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Ein Krokodil für den Gotthard

Eine weitere Sparte der MFO ging auf den Eintritt von Peter Emil Hubers Sohn Emil Huber-Stockar im Jahr 1891 zurück. Nachdem sein Vater immer mehr an Sehkraft verloren hatte, trat er dessen Nachfolge an. Unter der Leitung des Physikers Hans Behn-Eschenburg gelang es der MFO im Jahr 1904, einen Bahnmotor für Einphasenwechselstrom zu konstruieren, der im Gegensatz zum Dreiphasenwechselstrom, auf den die BBC beim Bahnmotorenbau setzte, nur eine einfache Stromleitung benötigte. Um ihr System zu testen, elektrisierte die MFO die Versuchsstrecke Seebach–Wettingen. Der erste Auftrag für eine Einphasenwechselstrombahn kam 1907 von der Valle-Maggia-Bahn, später lieferte die MFO auch die Ausrüstung der Lokomotiven für die Lötschbergstrecke. Emil Huber verliess 1910 wegen interner Querelen die MFO und widmete sich für die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) der Elektrifizierung der Gotthardstrecke. Nach dem Ersten Weltkrieg lieferte die MFO für diese Route die ersten elektrischen Güterlokomotiven, die legendären «Krokodile», nachdem sich schliesslich auch die SBB und andere europäische Bahnen 1919 für das System der MFO entschieden hatten. In kleineren Dimensionen war die MFO auch an der Elektrifizierung der Zürcher Strassenbahn beteiligt. Sie baute diverse Tramtypen mit Elektromotoren, Leitungsnetze und Kraftanlagen zur Stromversorgung. Ausserdem unterhielt sie bis 1927 mit einer von ihr finanzierten Betriebsgesellschaft die Tramlinie vom Central über Oerlikon bis Seebach.

Der neue starke Mann in der MFO nach dem Ausscheiden von Emil Huber wurde sein Schwager Dietrich Schindler-Huber, der Vater von Hans Schindler. Er war bereits 1893 aufgrund der zunehmenden Erblindung seines Schwiegervaters Peter Emil Huber und des Abgangs der beiden wichtigsten Ingenieure in die Geschäftsleitung berufen worden. 1899 nahm er eine grosse Kapitalerhöhung vor und überliess drei Viertel der Aktien einer Bankengruppe um die Schweizerische Kreditanstalt, die sie anschliessend breit streute. Die Familie hatte damit die Mehrheit verloren, blieb aber weiterhin bestimmend. Als Mitte der 1900er-Jahre der Absatz stockte, reorganisierte er das Unternehmen und schärfte dessen Profil. Die Werkzeugmaschinenfabrikation wurde an die Schweizerische Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon (später: Oerlikon-Bührle) abgestossen und die elektrotechnische Abteilung von Rieter übernommen. 1912 wurden Dietrich Schindler und Hans Behn-Eschenburg zu Generaldirektoren ernannt, ab 1919 zusätzlich zu Delegierten des Verwaltungsrats. Unter ihrer Leitung blühte das Geschäft wieder auf, und es gelang ihnen, riesige finanzielle Reserven anzuhäufen. Das Unternehmen war aber trotz Aufträgen aus aller Welt sehr schwach internationalisiert. In der Zwischenkriegszeit, als vermehrt Handels- und Zollbarrieren entstanden, wären ausländische Produktionsstätten eigentlich zu erwarten gewesen. Einzig in Frankreich jedoch richtete man 1919 in Ornans, im grenznahen Departement Doubs gelegen, eine Fabrik ein, die sich auf Bahntraktionen und Transformatoren spezialisierte. Der Sitz der Tochterfirma war in Paris. Für den Aufbau weiterer ausländischer Werkstätten fehlte es an geeignetem Führungspersonal zur Überwachung und an Mut für risikoreiche Investitionen. Zudem wollte Dietrich Schindler stets persönlich den Überblick über alle Geschäfte behalten, was gegen weitere komplexitätssteigernde Expansionsschritte ins Ausland sprach.

Hemmend für die Absatzchancen in einem sich verschärfenden Markt wirkte sich auch die fehlende Verbindung zu einer Finanzierungsgesellschaft aus. Die BBC hatte mit der Gründung der Motor AG für angewandte Elektrizität eine Gesellschaft gegründet, die Anlagen projektierte, finanzierte und später verkaufte, selbstverständlich mit Produkten der BBC. Mit einer weiteren Finanzierungsgesellschaft, der von der AEG gegründeten Elektrobank, war die MFO immerhin durch ihre Hausbank, die Schweizerische Kreditanstalt, verbunden. Die Bank war 1895 wesentlich an der Gründung der später in Elektrowatt umbenannten Gesellschaft beteiligt gewesen.

Dem Generaldirektor und Vater «beigegeben»

Hans Schindler trat 1925 auf Wunsch des Vaters und nach einem mehrwöchigen Praxistest beim französischen Ableger in Ornans ins Mutterhaus in Oerlikon ein. Vorerst arbeitete er als Chemiker in der Entwicklung von elektrischen Wasserzersetzern. Diese Elektrolyseure zerlegten mithilfe von Strom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. 1928, mit 32 Jahren, wurde er Adjunkt der technischen Direktion. Es war auch das Jahr, in dem er Ilda Baumann heiratete. Als Adjunkt beschäftigte er sich unter anderem mit Fragen der Organisation und des Absatzes im In- und Ausland. Sein Bruder Werner war bereits etwas früher als Hans ins Unternehmen eingetreten und setzte sich vor allem mit finanziellen Fragen auseinander. Als Prokuristen nahmen beide ab Ende der 1920er-Jahre auch immer öfter an Direktionssitzungen teil, insbesondere Hans Schindler in der Funktion als Protokollführer.

Werbeanzeige der MFO in der Romandie, 1901.

Nach dem Ausscheiden von Generaldirektor Hans Behn-Eschenburg und dessen Wechsel in den Verwaltungsrat war Dietrich Schindler alleiniger Generaldirektor. Der bisherige Leiter der französischen Tochtergesellschaft in Paris, F. E. Hirt, wurde 1929 zum Verkaufsdirektor ernannt. Er sollte als Verbindungsmann zwischen Verkauf, Konstruktion und Werkstätten eingesetzt werden. Dietrich Schindler gab damit zur Entlastung die Leitung der auswärtigen Verkaufsgesellschaften und Vertretungen ab, behielt aber die Oberleitung über das Gesamtunternehmen. Nachdem der Direktor der Fabrikation altershalber und der technische Direktor nach einem Konflikt mit Dietrich Schindler zurückgetreten waren, festigte Schindler seine Alleinherrschaft. Die beiden Abteilungen wurden fortan durch Vizedirektoren geleitet. Diese beiden Vizedirektoren, Jakob Brunner und Arnold Traber, nahmen zusammen mit Direktor F. E. Hirt und den beiden Schindler-Brüdern ab 1931 in einem neu geschaffenen Direktionskollegium Platz. Sie berieten abteilungsübergreifende Angelegenheiten und tauschten sich mit Generaldirektor Schindler aus. Als ebenbürtig in geschäftlichen Fragen sah Dietrich Schindler allerdings nur den Verwaltungsrat an, die Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des Direktionskollegiums war marginal. Hans Schindler wurde «der Generaldirektion beigegeben», so der Verwaltungsrat. Er sollte bei Abwesenheit den Generaldirektor ersetzen und als Bindeglied zwischen den Abteilungen fungieren. Die neue Aufgabenteilung lässt erkennen, dass Dietrich Schindler wohl von Hirt als seinem ehemals präferierten Nachfolger abgerückt war und er Sohn Hans direkt als neuen Kronprinzen installieren wollte. Tatsächlich verschärften sich die Konflikte zwischen den beiden dominierenden Figuren der MFO immer mehr, weil Hirt in den Augen von Dietrich Schindler zu selbstständig agierte.

Grossmaschinenbau bei der MFO. Wandbild im Hauptgebäude der ETH Zürich, gemalt von Wilhelm Ludwig Lehmann, 1929.

Die MFO hatte bis Anfang der 1930er-Jahre floriert. Die Belegschaft betrug insgesamt 3400 Personen, davon 2500 Arbeiter in den Werkstätten. Nun traten jedoch erstmals Probleme bei der Einhaltung von Lieferzeiten und bei einer effizienten Organisation der Fertigung auf. Durch die ab 1931 in der Schweiz spürbare Weltwirtschaftskrise wurde die MFO doppelt hart getroffen. Neben dem krisenbedingten Rückgang der Bestellungen waren auch die Auslieferungen der letzten Lokomotiven für das Elektrifizierungsprogramm der SBB ausgelaufen. Es kam zu Lohnsenkungen und Entlassungen. Im ersten Halbjahr 1935 beschäftigte die MFO noch die Hälfte ihrer früheren Belegschaft. Trotz Verlusten wäre genügend Kapital vorhanden gewesen, um den Betrieb zu rationalisieren und konkurrenzfähig zu halten. Es fehlte auch nicht an Vorschlägen der Direktion. Dietrich Schindler stellte sich jedoch quer und sprach sich gegen jede Reorganisation und Investition aus. So wurde beispielsweise die oft geforderte Modernisierung der Kleinmotorenproduktion immer wieder aufgeschoben. Seine Devise zur Überwindung der allgemeinen Wirtschaftskrise war Sparsamkeit und Verringerung der Unkosten. Der Tod seiner Frau 1934 versetzte ihm zusätzlich einen schweren Schlag. Die Kräfte des 78-Jährigen schwanden, und die Gebresten des Alters nahmen langsam überhand. Umso mehr klammerte er sich an die Macht und wollte alles selbst entscheiden.

Die Palastrevolution

Im Frühling 1935 eskalierte die Situation bei der MFO, als Dietrich Schindler direkt mit den Bürochefs des Verkaufs über ein neues Preiskalkulationssystem verhandelte, ohne F. E. Hirt miteinzubeziehen. Hirt reichte in der Folge ein Rücktrittsgesuch ein, weil er seine Autorität als Direktor untergraben sah. Er stellte in Aussicht, bei der MFO zu bleiben, wenn er endlich jene Kompetenzen erhalte, die Direktoren in allen anderen Unternehmen auch hätten. Der Verwaltungsrat griff nun vermittelnd ein und versuchte die unterschiedlichen Positionen zu ergründen. Dietrich Schindler reagierte in einem Brief an seinen Schwager, den Verwaltungsratspräsidenten Max Huber, pikiert auf die Kündigungsandrohung. Hirt sei nicht zur Sparsamkeit erzogen, habe nie etwas Schöpferisches geleistet und trage Mitschuld am technischen Vorsprung der BBC. Hirt wolle «Herr und Meister» in Oerlikon werden, wie er es in der Tochterfirma in Frankreich gewesen sei. Dietrich Schindler schlug stattdessen vor, seinen Sohn Hans zum Direktor zu ernennen.

Hans Schindler hingegen sah im drohenden Weggang von Hirt einen schweren Verlust für die MFO. Er sei der Einzige, der neben dem Generaldirektor «in kommerziellen Dingen» auf der Höhe sei. Gegenüber dem ehemaligen Generaldirektor Behn erklärte er, «dass durch die fortschreitende Unterdrückung u. zermürbende Fesselung der Direktoren u. Angestellten die praktischen Geschäfte u. technischen Fortschritte immer mehr gehemmt u. gelähmt werden». Es gebe immer mehr Anzeichen für einen Niedergang. Man verliere Kunden, und die Produkte könnten mit der Konkurrenz nicht mehr mithalten. «In früheren Zeiten seien die Härten des Führers wiederholt durch die Anerkennung der Erfolge seiner überragenden Klugheit u. Energie entschuldigt worden, in letzter Zeit fehlen solche Erfolge u. der Eigensinn nimmt zu, bis in die geringfügigsten Fragen.» Hans Schindler schlug vor, dass er nach einem Rücktritt seines Vaters die Funktion eines Generaldirektors ausüben könnte.

Im August 1935 traf sich der Verwaltungsrat mit Dietrich Schindler. Dieser konnte dazu überredet werden, eine Lösung ohne Entlassung von Hirt zu suchen. Sein Sohn Hans sollte zum Direktor befördert werden und als sein Stellvertreter agieren. Den ausgearbeiteten Vorschlag lehnte Dietrich Schindler nach reiflicher Überlegung jedoch ab und weigerte sich in der Folge, die Führungsstrukturen zu ändern. Verwaltungsrat Eduard von Goumoëns schilderte seine Eindrücke wie folgt: «Mehr und mehr bin ich davon überzeugt, dass eben die Geschäftsführung des Papa Schindler nicht mehr den Verhältnissen entspricht, wobei ja ohne weiteres zuzugeben sei, dass auch Herr Hirt, und sogar sein Sohn, viele Fehler begehen, aber das Zeug ist durch den Despotismus der letzten Jahre wahrscheinlich noch erst recht verfuhrwerkt worden.» Als eine Delegation des Verwaltungsrats mit Dietrich Schindler neue Vorschläge besprechen wollte, erklärte dieser seinen vollständigen Rücktritt, liess sich später aber überreden, wenigstens im Verwaltungsrat zu verbleiben.

Schliesslich beschloss der Verwaltungsrat in seiner Sitzung vom 23. November 1935, Werner Schindler zum Vizedirektor und Hans Schindler zum Direktor und Präsidenten der neu gebildeten Direktion zu ernennen. Die Direktion musste die Beschlüsse allerdings einstimmig fassen und sich ansonsten an Dietrich Schindler wenden, der das strittige Geschäft dann in den Verwaltungsrat einbringen sollte. Trotz dieser Lösung war Dietrich Schindler am Ende verbittert, weil er in seinen Augen «aus der MFO herausgeschmissen wurde». Die Kündigungsandrohung von Hirt habe am Ende zu seiner Entlassung geführt, während Hirt in seiner Stellung bestätigt worden sei. Er leite de facto heute die Maschinenfabrik. Interessanterweise weist auch Hans Schindler in seiner Autobiografie auf diesen Umstand hin: «Von 1936 bis 1949 liess ich Hirt de facto, allerdings nicht de jure, als spiritus rector walten.»

Führungsvakuum im Gemischtwarenladen

Nur ein Jahr nach seinem Rücktritt als Generaldirektor starb Dietrich Schindler 1936. Die MFO aber befand sich fortan in einem strukturell bedingten Führungsvakuum. Hans Schindler war zwar in die Stellung seines Vaters nachgerückt, doch er führte die Direktion weder formell noch faktisch. Die Unterstellungs- und Verantwortungsverhältnisse waren sehr unübersichtlich. Drei von vier Direktoren trugen formell noch den Titel eines Vizedirektors. Zudem waren sie laut Anstellungsvertrag eigentlich direkt dem Verwaltungsrat unterstellt. Die 1939 vorgenommene Analyse der Unternehmens- und Betriebsführungsebene brachte diese Führungsprobleme klar zum Ausdruck. Als Reaktion wurden die fehlenden Managementfunktionen aufgebaut. Dazu gehörte ein Kontrollapparat mit Kostenrechnungs- und Budgetierungssystem, der dem Direktionsbereich von Werner Schindler mit Einkauf und Finanzen angegliedert wurde. Er konnte sich allerdings mit diesen Controlling-Instrumenten nie richtig anfreunden. Bei der Verkaufsdirektion richtete man ein Büro für Marktforschung ein, um eine systematische Analyse einzelner Produkte vorzunehmen. Die wichtigste Neuerung aber war die Schaffung einer Managementfunktion Personal, die mit Rudolf (Rudi) Huber besetzt wurde, dem Enkel des Gründers Peter Emil Huber und Sohn des Verwaltungsratspräsidenten Max Huber. Rudolf Huber hatte am MIT in Boston Betriebswirtschaft studiert und Einblick in amerikanische Unternehmen erhalten. Er legte besonderen Wert auf die Einführung einer lebendigen und attraktiven Betriebsgemeinschaft und auf gewisse Mitsprachemöglichkeiten des Personals.

Die Analyse des Betriebs ergab noch ein anderes Problem: Die MFO war mit ihrer Produktpalette viel zu breit aufgestellt. Doch welche Sparte sollte man aufgeben? Hans Schindler stellte gegenüber dem Verwaltungsrat fest, dass «alle unsere Branchen [Abteilungen] eigentlich gleich schlecht» seien. Nichtsdestotrotz hatte man sich in allen Bereichen grosses technisches Können angeeignet, das man nicht einfach wieder hergeben wollte. In den Hauptabteilungen Elektrische Kraftzentralen und Elektrische Traktion waren eine Vielzahl von Einzelprodukten notwendig, die eng miteinander verknüpft waren. Die Abteilung Transformatoren und Kleinmotoren erzielte einen konstanten Inlandsabsatz und damit eine wertvolle Grundauslastung. Es kam letztlich nur zu kleinen Flurbereinigungen, indem etwa der Kranbau aufgegeben wurde. War ein Artikel nicht mehr leistungsfähig, sollte er nicht fallen gelassen, sondern durch Weiterentwicklung wieder konkurrenzfähig gemacht werden. Zudem galt es, neue Absatzgebiete und neue Anwendungen zu finden. Der Reduktionsversuch scheiterte in dieser Phase und auch später am Widerstand der Direktbetroffenen. Die Durchsetzung hätte eine sehr harte unternehmerische Hand bedingt, die weder in der Geschäftsleitung noch im Verwaltungsrat vorhanden war. Die zögerliche Haltung spiegelt aber auch das Grundproblem der MFO zu dieser Zeit wider: Die Firma stand technisch in keinem Bereich an der absoluten Spitze, und sie konnte sich nirgends als klare Preisleaderin positionieren. Es fehlten also die Verkaufsschlager, deren Forcierung bei der Aufgabe einiger anderer Produkte eine Umsatzreduktion hätte kompensieren können.

Tat sich die Geschäftsleitung schwer, wären Impulse vom Verwaltungsrat umso nötiger gewesen. Mit Max Huber war das Präsidium allerdings mit einem Mann besetzt, der die Reorganisationsbemühungen zwar unterstützte, jedoch keine neuen Ideen und Konzepte einbrachte. Er beschränkte sich auf die moderierende Rolle des väterlichen Beraters der Unternehmensleitung, die mit drei jungen Familienmitgliedern, seinem Sohn und zwei Neffen, besetzt war. 1944 übernahm mit Alfred Stahel-Hanhart ein Aussenstehender das Verwaltungsratspräsidium. Er starb allerdings bereits 1946 und konnte so wenig bewirken.

Der allgemeine Geschäftsgang der MFO zog nach 1935 wieder etwas an, jedoch konnten bis 1938 keine Dividenden ausgezahlt werden. Erst der Kriegsausbruch liess die Anzahl Bestellungen deutlich ansteigen. Die Produkte der MFO waren während des Zweiten Weltkriegs gefragt, da viele ausländische Fabriken kriegsbedingt ihre Produktion einstellen mussten. Zudem mussten zerstörte Infrastruktur im Bereich der Elektrizitätsproduktion und -verteilung, aber auch defekte Lokomotiven, die für den Transport von Menschen und Gütern von herausragender Bedeutung waren, ersetzt werden. Der zeitweilige Wegfall der alliierten Länder als Exportdestinationen konnte gut mit dem Inlandsabsatz aufgefangen werden: Die Modernisierung der Kraftwerke, die Elektrifizierung der Haushalte und der Ausbau der Eisenbahninfrastruktur in der Schweiz schritten trotz des Kriegs weiter voran. Problematisch war die durch den Militärdienst bedingte häufige Abwesenheit des Personals. Die Materialversorgung der Fabrik konnte dank der Handelspolitik des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements weitgehend sichergestellt werden. Daneben sammelte man Alteisen, um es einzuschmelzen und wiederzuverwerten, ersetzte Kupfer teilweise durch Aluminium und überliess die Beschaffung von Dynamoblechen und Kupfer den ausländischen Kunden.

Insgesamt kam die MFO gut durch den Krieg, viele strukturelle Probleme blieben allerdings ungelöst. Das Sortiment war zu breit und bestand zudem aus Einzelanfertigungen auf Kundenwunsch. Serienprodukte gab es nicht. Hinzu kamen Schwierigkeiten mit langen Lieferfristen und zu tief angesetzten Preisen, die am Schluss die Kosten nicht deckten. Als Firma mit einem weltumspannenden Marktgebiet war man mit einer einzigen zusätzlichen Produktionsstätte in Frankreich ausserordentlich schwach internationalisiert. Gerade bei Staatsaufträgen, wie sie im Bereich der Energiegewinnung und -verteilung sowie der Bahninfrastruktur üblich waren, ergab sich daraus ein grosser Nachteil: Der Staat bestellt lieber bei einheimischen Produzenten. Umso dringender erschien es Hans Schindler, den Exportmarkt China frühzeitig zu beackern, noch bevor im September 1945 auf der ganzen Welt die Waffen endlich schwiegen.

MFO-Generator in Innertkirchen als Sujet auf einer Ersatznote der Schweizerischen Nationalbank. Entwurf: Hans Erni, 1941.

Die Ehepaare Hans und Ilda Schindler sowie Rudolf und Bausi Huber zusammen mit Max Huber am MFO-Landitag, 1939.

Die Moralische Aufrüstung

Nach der wenig erfolgreichen Chinareise liess Hans Schindler das Tagebuchschreiben vorerst bleiben. Erst am 18.Dezember 1945 fing er wieder an, angeregt durch einen «netten Abend» mit seiner Frau Ilda und seiner ältesten, mittlerweile 15-jährigen Tochter Annemarie, die ihn offenbar dazu ermutigt hatten. Mit der Geburt der drei «Kleinen», Hans, Elisabeth und Ruth, während des Zweiten Weltkriegs war die Familie Schindler-Baumann auf acht Personen angewachsen. Zu den Kindern hielt Hans Schindler in diesem Eintrag zusammenfassend fest: «Mama und Papa konstatieren, dass Mutz [Annemarie] recht frech ist, allerdings eher weniger als seine drei Brüder und viel weniger als die kleine Elisabeth, die allerdings erst drei Jahre alt ist.» Er sah seine Kinder während der Woche kaum und wusste mit ihnen – ausser mit den beiden ältesten Kindern, die bereits im Teenageralter waren – wenig anzufangen. Trotzdem: Gemeinsame Familienfeiern, der jährliche Besuch im Zirkus Knie mit der ganzen Familie und Theaterbesuche im Schauspielhaus gehörten neben Ferien in unterschiedlicher familiärer Zusammensetzung zum bewährten Standardprogramm. Grosszügigerweise erlaubten er und seine Frau den Kindern auch, grössere Meilensteine wie etwa die bestandene Matura in ihrem Haus zu feiern. Bei Tochter Annemarie fanden sich rund achtzig Personen zu den Feierlichkeiten im «Wyggisser» ein, darunter viele Lehrer. Buffet, Musik, Theater und Tanz bis weit nach Mitternacht waren angesagt. Schindlers Kommentar dazu: «Sehr anständiger Betrieb und anständige Produktionen.» Zu seiner Rolle als Vater wird er sich erst viel später – und nach massiver Kritik seiner Kinder – Gedanken machen.

Ilda Schindler kümmerte sich im Gegensatz zu ihrem Mann fast übersteigert um das Wohlergehen der oft kränklichen Kinder, obwohl auch sie berufstätig war und sich ausserhalb der Familie stark engagierte. Ab 1945 konnte sie neben der Tätigkeit als Ärztin im Kantonsspital Zürich zusätzlich Kurse über innere Medizin an der Schwesternschule übernehmen. Für den schweizerischen Krankenpflegebund nahm sie auch Examen ab. Ab Herbst 1946 schloss sie sich immer wieder sogenannten Rotkreuzreisen an, um in den kriegsversehrten Gebieten Deutschlands und Österreichs Kinder für einen Erholungsaufenthalt in der Schweiz auszuwählen. Die Abteilung Kinderhilfe des Schweizerischen Roten Kreuzes hatte diese Lazarettzüge initiiert. Die nach medizinischen Kriterien ausgewählten Kinder blieben meist drei Monate in der Schweiz. Sie wurden bei Gastfamilien – unter anderem auch bei den Schindlers – untergebracht oder in spezialisierten Einrichtungen hospitalisiert. Trotz des grossen externen Engagements kümmerte sie sich um Haus und Garten. Zwar hatten die Schindlers neben der Köchin, dem Kindermädchen, den zwei Zimmermädchen und den Teilzeitwäscherinnen auch einen Gärtner, doch mit einer gewissen Obsession jätete sie eigenhändig die Beete und spannte dazu auch die Kinder ein – nicht immer zu deren Freude. Zu essen gab es häufig Gemüse aus dem Garten und Eier aus dem eigenen kleinen Hühnerstall. Im Winter griff man zu selbst Eingemachtem. Extravagantes stand selten auf dem Speiseplan, ausser wenn der Vater Geschäftsfreunde einlud. Restaurantbesuche mit der Familie waren selten. Nach dem Mittagessen war es üblich, dass Ilda Schindler eine Weile stickte oder strickte. Sie war sehr uneitel und trug stets Brille und geschlossenes Haar. Trotzdem liess sie es sich nicht nehmen, ihre Kleider von einer Schneiderin nähen zu lassen. Ihr Stil war klassisch-diskret. Ganz nach ihrem Motto in solchen Dingen: So wie es sich gehört!

Neben den familiären und beruflichen Verpflichtungen ging Ilda Schindler auch ihren sportlichen Hobbys sehr intensiv nach, insbesondere waren das alpine Klettertouren. Schon während der Chinareise hatte sich Hans Schindler Gedanken gemacht, als sie sich in einem Telegramm begeistert über eine Bergsteigwoche äusserte. Er fragte sich sorgenvoll, warum seine Frau plötzlich so extreme Touren unternehme. Auch an ihre Freundin Sus Öhman schrieb Ilda Schindler, dass sie dauernd «Berggelüste» habe und «absolut angebissen» sei. Tochter Annemarie plädierte dafür, dass der Vater der Mutter solch gefährliche Sachen künftig untersagen solle. Doch Hans Schindler erwiderte, dass man sich gegenseitig weder Reisen nach China noch Kletterwochen in den Bergen verbiete.


Die Kinder von Ilda und Hans Schindler: Werner, Annemarie, Peter, Hans, Elisabeth und Ruth, um 1946.


Ilda Schindler als Dozentin an der Schwesternschule des Schweizerischen Roten Kreuzes, um 1950.

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9783039199419
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