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Читать книгу: «Ein gefährliches Spiel», страница 3

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Als ich wenig später die Haustür hinter mir schloss, war sie erst einmal verschwunden. Auf dem Weg zum Haus hatten wir zuerst noch viel gelacht darüber, wie wir den Fahrer aufgezogen hatten und was er nun wohl seinen Kollegen erzählen würde. Aber dann hatte ich ihre Sachen reinschaffen müssen, und statt mir wieder alles auf einmal aufzuladen, war ich lieber gleich zweimal gelaufen, während sie schon mal ins Haus gegangen war, um sich, wie sie gesagt hatte, „ein wenig umzusehen“.

Endgültig zurück im Haus konnte ich sie erst einmal nicht finden. Zunächst suchte ich sie in den unteren Zimmern, dann rief ich nach ihr.

Keine Antwort.

Ich suchte sie weiter, rief noch einmal nach ihr.

Wieder, richtig: keine Antwort.

Erst nach einer ziemlichen Weile kam sie die Treppe heruntergeschwebt, und sie sah wundervoll aus in diesem kurzen Rock mit diesen ellenlangen studentischen Beinen. Allerdings verlor sie kein einziges Wort darüber, warum es so lange gedauert, was sie schon so alles besichtigt oder warum sie auf meine Rufe nicht geantwortet hatte.

Aus ihrer Sicht gab es wohl nichts zu sagen.

Stattdessen streifte sie den Mantel ab, faltete ihn beiläufig zusammen und legte ihn mir im Vorübergehen auf den Arm:

„Hängst du ihn bitte gleich über einen Bügel, er ist sehr empfindlich.“

Auf eine Antwort wartete sie erst gar nicht, sondern warf nacheinander prüfende Blicke in die offenen Türen zum Wäscheraum und zur Küche.

„Da ist grade nicht aufgeräumt“, sagte ich entschuldigend, weil ich ihren missmutigen Blick aufschnappte.

„Das sehe ich“, erwiderte sie nur.

Na ja, es war wohl wirklich nicht die intelligenteste Bemerkung des Tages gewesen, die mir da über die Lippen gekommen war. Beim nächsten Mal sollte ich es besser machen.

„Hast du auch nichts vergessen“, fragte sie argwöhnisch, indem sie ungeduldig mit kreisendem Zeigefinger auf die Ansammlung ihres Gepäcks wies. Es war drollig anzusehen, wie ihr Kopf unwillkürlich die Kreisbewegung des Fingers aufnahm. Doch ich verkniff mir eine launige Bemerkung darüber, weil ich nicht sicher war, wie sie darauf reagiert hätte.

„Nein, nein“, erwiderte ich eifrig, „ich hab extra zweimal nachgesehen.“

„Das war klug von dir“, antwortete sie milde lächelnd. „Du lernst schnell.“

Für einen Moment herrschte danach betretenes Schweigen. Vermutlich wäre es an mir gewesen, den nächsten Schritt zu wagen. Doch ich war seltsam verunsichert, weil ich nicht recht wusste, wie ich es anfangen sollte. Und natürlich auch, weil ich bei ihr in der kurzen Zeit nun doch schon ein paarmal ins Fettnäpfchen getreten war.

So besann ich mich auf meine Rolle als Gastgeber und fragte betont weltmännisch:

„Soll ich dir erst mal dein Zimmer zeigen?“

„Das wäre schön. Ich bin ja so erledigt.“

Ich führte sie nach oben in eines der Gästezimmer, und was soll ich sagen: Ich erwischte ausgerechnet dasjenige mit dem größten, stabilsten und einladendsten Bett. Schon erstaunlich, wie das Leben manchmal so spielt.

„Bring mir doch gleich meine Sachen“, flötete sie dann, „ich will sehen, ob auch wirklich nichts fehlt.“

Ich erfüllte ihr den Wunsch nicht bloß – nein, ich legte auch noch anständig Tempo vor dabei. Je eher ich fertig war, desto eher konnten wir uns dem eigentlichen Inhalt des Abends widmen.

„Bist du so lieb und lässt mich allein?“, fragte sie ein wenig ungeduldig, als ich die letzte Tasche abgestellt hatte. Es klang verheißungsvoll in meinen Ohren, ins Hochdeutsche übersetzt etwa wie: ‚Lass mich noch kurz allein, ich möchte nur rasch die Reizwäsche anziehen’.

„Klar, klar“, sagte ich daher. „Du kommst doch dann noch runter?“

„Mal sehen“, gab sie spitz zurück, aber das meinte sie nicht so. Natürlich würde sie kommen.

*

Weil ich so gar keine Vorstellung hatte, wie es nun weitergehen konnte, machte ich mich erst einmal daran, hastig etwas Ordnung zu schaffen. Die Putzfrau kam nur zweimal im Monat, und das Haus war wirklich nicht für Besuch vorbereitet. Wie hätte ich auch ahnen sollen, dass mir das Schicksal unversehens einen blonden Engel der Premiumklasse buchstäblich frei Haus liefern würde.

Ich räumte weg und putzte, so gut es eben ging, wobei ich ständig nach oben lauschte, ob vielleicht Schritte von der Treppe her zu vernehmen waren. Das war nicht der Fall, und so konnte ich wenigstens in der Küche und im Wohnzimmer die gröbsten Spuren meines Alleinlebens beseitigen. Anschließend stellte ich schon mal zwei mächtige Weingläser bereit, die beim Aneinanderstoßen einen wunderbaren Klang ergaben. Solche exklusiven – und teuren – Stücke hatte sie vermutlich nie zuvor in der Hand gehabt. Den Gedanken, dass sie vielleicht doch nicht mehr herunterkommen würde, schob ich so gut es ging beiseite.

Während ich so vor mich hinräumte, gingen mir einer nach dem anderen diese absurden Sprüche durch den Kopf, die sie im Taxi von sich gegeben hatte. Ein gelungener Spaß auf Kosten des Taxifahrers, sicherlich, bei näherem Hindenken aber doch auch ein wenig gruselig. Allein schon wenn ich an den Bräutigam dachte, der ‚nach Jahren des Werbens in der Hochzeitsnacht seine jungfräuliche Braut überallhin küssen’ durfte!

Der arme Kerl!

Ich kannte die Kleine erst zwei oder drei Stunden und wusste bereits, dass ich sie zwar möglicherweise auch auf die eine oder andere nur schamhaft preisgegebene Stelle küssen würde. Dass ich sie aber auf gar keinen Fall ohne angemessene Samenspende wieder auf die böse, kalte Welt da draußen loslassen durfte, in der eine gut gewachsene junge Frau ständig in Gefahr schwebte, von den falschen Männern belästigt zu werden. Die falschen Männer, das waren im Fall dieses phänomenalen kasachischen Qualitätsimports so ziemlich alle Männer außer mir.

Wobei ‚kalt’ in Bezug auf die Welt da draußen gerade nicht ganz stimmte, denn es war eine laue Sommernacht, die zu allem geeignet war, bloß nicht dazu, sie mit Schlafen zu vergeuden. Im Haus freilich war es vergleichsweise kühl, obwohl den ganzen Tag die Sonne geschienen hatte: Zu dieser Jahreszeit hatte der Wald sein Gutes, denn wie hoch die Sonne auch am Himmel stand, die Bäume ringsum spendeten immer hinreichend Schatten.

Trotz der späten Stunde herrschte da draußen zwischen den Bäumen ordentlich Betrieb. Wenigstens im Kleinen. Durch das Panoramafenster im Wohnzimmer konnte ich die Glühwürmchen sehen, die nicht müde wurden, einander zuzublinken, dass sie zur Paarung bereit waren.

Das war ich auch.

In manchen Monaten umtanzten die Glühwürmchen das Haus im Wald wie eine lebendige Festbeleuchtung. Sie gehörten zum Haus wie dessen Erker oder der Geruch nach gutem, altem Holz, und so hatte ich sogar schon einmal nachgelesen, wie die possierlichen Tierchen so lebten. Viel hatte ich nicht im Kopf behalten, aber der Name des Stoffes, der sie leuchten ließ, war mir in Erinnerung geblieben: Luciferin.

Irgendwas Teuflisches also.

Und noch etwas fiel mir jetzt ein: Unter den unzähligen Leuchtkäferarten gab es eine mit einem lateinisch klingenden Namen, die anders war als alle anderen. Die Weibchen dieser speziellen Art waren in der Lage, die Paarungssignale einer anderen, verwandten Art heimtückisch nachzuahmen. Was sie auch taten. Allerdings nicht etwa, um sich mit den angelockten Männchen zu paaren, sondern um dieselben ratzeputz zu verspeisen.

Ziemlich gruselig.

Menschliche Weibchen hatten auch so ihre Signale, um zu verkünden, dass sie zur Paarung bereit waren. Leider waren die für einen Mann wie mich allzu kompliziert. Sie waren sogar so schwer zu verstehen, dass ich die Einführung eines verbindlichen Blinksignals jederzeit befürwortet hätte.

Seltsam, dass ich gerade jetzt wieder daran denken musste, welch abstruse Worte die Kleine im Taxi noch so alles herausgekramt hatte: Fleischeslust, die Wonnen der Liebe, Kasteiung, Triebhaftigkeit – alles Begriffe aus einer anderen, einer schrecklich verklemmten Welt. Sie passten überhaupt nicht zu ihr. Ich meine, das Thema war schon richtig, aber statt dieser altbackenen Ausdrücke hätten sich von den Lippen einer verführerischen jungen Frau andere Worte viel besser gemacht: ‚Gefalle ich dir nicht?’, ‚Mach mich heiß!’ oder einfach ‚Ich will dich jetzt!’.

Na ja, zum Glück sprach wenigstens ihr Körper eine andere Sprache.

Und die verstand ich sogar ausgezeichnet.

Also rasch noch das passende Ambiente geschafft, damit sie sich vollkommen entspannen konnte. Kerzenlicht passte immer, allerdings entschied ich mich für die Kerze in der Tischlaterne: Wenn wir später überstürzt das Zimmer verlassen mussten, sollte außer der just entbrannten Leidenschaft besser nichts in Flammen geraten.

Davon abgesehen, war es einer dieser Anlässe, für die das betagte Gebälk des Hauses wie geschaffen war. An die achtzig Jahre war das Haus alt, und seine Renovierung hatte mich etwas mehr gekostet, als für einen Neubau fällig geworden wäre. Doch jeder einzelne Tausender war bestens angelegt: An der Fassade blitzte das Fachwerk wieder in altem Glanz, im Inneren gab es allerlei freistehende Balken und offene Verstrebungen. Das dunkle Holz bot einen herrlichen Kontrast zu den weiß gekalkten Wänden. Dazu Dielenböden in fast allen Räumen und einzelne Durchbrüche, die die strenge Etagengliederung speziell in den größeren Räumen weitgehend aufhoben.

Ein Traum aus ‚Schöner wohnen’, einerseits. Andererseits musste ich zuweilen notgedrungen mit dieser emotionalen Schwäche für alte Häuser klarkommen, die gerade unter jungen Frauen nicht selten anzutreffen ist. Vielleicht brachte die heimelige Atmosphäre sie einfach in die richtige Stimmung für konkrete Maßnahmen zur Familiengründung, was weiß ich?

Ganz so weit wollte ich natürlich nicht gleich gehen, für die ersten Schritte in diese Richtung jedoch war ich jederzeit zu haben. Vorausgesetzt die Kandidatin hatte lange Beine, keine falschen Hemmungen und diesen entzückenden Sprachfehler, der es ihr in gewissen Situationen vollkommen unmöglich machte, nein zu sagen.

Was diesen Abend betraf, war ich zuversichtlich.

Sobald alles so weit vorbereitet war, ging ich in den Keller, um eine Flasche Wein zu holen. Ich entschied mich für einen besonders alten und teuren Château Lafite. Erstens war die Flasche von einer dicken Staubschicht überzogen, was ihr ein ebenso nobles wie romantisches Flair verlieh. Zweitens haben erfahrungsgemäß die meisten Frauen im Gegensatz zu mir eine ausgeprägte Schwäche für Rotwein. Als ich die Kellertreppe wieder hochgegangen war und oben das Licht ausknipsen wollte, stand sie schon da.

„Du lebst wirklich allein hier?“

Offenbar hatte sie sich frisch gemacht im Badezimmer und vermutlich sogar ihr herrliches Haar gebürstet. Sie verschränkte die Hände im Nacken und dehnte sich genüsslich, ohne zu bedenken, wie prachtvoll das ihren exquisiten Vorbau zur Geltung brachte. Ich hatte das Gefühl, jeden Moment rückwärts die Treppe hinunterzufallen.

„Keine Freundin? Keine Frau, die verreist ist?“

„Nein, wirklich nicht.“

„Du belügst mich doch nicht?“

„Nein.“

„Zeig mir deine Hand!“

Ich reichte ihr rasch und bereitwillig die rechte, und schon fühlte ich ihre feingliedrigen Finger daran, ganz leicht feucht und sehr, sehr weich. Sie drehte prüfend die Handfläche nach oben, nach unten, schnappte sich einzeln den Ringfinger und spreizte ein bisschen roh die übrigen Finger weg. Dann die gleiche Prozedur an der linken Hand.

„In Ordnung!“, sagte sie huldvoll nickend und gab mir auch meine linke Hand gnädig zurück, „aber die Fingernägel könntest du ruhig mal bürsten“. Dann spitzte sie leicht die Lippen, vergaß anscheinend völlig meine Anwesenheit und ließ demonstrativ ihren Blick schweifen:

„Das ist ein großes Haus.“

„Wie gesagt: geerbt.“

„Zeigst du es mir?“

Sie konnte erfrischend direkt sein. Freilich konnte sich eine Führung durchs Haus ohne Frage auch als gute Gelegenheit erweisen, ihr hie und da unverfänglich näherzukommen. Hauptsache, die Führung endete in einem Raum mit Bett. Doch wo anfangen?

„Willst du den Keller auch sehen?“

Sie lächelte spöttisch:

„Da kommst du doch eben her. Wird schon alles in Ordnung sein in dem finsteren Loch. Oder hast du da unten vielleicht gerade ein paar deiner nackten Sklavinnen angekettet?“

Donnerwetter! Dieses Herzchen konnte wirklich das Tempo ändern, dass einem die Luft wegblieb. Schon wieder war ich um eine schlagfertige Antwort verlegen und presste nur ein erbärmliches:

„I wo, für wen hältst du mich denn?“

hervor.

Kaum hatte ich das gesagt, ärgerte ich mich schon darüber. Wieso musste ich Idiot ausgerechnet beim Thema Sex abwiegeln, wenn sie mir mit ihrem unbekümmerten Drauflosplappern schon eine solche Vorlage gab?

Nun, jedenfalls hatte ich mich mit meiner bekloppten Antwort selbst aus der Bahn geworfen und unterließ es nun tunlichst, meinerseits irgendwelche delikaten Anspielungen zu wagen. Die hätte ich aber gebraucht, um mit meinen Verführungsplänen zügig voranzukommen. Es war höchste Zeit.

Immerhin zeigte sie bemerkenswertes Interesse an dem Haus. Sie ließ sich alles ausgiebig erklären, drängte sich auch selbst mal in diesen oder jenen Winkel und stellte viele Fragen zu praktischen Details.

„Hast du gar keine Angst, mal überfallen zu werden, in einem so abgelegenen Haus?“, fragte sie mit ängstlichem Unterton.

„Angst? Was ist das?“, prahlte ich. „Außerdem habe ich eine erstklassige Alarmanlage.“

„Ist bestimmt waaaaahnsinnig kompliziert.“

„Überhaupt nicht. Geht alles automatisch.“

„Dann ist sie immer … äh, wie sagt man …?“

„… aktiv? Nein. Sieh mal, hier im Flur gibt es diese Steuereinheit, da kann ich sie jederzeit scharf- oder abschalten.“

„Scharf?“

Frauen und Technik!

Mir war klar, dass sie von derlei Dingen besser die Finger lassen sollte, und ihr vermutlich auch. Aber da sie es nun mal wissen wollte, konnte ich es ihr ebenso gut erklären. Verstehen würde sie es sowieso nicht. Aber vielleicht würde sie dafür meine Körpersprache verstehen:

„Du drückst diesen Knopf – Aus! – oder diesen Knopf – Scharf!“

Um die Knöpfe zu drücken, hatte ich bedauerlicherweise eng um sie herumfassen müssen, weil sie mir in typisch weiblicher Gedankenlosigkeit genau im Weg gestanden war. Meine Nähe schien ihr aber diesmal nicht viel auszumachen, denn sie drehte nur den Kopf nach mir und zeigte mir lächelnd ihre blitzsauberen Zähne.

„Und was ist nun scharf?“

Möglicherweise hatte ich mich in meinem begreiflichen Überschwang doch etwas zu eng an sie gedrückt, und sie hatte schon einmal die ganze Härte der Zukunft zu spüren bekommen. Das, worauf ihr Schoß sich noch dreieinhalb bis vier Minuten lang freuen durfte.

Doch erstmal piano, piano!

„Ich, ähm, na ja … also … die Anlage eben. Wenn sie eingeschaltet ist.“

„Aber müsste da nicht irgendwas blinken oder leuchten oder so?“, fragte sie in einem jähen Anfall von Erkenntnis.

„Schon. Du musst natürlich den Code eingeben, damit die Anlage anspricht. Ich komme jetzt gerade schlecht ran. Drück du doch mal …“

Ich drückte unterdessen einstweilen ihre Taille, die ich ersatzweise gefasst hatte, weil sie wirklich genau vor den Knöpfen stand. Ob ich vielleicht auch schon mal zwei Knöpfe drücken sollte?

„Hier diese?“, fragte sie, und sah mich wieder so schelmisch über die halbentblößte Schulter hinweg an.

„Ja“, erwiderte ich und rückte ihr vorsichtshalber noch etwas enger auf die Pelle, damit ich ihr in etwaigen Notfällen ohne Verzögerung beistehen konnte. „Drück 5 – 7 – 4 – 3 – 6! Ja, genau so! Siehst du, ist ganz einfach.“

„Und jetzt sind wir sicher?“

„Ganz sicher. Möchtest du gleich ein wenig …“

Sie entwand sich mir geschickt, und ihr verführerisches Lächeln ließ erst gar keinen Zweifel daran aufkommen, welches Spiel wir gerade spielten. Ich hatte nichts dagegen, denn je mehr ich mich auf ihre Art einließ, in Fahrt zu kommen, desto eher konnten wir uns endlich der Hauptattraktion dieses denkwürdigen Abends zuwenden.

Außerdem amüsierte mich diese typisch weibliche Neugier. Frauen müssen immer ganz genau wissen, was sich hinter fremden Fenstern abspielt, ob die Fenster nun zu einem Königshaus gehören oder wie bei mir zu einem idyllisch gelegenen Häuschen im Wald.

Als letztes besichtigten wir das Schlafzimmer. Mein Schlafzimmer. Sie lobte das große Bett und äußerte sich sehr wohlwollend über meine erkennbare Vorliebe fürs Puristische.

Gleich auf eine kleine Nummer bleiben wollte sie trotzdem nicht.

*

Minuten später saßen wir dann doch noch im Wohnzimmer. Den Wein, den ich mit großem Tamtam entkorkt und zum Atmen in eine teure Kristallkaraffe gegeben hatte, ließ sie mich einschenken, doch sie nippte kaum davon. Stattdessen bat sie mich, ihr doch ein schönes Glas Mineralwasser zu bringen. Das tat ich beflissen, jedoch schickte sie mich umgehend zurück, weil sie nur Wasser ohne Kohlensäure haben wollte. Als ich ihr das brachte, zeigte sie sich pikiert wegen eines unschönen Flecks an ihrem Glas, den sie mittlerweile entdeckt hatte. Also musste ich ein weiteres Mal in die Küche und zurück. Dann endlich hatte ich sie fürs erste zufriedengestellt.

Bei ihr zurück hätte ich mich am liebsten gleich neben sie gesetzt und mit der Handarbeit begonnen, doch noch schien mir das zu plump. Also nahm ich stattdessen wieder ihr gegenüber Platz und war auf einmal so verlegen, dass ich kaum wusste, wohin mit meinen Händen. Verdammt nochmal, wie schafften das eigentlich andere Männer? Andere hatten offenbar nie Probleme, wenigstens schon mal die Hand in die Bluse zu kriegen.

Glücklicherweise hatte ich fürs erste wenigstens das Glas mit dem ungeliebten Rotwein zum Festhalten. Das hatte ich auch nötig.

Manche Frauen waren deutlich unkomplizierter, wenn die Situation erst einmal so erfreulich weit fortgeschritten war. Ausgerechnet dieser blonde Engel aber schien keineswegs die Absicht zu haben, auch nur einen Quadratzentimeter Haut kampflos preiszugeben.

Fast zwangsläufig war sie es daher, die schließlich wieder so etwas wie ein Gespräch in Gang brachte. Sie ließ mich noch mehr über das Haus erzählen, das Wichtigste aus meinem Lebenslauf, auch allerhand über meine Arbeit. Als wir auf meine Unabhängigkeit zu sprechen kamen, witterte ich die Gelegenheit, endlich mal so richtig aufzutrumpfen. Dazu musste ich gar nicht sonderlich übertreiben, weil ich erstens erkleckliche Rücklagen angehäuft hatte und weil zweitens die anwenderbezogene Software, die ich teils für finanzkräftige Kunden nach Maß schneiderte, teils über verschiedene Internetplattformen direkt vertreiben ließ, einen angenehm gleichmäßigen Geldstrom auf meine Konten fließen ließ.

„Normalerweise kann ich an jedem Ort der Welt arbeiten. Und zu jeder Zeit, die ich will.“

„Beneidenswert!“, stieß sie hervor, und ich meinte zum ersten Mal so etwas wie Bewunderung in ihren Augen zu lesen.

So setzte ich sie denn mit zügig zunehmender Bereitwilligkeit über die imponierendsten Details meines für sie offenbar aufregenden Lebenslaufs in Kenntnis, erfuhr aber über sie so gut wie nichts. Sie erwähnte, dass sie BWL und Psychologie studierte und momentan an einer Zulassungsarbeit bastelte. Aber das war ja ziemlich genau das, was ich schon über sie wusste. Nicht einmal ihr Alter wollte sie mir verraten, doch als ich sie vorsichtshalber auf achtzehn schätzte, lächelte sie.

Schließlich kam ich auf die gloriose Idee, Musik aufzulegen. Ich dachte erst an Klassik, doch nach dem Reinfall mit dem Rotwein entschied ich mich doch für ein paar stimmungsvolle Rockballaden. Sobald die CD lief, trat ich hinter sie und beugte mich zu ihr hinab.

Sie duftete hin – rei – ßend.

Es war kein Parfüm. Es war ihr eigener Duft. Der Duft ihres Körpers. Und er war unwiderstehlich.

Aber sie rührte sich nicht. Sie ließ es stumm zu, dass ich über sie gebeugt dastand, dass ich den Duft ihres Haares atmete, doch sie machte keinerlei Anstalten, mich ihrerseits zu berühren oder sich zu einem ersten innigen Kuss zu mir umzudrehen.

So brach ich die Attacke irgendwann unvermittelt ab und richtete mich brüsk wieder auf. Es fiel mir schwer, mir den Anschein von Gleichgültigkeit zu geben, denn natürlich war mir der Fehlschlag alles andere als gleichgültig. Sie aber ließ sich nichts anmerken, und so gelang es mir einigermaßen, meine Enttäuschung zu überspielen.

„Gibt es eigentlich in Kasachstan viele blonde Mädchen?“, fragte ich, weil mir trotz fieberhaften Überlegens keine noch weltmännischere Frage eingefallen war.

„Weiß nicht. Ich war da noch nie. Brauchst du noch welche?“

„Nein, nein. Ich meine, … ich … du bist ja …“

Es war so unfair! Wie sollte man als Mann ein halbwegs gepflegtes Gespräch führen, wenn ausgerechnet beim Anblick der atemberaubendsten Frau die ganze unwichtige restliche Welt schlagartig zu existieren aufhörte?

Außerdem: Wozu noch lange reden? Ein paar entschlossene Griffe hätten doch mehr als genug gesagt.

Aber das wagte ich nicht.

Noch nicht.

*

Sie hatte diese Probleme nicht. Was immer sie tat, wirkte natürlich, spontan und vollkommen ungezwungen. So wie jetzt, als sie sich unvermittelt erhob und neugierig begann, meine CDs und DVDs durchzusehen.

Bis sie auf etwas Interessantes stieß.

„’Die Geschichte der Null’“, las sie vor. „Ist das was Mathematisches?“

Ja, klar, gab es in Kasachstan überhaupt Kinos? War da das Fernsehen schon erfunden?

Ich hüstelte nervös. Ein Auflachen unterdrückte ich lieber, damit sie mir nicht einschnappte. Aber dass sie so naiv sein konnte, fand ich denn doch zu komisch. So dauerte es etwas, bis ich stockend zu antworten vermochte:

„Nicht direkt. Ähm. Ist so’n alter Film. Kennst du wahrscheinlich nicht.“

Sie nickte verständnisvoll. Dann rief sie aus:

„Da ist ja eine Frau drauf!“

„Ja? Ist mir noch gar nicht aufgefallen.“

Lange besah sie das Cover, bis sie versonnen vor sich hin sagte:

„Die hat gar nichts an.“

Der Klang ihrer Stimme verhieß nichts Gutes. Ich hatte schon viel zu viele Frauen kennengelernt, die paradoxerweise auf andere Frauen, speziell auf nackte, gar nicht gut zu sprechen waren. Und die nicht einmal den Unterschied zwischen Porno und Erotikfilm kannten. Also wiegelte ich vorsichtshalber entschieden ab:

„Das sieht wohl nur so aus.“

„Man sieht ihre Brüste.“

„Kann gar nicht sein!“

Corinne Clery hätte meine Worte nicht hören dürfen, denn für ihre hinreißende Darstellung der O würde ich die kleine Pariserin in Wirklichkeit bis zu meinem Dahinscheiden aus tiefstem Herzen verehren. Doch Blondie ließ sich nicht von ihrem Kurs abbringen:

„Nein, sie hat nichts an! Sieh doch selbst!“

„Oh ja, jetzt fällt es mir wieder ein: Sie ist ein Waisenkind, das mit seinen Eltern auf der Flucht ist. Die Eltern sind arm, sehr arm, und sie haben alles verloren. Zuletzt auch noch die Kleider ihrer Tochter.“

Autsch! Ich hatte schon das Gefühl, etwas zu dick aufgetragen zu haben. Doch mein blonder Engel erwiderte in aller Unschuld:

„Ach! Fast wie bei mir. Nur das mit den Kleidern nicht.“

Schade, dachte ich, aber das können wir doch rasch in Ordnung bringen. Und sagte listig:

„Kleider sind gar nicht so wichtig.“

„Was hat sie denn da um den Hals?“

„Ach das …“

Einen Sklavenring, wäre die korrekte Antwort gewesen. Aber das war ein Stichwort, das mir bei so einem unschuldigen jungen Ding zu riskant schien. Also sagte ich lieber:

„Ist wahrscheinlich nur so ein Schmuckstück.“

„Ob mir das stehen würde?“

Sie sagte das genau in dem Moment, in dem ich von hinten an sie herangetreten war. Ich musste unbedingt die DVD-Hülle sicherstellen, ehe sie mich mit ihrer endlosen Fragerei so weit in die Enge getrieben hatte, dass mir vielleicht wirklich keine Ausrede mehr einfiel.

„Oh, ganz sicher“, erwiderte ich, indem ich mit spitzen Fingern eine Linie um ihren bildschönen Hals zog, dort, wo der Sklavenkragen in etwa zu liegen gekommen wäre. Sie drehte den Kopf zu mir, lächelte heiß und entwand sich mir ein weiteres Mal.

Wenigstens hatte ich jetzt die DVD.

*

Ihre Figur war ein Traum. Rank und schlank, alles in perfekter Balance. Michelangelo hätte seine Freude an ihr gehabt.

Die kleinen, feinen Ausbuchtungen vorne wie hinten beeindruckten mich schon in Ruhestellung über alle Maßen. Doch sie bewegte sich auch noch geschmeidig wie eine junge Katze, und mit jeder Bewegung offenbarten sich neue aufregende Ansichten. Ihre Arme waren auffallend schmal, so dass ich ein ums andere Mal registrieren konnte, wie mein Beschützerreflex ansprang und ich das heftige Bedürfnis verspürte, ihr eine starke Schulter zu sein, an die sie sich schutzsuchend anlehnen konnte. Auch ihre Taille war schmal. So schmal, als habe die Natur ein Ausrufezeichen setzen wollen, um darauf aufmerksam zu machen, dass darunter umwerfende Hüften zu einem Becken ausluden, welches an Weiblichkeit nicht das Geringste zu wünschen übrig ließ.

Und dann diese Beine.

Wow!

Ihre schiere Länge hätte zu dem Trugschluss verleiten können, dass sie unmittelbar unter den Schultern beginnen mussten. Das war glücklicherweise nicht der Fall. Bei diesem Prachtkind war alles am richtigen Platz, da war ich nahezu sicher. Um die erforderliche letzte Gewissheit zu erlangen, musste ich natürlich erst gewisse verborgenere Partien dieses märchenhaften Körpers hautnah in Augenschein nehmen. Was momentan leider noch durch einige vollkommen überflüssige Kleidungsstücke verhindert wurde.

Als sie mir jetzt vom Fenster her zulächelte, hatte sie für einen Moment etwas von der sehr jungen Cameron Diaz, über die ich ein paar Wochen zuvor einen hochinteressanten Aufsatz in der französischen Ausgabe des Fachmagazins Playboy gelesen hatte. Es war ein sehr informativer Artikel gewesen, gewissenhaft recherchiert und kompetent geschrieben. Praktischerweise ergänzt durch einzelne Hochglanzbilder, die dem Leser eine sehr viel tiefergehende Vorstellung von Gedanken, Träumen und Persönlichkeit dieser bemerkenswerten jungen Frau aus der kalifornischen Provinz vermittelten, als es trockener Text allein vermocht hätte. Eines jener Bilder war sogar so großformatig angelegt gewesen, dass man es zum Betrachten umständlich aus der Zeitschrift herausklappen musste.

Mein blonder Engel hätte sich auf einem solchen Hochglanzfaltbild bestimmt auch hervorragend gemacht.

Ich sah die Kleine an und fühlte dieses vertraute Kribbeln in meinen Fingern, die endlich etwas Handfestes zum Greifen haben wollten. Weiche Haut, duftendes Haar, feste Pobacken. Ich liebte den Griff auf beide Hälften des Sitzfleisches, mit dem man ein Becken so machtvoll an sich heranziehen konnte, dass sich das resultierende leichte Zurückfedern als harmonischer Übergang zu rhythmischen Hüftbewegungen geradezu anbot. Es war an der Zeit, diesen und andere wichtige Griffe an meiner reizenden Besucherin praktisch auszuprobieren.

Die Art, wie sie sich durch den Raum bewegte, hatte etwas schwerelos Schlenderndes und war zugleich verlockendes Anpreisen auf höchstem Niveau. Jahre zuvor hatte ich einmal bei einem Kunden aus der Industrie das Vorturnen mehrerer Dutzend bestens gewachsener junger Damen miterleben dürfen. Es war um Engagements als Messehostess gegangen, einen Knochenjob, aber spitzenmäßig bezahlt und offenbar sehr attraktiv für die Elite der lokalen Stöckelschuhgazellen. Die meisten Kandidatinnen hatten bereits Erfahrungen in ähnlichen Jobs gesammelt, die eine oder andere eventuell sogar in gewissen Etablissements mit geschlossener Gesellschaft.

Dementsprechend rasch war ich bei jener Grazienschau nicht mehr in der Verfassung gewesen, mich ohne Erregung öffentlichen Ärgernisses von meinem Stuhl zu erheben. Die perfekte Mischung aus professionellem Laufsteggehabe und kompromisslosem Zurschaustellen weiblicher Attribute hatte meinen Herzschlag schockierend in die Höhe getrieben und mich binnen kürzester Zeit für horizontale Vergnügungen jeglicher Art einsatzbereit gemacht.

Und genau diese Mischung erlebte ich nun wieder bei Blondie.

Auch sie schwebte durch den Raum wie von unsichtbaren Fäden getragen. Manchmal schien es mir, als berührte sie nicht einmal mehr den Boden. Jeden Augenblick rechnete ich damit, dass sich hinter ihrem Rücken imposante weiße Engelsflügel entfalten würden.

Im Vergleich zu den Grazien jenes Schaulaufens hatte sie freilich einen geradezu unschätzbaren Vorzug: Diesen blonden Engel hatte ich schon so gut wie im Bett. Ich musste nur noch herausfinden, wie ich den unvermeidlichen Sturmangriff am überzeugendsten kaschieren konnte.

Unversehens kam mir der Zufall zu Hilfe.

„Hach!“, japste sie plötzlich und sank unvermittelt in die Knie.

Sie befand sich ausgerechnet am anderen Ende des Raumes, doch da es sich offenkundig um einen Notfall handelte, war ich ihr mit wenigen entschlossenen Schritten beigesprungen. Sofort kniete ich neben ihr nieder und fragte besorgt:

„Was ist denn los?“

„Ach, wahrscheinlich nichts, … ich … ahhh!“

„Wo tut’s denn weh?“

„Hier… ahhh … autsch …“

Sie wies auf ihren Knöchel.

Es war ein entzückender Knöchel, den ich unbedingt eingehend untersuchen musste. Natürlich kam ich meiner Pflicht mit größter Sorgfalt nach.

„Man sieht gar nichts.“

„Vielleicht schaust du nicht richtig.“

„Eigentlich kenne ich mich mit sowas aus.“

„Glaubst du, das Bein kann gerettet werden?“

Ich lachte.

„Wäre echt schade drum. Bist du umgeknickt?“

„Weiß nicht, … da am Teppich, irgendwie …“

„Ja, da ist diese Kante. Ist man schnell dran hängengeblieben. Kannst du aufstehen?“

Sie konnte, und angeschmiegt an meine starke Schulter schaffte sie es unter tapferem Seufzen tatsächlich auf die Ledersitzecke. Leider hatte es sich bei der überstürzten Rettungsaktion nicht vermeiden lassen, dass meine Hände auch kurz über ihre Brüste, über ihre Schenkel und besonders sanft durch ihre Leisten geglitten waren. Völlig unbeabsichtigt, versteht sich.

399
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9783847646273
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