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2 Leuchtendes Schwarz

Ein leuchtendes Schwarz. Heterogen durch ein glimmerndes Leuchten. Aus dem Inneren kommend. Ein vielfältiges, unterschiedliches Schwarz. Pulsierend, changierend. Ein strahlendes Schwarz. Uneben, reflektierend. Leuchtend. Es betont die Farben, ist ihr Verbündeter, ihr Mentor, drängt sich nicht in den Vordergrund. Es ist einfach da. Ist die Bühne für die Unterschiedlichkeit. Es bringt die Individualität, die individuellen Stärken und Schwächen, die ganz privaten Emotionen zum Leuchten. Immer anders, immer neu. Ein niemals gleiches, schwarzes Leuchten.

Isar-Frühling

Blattlose Sträucher, Büsche, Bäume säumen Knospen sprießend die Ufer, das breite Kiesbett. Graubraune Grasflächen beginnen sich wieder einzufärben. Weitgehend ungehindert erreichen die noch kalten Sonnenstrahlen das Wasser, bevor später die die Zweige neu bedeckenden Blätter, einen Großteil der Sonne einfangend, als Farbfilter dienend die Flusslandschaft in warmen Tönen erscheinen lassen. Schmelzwasser spült aufgewühlte Erde, weggeschwemmten Lehm, ausgewaschene Kiesel, entwurzelte Bäume in einem reißenden Strom durch das sich rasch füllende Kiesbett. Regen lässt die Wassermassen anschwellen und erfüllt die den Fluss umgebende Landschaft mit einem intensiv erdigen, schlammigen Geruch. Das Wasser rauscht mit hoher Geschwindigkeit durch das Kiesbett. Gelblichbraun erst, dann karamellbraun bis hin zu dunkelgrünbraun.

Das Wasser überschwemmt angrenzende Auen, Wege, Straßen. Panische Ratten retten sich quietschend auf Ufermauern und erhöht liegende Steine. Braunes Wasser quillt aus Gullischächten. Zurück bleiben auf Kiesbänken und in Flusskurven gestrandete Bäume und Äste, schlammüberzogene Wiesen, deren Grashalme in Strömungsrichtung ausgerichtet, plattgedrückt am Boden liegend, sich langsam wieder erholen. Unterspülte Wege, angefressene Ufer. Würziger Geruch der allmählich blühenden Pflanzen legt sich über die Flusslandschaft, der Fluss immer undurchlässiger eingerahmt und abgeschottet von mit dichtem Laub bedeckten Pflanzen und Bäumen, von hochwachsendem Gras und schilfbedeckten Ufern. Immer bunter werden die bewachsenen Uferbereiche, das Wasser erscheint in einem stetig intensiver werdenden Türkis, die Sonne leuchtet die noch schüchterne Szenerie aus. Regenschauer lassen die Farben leuchten, die Pflanzen glänzen. Weichen die Erde zu einer matschigen Fläche werdend auf. Trocknend durchzogen von Spuren und Rillen, ein braunes Relief hinterlassend. Gefüllt mit Regenwasser.

Sonne wechselt sich mit Regenschauern ab, in der Mittagshitze Schwüle verbreitend, in den noch kühlen Abendstunden angenehme Frische anbietend. Die Landschaft vom Winter kommend erst noch kahl und braun, sich zum Sommer hinbewegend immer intensiver grün und leuchtend bunt gefärbt. Die Kiesbänke in der Isar färben sich, durch die sprießenden Pflanzen einen grünen Schimmer bekommend, von hellgrauweiß langsam farbig ein. Die vormals ungehinderte, freie Sicht immer mehr einschränkend. Regen weicht zunehmend Sonnenschein, durch die Blätter dringend helle Sonnenstreifen werfend, Muster an Bäumen und am Boden bildend. Lauter werdende Geräusche der Fauna bilden einen akustischen Hintergrund zu den visuellen, sich verstärkenden Reizen. Ein sich bewegendes Rascheln, ein zwitschernder Schatten, ein weißer, sich spritzend ins Wasser tauchender Schwanenhals.

Schwarzfröhlich

Schwarz ist eine Melange. Bestehend aus diversen, sich abwechselnd in den Vordergrund schiebenden Bestandteilen. Mit verschiedenen Texturen, haptisch. Rau, geriffelt, körnig, piksend, glatt. Es überrascht, ist spannend, fühlt sich abwechslungsreich an, sieht vollkommen unterschiedlich aus, schmeckt niemals gleich. Definiert sich ständig neu. Neue Mischung, neue Bestandteile, neue Struktur. Heterogenes Schwarz.

Das dauergraue Wetter hat sich verzogen. Die Sonne scheint bei blauem Himmel. Die Bäume und Büsche an den Isarufern sind noch kahl, im Unterholz liegt noch eine dünne weiße Schneeschicht. Es zieht ihn raus an die Isar. Er läuft locker. Auf den noch gefrorenen Wegen. Von der Sonne geschmolzenes Wasser überzieht das die Wege bedeckende Eis mit einer dünnen Wasserschicht. Dazwischen überall Pfützen, noch relativ klar, weil der Boden noch gefroren ist. Nur die oberste Erdschicht beginnt zu tauen, wird unter den Füßen und Fahrradreifen weich. Es macht ihm nichts aus durch das Schmelzwasser zu laufen, über den angetauten Boden. Bei jedem Schritt das Wasser aufwirbelnd. Das Wasser durchweicht kalt die Schuhe, spritzt an den Beinen hoch. Er läuft. Bei jedem Schritt automatisch, fast mechanisch aufpassend den Fuß so aufzusetzen, dass er nicht auf der wasserbedeckten Eisschicht wegrutscht.

Er genießt die frische, noch kühle Luft, die schon wärmenden Sonnenstrahlen. Die Isar, noch eiskalt, rauscht türkisfarben neben dem Weg dahin. Die leichten Wellen und die kleinen im Gestrüpp am Flussrand festgefrorenen Eisklumpen glitzern im Sonnenlicht. Er läuft, spürt die wechselnde Konsistenz des Bodens. Umläuft Eisplatten, weicht tieferen Pfützen aus, läuft teilweise auf dem noch schneebedeckten Grasstreifen am Rand des Weges. Läuft an fröhlichen zu warm oder zu kalt, nie richtig gekleideten Menschen vorbei. Er läuft durch eine Auenlandschaft irgendwo im Raum zwischen Winter und Frühling. Jeden Schritt genießend, ohne Eile. Lässt sich treiben, die Gedanken schweifen. Das Vogelgezwitscher kaum wahrnehmend als motivierendes Hintergrundgeräusch. Schwäne und Enten schwimmen in der Sonne träge vor sich hin. Stehen das Gefieder putzend im flachen Kiesbett am Flussrand. Er lässt die Eindrücke ungefiltert auf sich wirken, er läuft Schritt für Schritt. Immer weiter dem Flusslauf folgend. Je weiter er sich vom Stadtzentrum entfernt, desto stärker ist der Boden noch gefroren, desto weniger Wasser steht auf den Wegen, desto reiner, ruhiger, unberührter wirkt die sonnenbeschienene Landschaft.

Er läuft, während von unten die Kälte durch die Schuhe dringt und von oben die Wärme den Schweiß fließen lässt. Er fühlt sich unbeschwert, frei. Und läuft. In vertrauter Gesellschaft des Flusses. Seine Blicke gehen häufig zur Seite. Um ihn zu sehen, ihm zuzuschauen. Zu sehen, wie er sich Meter für Meter verändert. Nie langweilig ist. Immer da ist. Das ganze Jahr über. Verlässlich, charaktervoll, von unterschiedlicher Stimmung. Heute ist er von fröhlicher Kälte, wie er selbstgenügsam vor sich hinfließt ohne das Kiesbett zu verlassen. Er läuft auf eine Isarbrücke, sieht, wie der Fluss sich cyanblau leuchtend durch die noch kahlen Bäume zieht, die Wasseroberfläche durchbrochen von den weiß leuchtenden Kiesbänken. Auf denen vereinzelt noch schneebedecktes Totholz liegt. Das Weiß der Kiesel nur oberflächlich, von Ferne betrachtet weiß. Von Nahem gesehen ein diverses, heterogenes Gemenge an weißlich angeschliffenen, buntgefärbten, unterschiedlichsten Steinen. Je weiter er läuft, je später es wird, desto weiter hat die Sonne den Boden aufgetaut. War der Boden bis jetzt weich federnd, so wird er nun schmierig matschig. Von den Schuhsohlen spritzt jetzt kein Wasser mehr nach oben an seine Beine, sondern Matsch. Er läuft nun in größeren Bögen um die matschigen Wegteile herum. Muss manchmal über den Matsch, über Pfützen hinweg springen. Es stört ihn nicht. Er läuft. Ohne konkretes Ziel vor Augen. Seiner gelösten Stimmung folgend. Die Natur, die Isar beobachtend und doch tief versunken in seine Gedankenwelt.

Schwarzdurstig

Schwarz ist Schwarz. Aber anders. Schwarz ist Routine. Immer gleich. Aber anders. Schwarz ist Gewohnheit, Gelerntes, erwartetes Verhalten. Aber anders. Schwarz ist anders, weil jedes Schwarz immer von Neuem neu ist. Weil es immer neu produziert wird, immer im Fluss ist, immer in Bewegung, immer anders. Schwarz ist eine individuelle Illusion, auf immer neue Situationen übertragen. Vor dem inneren Auge wirkt es gleich, ist aber anders. Das andere Schwarz ist auch schwarz.

Er läuft. Er liebt es im Dunkeln zu Laufen. Am liebsten dort, wo keine Lichter die Dunkelheit stören. Er läuft für die Ruhe, die Entspannung, die Gedankenleere. Er läuft immer an der Isar, viel und gerne. Das Anziehen der Laufsachen und das Zuschnüren der Laufschuhe, sobald er von der Arbeit nach Hause kommt, sind wie ein innerlicher Lichtschalter. Einmal umgelegt, nachdem die innerliche, psychische Schwelle überwunden ist, weist das schwarze Licht einen Weg zur Energie. Die braucht er. Unbedingt. Um den nächsten Tag angehen zu können. Unabhängig vom Wetter, einmal auf der Strecke, an der Isar, zählt nur das Laufen. Der Isar folgend. Im Einklang mit der jeweiligen Präsenz der Isar, beeinflusst von Wetter, Jahres- und Tageszeit.

Er spürt die positive Wärme, die vom Schwarz der Dunkelheit ausgeht. Es strahlt die tagsüber gespeicherte Hitze ab, kontrolliert, beständig, berechenbar, angenehm. Während das Licht eine eher harte, blendende, störende Reflektion für ihn ist. Er liebt es, wenn die Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen und Landschaft, Hindernisse, Menschen sich immer klarer vor dem Schwarz der Nacht abzeichnen, während er selbst im Schatten der Dunkelheit läuft. Niemals würde er eine Stirnlampe oder Reflektoren benutzen, die dieses Gefühl zunichtemachen. Er liebt die Geräusche der Nacht, die in der Dunkelheit verborgen viel deutlicher zu hören sind als am Tag. Er hat versucht beim Laufen Musik zu hören, die Leichtigkeit und Beschwingtheit der Musik als Basis zu nutzen. Aber dann vermisst er das Gefühl für die Umgebung, die Geräusche intensiv wahrnehmen zu können. Daher verzichtet er auf Musik. Er will sich ganz auf das Laufen und die Natur konzentrieren. Er will nicht abgelenkt, gestört werden. Er will eine Auszeit haben von Verpflichtungen, Erreichbarkeit und Konsum. Daher lässt er auch sein Smartphone zu Hause, wenn er läuft.

So läuft er Schritt für Schritt in eine andere Welt, die im Schatten liegt, die dunkel ist, die schwarz ist, die schön ist, die sich gut anfühlt. So befreit er sich von der Last des Tages. Durch das Rauschen der Isar, den erdigen Geruch nach starken Regenfällen, das weiße Glitzern des Schnees im Dunklen, die Sterne am schwarzen Horizont, das Knarzen der alten Bäume, das Knirschen des Sandes unter den Schuhsohlen, das angestrengte Fokussieren auf den Weg, Unebenheiten und Hindernisse. So findet er Ruhe. Durch das dem Lauftempo angepasste Atmen, durch den mit der Anstrengung variierendem Herzschlag, durch den rinnenden Schweiß, durch die stechende Kälte der eisigen Luft des Winters in der Lunge und auf der Haut. Durch den feuchten Film auf der Haut in der abendlichen Schwüle des Sommers. So entdeckt er neue Pfade im Dickicht der möglichen Handlungsalternativen. Durch das ungerichtete Schweifen der Gedanken, durch das ziellose Fantasieren, durch das Fokussieren auf das Physische. Durch das Zulassen von Unerwartetem. Durch das reizreduzierte Schwarz. Das kontrastbetonende Schwarz, das die Farben bunter macht und das Grau verschluckt. So findet er Zeit für sich in einer überfüllten Stadt.

Im Dunklen sind die Wege, wie auch früh morgens, leerer als tagsüber. Weniger Spaziergänger, weniger Kinderwägen, weniger Fahrräder, weniger Läufer. Weniger von allem. Weniger Ablenkung, weniger Stress, weniger auf andere achten müssen, weniger Ausweichen, weniger vom eigenen Weg abweichen müssen. Weniger soziale Interaktion. Dankbare Isolation durch das Schwarz. Meistens zumindest. Er trägt Schwarz. Um mit der Umgebung zu verschmelzen, um soweit wie möglich zu verschwinden, um sich nicht abzuheben, um aus dem Schwarz heraus zu beobachten. Um, einem Schatten gleich, über die Strecke zu schweben, kaum wahrnehmbar, fast als wäre er nie dagewesen. Eine Illusion nur. Quasi entmaterialisiert.

Er läuft gerne spät abends, wenn die Stadt zur Ruhe gekommen ist. Wenn andere schon schlafen oder noch feiern. Wenn wenig Autoscheinwerfer, Fahrrad- oder Stirnlampen das Schwarz der Nacht zerstören, blendend zur schmerzenden Qual werden. Die Fokussierung und innere Ruhe in einen Kampf gegen das grelle Licht verwandeln. Er genießt den Freiraum, den das Schwarz schafft, den das Schwarz ihm bietet. Darum läuft er. Abends. Nachts. Im Dunklen. Im Paradies. Das würde er hartnäckig verteidigen. Gegen andere, gegen Erschließung, gegen Naherholungsaktivitäten, gegen Verkehr, gegen Licht. Vor allem gegen Licht.

Die ziellose Freiheit des Laufens erfüllt ihn. Laufen, ohne Zweck, ohne tieferen Sinn, ohne Planung, ohne Festlegung, ohne definiertes Ende, ohne Pflicht. Nur sich selbst überlassen, mit voller Entscheidungsmacht, Entscheidungskontrolle. Ganz allein verantwortlich nur sich selbst gegenüber. Herr seiner selbst. Herrscher über das Schwarz. Pacemaker seines Lebens. Er läuft für sich selbst, er misst sich nicht mit anderen, an Zeiten, an Erwartungen, an Ergebnissen. Das Schwarz ermöglicht es ihm sich abzugrenzen, sich als nur für sich selbst verantwortliches Individuum zu begreifen, andere zu ignorieren, seine eigene Geschwindigkeit zu finden. Es ist sein Lauf. Schritt für Schritt läuft er im schwarzen Dunkel der Befriedigung entgegen. Meter für Meter, Kilometer für Kilometer. Je mehr er läuft, desto weiter will er laufen, desto weiter kann er laufen, desto weiter muss er laufen. Damit das glückselige Schwarz durch seine Adern läuft, pochend, fordernd, befriedigend. Bis zur friedlichen Erschöpfung. Er kontrolliert die Geschwindigkeit, die Atemfrequenz, die Strecke, die Häufigkeit des Trainings. Das Laufen tut ihm gut, nicht zu laufen ist ein Problem. Dann vermisst er das Schwarz, die rauschenden Endorphine. Er sehnt sich nach dem nächsten Lauf, ist neidisch, wenn er andere laufen sieht, ist ungeduldig, wenn er auf den nächsten Lauf warten muss. Dann fängt sein Hirn an im Kopf zu laufen, die bekannten Strecken abzuspulen, das Glücksgefühl zu rekonstruieren. Bis zum nächsten Lauf. Dem nächsten realen Lauf. Er läuft um sein Leben, um sein Glück. Er läuft, um zu vergessen, um loszulassen, um sich zu entpflichten. Weg von Verantwortung, Pflichten, einengenden Erwartungen. Das Schwarz schützt ihn, Schritt für Schritt, Kilometer für Kilometer, Lauf für Lauf. Vor dem Leben, vor der Gesellschaft, vor dem inneren Schwarz.

Er liebt die Routine, die ständig wiederkehrenden Dinge des Alltags, die ritualisierten Abläufe. Normalerweise. Heute fühlt er sich gut, ist in der Stimmung Neues auszuprobieren. Weicht von seinen gewohnten Laufstrecken an der Isar ab. Wählt kleine Nebenwege, Trampelpfade durchs Unterholz. Eine Strecke entlang des Isarkanals. Er hat keinen festen Plan, wie er laufen will. Er entscheidet spontan. Schaut wohin ihn eine Abzweigung bringt, nur um dann die nächste unbekannte zu nehmen. Dauer und Länge spielen keine Rolle. Es geht um das Entdecken, das Neue, das Unbekannte. Er läuft ohne Ziel, folgt nur seinem Gefühl. Läuft über Baumwurzeln, auf unebenen Pfaden, über Geröll und Steinbrocken, um umgestürzte Bäume herum. Oder springt über Baumstämme drüber, duckt sich unter ihnen hindurch. Läuft zwischen hoch aufgewachsenem Gras hindurch, an ihn streifenden Büschen, Ästen, Pflanzen vorbei. Ohne Scheu, ohne nachzudenken. Auf der Suche nach interessanten Ausblicken, nach sehenswerten Objekten. Nimmt die blühenden Bäume und Blumen wahr. Spürt den würzigen Geruch der Maiglöckchen in der Nase.

Er läuft jetzt wieder an der Seite der Isar. Er schaut von rechts nach links, geradeaus, zur Seite. Lässt den Blick schweifen, läuft langsam und aufmerksam. Auf den kleinen, abseits gelegenen Wegen ist wenig los. Er begegnet nur wenigen Personen und anderen Läufern. Er bleibt immer in Bewegung, hält nicht an. Ist aber offen für alle Eindrücke, die sich ihm bieten. Die Isar an seiner Seite verändert Meter um Meter ihr Erscheinungsbild. Mal Türkisgrün, mal Smaragdgrün. Mal mit breiten Kiesstränden, mal fast uferlos, mal mit vom Wasser umspülten Kiesbänken. Mal leise gluckernd, mal monoton rauschend, mal donnernd tosend. Mal mit dichtem Uferbewuchs, mal weit geöffnet mit Auenwiesen. Mal eingezwängt zwischen hohen Ufermauern, mal frei fließend. Die kleinen Wege sind teilweise feucht, matschig, Pfützen stehen quer über den gesamten Weg. Selten sind alte Bretter oder Äste so auf dem Weg platziert, dass man trockenen Fußes an diesen Stellen vorbei kommt. Manchmal führt der einzige Weg Wasser und Schlamm spritzend nur geradeaus durch die Pfützen hindurch. Der Boden ist weich und leicht federnd, nachgiebig, dämpfend.

Obwohl hier kaum andere Personen unterwegs sind, ist Vorsicht geboten. Wie aus dem Nichts rauschen von hinten oder vorne Mountainbikes heran, hautnah an ihm vorbei und sind schon wieder verschwunden, bevor er es richtig realisiert hat. Gnadenlos rauschen sie mit maximaler Geschwindigkeit über die kleinen Wege durch das Unterholz, den Wald. Trotzdem sucht er weiterhin seine Laufstrecke im Netz der kleinen Pfade. Vorbei an verrottetem Totholz, zerbröselnd, von Insekten zersetzt, mit einer leuchtend grünen Moosschicht bewachsen, fast schon in den erdigen Waldboden integriert. Vorbei an ausgehöhlten, wie Turmruinen aufragenden Baumstämmen, an den hellgelb leuchtenden Schnittflächen frisch gefällter Bäume, die wie hingeworfen gleich daneben im Unterholz auf ihre Zersetzung warten. Vorbei an schon mit Moos bewachsenen Stapeln feinsäuberlich aufgeschichteter, auf gleiche Länge geschnittener Stämme. Vorbereitet für den Abtransport und längst vergessen. Nebendran immer die vor sich hinfließende Isar und die breiten, viel frequentierten Wege. Das Gefühl fast unberührter Natur direkt neben der Infrastruktur der Isarbewohner. Eine verführende Illusion, die sich selbst entlarvt, sobald die Füße den breiteren Weg betreten.

3 Schwarzer Schleier

Schwarze Nacht. Sichtbarmachendes Schwarz, eine lichtbetonende Bühne. Notwendiges Schwarz, ein Sternenhimmel. Schattenschluckendes, hellhöriges Schwarz. Schutzbietendes, entdeckungsverhinderndes Schwarz. Ruhebringendes, beruhigendes, angsteinflößendes Schwarz. Undurchdringliches, hartes, wandgleiches Schwarz. Bösartiges, Gewalt provozierendes Schwarz. Gütiges, weiches, umarmendes Schwarz. Nachtaktives Leben, nachtaktives, wuselndes Schwarz. Schwarz wie die Nacht.

Schwarzwolkig

Wolkiges Schwarz. Sich zusammenballend, zerstreuend, schwarz anschwellend, in Weiß auflösend. Klumpig, weich, bedrohlich, faszinierend. Nasses, feuchtes Schwarz. Zeitbegrenzt, temporär ortsbegrenzte Naturgewalt. Sich schnell verändernd, sich schnell auflösend, weiterziehend. Schwarze Illusion, nicht greifbare Materialität, gefärbte Luft. Schwammartiges Schwarz, gesättigtes Schwarz, überlaufendes Schwarz. Tropfend, dampfend, befeuchtend. Furchteinflößendes, beängstigendes, vertreibendes, in die Flucht schlagendes Schwarz. Freimachendes, Platz schaffendes Schwarz. Schwarze Watte.

Bewölkter Himmel. Die Wolkendecke durchzogen von Löchern, die hellblauen Himmel freigeben. Alles ist in Bewegung, die Wolken ziehen schnell am Himmel vorbei, geben ab und zu die Sonne frei, teilweise oder vollständig. Dann tauchen helle Sonnenstrahlen die Flusslandschaft in gelbes, warmes Licht. Die auf die Wolken treffende Sonne wirft fleckige Schatten auf die Flussauen und die Wasseroberfläche, die ebenso schnell über die Landschaft jagen, wie die Wolken selbst. Kaum bricht die Sonne durch die Wolken durch, so ist sie auch schon wieder verschwunden, bevor sie sich durch einen neuen Spalt hindurchkämpft. In der Ferne verdunkeln sich ballend die Wolken zu einer schwarzen Front, die schnell näher rückt. Während noch die Sonne durchblitzt, ergießen sich in immer schneller werdendem Rhythmus Hagelkörner auf die Landschaft. Spritzen vom Boden hoch, von den Armen, Beinen, dem Oberkörper ab, bevor sie sich unter den Sonnenstrahlen schmelzend verflüssigen ohne auch nur einen Hauch von Weiß über die Landschaft zu legen. Während sich die dunklen Wolken zunehmend wieder zu einem strahlenden Weiß aufhellen, funkelt der Schmelzwasser benetzte Boden, das Sonnenlicht reflektierend, feucht vorm Horizont.

Eben noch fast winterkalt, erwärmt sich die Luft an den sonnigen Flecken wieder zu einer frühlingshaften Temperatur. Das eigentlich ruhig vor sich hinfließende Wasser wirkt durch die schnell wechselnden Schattenbereiche unruhig, unstet, rastlos. Der Uferbewuchs, größtenteils schon grüngefärbt, erstrahlt im Wechsel entweder hellgrün leuchtend oder auf der Schattenseite dunkelgrün. Dort wo die Sonne auf die Wasseroberfläche trifft erscheint das Wasser durchlässiger, transparenter. Leuchtet selber bunter und gibt den Blick frei auf das vielfarbige Flussbett, die Kiesel und Steine, die hier kontrastreicher hervortreten, als in den vom Schatten bedeckten Wasserbereichen. Blitzt die Sonne durch die Wolken hindurch, wird auch die gesamte Umgebung, die Bäume, Blätter, das strohgelbe Schilf, mit einem Schlag kontrastreicher und bunter. Mit steigender Intensität, je nachdem wieviel Sonnenfläche freigegeben wird, um dann sofort wieder zunehmend zu verblassen, sobald sich wieder eine Wolke vor die Sonne schiebt.

Im Sonnenlicht perlt spritzend das auf Gesteinsbrocken treffende Flusswasser, bildet einen glänzenden weißen Vorhang an den Staustufen und Absätzen. Vergraut unter der geschlossen Wolkendecke zu einer stumpf fließenden Masse. Schnell zunehmender Wind treibt die Wolken in kürzester Zeit zu einer schwarzen Masse zusammen und vor sich her. Die erst dicke, vereinzelte Tropfen abgebend, schnell dichten Regen herunterprasseln lässt. Die Wasseroberfläche wird von den Regentropfen perforiert, bildet ausgehend von dem Auftrittspunkt zum Ufer hin immer größer werdende Kreise, die sich, mit zunehmendem Regen immer großflächiger überschneidend, die ganze Wasseroberfläche bedecken. Der Wind treibt den Regen fast horizontal vor sich her, lässt ihn anschwellen, bevor er, fast unvermittelt wieder in vereinzelte Tropfen übergehend, so plötzlich versiegt, wie er aufkam. Plötzlich wieder weiße Wolken reißen auf und tauchen die Landschaft von Neuem in schönstes, frühlingshaftes Sonnenlicht.

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