promo_banner

Реклама

Читать книгу: «Tabuthema Trauerarbeit - eBook», страница 3

Шрифт:

2. Vorstellungen, die ­Kinder vom Tod haben

Wie denken Kinder in den verschiedenen Altersstufen über das Sterben und was wissen sie vom Tod? Woher nehmen sie ihr Wissen über den Tod und welche Konzepte entwickeln sie in den ersten zehn Lebensjahren? Das Wissen um die kindlichen Vorstellungen zu Sterben und Tod ist die Basis dafür, in angemessener Weise auf die Fragen von Kindern antworten zu können.

Wer bin ich und wer bist du? Zu wem gehöre ich? Wo komme ich her und wo gehe ich hin? Was können wir zusammen machen? Was passiert um mich herum? Was war vor mir und was kommt nach mir? Was weiß ich und was möchte ich wissen? Was ist gut und was ist böse? – Kinder sind interessiert und neugierig. Sie möchten von sich aus vieles kennen und verstehen lernen. „Ihr Lerneifer, ihr Wissensdurst und ihre Lernfähigkeit sind bemerkenswert groß. […] Sie wollen im Dialog mit anderen an allen Weltvorgängen teilnehmen, um ihr Weltverständnis sukzessiv zu erweitern.“ (Hessisches Sozial- und Kultusministerium, 2007, 20ff).

Kinder stellen ihre Fragen offen und ehrlich, selbstverständlich auch zum Sterben und über den Tod. Für Kinder gibt es keine Tabuthemen, jedenfalls so lange nicht, bis sie von Erwachsenen erfahren haben: Darüber spricht man nicht! Viele Kinder haben bereits in jungen Jahren erlebt, dass ihre Fragen, die sie zu dem Thema „Tod und Sterben“ haben, bei Erwachsenen eine gewisse Zurückhaltung, Befangenheit und Verunsicherung hervorrufen. Wenn dem so ist, lernen Kinder in einem frühen Lebensalter, dass ihre Fragen über das Sterben und den Tod nicht zu einer offenen Kommunikation führen und eher unerwünscht sind. Diese Erfahrung raubt Kindern ihre Unbefangenheit und erschwert es ihnen zugleich, ein realistisches Konzept vom Tod zu entwickeln. Dadurch entstehen Erfahrungs- und Wissenslücken, die mit eigenen Ideen und Fantasien oder durch Medien gefüllt werden.

Tod und Sterben haben eine starke Medienpräsenz, weil sie hohe Einschaltquoten garantieren. Zugleich sind sie gesellschaftliche Tabuthemen, die wir gegenüber Kindern gerne totschweigen. Im Zeitalter der Digitalisierung generieren Kinder viele Informationen aus Medien, die ihnen bereits in jungen Jahren zur Verfügung stehen. Inwieweit diese Erfahrungen zum Aufbau einer realistischen Vorstellung von Tod und Sterben beitragen, ist fraglich. Wenn beispielsweise der Actionheld in jeder Serie zusammengeschlagen wird und kurz danach wieder munter mitmischt, ist diese Information problematisch. Zudem ist die Frage zu stellen, welchen Beitrag gewaltverherrlichende Filme und brutale Computerspiele für einen respektvollen Umgang mit Sterbenden und Trauernden leisten. Digitalisierte Erlebnisse werden nur selten durch reale, sinnliche, begreifbare Erfahrungen mit dem Thema bereichert und das ist problematisch.

Wenn wir uns jedoch mit Kindern auf Gespräche über den Tod einlassen, können sie von uns lernen: Der Tod gehört zum Leben und deshalb sprechen wir darüber. Sie erleben, dass Tod, Sterben, Trauer wichtige Themen sind, über die wir uns selbstverständlich austauschen und über die wir nachdenken. Auf diese Weise entwickeln Kinder nicht nur Sachkompetenzen, sondern auch soziale und emotionale Kompetenzen im Umgang mit der Thematik und lernen den damit verbundenen Wortschatz wie Beerdigung, Grab, Sarg, Friedhof, Leichnam, Urne, Feuerbestattung, Erdbestattung … kennen.

Leah, sechs Jahre: „Mama, warum heißt Beerdigung denn Beerdigung?“ Mutter: „Weil der gestorbene Mensch in einen Sarg und mit dem Sarg in die Erde gelegt, also beerdigt wird.“ Leah denkt nach. Nach einiger Zeit sagt sie: „Aber Mama, die Seele fliegt doch in den Himmel! Dann müsste es doch Behimmelung heißen!“

Kinder im Alter von null bis drei Jahren

Kinder unter drei Jahren haben noch keine konkreten Vorstellungen vom Tod. Sie haben jedoch Bindungen zu ihren primären Bezugspersonen aufgebaut und ein inneres Arbeitsmodell von Bindung entwickelt. Mit jedem Tag ihres Lebens sammeln sie vielfältige Erfahrungen, die Einfluss auf ihre späteren Konzepte vom Tod haben. Bereits wenige Monate alte Kinder nehmen wahr, wenn sich das emotionale Klima, die vertraute Atmosphäre und die liebgewonnenen Rituale verändern. Wenn die primäre Bindungsperson eines mehrere Monate alten Kindes für längere Zeit (z.B. krankheitsbedingt) abwesend oder gestorben ist und eine andere Person deren Rolle einnimmt, bedeutet der plötzliche Bindungsabbruch für das Kind eine enorme Stresssituation. Da sich Kleinkinder in Abhängigkeit zu ihren Bezugspersonen erleben und nicht zwischen einer vorübergehenden und endgültigen Trennung unterscheiden können, empfinden sie Trennungen als bedrohlich.

Bindungsverhalten entwickeln

Das Verhalten eines neugeborenen Kindes ist darauf ausgerichtet, mit Menschen, die seine Bedürfnisse nach Fürsorge und Geborgenheit erfüllen (Eltern), eine emotional dauerhafte Bindung einzugehen. Mit der Geburt entwickelt es eine Bindung zu seinen primären Bindungspersonen, meist den Eltern. Personen wie Großeltern oder Tagespflegepersonen können zu weiteren bedeutsamen Bezugspersonen eines Kindes werden. In den ersten Lebensmonaten lernt der Säugling seine Eltern als Menschen kennen, die auf seine Signale reagieren und seine Bedürfnisse befriedigen. Es hat erfahren und wahrgenommen, in welcher Weise es von seinen Eltern umsorgt wird, wie sie emotionale Zuwendung geben, seinen Stress reduzieren und ihm dabei helfen, seine Umgebung zu erkunden. Geborgenheit und Sicherheit erfahren Kinder insbesondere durch Körperkontakte (Streicheln, Kuscheln, Tragen). Dieses für das Kind überlebenswichtige Fürsorgeverhalten der Eltern führt zum Aufbau einer sicheren Bindung. Mit jedem Tag des Zusammenseins wachsen das Vertrauen des Kindes und die Bindung zu seinen Eltern. Bereits ab dem dritten, vierten Lebensmonat kann ein Kind seine Bindungspersonen (Eltern) von anderen Menschen unterscheiden. Es kann sich deutlich mitteilen und wendet sich gezielt an seine Bindungspersonen. Das Kind entwickelt Vertrauen in seine Eltern, in sich selbst (Selbstvertrauen) und in das Leben (Urvertrauen). Dieses Vertrauen bildet die Basis, um neue Herausforderungen bewältigen und schwierige (Krisen-)Situationen im weiteren Entwicklungsverlauf meistern zu können.

Fremdeln: Die Acht-Monats-Angst

Im Alter von etwa vier bis acht Monaten reagieren Kinder gegenüber fremden und ihnen weniger nahestehenden Menschen ängstlich, misstrauisch und ablehnend. Die Kontakt- und Blickaufnahme wird verweigert, das Kind versteckt sich, es weint, klammert sich an Mama oder Papa und aktiviert damit sein Bindungsverhalten. Je nach Temperament, individuellen Erfahrungen und aktueller Tagesverfassung fallen die Reaktionen der Kinder verschieden aus. Während mutige und zufriedene Kinder lediglich eine skeptische Miene ziehen, brechen ängstliche, hungrige oder müde Kinder in lautes Weinen aus. Kinder, die mit vielen Geschwistern in großen Familien aufwachsen, betrachten fremde Personen möglicherweise gelassener als Einzelkinder oder Kinder, die sehr behütet groß werden.

Das beschriebene Verhalten wird umgangssprachlich als „Fremdeln“ oder „Acht-Monats-Angst“ bezeichnet. Fremdeln bedeutet, dass ein Kind zwischen vertrauten, bekannten (Eltern, Geschwister) und unbekannten Personen (Großeltern, Nachbarn, Paten) unterscheiden kann. Somit ist Fremdeln ein Ausdruck von sicherer Bindung, sozialer Interaktionskompetenz und gelingenden Entwicklungsprozessen. (vgl. Hessisches Sozialministerium, 2010, 25) Durch Ablehnungsverhalten gegenüber fremden und Aktivierung des Bindungsverhalten gegenüber vertrauten Personen (Weinen, Schreiben, Anklammern, Nachlaufen) signalisiert das Kind seinen Bezugspersonen: Ich fühle mich unwohl und brauche Sicherheit!

Der Tod löst Verunsicherung aus

Bindungspersonen (Eltern) sind für einen Säugling die wichtigsten Menschen in seinem Leben. Nach Erkenntnissen von Bindungsforschern betrauern Kinder ab dem sechsten Lebensmonat den Verlust der Mutter mit Unwohlsein, Schlaflosigkeit, Verdauungsstörungen, anhaltender Weinerlichkeit, Unruhe, Reizbarkeit oder Verweigerung der Nahrungsaufnahme. Sie protestieren umso heftiger oder verfallen in Apathie, je weniger sie sich umsorgt fühlen. Manche Kinder trauern so intensiv, dass es zu seelischen und körperlichen Erkrankungen kommen kann, die in besonders gravierenden Fällen zum Tod führen können. Damit Kinder ihr emotionales Gleichgewicht wiedererlangen, brauchen sie responsive Menschen, denen es gelingt, sie zu beruhigen und ihren Stress zu minimieren.

Kinder spüren die Trauer ihrer Bindungs- und Bezugspersonen

Ein Todesfall im Verwandtschafts- und Freundeskreis beeinflusst einen Säugling nicht so stark, insofern diese Person keine primäre Bindungsperson ist. Was Kinder dennoch spüren, ist die Trauer ihrer Bindungs- und Bezugspersonen aufgrund eines Todesfalls. Sie nehmen wahr, dass sich die Mutter in der Pflegesituation plötzlich anders verhält und beispielsweise die erwarteten Neckereien ausbleiben. Möglicherweise hat sich der gewohnte Tagesrhythmus verändert oder dem Kind weniger vertraute Menschen übernehmen kurzfristig seine Pflege.

Die beste Freundin von Tims Mutter ist gestorben. Tim (elf Monate) wird von seiner Mutter gewickelt. Er lächelt seine Mutter mehrmals erwartungsvoll an – seine Kontaktaufnahme bleibt von seiner Mama unbeantwortet. Tim ist verunsichert, weil seine Späße nicht in der Weise erwidert werden, wie er das in den vergangenen Monaten erlebt hat und folglich erwartet. Tim reagiert mit Quengeln und Weinen. Damit versucht er die Aufmerksamkeit seiner Mutter auf sich zu lenken.

Zwischen dem achten und zwölften Lebensmonat bildet sich die Fähigkeit he­-raus, Belebtes von Unbelebtem zu unterscheiden. Sie wird durch die dialogische Interaktion zwischen den primären Bindungs- und Bezugspersonen und dem Kind hervorgerufen. Sie bildet den Grundstein, damit Kinder mit zunehmendem Alter zwischen tot und lebendig unterscheiden können.

Objektpermanenz

Wenn wir Kindern beim Spielen und Explorieren zusehen, können wir eine sehr interessante Beobachtung machen: Verschwindet ein Gegenstand unter dem Sofa, versuchen manche Kinder diesen unter dem Sofa hervorzuholen. Sie legen sich auf den Bauch und versuchen, den Gegenstand mit ihren Händen zu greifen. Andere Kinder hingegen zeigen dieses Suchverhalten nicht. Wie lässt sich das erklären? – Kinder, die Objektpermanenz entwickelt haben, wissen bereits, dass Dinge, die sich nicht (mehr) in ihrem unmittelbaren Blickfeld befinden, dennoch existent sind. Deshalb suchen sie danach. Es ist ihnen möglich, ein nicht wahrnehmbares (verschwundenes) Objekt mental zu repräsentieren. Bei Kindern, die noch nicht über diese kognitive Fähigkeit verfügen, gilt das Prinzip: „Aus den Augen aus dem Sinn!“ Jean Piaget untersuchte diese kindliche Fähigkeit und entdeckte, dass Kinder ab dem achten Lebensmonat über Objektpermanenz verfügen. Neuere Forschungsergebnisse hingegen konnten zeigen, dass Kinder bereits „[…] im Alter von dreieinhalb bis fünfeinhalb Monaten nicht nur über einfache Objektpermanenz verfügen, sondern sogar unterschiedliche Merkmale von Objekten, wie z.B. Größe mental repräsentieren.“ (Hessisches Sozialministerium, 2010, 64)

Wissenswert: Guck-Guck-Spiele

Die Mutter versteckt sich hinter dem Sessel und die kleine Sophia (zehn Monate) beginnt sogleich, nach der Mutter Ausschau zu halten. Die Mutter ruft mehrmals fragend „Guck-Guck?“ Sonja juchzt vor Freude. Plötzlich kommt die Mutter mit lautem „Guck-Guck!“ hinter dem Sofa hervor und Sophia bricht in ein freudiges Lachen aus.

In den ersten beiden Lebensjahren erweitern Kinder ihre Kompetenzen enorm. Das kognitive Begreifen geht über das sinnliche Begreifen, denn „Nichts ist im Geist, was vorher nicht in den Sinnen war.“ (John Locke) Die wichtigste Lernform ist das Erkundungsspiel (Exploration), die Nachahmung und somit das Lernen am Vorbild. In der Zeit bis zum achtzehnten Lebensmonat spielen Kinder gerne das „Guck-Guck-Spiel“, bei dem das Loslassen und Abschiednehmen eingeübt werden. Die Kinder erleben das zeitlich begrenzte Verschwinden eines Menschen (Gegenstandes), die damit verbundene Anspannung und im nächsten Augenblick die Freude über das Wiedersehen. Der Verlust macht Spaß, weil er darauf hoffen lässt, dass alles wieder gut wird. Deshalb ist es weniger die Angst als vielmehr die Lust an der Angst, die das Spiel für die Kinder so interessant und spannend macht.

Unterscheidung zwischen belebt und unbelebt

Zwischen dem zwölften und achtzehnten Lebensmonat entwickeln Kinder in besonderer Weise ihre kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten. Die einfachen Konzepte der vorsprachlichen Phase von „belebt“ und „unbelebt“ werden durch die fortschreitende Ausbildung des Denk- und Sprachvermögens aufgrund eigener Erfahrungen erweitert und korrigiert. Gegenstände, die sich nicht bewegen und „stumm“ sind, werden als leblose Objekte wahrgenommen. Dinge hingegen, die sich bewegen und Geräusche erzeugen, wie Kreisel, Mobiles, Nachziehtiere, werden als lebende Objekte eingestuft. Ab dem achtzehnten Lebensmonat können Kinder bereits Worte verstehen und benutzen, um ihre Gefühle auszudrücken: „Lisa weint.“

Aufmerksam beobachten Kinder beispielsweise Ameisen oder Käfer. Sie greifen und patschen nach ihnen und sind verwundert, wenn sich ein Tier plötzlich nicht mehr fortbewegt. Kinder töten kleine Krabbeltiere keinesfalls mutwillig und aus böser Absicht. Sie folgen vielmehr ihrer Neugierde und ihrem Erkundungsdrang. Deshalb dürfen sie für dieses Verhalten weder beschämt noch bestraft werden. Eine solche Situation sollte vielmehr genutzt werden, um Worte wie „tot“ und „sterben“ im Gespräch mit dem Kind zu gebrauchen: „Oh, der Käfer bewegt sich nicht mehr. Jetzt ist er tot.“ Für ein junges Kind ist das Wort „tot“ weder schlimm noch angstbesetzt, weil es dazu noch keine negativen Erfahrungen gesammelt hat. Es ist nur ein weiteres von vielen neuen Wörtern. Mit einer situationsangemessenen Reaktion vonseiten des Erwachsenen können Kinder lernen, dass eine solche Situation nicht zu den lustigen Momenten gehört.

Übergangsobjekte

Viele Kinder besitzen ein Kuscheltier oder ein Schmusekissen. Zu diesen Objekten haben sie eine überaus starke Beziehung und möchten sie stets bei sich haben, insbesondere wenn sie müde sind oder Trost benötigen. Wenn Mama oder Papa nicht zur Verfügung stehen, kann ein Kuscheltier das Ersatzobjekt ihrer ersten Wahl sein. Übergangsobjekte (Winnicott) ermöglichen dem Kind mehr Autonomie. Sie können Trauer auslösen, wenn sie nicht mehr auffindbar oder verloren gegangen sind. Der Verlust eines geliebten Kuscheltieres muss vom Kind betrauert werden. Die Trauer des Kindes sollte respektiert und nicht durch den Kauf eines neuen Kuscheltieres „gemildert“ werden.

Warum-Fragen

Das wichtigste Fragewort bei zwei- bis vierjährigen Kindern lautet „Warum?“. An seinen Warum-Fragen können wir erkennen, wie die kognitive Entwicklung eines Kindes voranschreitet und sein Realitätssinn zunehmend in Erscheinung tritt. „Sterben“ und „Tot-Sein“ sind Phänomene, die Kinder in ihrem Alltag im Gegensatz zu essen, trinken, tanzen, springen, hüpfen, singen … nicht erleben und wahrnehmen können. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, wie schwer es für Kinder ist sich vorzustellen, dass ein Tier oder Mensch gestorben und tot ist.

Hannes (drei Jahre) zu seinem Papa: „Warum ist der Onkel tot?“ Papa: „Weil er krank war.“ Hannes: „Warum war er krank?“ Papa: „Weil er in seinem Bauch ein dickes Aua hatte.“ Hannes: „Wer hat das Aua in seinen Bauch getan?“ Papa: „Niemand. Es ist dort von allein gewachsen.“ Hannes: „Warum ist es da gewachsen?“ Papa: „Warum es gewachsen ist, weiß ich nicht.“ Hannes: „Warum weißt du das nicht, Papa?“

Egozentrisches Denken

Lisas Oma ist gestorben. Die Patentante kümmert sich liebevoll um Lisa (dreieinhalb Jahre). Nach einigen Tagen sagt Lisa: „Die Oma ist ganz böse auf mich!“ Die Tante erwidert: „Oma ist doch tot. Warum denkst du, dass Oma böse auf dich ist?“ Lisa: „Weil sie tot ist.“ Dann bricht Lisa in Tränen aus.

Kinder haben einen ich-bezogenen Zugang zur Welt. Sie gehen selbstverständlich davon aus, dass andere Kinder, Erwachsene und auch Tiere so hören, sehen, fühlen, denken, wünschen, wollen … wie sie selbst. Aufgrund des kindlichen Egozentrismus (Jean Piaget) ist es ihnen noch nicht möglich, sich in andere Menschen einzufühlen und die Perspektive zu wechseln. Für das Kind bedeutet es, seine Welt tendenziell einheitlich und weniger widersprüchlich zu erleben. Zudem hat der Egozentrismus für das Kind den Vorteil, dass es sich neuen Anforderungen gewachsen fühlt und sich nicht allzu schnell entmutigen lässt: „Ich bin, ich will, ich kann!“ Erst wenn ein Kind sein Wollen und Können realistisch einzuschätzen vermag und erkennt, dass es nicht allmächtig ist, kann es seine Grenzen, die Begrenztheit des Lebens und damit den Begriff der Endlichkeit verstehen lernen.

Theory of Mind

Lange Zeit ging man davon aus, dass Kinder erst im Alter von vier oder fünf Jahren in der Lage sind, sich in die Gedanken und Gefühle anderer Menschen hineinzuversetzen und somit über eine Theory of Mind verfügen. Neuen Untersuchungen zufolge verfügen bereits jüngere Kinder über ein einfaches Konzept, die mentalen Zustände anderer Menschen zu interpretieren. Kinder sind interessierte Beobachter und lernen mit der Zeit, die Handlungen anderer Personen und die damit verbunden Absichten zu verstehen. Wenn ein Kind weint, reichen ihm Kinder fürsorglich ein Taschentuch oder halten ihm einen Schnuller vor sein Gesicht. Gewiss ahmen sie das Verhalten des Erwachsenen nach. Sie zeigen solche (prosozialen) Verhaltensweisen jedoch auch, weil sie die mentale Gefühlslage eines Spielkameraden bereits folgerichtig deuten können.

Interessant ist, dass Kinder, die noch nicht über Einfühlungsvermögen (Empathie) verfügen, weder Ironie verstehen noch lügen können. Die Erklärung hierfür ist, dass Kinder ihr Fehlverhalten erst dann durch Schwindeln zu vertuschen versuchen, wenn sie sich vorstellen können, dass der Erwachsene ihr Tun nicht gut finden oder sie beim Übertreten von vereinbarten Regeln erwischen könnte. Schwindeln setzt somit voraus, dass Kinder die Fähigkeit haben, sich in andere hineinzuversetzen.

Wissenswert: Theory of Mind

„Erwachsene interpretieren und erklären menschliches Handeln, indem sie anderen Personen Absichten, Ziele, Überzeugungen und Wünsche zuschreiben. Diese Fähigkeit wird als „Theory of Mind“ (ToM) bezeichnet.“ LMU München (o.J.) Zu verstehen, dass andere Menschen über eine mentale Welt verfügen, die mit der eigenen nicht übereinstimmend ist, ist ein bedeutsamer Entwicklungsschritt und eine wesentliche Voraussetzung einer erfolgreichen sozialen Interaktion.

Animistisches Denken

Zwei Kinder (vier Jahre) entdecken einen Teddybären, der auf einer Fensterbank sitzt. Sie klopfen gegen die Scheibe und winken dem Bären zu. Daraufhin meint eines der beiden Kinder: „Der ist doch tot, komm wir gehen!“

Kinder beseelen Dinge, Pflanzen, Tiere, indem sie ihnen menschliche Eigenschaften zusprechen. In der Fantasie werden beispielsweise Äste zu verschiedenen Spielfiguren. Zerbricht ein Stöckchen, bedauern Kinder dieses Geschehen zutiefst: „Oh, du armes Kind, jetzt bist du tot!“ Diese Weise zu denken und zu fühlen wird als anthropomorph oder als Animismus (Jean Piaget) bezeichnet. In vielen Situationen fühlt sich das Kind in seinem animistischen Glauben bestätigt, wenn es zum Beispiel in Büchern, Geschichten oder Filmen sieht und hört, dass Tiere oder Gegenstände wie Menschen denken, fühlen, handeln. Beseelte Gegenstände haben für Kinder eine Bedeutung. Erwachsenen fällt es oft schwer, die Bedeutung dessen nachzuvollziehen, da es sich manchmal um schäbige Dinge handelt, wie beispielsweise um einen unansehnlichen Stofffetzen oder ein vergilbtes Bildchen.

Für junge Kinder ist zunächst alles, was sich bewegt oder bewegen lässt, auch wenn es an derselben Stelle bleibt, lebendig. Für ältere Kinder leben nur noch jene Dinge, die sich bewegen können, wie der Mond oder ein Fahrrad. Die animistischen Vorstellungen ändern sich mit zunehmendem Alter. Kinder gelangen zu der Erkenntnis, dass Bewegung nicht das einzige Kriterium für Leben ist und „Beweglichkeit“ und „Lebendigkeit“ nicht dasselbe bedeuten.

Magisches Denken

Stefans älterer Bruder ist gestorben. Die Erzieherin hört, wie er zu den Kindern sagt: „Daniel kann sich in einen Zauberer verwandeln. Wenn er will, zaubert er sich einfach wieder lebendig!“

Mit dem magischen Denken gestaltet das Kind seine eigene Welt. Es hat die Vorstellung – und das ist das Magische daran – dass es mit seinen Gedanken Einfluss nehmen kann. Es ist beispielsweise davon überzeugt, dass es einen verstorbenen Menschen herbeiwünschen kann. Diese Fantasie hilft ihm, sich nicht ohnmächtig fühlen zu müssen. Andererseits kann magisches Denken auch Ängste und Schuldgefühle hervorrufen, wenn sich ein Kind als Verursacher eines negativen Geschehens erlebt.

Бесплатный фрагмент закончился.

1 989,06 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
229 стр. 32 иллюстрации
ISBN:
9783769881141
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip
Входит в серию "Trauerbegleitung und Trauerbewältigung mit Kindern und Jugendlichen"
Все книги серии