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Schwarzdrückend

Schwarz wie Blei. Silbern glänzend. Oxidiert, stumpf, dunkel. Drückend und bedrückend. Weder richtig schwarz noch echt silbern. Weder Fisch noch Fleisch. Weich, formbar, beeinflussbar. Schwer, dicht. Alternd, kratzanfällig, Spuren tragend. Sich ausbreitend, kaum vermeidbar. Sich anreichernd, giftig, verseuchend. Schützend, abschirmend. Nützlich und gefährlich. Bleierne Schwärze.

Wie Autobahn. Schon der Weg an die Isar ist schwierig. Um den Weg parallel zur Isar zu erreichen, muss der von Horden von so schnell wie möglich fahrenden Radfahrern bevölkerte Radweg überwunden werden. Auf Abschnitten mit gemischten Wegen schlängeln sich die Radfahrer durch Fußgängergruppen hindurch, an mehrere Kinderwägen nebeneinander schiebenden Familien vorbei, um mitten auf dem Weg stehenbleibende Personen herum. Viele der Spaziergänger mit einem Einweg-Kaffeebecher in der Hand. Nicht angeleinte Hunde tollen durch die Menschenmassen hindurch, oder ziehen meterlange neonfarbene, von den Besitzern als zu mühsam festzuhalten befundene Hundeleinen frei hinter sich her, um die Beine der Spaziergänger herum ohne dass sich jemand für sie zuständig fühlen würde. Zwischendrin und durch alles hindurch joggen einzelne Sonntagssportler oder sich zu einem Plausch zusammengefundene, sportelnde Pärchen oder Gruppen. Ein Gemenge und Gewusel aus verschiedenen bedürfnisorientierten Geschwindigkeiten, die Fußgänger und Kinderwagenschiebenden flanierend, die Hundebesitzer wartend, flanierend oder die Hunde anherrschend, die Jogger ihrer persönlichen Laufgeschwindigkeit verpflichtet, die Radfahrer so schnell wie irgend möglich, jegliches Bremsen um jeden Preis vermeidend.

München, Sonne und Wochenende. Drei Faktoren, die die Isar in Ausnahmezustand versetzen, ob im Sommer oder Winter, Frühling oder Herbst. Nur in der Ferienzeit oder zur Wiesn schwächt sich der Effekt leicht ab, ist die Isar befreit von woanders Erholungsuchenden. Die Isarauen sind bevölkert von Sonnenbadenden, Spielenden, Lesenden, Grillenden, Chillenden. Schlangen von miteinander Redenden, Lachenden ziehen sich am Ufer lang. Grillrauch und der Geruch von röstendem Fleisch steigt in die Nase. Musik schallt über die Freiflächen. Getränke liegen im kühlenden Wasser. Biertrinkende Menschen sitzen am Ufer, auf künstlich angelegten Steinstufen, auf angetriebenen, ausgebleichten Baumstämmen, Steinen oder im Gras. Ruhe fehlt. Die Isar ist Aktionsraum, Kommunikationsraum, erweiterter Wohnraum, öffentlicher Treffunkt. Die Isar wird bedingungslos integriert in das individuelle Leben. Sie ist kein Naherholungsgebiet, sie ist der ganz normale Freiraum zur Erholung im alltäglichen Leben. Ohne Aufwand erreichbar. Nutzfläche. Der Balkon garten- und balkonloser Wohnungen. Der Auslauf in kleine Wohnungen eingepferchter Menschen. Mitten in der Stadt, die Mitte der Stadt. Lebensader und gedankenlos verlebtes Kapital einer immer mehr verfettenden Stadt. Urbanisierte renaturierte Natur. Noch – fast – nicht offensichtlich kommerzialisiert. Die Auen in unmittelbarer Isarnähe nur notgedrungen erschlossen durch ein paar Menschenschlangen provozierende Kioske, ein paar wenige Biergärten und sich in ihrer blauweißen Plastikästhetik deutlich abhebende Dixiklos als improvisiertes, temporäres Dauerprovisorium. Geschuldet der kaum noch im Bewusstsein der Städter verankerten ungestümen Wildheit der sporadisch die Auen überflutenden Isar.

An schönen Wochenendabenden der Balaton Münchens. Mit Unmengen an sich selbst überlassenem Müll überhäuft werdendes Partyareal. Wild verstreut liegengelassen von selbstbezogenen Naturkonsumenten. An nicht so schönen Wochenenden und Wochentagen ist die rauere Isar echter Erholungsraum. Nicht ausgenutzt, benutzt, sondern genutzt. Weniger voll, weniger laut, weniger missachtet. Wie die Isar am Montag aus dem Wochenende aufwacht: eine Frage des Wochenendwetters, erschöpft und verdreckt oder frisch und ausgeruht.

Schwarzverschleiert

Schwarze Fülle. Die Masse ist schwarz. Vernichtet die Ruhe, das Gefühl des Alleinseins. Eine schwarze, laute Walze. Smog aus Lärm, aus Enge, aus Rücksichtslosigkeit. Schwarze Dichte. Ohne Lücken, ohne Zwischenräume, ohne Licht. Überwältigend, überrollend, plattmachend, nivellierend. Dumpf, dröhnend, pochend, eskalierend. Ohne Pause schwarz. Ohne Pause kompakt. Ohne Pause einengend. Luft nehmend, drückend, schwer. Schwarz pressende Kraft von außen. Schwarze Gewalt der drückenden Masse. Unaufhaltsam, voranschreitend, sich selbst verstärkend. Schwarz gefülltes Schwarz.

Schwarz. Er fühlt schwarz. Ein wohliges, tiefes Schwarz. Es ist nicht beängstigend oder böse. Es ist einfach da, ein Zustand, ein vages Versprechen, eine Hülle. Neutral. Es ist hell und weich, warm und kuschelig. Es ist absorbierend, ein Sog, ein leichter zwar, aber doch ein spürbarer Sog.

Je weiter er laufen muss, desto weniger kann er das Schwarz genießen. Desto mehr muss er tun, um den seligen schwarzen Zustand zu erreichen, desto kürzer wird die Spanne der Erholung, des Freiheitsgefühls, desto größer wird der innere Schmerz des vorübergehenden Verlusts des Schwarzen. Desto sehnsüchtiger schaut er dem nächsten Lauf entgegen. Desto zwanghafter wird das Verlangen zu laufen. Desto größer die Freude, wenn sich das idealisierte Schwarz einstellt. Desto größer das Verlustgefühl, wenn die Realität das Ideal verpasst. Desto mehr läuft er gegen sich selbst.

Wie aufsteigender Nebel legt sich ein schwarzer Schleier über die Seele. Zart und transparent überdeckt er alles was darunter liegt, verändert es und filtert das Licht. Er übertönt alle Nuancen und Feinheiten und entfärbt die Welt. Er dämpft Geräusche, die eintöniger werden, leiser, teilweise abgehackt und verschluckt. Bewegungen werden verlangsamt, eckiger, kantiger. Der Himmel ist nicht mehr blau. Der Himmel ist steingrau. Farblos, nicht wie Stahlgrau, das farbig eine Hoffnung trägt, die Biegsamkeit und Flexibilität des Stahls in sich trägt. Das Steingrau ist hoffnungslos starr.

Ein aufsteigendes Schwarz, die Dämmerung verheißend als Vorbote der Nacht, der Finsternis. In seiner Materialität zunächst unbefristet, ohne Ahnung einer dahinterliegenden anderen Möglichkeit. Dunkel zwar, aber noch nicht intensiv, noch nicht durchgetönt, alles durchdringend. Unter Umständen wieder verschwindend. Vielleicht nur temporär, vielleicht sich wieder verziehend. Und doch im Aufsteigen begriffen. Das Schwarz schleicht sich von außen in sein Inneres. Noch kaum merklich, von ihm nicht beachtet. Er kompensiert das aufsteigende Schwarz mit exzessiverem Laufen. Mit Erhöhung des Leistungsdrucks, mit kompromissloserem Zeitmanagement. Er setzt sich ambitionierte Ziele. Die Freude wird Gleichgültigkeit, das Aufregende weicht dem Gewöhnlichen. Er läuft weiterhin gerne, aber seine emotionale Isolation auf der Laufstrecke, auf der Arbeit, in der Gesellschaft wächst. Dünstet aus seinen Poren. Die Farben werden grauer, rücken in die Ferne. Ihm fallen zunehmend die anderen Menschen auf, die zu Hindernissen auf seiner Laufstrecke mutieren. War es früher in erster Linie motivierend in die Dämmerung, ins Dunkel hineinzulaufen, so läuft er nun später, wenn das Dunkel schon da ist. Das Schwarz sich schützend zwischen ihn und andere legt. Die Laufstrecke etwas leerer wird. Die Reize aus der Umgebung weniger werden. Das gibt ihm Sicherheit, weil es planbarer ist, weil er für andere weniger sichtbar ist, er sich der Kontrolle besser entziehen kann. Seine Gedanken werden schwärzer, eine schwarze Nebelwand lässt die Umgebung verblassen und zwingt ihn sich nur in seiner näheren Umgebung zu orientieren, sich zunehmend mit dem Nahen zu beschäftigen, den Horizont aus den Augen zu verlieren.

Mit langen Läufen kann er den schwarzen Schleier noch durchlöchern, transparenter machen, fast entfernen, temporär die Farben wieder bunt sehen, den Spaß am Laufen spüren. Ist er früher vier, fünf Brücken weit gelaufen, so läuft er jetzt sieben, acht Brücken weit. Darauf ist er stolz, jede neue Brücke ein größerer Gewinn. Brücken sind sein Maß. Das Maß seiner Reichweite, seiner Fitness. Seiner Willensstärke. Das Maß seiner Verbindung zur Isar. Der höhere Zeitaufwand erscheint nicht relevant, das Beschneiden anderer Aktivitäten sinnvoll. Das Schwarz nimmt ihm auch die Freiheit weniger Brücken weit zu laufen als beim letzten Mal. Das wäre eine Niederlage, würde den schwarzen Schleier wieder senken, verdichten. Das Laufen ist jetzt eine feste Routine, er weiß um den positiven Effekt. Er bemerkt durchaus, dass sich seine Grundhaltung im Tagesgeschehen mehr und mehr eintrübt, dass er abends erschöpfter ist als früher. Umso froher ist er, dass er ein wirksames Mittel dagegen kennt. Er reflektiert seinen Zustand, sein Verhalten, versteht, dass er handeln muss. Gegen das eintrübende Schwarz, gegen sich selbst. Und läuft.

Das Laufen wird selbst zu einem schwarzen Schleier, der andere Reaktionen, andere Handlungen verdeckt, unterbindet, verhindert. Ihn immer enger umhüllt, seine Entscheidungen beeinflusst, ihm die Sicht in die Ferne, nach draußen versperrt. Die Zeit zu laufen stiehlt er von anderen Freizeitaktivitäten, schläft kürzer. Um die Arbeitszeit zu erhalten. Das Laufen gibt ihm das Gefühl mehr Energie für die Arbeit zu haben, gibt ihm die Möglichkeit die Arbeitszeit auf Kosten der Freizeit zu verlängern. Um länger zu laufen, um mehr Energie zu haben. Um das Schwarz heraufzubeschwören, um das Schwarz aufzuhellen. Er läuft immer noch für sich selbst, aber er läuft nun auch gegen sich selbst. Ganz selbstverständlich. Immer weiter in die dichter werdende schwarze Nebelwand. Die Gefahr eines Unwetters erkennend und ignorierend. Weniger reflektierend. Zunehmend blind werdend. Sich selbst ausbeutend. Er läuft.

4 Schwarze Glut

Schwarze Finsternis. Kein Licht ohne Dunkelheit. Erhellendes, Licht verstärkendes Schwarz. Umrisse, Objekte, Gedanken verschluckendes Schwarz. Allumfassend, allumschließend, erdrückend, bedrückend, undurchdringlich. Schwarz. Hart, einer Wand gleich, die alles abprallen lässt. Sinne verstärkend, sensibilisierend. Vorstellungen inspirierend, Fantasie beflügelnd. Ohne Schatten, mentale Schatten beschwörend. Schattenbildendes Licht. Schwarze Schatten im gleißenden Licht. Schwarz verdecktes Licht. Unter dem Schwarz scheinendes, durchbrechendes, loderndes Licht. Verschattetes, schattenwerfendes Licht, schattenspendendes Licht. Finsteres Schwarz.

Morgenschwarz

Schwarze Flüchtigkeit. Vergänglich, zerfließend, zersetzend. Flüssige Transparenz. Verdunstende Beklemmung. Übergang zur Helligkeit, zum Licht. Entfärbend, farbintensivierend. Ein Hauch von Schwarz und Weiß. Diffus, zwielichtig. Vage, hoffnungsgeladen. Möglichkeiten andeutend. Stille vor dem Einsatz, Ruhe vor dem Auftritt. Filigrane Angst, diffizile Ungewissheit, brüchiges Gleichgewicht. Flüchtiges Schwarz.

Der Horizont über der Isar wechselt langsam von einem Grauschwarz in ein Blauschwarz. Bevor später die Sonne durchbricht erscheint die Flusslandschaft in der Morgendämmerung in bläulichem Licht. Leer und einsam, noch fast gänzlich still, erschließt sich die Weite der unberührt scheinenden Natur. Der Himmel hellt von Sekunde zu Sekunde auf. Vor kurzem noch in das Schwarz der Nacht getaucht, konturiert sich die Landschaft Stück für Stück. Bläulich lässt das Licht die Landschaft kalt erwachen. Noch ist die Sättigung der Farben gering, doch zunehmend zeichnen sich die Formen kontrastreicher ab. Das Flusswasser wechselt von Opakschwarz zu Transparentgrau. Noch ein dunkles, sich durch die Landschaft ziehendes Band. Das sich langsam unter dem Horizont in die Höhe schiebende Licht noch kalt, die Frische der Nacht mit sich führend. Bäume und Sträucher, noch fast scherenschnittartig, heben sich immer mehr vom Hintergrund ab, gewinnen an Detailtiefe, Struktur, Farbereichtum. In der Ferne ein Hase, den Weg entlanghoppelnd, abwartend stehenbleibend, den Weg fortsetzend.

Das sich nach oben schiebende Licht färbt den Himmel in ein Blaugrau, die Isar nun eine hellgraue, transparente Schnur. Vögel, Enten wachen auf, drehen ihre ersten Runden über der Wasseroberfläche. Geben kreischende oder melodische Töne von sich. Brechen die Stille der Nacht auf, erhöhen die Komplexität der Sinneseindrücke. Der Horizont färbt sich langsam von Blaugrau über Gelb und Orange zu Hellblau. Leichter Morgennebel hängt zwischen den Bäumen und über dem Wasser. Kleine Wolken bilden sich, erste Sonnenstrahlen blitzen über den Horizont und noch fast horizontal zwischen den Bäumen hindurch. Erleuchten den Weg, bringen erste Wärme mit sich, erzeugen beim Erwärmen der Haut ein angenehmes Gefühl. Die aufsteigende Sonne lässt den Morgennebel anschwellen, dichter werden, bevor er sich unmerklich Schritt für Schritt auflöst. Im kühlfeuchten Schatten unter den Bäumen in unmittelbarer Flussnähe sammeln sich die kleinen Kriebelmücken zu mal dichten, mal großflächig verteilten Schwärmen. Um sich dann mit zunehmender Wärme wieder aufzulösen. Die Isar nun funkelnd, gewohnt transparent türkisfarben, smaragdgrün, bräunlichgelb durch das Kiesbett fließend. Das Sonnenlicht scheint durch die grünen Blätter. Wirft tiefstehend lange Schatten, die die Landschaft hart zerteilen, wenngleich die Grenze, nicht statisch, sich dynamisch fließend verschiebt, die Proportionen von Schattenbereichen und sonnenbeschienen Flächen sich immer mehr zu Gunsten des sonnigen Anteils verändern. Mit aufsteigender Sonne wird das auf die Isar geworfene Licht zunehmend wärmer, lässt die Farben des klaren Wasser immer intensiver leuchten, funkeln, blitzen. Das Weiß der Kiesflächen wird heller, blendet, überstrahlt andere Farben.

Das Licht glitzert auf den leicht gekräuselten, transparenten Wellen. Enten und Schwäne schwimmen müßig oder einfach nur chillend den Fluss entlang. Die Kieselsteine blitzen durch die transparente, mal braune, mal gelblichgoldene, mal smaragdgrüne, mal türkisfarbene Wasseroberfläche. Zum Mittag hin bricht sich die Sonne in den leichten Wellen, dem luftig weißen Schaum der Wasserstrudel. Grauschwarz glänzt die Wasseroberfläche im Gegenlicht der Sonne vor wolkenlosem Himmel, schemenhaft heben sich Baum-, Pflanzen, Enten-, Steinsilhouetten vom Hintergrund ab. Gleißendhell malträtieren die weißen Kieselsteine die nicht sonnenbebrillte Netzhaut. Windstill lässt die Hitze den Schweiß ins kühle Gebirgswasser tropfen. Die Bäume am Ufer, mal spärlich in den Ortschaften, mal dichte Wälder bildend, spenden Schatten, schützen vor dem blendenden Licht. Bäume, Schilf, hohes Gras bilden diverse ruhige, etwas Rückzugsraum gewährende Plätze am Ufer.

Abgeschottet von den nun anhaltenden Strömen spazierengehender Menschen, radfahrender Möchtegernsportler, joggender Fitnessjünger, herumspringender Hunde. In den Uferbereichen zwischen Wasser und Deich staut sich die Hitze im hohen Gras, verwandelt die Landschaft in eine dampfende, schweißtreibende Sauna, in der das Atmen der schwülen Luft fast anstrengend ist. Auf den großzügigen, nicht von Deichen eingeschlossenen Auenflächen hingegen herrscht eher eine trockene Hitze, die ab und zu durch leichten Wind aufgelockert wird. Die Isar zieht ein sich schlängelndes Band aus reinstem Türkis auf strukturiert bröseligem Weiß durch ein sattes, saftiges Grün. Glänzendes türkisfarbenes Wasser auf matten hellweißen Kieseln, durchzogen von porös mattglänzendem, hellbraunem Sand, gesäumt von hellgrünen, mit rosafarbenen, lilablauen, gelben, weißen Blumen übersäten Wiesen, dunkelgrün benadelten Fichten und leuchtendgrün belaubten Eichen, Buchen, Birken, Sträuchern. Vor grauen, weißbefleckten Bergen im Hintergrund. Vorbei an glatzenähnlich spärlich mit Gras bewachsenen, getrockneten, eingerissenen Flächen aus Lehm oder feinem Isarsand. Das Wasser hinter den dichten Ufersträuchern fast verschwindend, die Waldflächen durchzogen von leuchtend hellgrün bemoostem Totholz. Das Kiesbett sporadisch überzogen mit hellbraunweißlichen, entrindeten Ästen, Astfragmenten und Baumstämmen wie eine von Knochen übersäte Wüstenlandschaft. Seitlich der Hauptwasserrinne teils noch angebundene Nebenrinnen, teils abgetrennte milchigweiße Tümpel und Pfützen. Ein bläulichkaltes Smaragdgrün an tiefen Wasserstellen beißt sich mit dem gelblichen Giftgrün der Wiesen und Laubbäume. Über allem schwebt eine von leichten Lebenstönen durchzogene Stille. Wasser plätschert, Grillen zirpen, Vögel zwitschern, das Laub rauscht und es ist einfach nur still.

Schwarzlos

Schwarz ist besonders. Es steht außerhalb des Farbsystems. Und ist doch unendlich eng und untrennbar mit ihm verbunden. Die Farben können Schwarz bilden, zu Schwarz werden, mit ihm verschmelzen. Schwarz bleibt schwarz. Aber die Farben sind nichts ohne das Schwarz. Das Schwarz bringt ihre Besonderheit zum Leuchten. Facht die Glut der Farbe an. Verleiht ihr Energie. Schwarz ist der Kontrast. Zu Weiß. Zu Farbe. Zu dem Hellen. Schwarz löscht im Überdecken alles andere aus. Frisst die Unterschiede. Eliminiert jede Farbe. In der Distanz, in der Opposition verhält Schwarz sich genau gegensätzlich. Und ist deshalb selbst besonders. Das besondere Schwarz.

Er hat ein paar Tage frei, kann sich die Zeit frei einteilen, laufen wann er will. Es ist frisch, aber nicht zu kühl. Leicht bewölkt, aber sonnig. Vormittags, während die meisten anderen arbeiten. Es sind nicht viele an der Isar unterwegs. Je weiter er stadtauswärts läuft, desto weniger Menschen begegnet er. Er läuft in seinem normalen Tempo, ist mit sich im Reinen, locker, entspannt. Die Isar blitzt zwischen den Bäumen und Büschen hervor, die er passiert. Das Rauschen des Wassers bildet die Basis seines Laufrhythmus‘. Er beschäftigt sich weder besonders intensiv mit der Umgebung noch mit seiner Physis. Sein Blick ist mehr nach innen gerichtet, auf seine Gedanken, denen er nachhängt. Nicht strukturiert. Ein Gedanke folgt dem nächsten, jagt den nächsten, vorherige Gedanken sind meistens schon vergessen bevor der nächste kommt. Er springt quer in seinem Gedankennetz hin und her ohne irgendwo besonders lange zu verweilen. Die Füße bewegen sich gleichmäßig über den Weg. Häuser, Brücken, Bäume bewegen sich durch sein Blickfeld ohne besondere Aufmerksamkeit zu erregen. Ohne dass sein Blick irgendwo hängenbleiben würde. Er spürt die Kühle der von der Isar herüberwehenden Luft ohne sie bewusst wahrzunehmen. Er läuft gleichmäßig, fühlt sich gut. Entscheidet sich spontan die lange Runde zu laufen. Ist fast alleine an der Isar, muss nicht auf andere Menschen achtgeben. Sieht ab und zu ein Eichhörnchen über den Weg flitzen oder den Stamm eines Baumes heraufhuschen. Hört es manchmal im Unterholz rascheln, wenn eine Maus oder ein Vogel dort herumlaufen.

Ein leichter Wind lässt die Blätter rascheln, bewegt leicht die Äste der über den Weg ragenden Bäume. Trocknet den leichten Schweißfilm auf der Haut. Kühlt den Körper angenehm herunter. Seine Schritte bleiben konstant, die Gedanken fließen. Auch wenn er seine Umgebung wahrnimmt, auf sie reagiert, sein Bewusstsein erreicht sie nicht. Er genießt die Ruhe, die Geräusche der Natur, die seine Gedankenfluss am Fließen halten. Er ist ruhig, verspürt keine Aggression gegenüber seiner Umwelt. Im Gegenteil, er verspürt eine gewisse Nachgiebigkeit, eine Gelassenheit. Lässt sich nicht durch äußere Einflüsse aus der Ruhe bringen. Konzentriert sich auf das Schöne, auf das, was er beeinflussen kann. Was er gestalten kann.

Er läuft. Und mit dem Laufen entwickelt sich ein Gefühl der Kontrollmöglichkeit, der Möglichkeit Einfluss zu nehmen auf das, was in seinem Leben passiert. Die Möglichkeit vertreibt das zeitweise aufflammende Gefühl der Machtlosigkeit. Jeder Schritt gibt ihm mehr das Gefühl von verfügbaren Handlungsoptionen. Die Gedanken sind flüchtig, aber das Gefühl der Gelassenheit wächst. Die Isar fließt jetzt durch seinen Körper, klar, transparent, frisch, wild. Während er läuft, lässt er den Schlick des Alltags hinter sich, der zum Versumpfen einlädt. Die Wut auf die Rücksichtslosigkeit der Gesellschaft, die ihn machtlos ausliefert, lagert sich am Ufer ab, bleibt zurück. Er lässt sich treiben, hat seine Gedanken entkoppelt vom Alltag, von den Alltagsproblemen. Es zählt nur der Moment, das Hier und Jetzt. Die Isar, das Rauschen des Wassers, das Knirschen des Sandes unter seinen Laufschuhen, die ihm ins Gesicht wehende angenehme Kühle der leichten Brise, die durch die Blätter blitzenden Sonnenstrahlen, das Zwitschern der Vögel, das Zirpen der Grillen, die Freiheit des Laufens.

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