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Читать книгу: «Der Mensch und das liebe Vieh», страница 3

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b) Die Moralfähigkeit als „anthropologische Differenz“

Im Lauf der Ausführungen wird eingehend auf die Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Differenzen zwischen Mensch und Tier zurückzukommen sein. Ein Ergebnis sei vorweggenommen: „Weder ist der Mensch nichts anderes als ein Tier noch ist er ganz anders als ein Tier. Er ist das in Differenz zum Tier lebende Tier. Sein Dasein realisiert sich als Differenzgemeinschaft zum Tier. Zu bestreiten sind daher nicht die vielfältigen empirischen Einsichten der Zusammengehörigkeit von Mensch und Tier, sondern lediglich, dass hierin schon zugänglich wird, was der Mensch im Vergleich zum Tier ist.“17 Was den Menschen vom Tier unterscheidet, ist u. a. seine Moralfähigkeit. Von einem Menschen erwarten wir, dass er Verantwortung für sein Handeln übernimmt, auch für seinen Umgang mit den Tieren. Von einem Tier fordern wir eine solche Verantwortlichkeit nicht ein. Einen Menschen, der ein Tier misshandelt, ziehen wir dafür zur Rechenschaft, einen Löwen, der einen Menschen anfällt und verletzt, ja sogar tötet, machen wir dafür nicht verantwortlich.

Menschen haben die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten zu wählen und sich für eine bestimmte zu entscheiden. Die jeweilige Entscheidung ist dabei nicht nur emotional-affektiv bedingt, sondern auch kognitiv begründet. Der Mensch kann sich einerseits seiner Emotionen vergewissern und sie kritisch reflektieren, er handelt also nicht nur „aus dem Bauch heraus“ oder bestimmten Impulsen oder Instinkten folgend, andererseits kann er vernünftig nachdenken und Gründe anführen, die seine Entscheidung bzw. sein Handeln rechtfertigen und als sittlich vertretbar ausweisen. Vereinfacht gesagt: Jemand handelt nicht nur aus Neigung oder impulsiv, motiviert durch Eigeninteresse oder Zweckdienlichkeit, sondern (auch) aus vernünftigen Gründen. Er will gewissen sittlichen Werten und Prinzipien entsprechen, von deren Richtigkeit und Verbindlichkeit er überzeugt ist, aber auch ein Ziel erreichen, das er für ethisch vertretbar hält. Willensfreiheit und Vernunftbefähigung begründen die Moralfähigkeit des Menschen. Beobachtet der Mensch sich, sein Handeln und Verhalten, wie er mit sich selbst und den Mitmenschen, aber auch mit den Tieren, der Umwelt und der Natur umgeht und zu ihnen in Beziehung steht, erfährt er sich als ein Wesen, das zu vernünftigem Wollen und Handeln befähigt und dafür verantwortlich ist, wie er diese Beziehungen gestaltet. Diese Fähigkeit, emotional reflektiert und vernünftig motiviert zu handeln, bzw. die Willensfreiheit und die Vernunft im Sinne praktischer Vernunft als Fähigkeit zur moralischen Entscheidung, markieren eine Differenz zwischen Mensch und Tier. Wie im Detail aufzuzeigen sein wird, bedeutet diese Differenz weder die Leugnung der Gemeinsamkeiten zwischen Mensch und Tier, noch begründet sie einen Ausschluss der nichtmenschlichen Lebewesen aus der moralischen Gemeinschaft. Das bedeutet: Auch wenn die nichtmenschlichen Lebewesen keine moralischen Subjekte im eben beschriebenen Sinn sind, sind sie moralische Objekte, d. h., dass der Mensch für das Verhalten ihnen gegenüber rechenschaftspflichtig ist. Der Mensch trägt Verantwortung für die Folgen seines Handelns und Verhaltens, als auch dafür, wie es sich auf die anderen – inklusive der Tiere und der Umwelt – auswirkt.

Der Verantwortungsbegriff setzt voraus, dass das handelnde Subjekt Urheber seiner Handlung ist und frei handeln kann. Eine Handlung lässt sich damit nicht – jedenfalls nicht zur Gänze – angemessen durch Rekurs auf sie bedingende äußere und innere Faktoren verstehen, etwa auf die äußeren Umstände, auf evolutionsbiologische Mechanismen oder die psychische Disposition eines Menschen. Nur unter dieser Bedingung wird ein Mensch zu einem verantwortlichen Subjekt. Als solches handelt er nicht (nur) aus Zweckmäßigkeit oder Neigung, sondern immer auch um des sittlich Richtigen wegen, um das er weiß – sei es mit dem zunächst noch unthematisierten, d. h. vorreflexiven „moralischen Gespür“, von dem bereits die Rede war, sei es im Sinne von vernünftig reflektierten und erkannten sittlichen Einsichten. Dem sittlichen Wissen wohnt ein verbindlicher Charakter inne, der als solcher nicht zur freien Disposition steht. Verantwortung erwächst aus der persönlichen Einsicht in das sittlich Richtige und in die Folgen des Handelns. Das moralische Gespür beispielsweise, dass es sittlich falsch ist, einem empfindungsfähigen Lebewesen Schmerzen zuzufügen, verpflichtet mich, Schmerzzufügung zu vermeiden – und wenn ich es trotzdem tue, unterliege ich hierfür der Rechenschaftspflicht, d. h. dass ich entsprechend vernünftige und gewichtige Gründe dafür aufweisen muss.

Verantwortliches Handeln bedarf schließlich neben dem genannten sittlichen Wissen auch der Sachkenntnis in Bezug auf das Handlungsobjekt. So macht es z. B. einen Unterschied, ob ein Organismus fähig ist, Schmerzimpulse im Sinne eines Reiz-Reaktions-Schemas zu verarbeiten, oder ob ein Individuum sie auch subjektiv als eine negative Empfindung wahrnehmen kann; und es macht einen Unterschied, ob ein Lebewesen zu kognitiven Leistungen fähig ist, die auf Selbstwahrnehmung und Ich-Bewusstsein schließen lassen, oder nicht. So wissen wir heute beispielsweise, dass Fische sehr wohl schmerzempfindlich sind und physiologisch die Voraussetzungen dafür haben, Schmerzen auch subjektiv wahrzunehmen, und dass Tiere wie Primaten, Delfine, Wale usw. die soeben genannten kognitiven Fähigkeiten besitzen. Diese naturwissenschaftlichen und verhaltensbiologischen Erkenntnisse sind von eminent ethischer Relevanz, sie bestimmen nämlich mit, was es bedeutet, sich diesen hochentwickelten und hochsensiblen Tieren gegenüber verantwortlich zu verhalten. Dabei bleibt in besonderer Weise die Tatsache zu berücksichtigen, dass uns gerade die faszinierenden Erkenntnisse der gegenwärtigen Verhaltensbiologie zugleich deutlich machen, wie wenig wir noch über bestimmte Tiere wissen. Unser Umgang mit den Tieren steht deshalb immer unter einem gewissen Vorbehalt eines möglichen Nichtwissens von ethisch relevanten Aspekten. Dieser Vorbehalt mahnt zu Zurückhaltung und Vorsicht.

c) Tiere als Mitglieder der moralischen Gemeinschaft

Die Forderung, Tiere als moralische Objekte und damit als Adressaten moralischer Verpflichtung anzuerkennen, bedeutet, sie in die moralische Gemeinschaft einzuschließen. Die Auswirkungen des menschlichen Handelns auf die Tiere sind Teil der menschlichen Verantwortung und damit sittlich rechenschaftspflichtig. Wir Menschen sind verantwortlich für unseren Umgang mit Tieren, allerdings – und hier wird die angesprochene anthropologische Differenz wiederum deutlich – nicht vor den Tieren. Ein Tier kann vom Menschen nicht Rechenschaft einfordern, wie er seine Verantwortung für es wahrgenommen hat. Menschen hingegen sind nicht nur füreinander verantwortlich, sondern können auch voneinander Rechenschaft verlangen: Sie sind für den anderen verantwortlich, aber auch vor ihm. Ein Kind kann beispielsweise seine Eltern zur Rechenschaft ziehen dafür, wie sie ihrer Verantwortung für ihr Kind nachgekommen sind, d. h., dass die Eltern für ihr Kind und auch vor ihm verantwortlich sind.18 Tiere stellen im Unterschied zum Menschen keine moralische Instanz dar, vor der der Mensch zur Verantwortung gezogen werden kann, aber sie sind moralische Objekte, für die er Verantwortung trägt.

In der vorliegenden Publikation wird an zentraler Stelle der tierethische kategorische Imperativ formuliert: Handle so, dass du die Tiere sowohl im einzelnen Individuum wie in der Gesamtgemeinschaft der Tiere nie bloß als Mittel zur Befriedigung eigener Interessen und Bedürfnisse brauchst, sondern ihnen zugleich auch entsprechend ihren je eigenen artspezifischen und individuellen Bedürfnissen, emotionalen Vermögen und kognitiven Fähigkeiten gerecht wirst.19 Sprachlich knüpft diese Formulierung an den kategorischen Imperativ von Immanuel Kant an. Im vorliegenden Kontext ist die Anekdote interessant und erwähnenswert, dass Kant über den kategorischen Imperativ nachzudenken begonnen hat, nachdem er eine für ihn zunächst unerklärliche Beobachtung bei Schwalben gemacht hatte. Sein wissenschaftlicher Assistent Ehregott Andreas Ch. Wasianski überliefert, wie Kant bei einem Spaziergang am Boden tote Schwalbenjunge sah, die von den Elternvögeln aus den Nestern geworfen worden sind. Die Erklärung für dieses Verhalten fand er darin, dass die Schwalbeneltern aufgrund von Futtermangel die schwächeren Jungen aus den Nestern drängen, um die anderen ausreichend ernähren zu können. Fasziniert von diesem „verstandesähnlichen Naturtrieb, der die Schwalben lehrt, beim Mangel hinlänglicher Nahrung für alle Jungen einige aufzuopfern, um die übrigen zu erhalten“, begann er, über ein Gesetz nachzusinnen, das den Menschen ebenso sicher leiten kann wie die Instinkte die Tiere.20

Doch zurück zum tierethischen Ansatz, der in der vorliegenden Publikation entfaltet und begründet wird: Das Wissen, das wir über Tiere haben, macht Sinnwerte einsichtig, die auch in die Wirklichkeit von Tieren eingeschrieben sind und die es zu achten gilt. Es wird entsprechend dem oben eingeführten Ethikverständnis für den Menschen in dem Moment ethisch relevant, in dem er Kenntnisse über die artspezifischen und individuellen Bedürfnisse, die emotionalen Vermögen und kognitiven Fähigkeiten von Tieren erlangt und sobald sein Handeln und Verhalten sich auf Tiere auswirkt, sei es im direkten Umgang mit den Tieren, sei es indirekt durch den Konsum von tierischen Produkten. Verantwortlichkeit bedeutet, dass jemand die unterschiedlichen Aspekte, Umstände, Folgen usw. seines Handelns bedenkt und in seinen Entscheidungen berücksichtigt. Tierethische Forderungen ergeben sich in diesem Sinne zuallererst aus der Moralität menschlichen Handelns, sodass sie weder im Tier als solchem noch in den Interessen bzw. Zwecksetzungen des Menschen zu begründen sind. Auch wenn auf die tierethisch intensiv diskutierten Fragen einzugehen sein wird, ob (manche) Tiere als Personen angesehen werden können, ob bzw. in welchem Sinn sie als Rechtsträger gelten können, ob bzw. in welchem Sinn Tiere eine Würde haben usw., liegt der Akzent des hier zu entfaltenden Ansatzes auf der sittlichen Verantwortung des Menschen, den in der Wirklichkeit von Tieren vorfindbaren Sinnpotentialen gerecht zu werden. Dieser Ansatz knüpft damit weniger an die unterschiedlichen Tierrechtstheorien an, denen zufolge die Pflichten des Menschen gegenüber den Tieren in Rechten oder im moralischen Status von Tieren zu begründen sind,21 sondern an den Anliegen des Tierschutzes, der sich am Tierwohl orientiert22 und – wie schon gesagt – die Pflichten des Menschen gegenüber den Tieren in der Moralfähigkeit des Menschen begründet. Diese Verhältnisbestimmung von Tierethik und Tierschutz durchzieht die vorliegende Publikation wie ein roter Faden. Etwas vereinfacht formuliert: Die Begründungslast, wie der Mensch Tiere behandeln und mit ihnen umgehen soll bzw. dass er dem Tierwohl nicht schaden, sondern es fördern soll, liegt nicht bei den Tieren, sondern beim Menschen und seiner Moralität.

Mit der Betonung, dass es um die Berücksichtigung von artspezifischen und individuellen Aspekten seitens der Tiere geht, denen der handelnde Mensch gerecht werden soll, wird auch deutlich, dass es „die“ Tierethik nicht gibt. Es gibt nämlich nicht „das“ Tier, sondern es gibt eine enorme Vielfalt von unterschiedlichsten Tierarten, die untereinander sehr divergent sein können, sodass der Unterschied zwischen Menschen und einigen Tierarten geringer ist als zwischen vielen Tierarten. Bei der Frage der Ähnlichkeit geht es nicht nur um die stammesgeschichtliche Verwandtschaft zwischen Menschen und einigen Tierarten, sondern auch um die evolutionsbiologische Entwicklung von vergleichbaren Verhaltensweisen sowie emotionalen und kognitiven Fähigkeiten aufgrund von sozial strukturierten Interaktionen bzw. der Anpassung an strukturierte Sozialsysteme. Ebenso ist das einzelne Tier nicht nur als ein Vertreter seiner Art zu sehen, sondern als Individuum mit einem individuellen Eigenwert und – je nach Stufe der organischen und psychischen Entwicklung einer Art – mit einem eigenen Temperament und Charakter bis hin zur Fähigkeit eines rudimentären Ich- und Identitätsbewusstseins.23

Tierethik wird schließlich nicht nur als „Bereichsethik“ der angewandten Ethik verstanden. Wie schon angeklungen ist, geht es in ihr auch ganz grundsätzlich um das Selbstverständnis des Menschen sowie um die Grundfragen der Ethik. Wie sich im Lauf des Buches zeigen wird, betrifft sie auch die unterschiedlichsten Bereiche von Ökologie, Ökonomie, Medizin usw. bis hin zu Fragen der sozialen Gerechtigkeit.24

4.„Weh dem, der vor dem Leid eines Tieres die Augen verschließt …“

Insgesamt versteht sich dieses Buch als eindringlicher Appell zu einem humaneren Umgang mit den Tieren und zu einem bewussteren Konsumverhalten und Lebensstil hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Tiere. Die Einleitung abrundend, soll nochmals der Bogen zur theologischen Motivation gespannt werden. Oft wird argumentiert, dass den Tieren und den Fragen der Tierethik in Theologie und Kirche nicht zuletzt deshalb zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde und wird, weil zumal im Neuen Testament den Tieren kein besonderer Stellenwert zukommt. Abgesehen davon, dass diese Annahme so nicht zutreffend ist (wie aufzuzeigen sein wird), gibt es in apokryphen Texten, d. h. in Schriften aus der frühchristlichen Zeit, die nicht in den biblischen Kanon aufgenommen worden sind, Überlieferungen, in denen Jesus als Freund, Heiler und Befreier nicht nur der Menschen, sondern auch der Tiere dargestellt wird. Stellvertretend für viele solche Erzählungen soll eine Perikope koptischen Ursprungs angeführt werden. In ihr kommen einige zentrale tierethische Forderungen und Anliegen zur Sprache, wie: Misshandle kein Tier und füg ihm keine Schmerzen zu! Ein Tier ist keine Sache, und über es zu verfügen bzw. es zu besitzen berechtigt nicht dazu, mit ihm zu tun und zu lassen, was man will. Wie du ein Tier behandelst, wird letztlich auf dich selbst zurückfallen. Auch ein Tier hat Anrecht auf Mitleid. Verschließ deine Augen nicht vor dem Leid der Tiere!

„Und es begab sich, dass der Herr auszog aus der Stadt und ging über das Gebirge mit seinen Jüngern. Und sie kamen an einen Berg, dessen Straße war steil. Allda fanden sie einen Mann mit einem Esel. Das Tier aber war niedergestürzt, denn er hatte es überladen, und er schlug es, dass es blutete. Und Jesus trat zu ihm und sprach: Mensch! Was schlägst du dein Tier? Siehst du nicht, dass es Schmerzen leidet? Der Mann aber antwortete: Was geht es Euch an? Ich darf es schlagen, soviel es mir gefällt. Denn es ist mein Eigentum, und ich habe es gekauft um ein gutes Stück Geld. Frage die Leute, die bei dir sind! Denn sie kennen mich und wissen darum. Und einige von den Jüngern sprachen: Ja, Herr; es ist so, wie er sagt. Wir haben gesehen, wie er es gekauft hat. Aber der Herr sprach weiter: Sehet denn nicht auch ihr, wie es blutet, und höret denn nicht auch ihr, wie es jammert und schreit? Sie aber antworteten und sprachen: Nein, Herr; dass es jammert und schreit, hören wir nicht. Jesus aber ward traurig und rief: Wehe euch, dass ihr nicht hört, wie es schreit und klagt zum himmlischen Schöpfer um Erbarmen, dreimal wehe aber dem, über welchen es jammert und schreit! Und er trat herzu und rührte es an. Und das Tier stand auf und seine Wunden waren heil. Zu dem Manne aber sprach Jesus: Nun, treibe weiter; und schlage es hinfort nicht mehr, auf dass auch du Erbarmen findest.“25

TEIL 1

1.Der Mensch – weder Mittel- noch Höhepunkt der Schöpfung
Ein verantwortungsethisches Verständnis der Gottebenbildlichkeit

Für die christliche Umwelt- und Tierethik ist das biblische Verständnis sowohl der Gottebenbildlichkeit des Menschen als auch des Herrschaftsauftrages, denen wir in Gen 1,26–28 begegnen, wichtig. Aus der Gottebenbildlichkeit ergeben sich bedeutsame Implikationen hinsichtlich der Frage, was den Menschen aus der biblischen Sicht vom Tier unterscheidet, aus dem Herrschaftsauftrag hingegen für die Problematik, wie sich der Mensch der Natur und besonders den Tieren gegenüber verhalten soll.

Zunächst eine grundsätzliche Vorbemerkung: Die entsprechenden Verse aus den ersten Kapiteln des Buches Genesis werden im Folgenden nicht als eine Art Bericht gelesen, wie Schöpfung geschehen ist, sondern als der Versuch darüber nachzudenken, was der Mensch um sich herum vorfindet und wie er sich in seiner Beziehung zu sich selbst sowie zu seiner natürlichen Umwelt erfährt. Es geht also nicht um Ursprung und Entstehung der Welt, als vielmehr um die Deutung von zutiefst menschlichen Erfahrungen der Geschöpflichkeit und wie sich der Mensch zur außermenschlichen Natur verhält.26 Die Erzählung von Schöpfung und Paradies stellt in dieser Perspektive vielmehr eine Art an den Anfang projizierte Vision davon dar, wie die Welt sein könnte, wenn es auf ihr kein Leid geben würde. In der Paradieserzählung in Gen 1–3 begegnen wir also einer tief im Menschen angelegten Ahnung, wie die vollkommene bzw. die vollendete, d. h. die von Leid und Übel erlöste Welt ausschauen könnte. Theologisch spricht man deshalb von der eschatologischen Dimension der Schöpfungserzählung, weil es um die letzte Hoffnung auf Heil und Vollkommenheit geht. Dabei ist interessant, dass die biblischen Autoren darüber nachgedacht haben, dass viel des Leids und Übels, dem der Mensch in der Welt begegnet ist, von Menschen zu verantworten ist, denn der Mensch hat die ambivalente Macht, Leben zu töten oder zu schützen, Lebensräume zu zerstören oder zu pflegen. Natürlich fügen auch andere Lebewesen einander Leid zu, etwa Raubtiere, die Beutetiere reißen. Allerdings – und darüber reflektieren die biblischen Autoren eingehend – ist der Mensch als einziges Lebewesen in der Lage, Rechenschaft für das abzulegen, was er tut; also auch dafür, dass er im Unterschied zu den Tieren dem Leben anderer Lebewesen auch dort nachstellt, wo dies nicht nur seinem Überleben dient, sodass seine konkrete Verfügungsmöglichkeit weit über die bloße Nutzung dieser Lebewesen zur eigenen Lebenserhaltung hinausgeht.

Doch nun im Detail zu den beiden Fragen: Was bedeutet die Gottebenbildlichkeit des Menschen und wie ist der Herrschaftsauftrag zu verstehen? Dabei soll die Schöpfung des Menschen im Kontext der Erschaffung der Tiere angeschaut werden, die am fünften (Vögel und Wassertiere) und sechsten Schöpfungstag (Landtiere und Menschen) stattfindet. Im Folgenden wird die Übersetzung der revidierten Elberfelder Bibel (2006) verwendet, die sich durch ihre Nähe zum hebräischen Urtext auszeichnet.

Vers 20 Und Gott sprach: Es soll das Wasser vom Gewimmel lebender Wesen wimmeln, und Vögel sollen über der Erde fliegen unter der Wölbung des Himmels! 21 Und Gott schuf die großen Seeungeheuer und alle sich regenden lebenden Wesen, von denen das Wasser wimmelt, nach ihrer Art, und alle geflügelten Vögel, nach ihrer Art. Und Gott sah, dass es gut war. 22 Und Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und vermehrt euch, und füllt das Wasser in den Meeren, und die Vögel sollen sich vermehren auf der Erde! 23 Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: ein fünfter Tag. 24 Und Gott sprach: Die Erde bringe lebende Wesen hervor nach ihrer Art: Vieh und kriechende Tiere und wilde Tiere der Erde nach ihrer Art! Und es geschah so. 25 Und Gott machte die wilden Tiere der Erde nach ihrer Art und das Vieh nach seiner Art und alle kriechenden Tiere auf dem Erdboden nach ihrer Art. Und Gott sah, dass es gut war.

26 Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen in unserm Bild, uns ähnlich! Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze Erde und über alle kriechenden Tiere, die auf der Erde kriechen! 27 Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie. 28 Und Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, und füllt die Erde, und macht sie euch untertan; und herrscht über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf der Erde regen! 29 Und Gott sprach: Siehe, ich habe euch alles Samen tragende Kraut gegeben, das auf der Fläche der ganzen Erde ist, und jeden Baum, an dem Samen tragende Baumfrucht ist: es soll euch zur Nahrung dienen; 30 aber allen Tieren der Erde und allen Vögeln des Himmels und allem, was sich auf der Erde regt, in dem eine lebende Seele ist, habe ich alles grüne Kraut zur Speise gegeben. Und es geschah so.

31 Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: der sechste Tag.“

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442 стр. 4 иллюстрации
ISBN:
9783702236359
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