Читать книгу: «Holzpantoffel und blutige Zehen»

Шрифт:

Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

Impressum:

© Verlag Kern, 1. Auflage April 2012

ISBN 978-3-939-478-386

ISBN e-Book: 9783944224244

© Inhaltliche Rechte beim Autor

Autor: Maria Marka

Herstellung: www.verlag-kern.de

Lektorat: Dagmar Radelow

Umschlagdesign und Satz: www.winkler-layout.de

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2012

Maria Marka

Holzpantoffel

und blutige Zehen

Meine Kindheitserinnerungen



Maria Marka geb. Gebert

aus Techlowitz, Swina und Mies

Inhalt

Cover

Impressum

Titel

Autor

Inhalt

Vorwort

Widmung

Die Geburt Marias

Mutters Kindheit

Marias Kindheit – in der „Schmied“ und im „Deitschnhof (Swina)“

Franz

Federnschleißen

Umzug ins Haus am Weinberg in Mies

Großmutters Tod

Die Geschwister von Mama

Maria und der Schnuller

Der Großvater

Schuhe, Pantoffeln und Stricken

Gänsehüten

Die Biebel-Kinder

Rosen und Gedicht

Halmschneiden

Der Deitschn-Wenzel

Die fleißige Mare

Die Peint-Wiesen, das Brünnl und das Heuen

Dreschen

Milch und andere Köstlichkeiten

Die Bouska-Wiesn

Bruder Erich und Schwester Lisl

Kindergarten- und Schulzeit

Das Bergwerk

Verkauf unseres Hauses am Weinberg und Umzug in die Kirchengasse

Der Kirchturm

Spiele

Schicksalshafte Begegnung mit Karl

Das Lederer-Häusel

Die Bürgerschule

Leben im Lederer-Häusel

Kalte Winter

Leben am Roten Steg

Ausbildung

Arbeitsdienst in Silberbach

Kriegshilfsdienst

Arbeitsamt Mies

Messtruppführerin in Neufahrn (München)

Wiedersehen mit Karl

Die Hochzeit

Zurück in Mies

Der Krieg ist aus

Köchin auf einem Meierhof, Bedienung bei den Amerikanern

Die Flucht

Arbeit in der Porzellanfabrik

Leben bei den Schwiegereltern auf der Burg Veldenstein

Zurück nach Mies über die Grenze

Burg Veldenstein

Karl ist zurück

Karl der Fußballer

Die Bayreuther Zeit beginnt

Das eigene Haus in Aichig

Unser Enkelkind Gabi

Unser Garten

Bilderverzeichnis

Literatur

Vorwort

Ein Lebenslauf ist es nicht, was ich hier schreibe. Lediglich eine Aufzeichnung von Zufällen und äußeren Einwirkungen, die alles Wollen, Wünschen und Planen im Leben über den Haufen warfen und dabei dennoch ein so genannter Lebens- (ver-) lauf zustande kam.

Ich danke allen, die zum Vollenden dieser Lebenserinnerungen beigetragen haben.

Für unsere Enkelkinder

Ein herzlicher Dank geht an meine liebe Nichte, Dr. Silvia Schukraft, und an meinen Mann Karl. Sie standen mir bei der Realisierung dieses Buches stets tatkräftig zur Seite.

Die Geburt Marias

Heute ist es kalt. Und da fiel mir ein, was mir Mama erzählte über meine Taufe. Da war es auch so kalt: –15°C. Am Donnerstag, den 18.12.1924, in den Frühstunden wurde ich geboren. Wie es damals üblich war, musste die kleine Heidin am nächsten Tag getauft werden. Ich wurde zu einem „Büschel“ gebüschelt, heute würden wir Steckkissen sagen, säuberlich verschnürt und von der Hebamme und meiner Patin, der ältesten Schwester meines Vaters, zu der 4 km entfernten Stadt Mies getragen, wo die Taufkirche stand. Es war viel Schnee auf der Straße und der Wind pfiff auch. Mama, von der Geburt noch ziemlich mitgenommen, zitterte daheim in der warmen Stube mehr vor Angst, ich könnte da draußen erfrieren, als die beiden Frauen, die den „Büschel“ mit Inhalt in ihren Armen durch die Dezemberkälte trugen. Jedenfalls scheint es uns allen dreien nicht geschadet zu haben, denn wir kamen mit roten Nasen und einem neuen Namen nach Techlowitz zur Mama zurück. Solch ein Abenteuer schon am zweiten Lebenstag!

Einen Namen hatte ich nun, einen Kinderwagen nicht. Wie damals üblich, lag ich „eingebüschelt“ bei Mama im Bett, allenfalls in einem Korb. Überhaupt war die Sache gar nicht so lustig. Denn als ich kam, war Mama gerade neunzehn Jahre alt geworden und nicht verheiratet. Wie denn auch? Mama war Vollwaise und mein Vater war einundzwanzig Jahre und das älteste von fünf Kindern. Seine jüngste Schwester war gerade sieben Jahre alt. Die nächste Generation, also meine, war noch gar nicht vorgesehen. Ich war lediglich das unbedachte Ergebnis einer seligen Stunde nach dem Feuerwehrball vom März.

Mutters Kindheit

Wie war das eigentlich mit Mamas Kindheit? Sie hatte einen Stiefbruder, einen Bruder und eine Schwester. Man hatte ihr als „Nachrutscherl“ den Namen Katharina gegeben und alle hatten sie lieb. Aber wie das Leben so spielt: Sie stand im zweiten Lebensjahr, als ihr Vater sich als Maurer nach einem heftigen Gewitter auf dem Bau erkältete und an einer Lungenentzündung starb. Meine Deimling-Großmutter musste also mit vier Kindern das kleine „Wirtschaftl“ allein versorgen. Feld, Vieh und Kinder waren abhängig von ihrer Lebenskraft. Freilich, Hans, ihr Erstgeborener, den sie mit in die Ehe gebracht hatte (den Namen seines Vaters erfuhren wir nie), konnte ihr schon zur Hand gehen. Er tat es auch. Josef, der Zweite, lernte Kaufmann im Konsum in Mies. Und die Schwester Anna konnte ja aufs Katherl aufpassen, während die anderen die Landwirtschaft versorgten.

Aus diesen Kindertagen erzählte uns Mama ein paar Episoden.

Zum Beispiel, dass ein Hund im Haus war und dass dieser am Abend schon immer lauerte, wenn Katherl ins Bett ging. Mama, müde vom Tag, schob ihr Kleid samt Strümpfe vom Körper, so dass beides als rundes Nest vor ihrem Bett lag, stieg in die Federn und schlief ein. Der Hund, er war ein Spitz und hieß auch Spitz, ringelte sich ins Kleiderbündel hinein, knurrte noch ein bisschen und schlief dann auch.

Solange Katherl nicht zur Schule ging, wurde sie zu den Feldarbeiten immer mitgenommen. Sie hatte einen kleinen Buckelkorb bekommen, so einen, wie die Größeren ihn in groß auf dem Rücken trugen, wenn Viehfutter, Rübenblätter oder Einkauf aus der Stadt nach Hause getragen werden musste. Eines Tages holten sie Gras von der Wiese. Katherl hatte auch ihren Buckelkorb dabei. Mutter und Bruder mähten mit der Sense, Katherl füllte Gras in ihren Korb. Plötzlich fing sie gottsjämmerlich an zu schreien: „Seff, Seff, in mein Korb is a Schlonga, tu’s raus!“ Seff kam erschreckt angestürmt. Im Körbchen beeilte sich eine große, schwarz behaarte Schmetterlingsraupe, im Volksmund wird sie „Bärmouter“ = Tagpfauenauge genannt, so schnell wie möglich das Weite zu suchen. Zwar waren jetzt alle beruhigt, dass die Schlange nur eine Raupe war, aber meine Mutter hat ein Leben lang Raupen verabscheut.

Als Mama zur Schule gehen musste (sie ging gern und erfolgreich), konnte sie die anderen nicht mehr zur Feldarbeit begleiten. Wenn die Schule nachmittags aus war, war sie allein. Sie spielte mit Freundinnen oder sie war im Stall oder in der Scheune. Irgendetwas fand sich immer. Sie durfte niemanden ins Haus lassen und sollte Hoftor- samt Haustürschlüssel versteckt halten. Da wurde es manchmal sehr spät und oft schon dunkel, bis die Großen heimkamen. In der finsteren Wohnstube war es ihr „andrisch“ (unheimlich); die Petroleumlampe durfte sie nicht anrühren, wegen der Brandgefahr. So setzte sie sich müde und hungrig auf einen der Streifsteine, die das Tor links und rechts vor den Wagenrädern schützen sollten, zog den Rock über die nackten Knie und wartete in die Dämmerung hinein. Kamen die Großen endlich heim, holte sie sich ein „Tipfel“ (Tasse) aus der Stube und ging hinter der Mutter her in den Stall. Die Kühe mussten gemolken werden. Die erste Milch bekam sie ins Tipfel, trank sie kuhwarm wie sie aus dem Euter kam, gänzlich aus und verschwand in ihr Bett. Das war das Abendessen. Keiner fragte: „Bist du satt oder hast du dich gewaschen?“ Sie waren alle viel zu müde, um sich über „Nichtigkeiten“ den Kopf zu zerbrechen.

Ein anderes Ereignis aus Kathis Kindertagen: Als die Großen aufs Feld gingen, bekam sie einmal den Auftrag, ständig in den Stall zu schauen, denn eine der Kühe sollte kalben. Sollte es bei der Kuh wirklich losgehen, sollte Kathi über die Straße zur Tante laufen, damit die der Kuh helfe. Die fing wirklich das Kalben an und Kathi lief. Aber die Tante war auch grad nicht daheim. Was tun? Die Beine vom Kalb schauten schon in die Welt. Da nahm Kathi kurz entschlossen den Kälberstrick vom Haken, band ihn, wie sie es schon einmal den Großen abgeschaut hatte, um die blutverschmierten Kälberfüße und zog. Und siehe da, das Kälbchen rutschte heraus. Ob nun mit oder ohne Kathis Hilfe, wer weiß das schon? Die Kuh sah sich um und brummte. Also zog Kathi das Kälbchen zum Kopf der liegenden Kuh, damit die es ablecken konnte. Kälbchen, Kuh und Kathi waren zufrieden als die Großen abends vom Feld kamen.

Als Mama uns die Geschichte erzählte, dachte ich bei mir: Der Tag eines Häuslerkindes konnte schon sehr erlebnisreich sein. Ohne Spielzeug, ohne Fernseher! Nur Mut und Köpfchen musste man haben. Köpfchen hatte Kathi schon. Oft mehr als allen lieb war. Ihre Mutter nannte das den „Motzenschädel“. Der Motz, das war Kathis verstorbener Vater. Ein Beispiel: Kathl, schon etwas größer, saß auf dem breiten Stubenfensterbrett und übte sich im Stricken. Die Sonne schien. Sie machte die Fensterflügel auf und ließ die Beine in den Hof baumeln. Ein Idyll, das leider durch den Wind beeinträchtigt wurde. Bei jedem Windstoß trieb es den rechten Fensterflügel zu und an die Hand der fadenführenden Stricknadel. Das war hinderlich und zunehmend ärgerlich. Kathl reagierte auf die ihr eigene Weise: „Blöder Wind, dir werde ich zeigen, wer von uns beiden der Stärkere ist!“ Sie ballte die Faust, hielt sie in die Flugbahn der Scheibe und passte den Wind ab. Die Faust hielt stand, aber der Wind war stärker. Klirr, das zerbrochene Glas fiel in den Hof. Dieses: „Das werden wir ja sehen, wer gewinnt“ hat sie ein Leben lang nicht abgelegt. Oft zu ihrem Nachteil. Aber vielleicht war dies der Grundstock zu ihrem Durchhaltevermögen in all der schweren Zeit, die ihr noch aufgegeben war.

1914 kam der 1. Weltkrieg. Ihr Stiefbruder Hans musste einrücken. Etwas später auch Josef. Meine Großmutter, ich war noch ungeboren, musste sich allein über Wasser halten und das Lebensnotwendige für sich und die Mädchen herschaffen. Was es heißt ohne männliche Hilfe eine Landwirtschaft zu bewältigen, wird nur der ermessen können, der es selbst versucht hat. Nach vier Jahren, kurz vor Kriegsende, war Großmutters Kraft am Ende, auch die von Anna, Kathis großer Schwester. Anna starb zuerst. Man rief die Brüder zur Beerdigung aus dem Krieg zurück. Aber sie kamen nicht rechtzeitig. Die Mutter konnte auch nicht mit zum Friedhof. Sie lag todkrank und starb am Tag danach. Als Hans zu Hause eintraf und nach der Mutter fragte, wies man stumm auf die Kammertür. Dort drin lag die Mutter aufgebahrt.

Kathi, also meine Mutter, war damals zwölf Jahre alt. Ihr Stiefbruder durfte nun zu Hause bleiben. Er hatte nach einem Kopfschuss nur noch ein Auge. Wie es dann im Einzelnen weiterging, darüber hat Mama mir nichts erzählt. Vielleicht hat sie die Zeit aus ihrem Inneren verdrängt. Vielleicht ist sie auch nur ohne Übergang mit einem Schlag erwachsen geworden. Erst später, als Hans geheiratet hatte, was zwingend nötig war im frauenlosen Wirtschaftl, und somit eine „Stiefschwester“ ins Haus kam, werden Mamas Erinnerungen lebhafter. Leider nicht freundlicher. Kathi war nicht mehr das kleine Schwesterl. Österreich war zerfallen, Böhmen Bestandteil der neu gegründeten Tschechei und die Wirtschaftslage für Deutsche besonders schlimm. Es musste gespart werden. Als Mama sich einmal als Stadtmitbringsel einen Salzhering wünschte, war des Bruders Frau wütend. Seefisch war in der Tschechei verhältnismäßig teuer. Es gab deswegen wochenlangen Streit. Mama wünschte sich so etwas nie wieder. Freilich, dass es Hans und seine Frau mit Kathl auch nicht immer leicht hatten, soll nicht verschwiegen werden. Kathl hatte auch ihren Kopf, wie schon ihre Mutter sagte: einen „Motzenschädel“ vom Vater her. Der stammte aus dem Wirschaftl der Straße gegenüber. Er war ein kleiner Mann mit starkem Willen. Und den muss er meiner Mutter vererbt haben. Zuweilen spürten wir das alle in der Familie. Aber das kommt viel später.

Marias Kindheit – in der „Schmied“ und im „Deitschnhof (Swina)“

Noch kann ich nicht sitzen und muss getragen werden, sofern ich nicht irgendwo liege. Auch Hansens Frau nahm mich manchmal auf. Einmal stand sie mit mir unter dem Hoftor und trug mich unter dem Arm – mit dem Kopf nach hinten! Sie sprach mit der Nachbarin. Die sagte zu ihr: „Nimm halt das Kinnerl ordentlich auf den Arm, nicht wie ein Packl Stroh.“ „Für einen Bankert taugt’s !“ war die Antwort. Meine Mama, jetzt 20 Jahre alt, hat das gehört. Am Sonntag erzählte sie es ihrer zukünftigen Schwiegermutter in Swina. Und am Montag stand diese in Techlowitz vor der Haustür und verlangte die Herausgabe ihres Enkelkindes. Zwar hatte sie selbst sechs Kinder, vier davon noch im Schulalter, mein Vater war mit zweiundzwanzig Jahren der Älteste, aber einen Bankert ließ sie aus ihrem Enkelkind nicht machen. Sie nahm mich mit – und so kam ich zu meiner Großmutter. Meine Mutter konnte erst später nachziehen als eine Wohnung beim „Deitschen“ gefunden war und meine Eltern heiraten konnten. Nun hieß ich nicht mehr Maria-Anna Deimling, sondern Maria-Anna Gebert. Aber keiner nannte mich so. Ich war einfach das Schmied-Marerl. Das kam daher, weil meine Großeltern die aufgelassene Dorfschmiede zum Wohnhaus umgebaut hatten. Lange vor meiner Zeit.

Ich hatte zwar immer noch keinen Kinderwagen, aber dafür einen Haufen Leute um mich. Die Großeltern, meine Onkel und Tanten, wenn auch Tante Emmi nur sieben Jahre älter war und mit Puppen spielte. Swina und die „Schmied“ bedeuten mir noch heute Kinderzeit.

Wenn ich „Heimat“ denke, denke ich an „Zwinger“ (den Deutschen passte das tschechische „Swina“ nicht so recht in den Mund). Zu meiner und auch schon zu meines Vaters Zeit hat in Zwinger keiner tschechisch gesprochen, aber zweifellos war das ganz früher anders. Die Hussitenkriege hatten einst das Land verwüstet, man denke nur an das verschwundene Dörfchen Doubrawa, von dem nichts als das Petruskirchlein übrig blieb und der Friedhof, auf dem drei Dörfer ihre Toten begruben. Auch meine Gebert-Großmutter liegt in dieser Erde.

Der Silber- und Bleibergbau um Mies herum zog mit kaiserlichem Wohlwollen viele Deutsche ins Land. Als meines Vaters Vorfahren sich in Zwinger einkauften, bekam der Hof den Namen „Beim Deutschen“ und dabei blieb es bis zur Aussiedlung 1945.

Der „alte Deitsch“, mein Urgroßvater, hatte zwei Söhne und eine Tochter. Der älteste bekam den Hof, mein Großvater Anton Gebert wurde ausgezahlt und baute die „Schmiede“ aus. Die Tochter heiratete einen Eisenbahner und zog in die Stadt. Sie war meine Firmpatin und schenkte mir ein vergoldetes Halskettchen mit Kreuz, das ich leider verlor. Ich hatte auf eine Armbanduhr gehofft, aber so viel Geld hatte sie wahrscheinlich nicht. Armbanduhren waren 1934 noch recht teuer. Ich habe diese Großtante selten gesehen. Meine Erinnerung beschränkt sich darauf, dass sie kinderlos blieb und ständig an Kopfweh litt. Deswegen trug sie oft zwei Kopftücher übereinander. Wind vertrug sie gar nicht. Ich vermute, diese Empfindlichkeit gegen Wind und Kälte habe ich von ihr geerbt. Einige Zeit ungeschützt dem kalten Wind ausgesetzt und das ganz Gesicht tut mir weh. Die Großtante wurde als einzige unserer Familie 1945 nicht ausgesiedelt, weil sie als Eisenbahnerwitwe vom Staat eine Rente bekam. Eisenbahner konnte nach 1918 (Gründung der Tschechei) nur werden, wer für die Tschechen optierte. Das hatte ihr Mann wohl getan. Sie starb in der Altenpflegeanstalt in Wiesengrund (Dobrzan) als wir schon längst in Bayern lebten.

Die Schmied heute, Aufnahme: Karl Marka

Swina – Dorfplatz mit Kapelle 1937- Václav Baxa et. Al. 2004

Kirche in Swina heute, Aufnahme: Karl Marka

Der zweite Sohn vom „alten Deitsch“ mit Namen Anton Gebert, das ist mein Großvater. Der wohnte also mit meiner Großmutter und den sechs Kindern in der „Schmiede“ mitten am Dorfplatz, nur durch eine Straße vom Dorfteich getrennt. Genau gegenüber stand der „Deitschnhof“ am runden Dorfplatz. Über den Dorfteich hinweg hatten sich also immer alle im Auge, die ganze Verwandtschaft.

Das mit der Schmiede muss erklärt werden. Großvater Anton war ja Zimmermann, nicht Schmied. Als die Schmiede abgebrannt war und der alte Schmied wegging, kaufte mein Großvater mit dem eingebrachten Heiratsgut meiner Großmutter die Brandstätte und baute sie zu Wohnhaus, Stall und Scheune um. Es gab nur eine große Wohnküche und eine noch etwas größere „gute Stube“, die auch als Schlafstube diente. Auch auf dem Boden darüber standen Betten, neben den Getreideschütten, dem Mehlkasten und – über den Stall hin gelagert, ein Teil des Winterheus. Für einen regelrechten Bauernhof war nicht genügend Platz. So wurde ein leer stehendes, strohgedecktes Häuschen mit Höfchen hinter der Dorfkapelle dazu gekauft. Um in dieses „Watzka“-Häusl, Watzka war der frühere Besitzer des Hauses, zu gelangen, musste man schräg über die Dorfstraße gehen. Dort lagerten Brennholz und Geräte, da waren der Schweinestall und das Holzhäuschen mit Herz in der Tür für die Familie, deren Mitglieder mit ihrem Bedürfnis quer über die Dorfstraße und an der Kapelle vorbeilaufen mussten.

Zumindest bei Tage. Für die Nacht stand ein zugedeckter Kübel im Vorhaus, denn die Nachtwanderungen wären, vor allem zur Winterszeit, gesundheitsgefährdend gewesen. Das halbe Dorf bekam also mit, wenn es einem der „Schmieds“ pressierte. Und er lief umso schneller, je dringender es war. Es lief ständig jemand; immerhin bewohnten die Schmiede acht Leute, mit mir neun. Der Name Schmied hielt sich zäh, obwohl wir alle Gebert hießen. Und so war mein Vater, der Älteste der Kinder, der Schmied-Franz und ich, seine Tochter, das Schmied-Marerl. Als Onkel und Tanten gab’s den Schmied-Beb, den Schmied-Ernst, die Schmied-Mare (meine Taufpatin), die Schmied-Anna und die Schmied-Emmi (nur sieben Jahre älter als ich).

In der Enge der Schmiede hatte die junge Gebert-Familie nicht Platz. Das Wohnhaus am Deitschnhof war größer. Wir bezogen eine Stube und eine Kammer im 1. Stock. Ich glaube, wir wohnten dort etwa drei Jahre. Ich nannte meinen Großonkel Deitschn-Vetter, das taten alle im Dorf und seine Frau war die Deitschn-Teta. Vier Söhne waren da. Der Jüngste hieß Wenzel und mit dem wuchs ich auf. Er war der Cousin meines Vaters, aber im selben Jahr 1924 geboren wie ich. Nur kam er schon im Januar und ich erst im Dezember zur Welt. So war er mir körperlich ein Jahr voraus. Ich war noch Kleinkind und habe fast gar keine Erinnerung an diese drei Jahre.

Franz

Als ich zweieinhalb Jahre war, wurde mir ein Bruder geboren. Man erzählte mir, dass ich verstört unter dem Tisch saß als die Hebamme kam. Irgendwie sehe ich noch heute im Unterbewusstsein bei ihrem Eintritt die Stubentüre aufgehen. Der kleine Franz lebte nur zwölf Stunden. Woran er starb, konnte auch die Hebamme nicht sagen. Dass mein Vater, damals gerade vierundzwanzig Jahre alt, den kleinen Sarg über den Kauerberg und durch das Miesatal auf seinen Armen bis zum Petruskirchlein trug, das sind gute 8 km, wurde mir von Mama später erzählt. Ich war immer dabei, wenn sie an Allerseelen das kleine Grab schmückte. Meistens hatte sie Girlanden aus Preiselbeerkraut geflochten und diese mit selbstgefertigten Papierblumen verziert. Dabei lernte ich Papierrosen aus Krepppapier zu machen. Das kann ich noch immer. Auch das Wissen, dass man aus Binsenmark weiße Schleifchen dazu herstellen kann, stammt noch aus dieser Zeit.

Mama half meistens auf dem Deitschn- oder Schmiedhof in der Landwirtschaft und wurde mit Milch und Brot entlohnt. Wir aßen je nach Umstand einmal bei der Großmutter (meistens) und einmal bei der Deitschn-Teta.

Vater arbeitete als Zimmermann ständig irgendwo auswärts – in Eger, Asch oder gar drüben „im Reich“, zum Beispiel in Plauen oder Suhl. Im Sommer kam er gar nur alle vier Wochen für einen Sonntag heim. Dann kroch ich am Samstagabend zu ihm ins Bett – er roch so schön nach Vater. Aber wenn er die Zudecke über den Kopf zog und von da drinnen her brummte wie ein Bär: „Kumm mit in ma Höhl“, bekam ich Angst und rief nach der Mama. Das weiß ich noch aus eigener Erinnerung. Auch, dass ich in der Vorweihnachtszeit in der Stube vor dem Wandkreuz betete und plötzlich eine Walnuss heruntergefallen kam.

399
669,35 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
Объем:
130 стр. 18 иллюстраций
ISBN:
9783944224244
Издатель:
Правообладатель:
Автор
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают