, weniger harmlos, manchmal bitter und zornig, manchmal allzu laut der wiederkeimenden Hoffnung entgegenjubelnd. Der Pflug war vergessen. Die politischen Phrasen rollten mächtig über die erhitzten Köpfe weg. Doch fühlte ich mich ziemlich beruhigt, als ich unter den letzten, die das Gartenhaus verließen, den Chefredakteur des »Picayune« Arm in Arm mit seinem Feind, dem Chefredakteur der »Crescent City News«, bemerkte, die abwechslungsweise versuchten, föderierte und konföderierte Kriegslieder zweistimmig zu singen. Ein erstaunlicher Grad mangelhaften musikalischen Sinns und der gute Wille, mit dem sie sich gegenseitig unterstützten, ergab eine Verschmelzung von Dissonanzen, die das Beste für die Zukunft hoffen ließ. Nur ein einziger Mißton trübte den Schluß der schönen Feier. Meine zwei deutschen Freunde waren sich in die Haare geraten. Oberst Schmettkow versuchte den Redakteur der »Deutschen Zeitung« über die Irrtümer seiner politischen Auffassung des Zustandes der Südstaaten aufzuklären. Doktor Wurzler machte vergebliche Anstrengungen, den Obersten zu überzeugen, daß ein verunglückter Jarde-Offizier von der Sache nichts verstehen könne. Sie wurden laut und heftig, und nur mit Mühe konnte ich sie bewegen, in zwei getrennten Trambahnwagen nach der Stadt zurückzukehren.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
11 августа 2017
Объем:
160 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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